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November 2005


Mein unreflektierter Antiamerikanismus bricht wieder durch, nur, weil die Amis im Irak weißen Phosphor eingesetzt haben. Das rührt daher, daß ich keine Ahnung von Kriegsrecht und -führung habe. Denn: “Weißer Phosphor ist eine konventionelle Munition, keine chemische Waffe”, so ein Pentagonsprecher. SPIEGEL Aha. Daß es eine Konvention zum Einsatz konventioneller Waffen gibt, sagt er nicht. Daß es den Opfern wurscht ist, welchen Status das Zeug hat, an dem sie elend zugrunde gehen, darf man wohl annehmen. Was sagt der Broder? Das sind keine Opfer, das sind Täter? Wir Antiamerikanisten sehen in Terroristen immer nur die Opfer? Noch ein infantiles Argument. Man muß es tatsächlich immer wieder betonen: Die abendländische Zivilisation hat sich nicht nur vorgenommen, Recht walten zu lassen sogar gegen die größten Missetäter, sondern sie beruht auf solcher Rechtsstaatlichkeit, und zwar im Krieg wie im Frieden. So will es das alte Europa.
Was unterscheidet Saddams Giftgas von Bushs Phosphor? Letzerer ist demokratisch legitimiert. Vermutlich sogar gesegnet. Ein Glück, denn es ist noch eine Menge davon da.

Unter den Titel “Gestalten statt Verwalten” haben sich Poliltik, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften zu einem Projekt zusammengeschlossen. Gemeinsames Ziel ist die Belebung von Kultur und Wirtschaft durch Investitionen in regionale Projekte.
Dabei werden die Investoren nicht den schnellen Profit, sondern stabile langfristige Gewinne anstreben, während es den Gewerkschaften nicht um höhere Löhne, sondern um die Möglichkeit zur selbstverwirklichenden Beschäftigung geht. Angestrebt wird ein Mix aus Erwerbsarbeit und ehrenamtlicher Betätigung. Unterstützt werden diese Projekte durch Mittel der Arbeitsagenturen. Nicht die Kontrolle von Arbeitswilligkeit steht mehr im Vordergrund, sondern der positive Anreiz zu freiwilliger Beschäftigung.
Leute, bleibt locker, das war natürlich ein Scherz! Wir sind immer noch in Deutschland!

Schon wieder so ein nachrichtenarmer Vormittag. Das Spannendste waren noch Artikel über ein Automodell von 1975, das man sofort kaufen muß, weil es bald “Kult” sein wird, und einer über “Guerilla-Marketing”. Meine Abos bei AP, Reuters und dpa sind auch abgelaufen, deshalb muß ichs mir woanders besorgen. Also Blogs lesen. Was soll ich euch sagen? Wenn ich mir anschaue, was bei Zeit.de und dergleichen an Magerkost angeboten wird, kommen mir die Tränen. Hier verdorrt eine Perle in der Bedeutungslosigkeit, während andernorts die gebrochenen Metaphern völlig unbemerkt unters massenhaft linksklickende Volk gestreut werden. Aber ihr paßt auf mich auf, ja? Hallo? Hört mich jemand? Irgendjemand?

Von den Ossis lernen, heißt siegen lernen. Matthias Platzek weiß noch, wie man sich unrealistische Mehrheiten verschafft und wird daher der nächste Kanzler werden, das hat die Partei bereits entschieden.
Der Mann, der unter Stasi-Modrow schon Minister war und über das Bündnis 90 (als es noch nicht grün war) zur SPD kam, zeigt, wie es geht und zum Beispiel seinem Vorgänger Lafontaine, was eine Harke ist. Während der sich zum Vorzschwätzer der schon bei ihrer Gründung abgehalfterten Linkspartei degradieren ließ, übernimmt der Ostkader die sozialistische Volkspartei. Respekt! Ob die Zustimmung zum Neuen Chef ernst gemeint ist oder aus schierer Verzweiflung das letzte Aufgebot zum Supertsar gekürt wurde, werden die Sozen bald geklärt haben. Spätestens, wenn sich Platzeck zur Äußerung einer Meinung versteigt und auf die Idee kommt, diese auch noch duchsetzen zu wollen.
Passend zur fünften Jahreszeit präsentiert die alte Tante einen Generalsekretär namens “Hubertus Heil”. Das klingt zwar dumpf nach Stasi-Deckname, ist aber nur PR. Schon bei der nächsten Wahl können die Stimmen der Jäger entscheidend sein!
Und sonst? Gibt es einen klugen Kommentar in der FR, den die dort Gelobten sicher nicht beherzigen werden. -> FR

