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Juli 2012


 
honniDie Zeichen mehren sich, dass dieses System am Ende ist. Damit ist natürlich zu meinem Bedauern keineswegs gesagt, dass das Leiden nicht noch lange anhält. Es ist nur nicht mehr zu erwarten, dass in der bürgerlichen Demokratie, die sich entschlossen hat, eine “Marktwirtschaft” i.e. ein Kapitalismus zu sein oder gar nicht, keine weitere Entwicklung mehr stattfinden wird. Es wird bloß noch wiederholt, alles und jedes so zurechtgebogen, dass es keine Opposition mehr gibt, keinen Widerstand, keine andere Meinung. Wir leben in einem Unisono-Pluralismus; jeder darf sagen, was er will, aber es wird nur gesagt, was alle sagen.

Die unsägliche Zustimmung der sogenannten “Opposition” im Parlament sorgt inzwischen dafür, dass die Regierung keine klassische Mehrheit mehr braucht, weil die politische Kaste sich gleichgeschaltet hat. In einer historischen Entscheidung wie der zum ESM, gegen die sich selbst die Aposteln der neoliberalen Religion, vulgo “Ökonomen” wenden, wird eine Zweidrittelmehrheit hergestellt. Obwohl die Regierungsfraktionen nicht einmal eine einfache Mehrheit zustande bringen. Pikant übrigens, dass die Begründung der Rotgrünen von vorn bis hinten unwahr ist. Nein, lassen wir diesen Verlautbarungsjargon: Sie ist eine Lüge.

Lügenstakkato

Eine entscheidende Figur in diesem Spiel, Jürgen “was-sollen-die-Märkte-sagen” Trittin, hatte pathetisch beschworen, endlich sei es ihm und anderen tapferen Recken gelungen, Merkel eine Finanzmarktsteuer abzuringen. Deren Zusage, dass sie sich “dafür einsetzen” wolle, hatte sie aber längst ohne Not, Druck oder Zutun von Rotgrün gemacht, in ihrer Rede am 15.09.2010:

Wir werden auch weiter für die Besteuerung der Finanzmärkte arbeiten. Der Bundesfinanzminister tut dies in vielen, vielen Gesprächen, und wir werden versuchen, möglichst viele Länder davon zu überzeugen.

So viel zur Durchsetzung “rotgrüner Forderungen”. Anscheinend liest aber niemand nach, wenn Entscheidungen getroffen werden, niemand kann sich an irgend etwas erinnern, und keine zwei Jahre nach einem Zugeständnis vor dem Deutschen Bundestag, in der Rede der Kanzlerin zu ihrem Haushalt, wird so getan, als hätte man sie quasi über Nacht von dem überzeugen müssen, was sie dort bereits zu Protokoll gegeben hatte. Es ist erbärmlich.

Intellektuelle Endzeit

Diese Kanzlerin wird uns dem entsprechend garniert; sie ist ja so beliebt! 58% derjenigen, die noch an solchen Umfragen teilnehmen, sich nicht längst angewidert abgewendet haben, zeigen sich da mit ihr zufrieden in der “Krise”. Was immer das heißen mag, es wird zu einem Fanal der Zustimmung von 66%, unter diversen Fragen, mit denen die meisten überfordert gewesen sein dürfen. Vor allem diejenigen, deren Meinungs”bildung” da eingeholt wurde.

Bei 95% Zustimmung in den Medien und 90% bei den hohen politischen Funktionären ist das schon fast eine Klatsche. Das ist der Unterschied zur DDR: Da hätte man die Zahlen höher gejazzt. Übrigens ist das die “höchste Zustimmung seit 3 Jahren”. Ein völlig irrelevanter Wert, selbst wenn man glaubt, die Zahlen seien wirklich vergleichbar. Auf die Message kommt es an: Die Kanzlerin ist beliebt! Sie muss es sein, sie soll es sein, also besorgt man das so.

Bei wem eigentlich? Kennt irgendwer irgendwen, der die Bleierne auch nur akzeptabel findet? Ich muss in einer Parallelwelt leben. Wie dem auch sei: Die Qualität der Propaganda ist auf einem Niveau angekommen, das sich kaum mehr senken lässt und ist damit umgekehrt proportional zum Aufwand. Dazu passt auch, dass der bitterste Verräter all dessen, was die “Sozialdemokratie” einmal für ihre Werte ausgab, zum Cheflobbyisten des deutschen Neoliberalismus aufgestiegen ist. Es ist intellektuelle Endzeit. Da schmeckt das Bier nochmal so gut – solange man es sich noch leisten kann.

