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Oktober 2013


Ich bin noch nicht ganz in der Form, wieder zusammenhängende Gedanken in längere Texte zu fassen. Daher hole ich noch einmal einen Artikel hoch über ein Highlight des neoliberalen Irrsinns, die Hymne “Wirtschaft ohne Konsum”. Interessant finde ich im Rückblick auch, dass Sinns Selbstbeweihräucherung und seine schalen Ausreden wie immer mit der falschen Analyse einhergehen. In dem unten verlinkten Artikel in der FAZ redet er die Krise klein und sieht selbstverständlich weder eine Eurokrise aufziehen noch eine sogenannte “Staatsschuldenkrise”, die unmittelbar bevorstand.

Hans-Werner Sinn hält sich noch immer für berufen, dem Volk und der Welt zu erklären, was es zu denken habe. Es gibt keinen Bereich des öffentlichen Lebens, in den er sich nicht einmischt. dass er als Hobbyhistoriker ein antisemitischer Propagandist ist, ist eine Sache. dass er als Ökonom ein Totalausfall ist, eine andere. Jetzt geriert er sich auch noch als Umweltpolitiker.

Die “Prinzipien”, nach denen er vorgeht, sind recht einfach: Er spricht grundsätzlich aus Sicht eines neoliberalen Lobbyisten und biegt sich die Wirklichkeit so zurecht, wie sie ihm paßt. So will ausgerechnet er schon immer gewusst haben, wie gefährlich die “Öffnung der Finanzmärkte” war. Zwei Gründe nennt er dafür:

Schon 1977(!) habe er in seiner Dissertation “die Analyse der überhöhten Risikobereitschaft, die durch zu geringes Eigenkapital verursacht wird” geleistet. Damit war dann wohl alles gesagt, wir hätten nur vor, sagen wir, zehn Jahren, seine Arbeit lesen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen müssen. Im Gegensatz zu ihm.
Der zweite Beleg für seine Allwissenheit ist sein Schweigen. Er hat immer alles gewußt, nur nichts verraten:

Alles gewusst, nur nichts verraten

Gedacht schon, aber keiner wollte die Krise herbeireden. Ich selbst bin seit langem überzeugt, dass die Regulierung zu lasch ist.

Wenn Sinn immer von dem schweigt, was er eigentlich denkt und dann das Gegenteil sagt, wird mir einiges klarer. Der Kampf gegen Windräder ist sein jüngstes und durchaus passendes Projekt. Kernkraft ist besser. Natürlich denkt er heute bereits an die unmögliche Endlagerung und die Risiken, sowie das nackte Grauen eines möglichen GAUs. Das wird er dann souverän offenlegen, wenn es dazu kommt.

Auch die Krise, die durch die Monopolisierung der Stromwirtschaft vorangetrieben wird, ist ihm völlig gewahr. Er weiß, dass nur die Großen der Branche AKWs betreiben können. Sein Setzen auf dieses tote Gleis der Energiegewinnung ist in Wirklichkeit die weise Einsicht, dass man aussteigen sollte. Dies teilt er dann mit, wenn keiner mehr seine Stromrechnung bezahlen kann.

Ganz auf der Höhe des verzweifelten Agendasettings der kapitalistischen Lohndrücker weiß er sich mit Karl Lauterbach in einem Boot: “Autos kaufen Autos”, wissen die beiden, und sind vermutlich schon bei der Mofaprüfung vor die Ampel gefahren. Da Sinn nicht links sein muß, kann er noch haltloser daherschwätzen:

Doch leider ist das Kaufkraftargument schon aus logischen Gründen falsch: Eine Lohnerhöhung ist eine Gewinnsenkung, und so wie Lohnerhöhungen die Kaufkraft der Arbeitnehmer erhöhen, senken sie jene der Arbeitgeber. Die bestehende Kaufkraft wird also nur anders verteilt. Zwar steigt der Konsum der Arbeitnehmer, wenn bei gegebener Beschäftigung mehr Lohn gezahlt wird. Doch nimmt die Investitionsneigung ab, weil die Lohnerhöhung viele potenzielle Investitionsprojekte unter die Rentabilitätsschwelle drückt, und das verringert die Nachfrage.”

“Eine Lohnerhöhung ist eine Gewinnsenkung.”