Allmählich wird sichtbar, was wir uns da zusammengewählt haben. Die soziale Unwucht dank CDU, gepaart mit hemmungslosen Steuererhöhungen, die wir wohl der SPD zu verdanken haben. Dazu ein Patchwork von Einzelmaßnahmen, die den Eishauch der Sinnlosigkeit übers Land wehen lassen.
Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, zu zetern. Nehmen wir mal die Schnapsidee “Elterngeld”: Da soll also jungen Eltern im ersten Jahr ein gutes Gehalt von 1800 € gezahlt werden. Das ist erst einmal teuer, verleitet aber vielleicht den einen oder anderen doch zur Nachwuchsproduktion. Bei einigen wird man das wörtlich nehmen dürfen. Jedes Jahr ein Kind, und wenn’s nervt, gib’ts eine in die Goschen. Das Nähere regelt das KJHG.
Und dann? Schon heute gibt es Unterhaltsvorschuß für Alleinerziehende nur bis zum 12. Lebensjahr des Kindes. Dann fängt das große Elend an. Kaum eine Familie, die Unterstützung in Form des Elterngeldes bräuchte, kann sich wirklich Kinder leisten. Daran wird sich zwar nichts ändern, aber wenn alles klappt, werden es dann mehr Familien sein, die finanziell scheitern. Immerhin: Ein Jahr Spaß war dann dabei!
Anderes Beispiel: Die Kosten dür Rente und Krankenversicherung werden steigen, aber in Zukunft wird diese Last vollständig den Arbeitnehmern aufgehalst. Der Schwachsinn firmiert dann noch ernsthaft unter “Reform”:
“Die Entscheidung für das Unionsmodell der Gesundheitsprämie oder den SPD-Plan einer Bürgerversicherung wird damit vertagt.Dafür wollen beide Seiten mit zahlreichen Maßnahmen die Ausgaben im Gesundheitswesen weiter eindämmen.” SPIEGEL
Eben. Das marode System bleibt, wie es ist, und es zahlen die, von denen schon immer alle durchgefüttert wurden. Merke: Arbeit zahlt sich nicht aus. Achja: Und die Sache mit dem Binnenmarkt, nicht wahr? Die vergessen wir besser. Die große Koaltion erweist sich als brutalst möglicher Kaufkraftkiller. Schlimmer konnte es tatsächlich nicht kommen.
Aber vielleicht tritt ja noch jemand zurück, und es gibt Neuwahlen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Allmählich wird sichtbar, was wir uns da zusammengewählt haben. Die soziale Unwucht dank CDU, gepaart mit hemmungslosen Steuererhöhungen, die wir wohl der SPD zu verdanken haben. Dazu ein Patchwork von Einzelmaßnahmen, die den Eishauch der Sinnlosigkeit übers Land wehen lassen.
Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, zu zetern. Nehmen wir mal die Schnapsidee “Elterngeld”: Da soll also jungen Eltern im ersten Jahr ein gutes Gehalt von 1800 € gezahlt werden. Das ist erst einmal teuer, verleitet aber vielleicht den einen oder anderen doch zur Nachwuchsproduktion. Bei einigen wird man das wörtlich nehmen dürfen. Jedes Jahr ein Kind, und wenn’s nervt, gib’ts eine in die Goschen. Das Nähere regelt das KJHG.
Und dann? Schon heute gibt es Unterhaltsvorschuß für Alleinerziehende nur bis zum 12. Lebensjahr des Kindes. Dann fängt das große Elend an. Kaum eine Familie, die Unterstützung in Form des Elterngeldes bräuchte, kann sich wirklich Kinder leisten. Daran wird sich zwar nichts ändern, aber wenn alles klappt, werden es dann mehr Familien sein, die finanziell scheitern. Immerhin: Ein Jahr Spaß war dann dabei!
Anderes Beispiel: Die Kosten dür Rente und Krankenversicherung werden steigen, aber in Zukunft wird diese Last vollständig den Arbeitnehmern aufgehalst. Der Schwachsinn firmiert dann noch ernsthaft unter “Reform”:
“Die Entscheidung für das Unionsmodell der Gesundheitsprämie oder den SPD-Plan einer Bürgerversicherung wird damit vertagt.Dafür wollen beide Seiten mit zahlreichen Maßnahmen die Ausgaben im Gesundheitswesen weiter eindämmen.” SPIEGEL
Eben. Das marode System bleibt, wie es ist, und es zahlen die, von denen schon immer alle durchgefüttert wurden. Merke: Arbeit zahlt sich nicht aus. Achja: Und die Sache mit dem Binnenmarkt, nicht wahr? Die vergessen wir besser. Die große Koaltion erweist sich als brutalst möglicher Kaufkraftkiller. Schlimmer konnte es tatsächlich nicht kommen.
Aber vielleicht tritt ja noch jemand zurück, und es gibt Neuwahlen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Die israelische Arbeitspartei hat überraschend einen neuen Vorsitzenden gewählt. SPIEGEL
Erwartet wird vom dem gewerkschaftsnahen Amir Peretz, daß er das
Augenmerk auf die wirtschaftlichen Probleme des Landes richtet, anstatt
den Konflikt mit den arabischen Nachbarn als Politikersatz zu pflegen
wie sein Vorgänger Peres und der amtierende Misterpräsident Sharon. ZNet Konsequenterweise kündigte Peretz sofort den Austritt aus der Regierung Sharon an.

