Wirtschaft


Einhundert millionen Euro, das ist doch ein angemessenes Gehalt. Er hat ja auch etwas geschafft: Der Gewinn von Porsche ist größer als der Umsatz, jubelt SpOn. Nur nicht drüber nachdenken! Die Sternschnuppen des Q-Journalismus bemühen sich auch nicht, das zu erklären, es würde nur die tolle Nachricht verwässern. Daß Gewinne aus Dividenden, Beteiligungen und Optionen nämlich quasi kostenfrei erzielt werden, ist das Geheimnis des großen Zaubers. Würde das Geld, das darin investiert ist, dem Umsatz zugeschlagen, stiege dieser entsprechend, und das Wunder wäre keins mehr. Setzt man “Gewinn” in Beziehung zum “Umsatz”, wäre das größte Wunder dadurch zu erreichen, daß gar nichts mehr produziert und der Konzern von der Substanz und dem Glück am Markt leben würde. Ich kenne den Vertrag von Herrn Wiedeking nicht, aber es könnte seinem persönlichen Einkommen durchaus zuträglich sein, genau das zu tun: Die gesamte Produktion verhökern und in den folgenden Jahren nur noch kassieren, was unter Lizenz von anderen erwirtschaftet wird.
Tendenziell ist Porsche also kein “Autobauer” mehr, sondern ein Finanzbetrieb, eine Bank. Ob dieser Sachverhalt die Beteiligungen wiederum zum “Umsatz” machen würden, entzieht sich meiner laienhaften Kenntnis. Es ist ohnehin eine akademische Frage.
Porsche hat ca. 11400 Mitarbeiter. Porsche.com nennt eine ähnliche Zahl für 2006 für den “Porsche Konzern”, während die “Porsche AG” gut 8200 hatte. Ich bin zu faul, um den Unterschied zu recherchieren. Nehmen wir die größere Zahl, dann bedeutet dies, daß jeder einzelne jährlich ca. 8800 Euro für den Chef erwirtschaftet. Nun kann man einwenden, daß die Mitarbeiter nur für den Umsatz sorgen, nicht für den Gewinn (aus der Substanz). Dies aber gilt ebenso für den Chef. Der dialektisch geschulte Wirtschaftsexperte oder wahlweise der ausgebildete Journalist wird dem entgegnen, daß die Mitarbeiter nicht für den Gewinn verantwortlich sind. Im Gegenteil: Sie sind so verzichtbar, daß sie sich jederzeit einen anderen Arbeitgeber suchen dürfen, wenn man sie nicht mehr braucht.
Was die Bezahlung der Mitarbeiter anbelangt, ist Porsche allerdings zu loben. Sogar nicht vereinbarte Sonderzahlungen kommen vor. Ganz ohne Hohn sehe ich darin ein gutes Zeichen. Andere Konzerne könnten sich davon eine gute Scheibe abschneiden.
Ich gönne Herrn Wiedeking ein hohes Gehalt, meinetwegen auch ein zu hohes. Aber 100000000 Euro sind schon nicht mehr obszön. Sie sind ein Fanal der Ungerechtigkeit.