Bildquelle: Bundesarchiv, Bild 183-19204-2916 / CC-BY-SA

 
Dann werden Akten “zurückgehalten”. Dann werden Urteile gesprochen.
Dann werden andere Akten zurückgehalten. Dann werden keine Urteile gesprochen.

 
Klaus Baum zitiert heute Götz Aly, den gewendeten sogenannten “Historiker”, der uns das neoliberale Mantra wortwörtlich vorbetet:
Es sind die sozialen Wohltaten, aus denen die Schulden der europäischen Staaten hauptsächlich rühren.”
Zur ‘Begründung’ dieser Lüge muss wieder und wieder das ‘Argument’ der Globalisierung herhalten:
um Millionen einfachen Leuten das Leben zu versüßen, um ihnen die Härten der Anpassung zu ersparen, die ein global gewordener Wettbewerb erfordern würde.“.

Wie uns seit den 1980er Jahren weisgemacht wird, habe eine “Globalisierung” uns die Möglichkeit genommen, auf die Bedürfnisse der arbeitsabhängigen Mehrheit noch Rücksicht zu nehmen. Das verklärt uns genau so der Herr Aly mit bemerkenswerter Inkompetenz. Nicht nur, dass ja niemand erklären könnte. welche Probleme der gebuchte Exportweltmeister wohl mit einer “Globalisierung” haben könnte. Es gibt auch einen nicht mehr ganz frischen Text, der diese Lüge in die rechten Zusammenhänge setzt. Ich zitiere daraus:

Sie [Die Bourgoisie] hat die persönliche Würde in den Tauschwerth aufgelöst, und an die Stelle der zahllosen verbrieften und wohlerworbenen Freiheiten die Eine gewissenlose Handelsfreiheit gesetzt.

Das Bedürfniß nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Ueberall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen.

Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet.

Die uralten nationalen Industrieen sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrieen, deren Einführung eine Lebensfrage für alle civilisirte Nationen wird, durch Industrieen, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten, und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Welttheilen zugleich verbraucht werden. An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen von einander.

Es genügt die Handelskrisen zu nennen, welche in ihrer periodischen Wiederkehr immer drohenden die Existenz der ganzen bürgerlichen Gesellschaft in Frage stellen. In den Handelskrisen wird ein großer Theil nicht nur der erzeugten Produkte, sondern sogar der bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet. In der Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen als ein Widersinn erschienen wäre – die Epidemie der Ueberproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnoth, ein allgemeiner Verwüstungskrieg scheinen ihr alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zu viel Civilisation, zu viel Lebensmittel, zu viel Industrie, zu viel Handel besitzt. Die Produktivkräfte, die ihr zur Verfügung stehen, dienen nicht mehr zur Beförderung der bürgerlichen Civilisation und der bürgerlichen Eigenthums-Verhältnisse; im Gegentheil, sie sind zu gewaltig für diese Verhältnisse geworden, sie werden von ihnen gehemmt, und so bald sie dies Hemmniß überwinden, bringen sie die ganze bürgerliche Gesellschaft in Unordnung, gefährden sie die Existenz des bürgerlichen Eigenthums. Die bürgerlichen Verhältnisse sind zu eng geworden um den von ihnen erzeugten Reichthum zu fassen. – Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; anderseits durch die Eroberung neuer Märkte, und die gründlichere Ausbeutung der alten Märkte. Wodurch also? Dadurch, daß sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.

Manifest der Kommunistischen Partei, 1848

Was haben wir denn da … wichtige Akten sind verschwunden, just als bekannt wurde, dass es sie gab. Bayerns Innenminister Beckstein warnte die Ermittler telefonisch vor öffentlicher Hysterie, forderte aber angeblich handgeschrieben auf einem Zeitungsschnipsel mit Datum dazu auf, die Vorgänge aufzuklären. Außerdem gab es ein Telefonat zwischen Beckstein und seinem hessischen Amtskollegen Bouffier, in dem Bouffier angeblich keine Informationen aus Hessen preisgeben wollte. Und das sind nur die Hürden, die Hessen und Bayern hochgezogen haben.

Es haben also alle gemauert, obwohl oder weil sich die höchsten Amtsträger persönlich mit den Morden von Nazis an Ausländern befasst haben. Es steht also die Frage im Raum, wer wen warum deckt. Es ist dabei sehr unwahrscheinlich, dass es nur um Inkompetenz geht, denn dann wäre es verzeihlich, und die Minister – beide sogar spätere Ministerpräsidenten – müssten nicht derart verkrampft in der Deckung bleiben und die Versager der Verfassungsschutze decken. Es riecht nach einer persönlichen Verstrickung oder institutionellen Entscheidungen, die dem Skandal noch eine ganz andere Dimension geben. Ich wünschte, es gäbe noch bissigen investigativen Journalismus in Deutschland.