Wer sich solcher Sätze erblödet, mag in einer Talkshow gern gesehen sein. Sich dann aber “Ökonom” zu nennen, zeugt von einer ungeheuren Chuzpe. Dieser Satz ist nur dann richtig, wenn man ihn so doof wie möglich interpretiert, im Sinne von “Was ich ausgebe, ist weg”. Jede andere Sichtweise, jede noch so kleine Differenzierung, führt zu anderen Schlüssen. Etwa zu dem, dass es auch noch ein Folgequartal gibt, in dem die Produktivität von der Qualität der Arbeit abhängt. Etwa von der Möglichkeit, Produkte nicht nur herzustellen, sondern sie auch abzusetzen.

Das folgende Lamento bezüglich “Konsum” versus “Investition” ist blanker Nonsens, Gefasel im Luftleeren Raum. Um letztendlich zu bestimmen, ob Lohnerhöhungen Investitionen verhindern, muss man Zahlen haben. Das ist allgemein nicht in gültiger Weise zu formulieren.
Man kann höchstens spekulieren, wogegen ich nichts habe. Dann aber kann man feststellen, dass Lohnerhöhungen auf breiter Basis, vor allem im unteren bis mittleren Einkommensbereich, unmittelbar zu höherem Konsum führen, der wiederum äußerst willkommen ist in einem ewig schwächelnden Binnenmarkt.

Investitionshemmend wirken sich höhere Löhne hingegen dann aus, wenn der Gewinn zu gering ist, um noch investieren zu können. In weiten Bereichen der deutschen Wirtschaft kann davon nicht die Rede sein. Die Kassen sind voll. Allerdings sind es meist die der Shareholder, die gar nicht investieren wollen. Ein wirkliches Investitionshemmnis besteht in den irrsinnigen Renditeversprechen der letzte Jahre. Wer so abkassieren will, ist an keiner Zukunft interessiert. “Investition” bedeutet dann nur das Abgrasen der nächsten Wiese. Es läuft aber immer auf dasselbe hinaus: Löhne runter, damit hier genau so große Gewinne möglich sind wie Ausland. Löhne runter, damit investiert werden kann. Gewinne nicht schmälern.

“Konsum ist schädlich”

Eine Gesellschaft, die im Verhältnis zu ihrer gesamtwirtschaftlichen Produktivität niedrige Löhne hat und die dementsprechend dauerhaft einen höheren Prozentsatz ihres Sozialprodukts investiert und einen kleineren Prozentsatz konsumiert, baut ihre Produktionskapazität schneller auf und wächst deshalb schneller.”
Auch das ist blanker Unsinn, weil es den einbrechenden Absatz nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie die Tatsache, dass Gewinne eben nicht zu stabilen Investitionen geführt haben.

Einen noch, mir ist selbst schon schlecht:
Konsum ist schädlich für das wirtschaftliche Wachstum und unnötig für die Konjunktur. Der derzeitige Boom der deutschen Wirtschaft ist der beste Beweis dafür, dass es für eine gute Konjunktur auf eine sofortige Erhöhung der Konsumgüternachfrage gar nicht ankommt.

Dieser unfassbare Schwachsinn stammt von einem deutschen Wirtschaftsprofessor. Schon die Behauptung ist so abseitig, dass jeder Hirninhaber innegehalten hätte, anstatt dafür auch noch Gründe zu suchen. Sinn hingegen gelingt es, so zu argumentieren. Er glaubt tatsächlich, es gebe Konjunktur ohne Konsum. Der Gartenzwerg, der uns ewig das Lied der “Globalisierung” gesungen hat, damit hier die Löhne gesenkt werden, kapiert nicht, dass der Konsum im Ausland auch einer ist. Er kapiert nicht, dass sich diese Schuld just zu rächen beginnt. Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass dieser Mann gar nicht der sinistre Ideologe ist, für den ihn viele halten. Er ist vielmehr von erschreckend schlichtem Gemüt.

 
ausbwelt.jpgDie sogenannte “Zeitung” “die Welt”, äußerste jüngst die Ansicht, der Lohnempfänger müsse “länger arbeiten, weniger Rente beziehen“. Dies ist nur die Krone einer Entwicklung, die Lohnabhängigen nicht einmal mehr den Status von Sklaven zubilligt. Die mussten nämlich zumindest durchgefüttert werden, während der immer mehr für immer weniger arbeitende “Angestellte” nur einen Lohn mitnimmt, der dazu ggf. nicht einmal ausreicht.