Die Ära des Neoliberalismus geht zu Ende. Die Meisten haben es noch nicht verstanden und es wird noch einige Jahre unter heftigen Krämpfen dauern, aber die Ideologie der unkontrollierten Märkte trägt nicht mehr.
Ein wunderbares Beispiel für die Berechtigung, Hedgefonds als “Heuschrecken” zu bezeichnen, gibt die Sueddeutsche in einem Artikel über John Meriwether, der gleich zweimal mit derselben Masche groß abgeräumt und dann Milliarden in den Sand gesetzt hat. Seine Idee war nicht schlecht, und mit der angemessenen Bescheidenheit und einem Blick für realistische Verhältnisse hätte er ein kluger Mann sein können. Seine Unersättlichkeit und die Dummheit des Marktes haben statdessen zu kleinen Katastrophen geführt. Das Problem ist dabei recht einfach: Das Verhältnis von Eigenkapital und Kreditaufnahme ist abenteuerlich, man berauscht sich am Erfolg, solange weiteres Kapital zufließt und die Prognosen halbwegs zutreffen. Wer sich aber wundert, daß die Märkte ab und an in ene Schieflage geraten und die schönen Regeln der Kunst, nach denen man Profite macht, einmal außer Kraft geraten, sollte besser die Finger vom Geld anderer Leute lassen.
Flankiert wird das Treiben dieser Hasardeure von den immer gleichen Phänomenen: Eine Flucht vor jeder Aufsicht, völlige Verantwortungslosigkeit und ein “Optimisums” der Anleger, hinter dem die blanke Gier steckt. Solche Spekulanten lassen sich nicht bremsen, zahlen äußerst ungern Steuern und sind nicht haftbar, wenn es schiefgeht. Sie verhehlen das “Risiko” nicht, zerreden es aber gern und locken mit Renditeversprechen, gegen die ein Banküberfall zu ertragsarm aussieht.
Diese Art von Geschäft geht inzwischen zu oft schief, es profitieren zu wenige davon und die Folgen sind zu schwerwiegend. Deshalb ist die Finanzwelt selbst nicht mehr so begeistert von derartigem. Das ihre “Selbstkontrolle” völlig versagt hat, zuletzt auch noch die Ratingagenturen, kann ihnen selbst nicht gefallen. Diese niederschmetternde Erkenntnis ist tödliches Gift für den Neoliberalismus, denn die Frage ist nicht mehr, ob man die Märkte kontrolliert, sondern nur noch wie. Ein weiterer Schritt wird folgen, der vor allem Deutschland zum Umdenken zwingen wird: Der Vorrang der Exportwirtschaft vor dem Binnenmarkt und die damit verbundende Ideoligie der Kostensenkungen wird sich als fatal erweisen. Aber das ist noch ein anderes Kapitel. Derzeit entfaltet sich ein weiteres Problemfeld, das Lösungen weit jenseits einiger halbgarer Eingriffe in Finanztransaktionen verlangt. Der Kapitalismus wird zum weltweiten Problem, weil er unmittelbar kontraproduktiv wird. Das Geschäft mit Produkten weicht dem mit dem Mangel, es ist profitabler, mit Dingen zu handeln, die man nicht braucht, als selbst etwas zu verarbeiten. Das betrifft die essenziellen Rohstoffe, Nahrungsmittel und Energie. Ein Markt, in dem sich Gewinne machen lassen, indem man den Bedürftigen das Zeug wegkauft, ist blanker Irrsinn, aber sehr im Trend. Die “Bedürftigen” sind hierbei gleichermaßen Hungernde und die produzierende Industrie. Wer investiert noch in Produktion, wenn die Produzenten auf der anderen Seite eines erpresserischen Deals stehen und man sich ganz legal auf die Seite der Gewinner schlagen kann? Wer Öl kaufen kann und keines braucht, ist ein gemachter Mann. Wer satt ist und tonnenweise Nahrungsmittel kauft, darf guten Profit erwarten. Es gibt mittelfristig kaum aussichtsreichere Anlagen, und die weltweite Infrastruktur hat keine Chance, rechtzeitig zu reagieren. Anders ausgedrückt: Die Nachfrage kann nicht so schnell sinken, wie die Preise steigen. Das treibt noch mehr Geld in die destruktive Mangelwirtschaft.
Was “Anleger” dabei ganz selbstverständlich tun, wird in der Jurisprudenz als niedriger Beweggrund eingestuft. Es ist die Habgier des nichtsüchtigen Dealers, der den Tod anderer billigend in Kauf nimmt.
Das weiß der “Anleger” oft gar nicht, der vielleicht ein bißchen Geld in Aktienfonds anlegt, um für schwere Zeiten zu sparen. Es steht ja nicht auf jeder Brötchentüte, welche Folgen dieses Investment hat. Wer glaubt, die Bankenkrise sei ein Problem, darf sich angesichts des Kommenden warm anziehen – im wahrsten Wortsinne..
In Zukunft wird nicht mehr nur der Neoliberalismus infrage stehen, sondern viele liebgewonnene Errungenschaften der Marktwirtschaft, die sich als Auswüchse eines wahrhaft häßlichen Kapitalismus erweisen werden. Der klassische Sozialismus und der Ruf nach diesem ist dann nur die zweitdümmste Antwort auf die zu bewältigenden Probleme. Ein “Weiter so” und “freie Fahrt für freie Märkte”, das wir uns heute noch täglich anhören müssen, ist das mit Abstand Dümmste, das einem dazu einfallen kann.