 
Auf deutschem Boden darf nie wieder ein unfähiger Ausbeuter Konkurs anmelden – jedenfalls nicht ehe sämtliche Mitarbeiter zu den Truppen der ‘Working Poor’ konvertiert sind, alle Reserven aufgebraucht und auf ihre Altersversorgung verzichtet haben. Eine Zeitung rund um Frankfurt berichtet: Diesmal ist es die “Praktiker”-Kette, die mithilfe der Bücklinge ihrer Gewerkschaft noch ein paar Jährchen zucken und den Eigentümern Renditen einbringen soll. “Einsparungen” in Form drastischer Lohnsenkungen sind einmal mehr die Lösung, um weitere Rabattschlachten zu ermöglichen, mit denen die Konkurrenz ausgestochen werden kann.

Ob sie wissen, was sie tun, ist nicht immer sicher. Norbert Hansen war einer, der wusste, was er tat. Als Chef der Gewerkschaft Transnet hat er sich gegen die Forderungen der Kollegen von der ‘Gewerkschaft der Lokführer’ gestellt und war ein Jahr später Arbeitsdirektor im Vorstand der Bahn. So nachvollziehbar ist das Handeln der meisten anderen Gewerkschaftsfunktionäre nicht. Immerhin hat ihr Handeln dieselben Konsequenzen: Sie drücken die Löhne in der gesamten Branche. Können andere Baumärkte nämlich – um zum Anlass zurückzukommen – durch besseres Management höhere Qualität im gleichen Preisniveau bieten, stehen sie künftig in Konkurrenz zu einem, der die Kosten gnadenlos herunterfährt.

Selbst ist der Ausbeuter

Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die erfolgreiche Ausbeutung bei “Praktiker” fruchtet. Dann muss die Konkurrenz irgendwann nachziehen und hat gegenüber der Gewerkschaft die allerbeste Begründung dafür. Ein Preiskampf, den die sogenannten “Arbeitnehmervertreter” selbst ausgelöst haben.
Oder aber das nützt alles nichts, der Laden geht trotzdem pleite, und die Arbeiter haben noch kräftige Einbußen, ehe sie endgültig arbeitslos werden – bei dann niedrigerem Arbeitslosengeld.

Die bodenlose Dummheit, “Arbeitsplätze erhalten” zu wollen, die unter tragbaren Bedingungen gar nicht zu halten sind, führt immer wieder zur Plünderung der Mitarbeiterschaft, organisiert durch deren eigene “Vertretung”. Wer solche Gewerkschaften hat, braucht keine anderen Feinde mehr.

 
Artikel 87a GG
(2) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.

Der Bundesverteidigungsminister: “Es gibt grundsätzlich keine Regionen, in denen Deutschland nichts zu suchen hat.”

Wir brauchen eine Volksabstimmung, in der wir unseren Führern in ihrem schweren Kampf fürs Vaterland den Rücken stärken. Hinfort mit dem Diktat der Siegermächte! Hinfort mit dem “Grundgesetz”!

[Edit:] Ich muss das einfach noch loswerden – es ist ja nicht bloß ein weiterer Schritt des Putsches, einer, der längst angekündigt ist und nur auf den Marschbefehl wartet. Man beachte auch die sprachliche Form der Verkündung, wieder einmal etwas, das ‘nicht so gemeint’ ist und doch entlarvend: Die Rede ist nicht von der Bundeswehr – so wird es gemeint sein, und es ist schlimm genug. Die Rede ist von “Deutschland”, das überall sein dürfe. Das ist der Geist, der herrscht in diesen Kreisen.

[Edit2]: Inzwischen wird die Quelle anders zitiert, da ist jetzt meist die Rede von “deutschen Soldaten” – von denen im Wortlaut nie die Rede war. Tatsächlich assistierte der Interviewer Michael Götschenberg und fragte ausdrücklich:
Gibt es trotzdem rote Linien, wo sie sagen würden, es gibt einfach Regionen auf der Welt, wo Deutschland nichts zu suchen hat?
Antwort de Maizière: “Nein, prinzipiell gibt es solche Regionen nicht.”.
Wieder einmal wurde die spannendste Stelle bei der Dokumentation auf MDR Info, das als Quelle angegeben wird, durch ein indirektes Zitat ersetzt. Eine Praxis, die ich nicht nachvollziehen kann. Das ganze Interview gibt es aber bei Inforadio rbb.

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