Dass es soweit kommt, dass sie sich das trauen, ist nicht allein durch sogenannte “Krisen” zu erklären oder die Macht des Kapitals. Das muss man sich erst mal bieten lassen – massenhaft und ohne auch nur den Verdacht zu erwecken, man könnte sich gegen solche Ungerechtigkeit auflehnen. Es ist auch nicht allein durch korrupte Gewerkschaften zu erklären, die Teil eines Systems sind, in dem die Mehrheit der Menschen eher um Demütigung zu betteln scheint als sich zu wehren.

Faul, unwert, zu teuer

Lassen wir einmal die Zahlen beiseite, die Produktivitätsentwicklung, die dazu geführt hat, dass heute von einer Handvoll Arbeiter mehr geschafft wird als früher von ganzen Brigaden. Sparen wir uns sogar noch die Diskussion darüber, warum alles, was da mehr geschafft wird, bei Aktionären und Eigentümern hängen bleibt und seit Jahrzehnten praktisch nichts davon bei den Lohnempfängern ankommt. Fokussieren wir also nur darauf, was die Arbeiterschaft davon in der öffentlichen Wahrnehmung hat.

Da sind zunächst einmal diejenigen zu nennen, die nicht mehr dabei sind, die aus dem Prozess herausfallen, weil sie nicht (mehr) gebraucht werden. Selbst in Deutschland, der Insel der Glückseligen, sind das seit Jahrzehnten Millionen. Die gelten per se als faul, schuldig, unwert. In Südeuropa sind das inzwischen die Hälfte aller Menschen und zwei Drittel der unter 30 Jährigen. Man wirft ihnen selbst verschuldete Nutzlosigkeit vor; als könnten sie sich “Arbeitsplätze” durch reine Willenskraft erschaffen.

Schauen wir uns dann diejenigen an, die schaffen; und zwar Wert und zwar hauptsächlich für andere (sogenannte “Arbeitgeber”): Was haben die davon, dass sie immer schneller immer mehr für immer weniger Geld produzieren? Dankt man es ihnen? Sind das diejenigen, die als “Leistungsträger” hochgeschätzt und hofiert werden? Nein. “Leistungsträger”, das ist die offizielle Folgeversion von “Besserverdiener” als Label für die FDP und ihre Klientel. Das sind die, die nach dem Motto “Jeder kriegt, was er verdient” eben die Sonnenseite erwischt haben.

Kein Ende in Sicht

Die Leistung der Lohnabhängigen unterhalb einer Gehaltshöhe, die kaum mehr wer erreicht, zählt nichts. Gar nichts. Sie können davon kein Eigentum erwerben, keinen Grund, kein Haus, keine Ruhe und immer öfter nicht einmal eine Rente. Und weil sie derart ausgebeutet werden, dichtet man ihnen an, sie seien immer zu teuer, zu schlecht, ein Klotz am Bein im Wettbewerb. Es ist kein Ende in Sicht, es scheint niemals besser zu werden, man muss ewig ackern und wird niemals ernten. Deshalb buckeln sie immer tiefer, hecheln immer schneller und sagen am Ende des Tages noch “Danke” zu ihren Herren. Die Schuld für die Misere suchen sie derweil bei ihresgleichen, denen, die eben nicht mehr “verdienen”.

Wenn ihre Restvertretung, die zahmen Abnicker von den Gewerkschaften, einmal Lohnerhöhungen über dem Inflationsniveau fordert, dann werden sie als “Anspruchsteller” und “Besitzstandwahrer” diffamiert, als seien sie es, die gegen jeden Anstand immer mehr Rendite stehlen. Die Medienkonzerne, selbst Unternehmen, die sich von der Arbeit anderer nähren, kennen keinen Respekt vor der Arbeiterschaft. Und weil sie eben die Meinungen verbreiten und die Stimmung machen, klagt der Arbeiter am Ende sich selbst an, denn er will kein Anspruchsteller sein.