Sueddeutsche.de (als Beispiel von vielen) erwähnt die DGB-Studie zur (Un-)Zufriedenheit deutscher Arbeitnehmer mit ihren Jobs und die routinierte Vorabantwort des Gesamtmetallchefs Kannegiesser darauf. Was Kannegiesser zu sagen hat, ist eigentlich keiner Erwähnung wert, aber er ist eben der Kannegiesser. Als solcher spricht er von “Schwarzmalerei” und “Zerrbild”. Same procedure as every day, wie zum Beispiel schon im April und im Mai und überhaupt. Schwarzmalerei, Zerrbild, Negativkampagne – aus diesen Versatzstücken entstehen alle seine Kommentare zur Wirklichkeit, die sich partout nicht den blühenden Landschaften der INSM-Romane fügen will. Der Realitätsverlust des Fürsten der neoliberalen Propaganda ist nachvollziehbar, weiß er doch: Schlecht bezahlte Arbeit unter miesen Bedingungen nützt der Wirtschaft und kann daher nur gut sein. Und als jemand, der täglich die Medien mit den Ergüssen seiner Sicktanks vollspammt, weiß er: Alles ist Kampagne. Wer ihn mit einer Wirklichkeit konfrontiert, die er nicht selbst definiert hat, schadet dem Standort Deutschland.
Normalerweise macht man einen Schacht zu, wenn so gar nichts Brauchbares mehr zutage kommt. Bei Kannegiessers ist das freilich anders: Hier spricht das taube Gestein höchstselbst.

Vor einem Jahr noch träumte die ProSiebenSat.1-Gruppe nach der Übernahme der SBS Broadcasting Group von Gewinnmargen zwischen 25 und 30 Prozent. Der Geniestreich, mit dem das gelingen sollte: Leute rausschmeißen und ein Programm anbieten, das sich quasi selbst produziert.
Ich habe das damals angemessen kommentiert, die Gewinnaussichten als “Augenwischerei” bezeichnet und als “Aufforderung zur Bilanzfälschung”. Naiv wie ich bin, dachte ich, so etwas sei nötig. Die Investoren haben aber eine andere Lösung gefunden: Ihre Ankündigungen sollte andere Gierschlunde bzw. deren Geld anlocken, es war aber nie daran gedacht worden, die Versprechungen einzulösen. Sie gehen jetzt hin und zahlen sich eine Riesendividende aus, die durch Umsatz und Gewinn bei weitem nicht gerechtfertigt ist. Ich bin kein Jurist und verstehe deshalb nicht, warum das keine Untreue ist, aber in solch hohen Kreisen gilt ja oft als “clever”, was woanders schlicht “kriminell” ist.
Die Heuschrecken fressen auch noch ihre eigenen Kauwerkzeuge auf. Wer wird in Zukunft noch jemandem glauben, der Gewinne ankündigt, Schulden hinterläßt und vor dem Absaufen des Kahns noch das Tafelsilber in die Rettungsboote wirft? Immerhin haben sie inzwischen gemerkt, daß es ganz ohne Nachrichtensendung nicht geht. Wo sollten sonst noch die albernen Versuche stattfinden, diese sauberen Herren reinzuwaschen?

Die Financial Times Deutschland rechnet mit den “Nervensägen” ab, die den Abschwung herbeireden, um ihre Lehre zu verbreiten. Die Zeichen mehren sich, daß der Neoliberalismus auf dem Rückmarsch ist. Gegen öffentliche Kritik ist er nämlich machtlos.

In einem von der Sueddeutschen moderierten Gespräch zwischen Michael Hüther und Gustav Horn äußert der “Botschafter der INSM” sich u.a. zur “Umverteilung”:

Hüther: Wir haben doch schon eine hoch wirksame Umverteilung! Die oberen zehn Prozent der Einkommenssteuerzahler zahlen 55 Prozent des gesamten Steueraufkommens, die unteren 25 Prozent gerade einmal 0,3 Prozent! Das gibt es nichts nachzujustieren.

Horn: Die Anteile der Steuern kommen ja dadurch zustande, weil die Einkommen so hoch sind.

Hüther: Als Ökonom kann ich mich nicht zu Verteilungszielen äußern. Die gibt die Gesellschaft vor. Ich kann nur auf die Folgen hinweisen: Alles würde darauf hinauslaufen, den Spitzensteuersatz von momentan 45 Prozent wieder anzuheben – das ist mit Blick auf die internationale Wettbewerbssituation kontraproduktiv.