Tatsächlich ist das ein Problem, denn Ansprüche zu stellen hieße zu erkennen, dass man welche hat. Ja, ihr habt Ansprüche. Es ist euer Land, eure Arbeit, euer Leben. Das gehört euch, und zwar alles. Wenn ihr so nobel seid, davon diejenigen, denen es schon gut geht, die meist schon reich geboren wurden, weiter mitzutragen, dann ist das recht selbstlos. Wenn sie euch aber auch noch nehmen, was ihr zum Leben braucht, nachdem ihr ihnen schon alles andere gegeben habt, worauf wartet ihr dann noch? Holt es euch zurück! Denn das, nicht weniger, ist euer Anspruch.

 
Aus aktuellem Anlass eine Zweitverwertung aus 2008:

Wo ist hier bloß der Ausgang? Ein neues lustiges Spiel der willigen Feuerwehr geht so: Man geht mit einem großen Kanister Brandbeschleuniger in ein Gebäude, in dem ein kleiner Schwelbrand ausgebrochen ist. Der Kanister wird vollständig am Brandherd entleert. Das Gebäude darf nicht durch den Eingang verlassen werden. Sodann sucht man nach einem Notausgang. Wenn dieser sich nicht findet, schickt man mehr Leute hinein und berät, wie man sie wieder hinaus bekommt. Für jeden, der das nicht überlebt, werden zwei neue hinein geschickt.

So blöd ist nicht mal die freiwillige Feuerwehr Eifel-Südost morgens um 5 nach der Frühjahrskirmes. Deutsche Strategen und ihre Freunde von der Achse der guten Hoffnung sehr wohl. Während CSU-Ramsauer sich immerhin erfolglos Gedanken macht, steht das außenpolitische Großgenie von Klaeden vor der Tür und sieht zu, dass keiner sich feige aus dem kollabierenden Haus macht:

Von Bagdhad nach Kabul

Die einzige Rückzugsstrategie, die wir haben, ist unser Erfolg in Afghanistan“, sagt er.
Ersetzen Sie “Afghanistan” durch “Stalingrad”, und Sie erkennen die überlegene militärische Haltung, die sich da offenbart.
Aber erst wenn Afghanistan über selbsttragende Stabilität verfügt, können die Truppen abgezogen werden“;
Wenn wir die Menschen in Afghanistan wieder wie nach dem Abzug der Sowjets im Jahr 1989 im Stich lassen, wären die Gefahren für unsere Sicherheit noch weit größer als vor dem 11. September 2001.”

Vergessen wir einen Moment die grammatikalische und historische Verwirrung, die der Mann da stiftet – “Wir” haben nicht mit den Sowjets gekämpft oder jemanden im Stich gelassen, “wir” haben die Mudschahedin unterstützt und gepäppelt. Das Volk war “uns”, dem Westen, wurscht, “wir” wollten um jeden Preis die Sowjets loswerden. Das hat auch prima geklappt.

Was stimmt: Seitdem die Russen abgezogen sind, in den letzten 20 Jahren also, ist Afghanistan instabil. So wie dutzende anderer Staaten und Gebiete anderswo. In Afghanistan soll jetzt Ordnung geschaffen werden. Wie, mit wem, was, das sind Fragen, die “wir” mit einem Achselzucken beantworten. Von Klaeden weiß, dass die Terroristen aus Afghanistan kommen. Sie kommen zu uns und töten uns alle, wie schon am Dooms Day 2001. Das hat ihm der Teufel verraten, und den treibt er uns aus. Wenn nur ein verwirrter bayerischer Parteifreund öffentlich darüber nachdenkt, ob es denn auch ein Ende des Krieges geben darf, liest er ihm die Leviten.

Der Lobbyist

Dieser hanebüchene Irrsinn ist für jeden Verstand, der noch ein “Ping” absetzen kann, so unzugänglich, dass mir jede Idee für eine Analyse fehlt. Vielleicht ist von Klaeden ein Gnostiker, der durch ein Wurmloch ins 20. Jahrhundert gekrabbelt ist und dort spontan mit einer Krawatte fusionierte. Der wohl untalentierteste Außenpolitiker seit Carl Ranseyer versucht seit seiner Erweckung, das “Wir” in uns allen als Erlösung aus dem “Ich” virtuos in politische Ahnunglosigkeit zu transformieren. Das gelingt ihm so unnachahmlich, dass er das Zeug zum Guru hat. Muss er aber als Abgeordneter und Funktionär der Politeska wirklich öffentlich zitiert werden? Ich hätte da eine bessere Idee:

Gebt dem Mann eine Insel, auf der er mit Zombies seinesgleichen den Hirntod bei intakten Körperfunktionen zelebrieren kann, lasst ihn teure Nahrungsmittel und saubere Luft verbrauchen, aber verschont mich doch mit seinem unerträglichen Gelalle, BITTE!

Eckart von Klaeden ist im Vorstand der “Atlantikbrücke”, Mitglied im Beirat der “Atlantischen Initiative” und ehemaliges Mitglied im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages, also in denselben Zirkeln wie die führenden Grünen. Die pastorale Ansprache übernimmt inzwischen der Präsident® Die FR meinte kürzlich, er wechsele “aus dem Zentrum der Macht zu Daimler“, da hat wohl wer etwas verwechselt.

 
notmygauckWas wir einen “Bundespräsidenten” zu nennen uns schämen dürfen, pendelt zwischen den Ruinen einer brachialen Rhetorik, dem Geist des Stahlhelms und den Wirrungen einer manifesten Psychose. Aus seiner aktuellen Rede zitiere ich den letzten Absatz, das geht ab wie Salzwasser:

Wir, zusammen einzigartig, schauen uns an diesem Festtag um. Wir sehen, was uns in schwierigen Zeiten gelungen ist. Und wir sind dankbar für all das, was gewachsen ist. Und eine Verheißung kann uns zur Gewissheit werden: Wir müssen glauben, was wir konnten. Dann werden wir können, woran wir glauben.

Nein, tun wir nicht. Die ersten drei Wörter sind schon eine Zumutung aus schaler Suggestion, desolater Grammatik und völkischem Dung. Das braucht kein Mensch. “Wir” sind gar nichts, und wenn ihm danach ist, für etwas Gewachsenes einen Kollektivdank zu entbieten, dann soll er zum Erntedank in seine gottverdummte Kirche gehen. Vielleicht hat er ja die Reden verwechselt.

Das “Wir” lasse ich dann einmal aus. Ich will kein “Wir” sein mit diesem widerlichen Menschen und seiner Ideologie. “Verheißung zur Gewissheit” – welch ein Pomp, welch billige Sprachbilder riefenstahlscher Dimension, und das verquirlt diese losgelassene Lallbacke mit “glauben, was wir konnten“?! Hä? Etwas, das in der Vergangenheit liegt, kann man wissen und beurteilen. Der Pfaffe aber, der Folgsamkeit und Unwissen sät, ruft stattdessen zum Glauben auf. Den an die Nation übrigens. Woher kenne ich das bloß?

Großmächtiger Einpeitscher

“Dann” wenn wir also glauben, was wir besser wissen sollten, können wir etwas? Nämlich “können, woran wir glauben“? Ist da irgendwo eine Logik, die das “wenn” mit dem “dann” verbindet, die Basiskonstellation aller Logik? Ja wie denn? Fehlanzeige. Dafür ist er nämlich da, der “Glaube”. Der hat übrigens gar nichts am Zettel mit wenn-dann oder Können, er steht ganz im Schatten der völkisch-nationalen “Verheißung”, einer Sprechblase, die mystischen Mumpitz an die Stelle kritischer Reflexion setzt.

Dies ist nur ein Absatz aus einer Rede, in deren Atmosphäre sich wie geölt “Engagement” und “Verantwortung” sagen lässt, wo jeweils “Krieg” gemeint ist. Seinen Neusprech hat der Einpeitscher wie immer großzügig über die Zeilen verteilt.

In den Kommentaren sagte ich heute: Der oberste Pfaffe als polternder Demagoge, genau so habe ich mir das vorgestellt. Als ich mich über die Köhler-Rede geärgert habe, dachte ich nicht, dass der Mann gleich zurücktritt. Als Wulff auf den Sessel gehievt wurde, schickte sich ein gemütlicher, vergleichsweise ungefährlicher Spießer an, den Grüßaugust zu geben. Dann kamen die Grünen mit ihren NATO-Christen und haben uns diese aggressive deutschnationale Variante beschert. Einen schneidigen Pfaffen als Einpeitscher für Großmachtsambitionen – im Rahmen marktkonformer Demokratie, versteht sich.