Zuerst suggeriert Hüther mit vollem Ernst, die Einkommen würden in der BRD von oben nach unten verteilt. Diese Propaganda hält er wohl für seinen Job, weshalb die SZ ihn zurecht als “Botschafter” tituliert. Er stellt sodann fix fest, daß eine (weitere) Umverteilung in diese Richtung nicht stattzufinden habe. Diesen Unsinn zerlegt Kollege Horn mit einem einzigen Satz. Dem hat Hüther offenbar nichts substanzielles entgegenzusetzen, also probt er den Salto rückwärts. Er könne sich nicht zu Verteilungszielen äußern, äußert er, obwohl er sich Sekunden zuvor eindeutig dazu geäußert hat. Im Nachspann kommt dann ganz überraschend und kompetent das Argument der “internationalen Wettbewerbssituation”. Klar, bevor jemand in Deutschland Steuern zahlt, schmeißt er den Job hin und sucht sich einen in Burkina Faso.
Im Gegensatz zu Hüther kämpft Horn mit offenem Visier und öffnet den Blick für soziale Auswirkungen wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, wo Hüther sich hinter dem Status des “Ökonomen” versteckt, der angeblich solche Gedanken nicht zu denken hat. Fragt sich allerdings, wie man diesen “Experten” noch zu solchen Themen befragen kann.
So sieht das meistens aus, wenn die INSM argumentiert. Höchst erfreulich, wenn Quacksalbern wie Hüther jemand gegenüber sitzt, der auf dessen Propaganda etwas erwidern kann und von dieser Möglichkeit auch Gebrauch macht.

[update:] Wie Herr Hüther sich nicht zur Umverteilung äußert, dazu hier ein weiteres Beispiel.

Die GdL hat noch nicht genug gestreikt. Nachdem allen Versprechungen zum Trotz – nicht zuletzt solchen des seinerzeitigen Transnet-Chefs Hansen – eine schleichende Vollprivatisierung ins Rollen gebracht wurde, sollen dem Konzern schon bald die ersten Scheiben abgeschnitten werden. Durch die Gründung von Tochtergesellschaften werden bestehende Tarifvereinbarungen unterwandert. Und das ist längst nicht alles: Die Regionalisierung wird mehr und weniger einträgliche Tochtergesellschaften hervorbringen. Die weniger einträglichen werden die auf dem Land (“in der Fläche”) sein. Selbige werden dann abgewickelt, Strecken stillgelegt. Die Bahn und ihre Aktionäre wollen Gewinne. Wie Menschen von A nach B kommen, ist in Zukunft wurscht. Soll die Oma sich doch ein Taxi in die nächste Stadt nehmen!
Nun schickt Mehdorn ausgerechnet den ausgewiesenen Verräter Hansen vor und läßt ihn erklären:
Es wird unter meiner Verantwortung keine Tarifflucht geben.“
Das ist dann wohl sein Ehrenwort. Rette sich, wer kann! Nicht jeder Charakterdäumling endet in einer Badewanne, und bei aller Friedfertigkeit kann man das in Einzelfällen durchaus bedauern.

“Unverfroren das Gleis gewechselt” habe Norbert Hansen, meint Stephan Börnecke bei FR-online. Dabei wertet er die Fakten nicht immer sauber aus:
Er hat vor allem, und das geht uns alle als Bahnkunden an, eine undurchsichtige Rolle bei der Privatisierung der Bahn gespielt. Die DGB-Gewerkschaften sind aus Gründen der Jobsicherung und vor allem im Interesse einer Bürgerbahn gegen die Börsenstrategie. Nur einer nicht, und der heißt Hansen. Der war sogar, Arm in Arm mit Mehdorn, Betreiber des Kapitalgangs.
Mann, Börnecke, wenn das keine Jobsicherung war, was dann? Hansen bekommt das, was er sich verdient hat, einen sicheren Job, von dem er zwar nichts versteht, der aber seine Zukunft auch dann sichert, wenn er wieder rausfliegt. Die anderen sind selbst schuld, wenn sie zu kurz kommen.
Fazit: Eine weitere gekaufte Pfeife, die am Bahnsteig trillert, wenn Mehdorn bläst. That’s Business made in Germany.

Wolfgang Hirn (no joke) und Henrik Müller vom manager-magazin machen sich Sorgen um das System. Ich könnte die zehn Zitate des Tages daraus ziehen. Chapeau!

Dies sei “unser Interesse”, meint Siemens-Chef Peter Löscher. Klar. Außerdem Frieden, Wohlstand, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft, Großzügigkeit, Respekt und Würde. Worum geht es? Um eine Auszeichnung für fairen Handel? Den Friedensnobelpreis? Freiwillige Steuerzahlungen?
Nein, es geht um einen Korruptionsskandal gewaltigen Ausmaßes und um eine Firma, die völlig durchseucht ist. Für die spricht Herr Löscher mit diesen Worten.
Es ist bemerkenswert, wie meist solche die hehren Güter im Munde führen, bei denen man vor lauter Scheiße den Stecken nicht mehr sieht.

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