 
Der Deutsche – vermutlich nicht nur der, aber er immer wieder, braucht Autoritäten. Das wurde zuletzt aufs Schmerzlichste deutlich, als sogenannte “Mutti” gewählt wurde, weil wir sie “kennen”. Ein Stock mit Hut täte es auch. Man wählt die Autorität nicht ab, zweifelt sie nicht an, steht hinter ihr und ist bereit “Aufgaben zu erfüllen”. “Leistung zu erbringen”, Befehle auszuführen.

Wir hatten nach dem Krieg Adenauer, der mit den Generalitäten reden durfte – trotz alledem. Er, seine Globkes, Straußens und Erhards haben uns gut geführt. Letzterer hatte das Problem, dass die Altautorität ihn nicht segnete. Das ist verwirrend für die Deutschen. Dann verließ ihn auch noch die FDP. Die Große Koalition 1966 war ein seltsamer Unfall, brachte zwar wieder einen mit Potential ans Ruder, ein reingewascher NSDAP-Mann, aber die Zeit lief gegen ihn, und eine Große Koalition ist dem Deutschen erst recht zu verwirrend, wenn dort nicht jemand eindeutig Herr im Hause ist. Dazu reichte es bei Kiesinger nicht.

Der unpassende Kanzler

Überspringen wir kurz den Protagonisten. Nach ihm kann Oberleutnant Schmidt an die Macht, der sich Meriten als Herrscher von Hamburg verdient hatte, autokratischer und erfolgreicher Manager der “Flut”. Schmidt ist bis heute (zumindest für Schmidt, und das strahlt aus) die Autorität in Deutschland. Ihm folgte die “geistig-moralische Wende” hin zu Pascha Kohl, dem Basta-Schröder folgte. Dann kam “Mutti”, durch alle Reihen geschlüpft und nicht wieder loszuwerden.

In diese Reihe von Obrigkeiten, die vielleicht respektiert wurden, vor allem aber als solche über Staat und Volk thronten, passt Willy Brandt nicht so recht hinein. Wie konnte es passieren, dass einer, der öffentlich auf die Knie fällt, sein Leben genießt, Frieden mit dem Feind schließt und “mehr Demokratie” verspricht, Bundeskanzler wurde? Obendrein einer, der von seinen Anhängern nicht (nur) respektiert wurde, sondern verehrt.

Brandt hat das Zeitfenster erwischt, als Deutschland beinahe demokratisch wurde. Das hatte nach gängiger Geschichtsschreibung damit zu tun, dass die Jugend mehr Freiheit und Mitbestimmung forderte, dass die Stellung zwischen Weltkrieg und Kaltem Krieg sowieso ein “Nie wieder” forderte. Freiheit war das große Thema der Zeit, von Prag über Washington und Paris bis Berlin. Menschen forderten ihre Regierungen heraus, wegen Vietnam, Faschismus, Stalinismus. Es war ein lauter Generationenwechsel.

Zu hohe Ansprüche

Konnte das aber wirklich die Westeutschen dazu bringen, sich zur Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte und ihrer Verantwortung für ihre Gesellschaft verführen zu lassen? Zunächst scheinbar schon. Im Kampf der Generationen stellte sich die Mehrheit auf die Seite des Wandels, gegen die Restauration. Dafür gab es gute Gründe: Die Deutschen waren nämlich für einen Wimpernschlag ein Volk von Anspruchsstellern.

Die Erzählung vom Wirtschaftswunder und ihrer Leistung hatte sie selbstsicher gemacht. Sie hatten sich etwas erarbeitet. Es war ihr Staat, ihre Gesellschaft, ihre Wirtschaft, an deren Wachstum sie teilhatten. Die Löhne stiegen, die Ansprüche auch, und dann kam dieser Kanzler, der nicht von oben herab schaute, sondern einer von ihnen war. Er war nicht Geheimrat und nicht Offizier, sondern “der Willy”.

Willy wurde bald aus dem Amt intrigiert. Zu vielen gefiel dieser Stil nicht. Das Volk braucht Führung, wusste und weiß niemand besser als Helmut Schmidt, der ihn bereitwillig beerbte. Es war kein Problem, ihn zu akzeptieren, die alten Muster waren trotz Willy noch durchaus intakt. Entscheidend aber war, dass das Fenster sich sehr schnell wieder schloss. Es musste sich wenige Jahre später wieder nach der Decke gestreckt werden. Die fetten Jahre waren vorbei. Wer es besser haben wollte, musste sich wieder durchkämpfen. Ansprüche hat man seitdem keine mehr. Es wird sich wieder untergeordnet.

p.s.: Die Geschichte der DDR habe ich in diesem Zusammenhang auslassen müssen. Ihren Bürgern wurde sehr schnell verdeutlicht, was es hieß, sich die D-Mark zu verdienen.

 
Es hat einen Government Shutdown in den USA. Geheimdienstheini James Clapper, Metachef einer Reihe von Spitzeldiensten (darunter CIA und NSA) sieht deshalb das Armageddon aufziehen. Die Situation sei irrsinnig gefährlich, weil 70% der Dienstler bis auf weiteres Urlaub haben. Wen schert’s? Anschläge können auch die restlichen 30% verüben, oder? Sinnlose Alarmmeldungen kann auch ein unbezahlter Praktikant tippen, richtig? Oder worin genau besteht nun die Gefahr?

Sicher nicht darin dass, dass der Turbanterrormann jetzt unbeobachtet das Land kaputtmacht. Worin aber dann? Möglicherweise in der gestörten Zusammenarbeit der staatlichen Mafia mit der nichtstaatlichen. Es könnte sich ggf. konkreter Erpressungsbedarf ergeben, für den sich keine Fußhupen finden, die wen anrufen, um ihn einzuschüchtern oder zu bestechen. Das kann schnell zu Milliardenverlusten bei befreundeten Konzernen führen.

70% weniger Stasi

Ja, so ist er, der Verschwörungstheoretiker, immer das Schlimmste annehmen. Dabei kommt das ganz von selbst. Wenn man zum Beispiel nicht auf den Lafontaine hört. Der hat nämlich alles gewusst und durfte das ein paar bedauernswerten Bänkern sagen. Immerhin gelang es ihm, den Herren deutlich zu machen, wer für die Verluste aufkommt, die ihresgleichen verursachen, wenn sie ihrem Tagesgeschäft nachgehen.

Leider nicht gelungen ist ihm ein Fingerzeig, dass die Entwicklung der sogenannten “Finanzmärkte” nicht nur Ursache für etwas sind, sondern auch Folgen von etwas. Eben nicht von Gier, Charakterschwäche und ein paar dummen Irrtümern, sondern – wissens’ scho – ausfallenden Profiten. Es ist nämlich nicht nur leichter für die Global Player, an der Börse Gewinne zu machen, es ist völlig alternativlos. Oder hat der Oskar vielleicht eine Idee, wie alle die Billionen in “Investitionen in die Realwirtschaft” verzaubert werden sollen? Auch nur irgendeine?

Da zitiere ich doch lieber einen, der nicht bei Marx losläuft und nachher bei Erhard auf dem Schoß landet, sondern den Blick in den “tiefen Abgrund” wirklich aushält:

Janz weit draußen

Es ist menschlich und in gewisser Weise für Leute, die nur tagestaktisch zu denken in der Lage sind, auch politisch verständlich, aber dennoch grundfalsch, zu glauben, durch Eingrenzung der Spekulation die kapitalistische Krise beherrschen zu können. Das ist so als glaubte jemand, mit der Senkung des Fiebers alle Krankheiten beseitigen zu können.”

Der ist aber auch völlig politikuntauglich, ganz weit draußen und hat noch nicht einmal Lösungen parat, ehe wer das Problem erkannt hat. Da warten kaum Hoffnung, viel Arbeit und am Ende ein Weg ins Unbekannte:

Es gibt keine gelingende revolutionäre Praxis ohne revolutionäre Theorie und wer glaubt,theoretische Arbeit ließe sich mal eben beim Bier erledigen, wird nach einigen Erfolgen im Effekthaschen von der Geschichte erledigt werden.

Dann doch lieber einen Lafontaine, der früher immer recht hatte, heute ein paar Reparaturen verlangt und morgen keinem wirklich wehtut. Einen besseren Begrenzungspfosten für das, was linksaußen noch gedacht werden darf, kann man sich kaum wünschen.

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