Da auch die Tage von George W. Bush als US-Präsident gezählt sind, darf
man dieser Tager wieder ein wenig Hoffnung auf Frieden in der Region
hegen. Und sei es, weil alles besser ist, als die kriegslüsterne
Außenpolitik von Bush und Sharon.

TAZ Was sich vor Gericht abspielt, wenn eine braune Dumpfbacke sich für ihr hetzerisches Gequatsche verantworten muß, ist reif fürs Mittagsfernsehen. Die teutonischen Helden machen sich verdient um die völkische Bewußtseinsbildung, stellen sie doch unter Beweis: Gerichtsshows übertreiben gar nicht. Es ist schon sehr skurril, was entsteht, wenn hirnlose Verschwörungstheoretiker sich organisieren und aus ihrer Wirklichkeit plaudern. Dem kommt man mit aller Pädagogik nicht bei, und so bleibt für den einen oder anderen eben nur der Laufstall.
Mein Mitgefühl gilt dem genervten Richter.

In der TAZ findet sich ein Artikel, der ein wenig mit der Ideologie aufräumt, die den Sozialstaat als Untergang des Abendlandes betrachtet. Man fragt sich, ob solche Freiheit von zeitgemäßer Verblendung schon ein Indikator für Linksradikalismus ist oder doch einfach besserer Journalismus. Es sind traurige Zeiten, in denen der gröbste Unsinn schon als Wahrheit gilt, weil er so oft wiederholt wurde. Fast ist man geneigt, mit einem Schild spazieren zu gehen, Aufschrift: “Kostensenkung ist Mord”.
Fraglich ist außerdem aber, ob die Bezeichnung “Neoliberalismus” wirklich zutreffend ist, bzw. ob nicht auch diese schon so abgedroschen ist, daß man sie eben nicht wiederholen sollte. “Liberal” ist eine Vokabel, die hier völlig fehl geht und überdies eine krasse Beschönigung. Schließlich geht es den Ökonomisten nicht um Freiheit, sondern um die Verbreitung nahezu religiöser Glaubenssätze. Sie haben keine Ahnung vom Wirtschaften und sind aus Überzeugung blind in bezug auf die simpelsten menschlichen Bedürfnisse. Solche Propheten des Vulgärdarwinismus’ als “liberal” zu bezeichnen, erfüllt den Tatbestand der Verleumdung. John Stuart Mill, auf den sie sich gern berufen, hatte andere Ziele: Nämlich, daß “keiner arm ist, niemand reicher zu sein wünscht, und niemand Grund zu der Furcht hat, dass er durch die Anstrengungen anderer, die sich selbst vorwärts drängen, zurückgestoßen werde”. Heute würde man ihn dafür als sozialistischen Träumer brandmarken.

Nicht nur die Vogelgrippe kommt nach Deutschland, sondern jetzt auch noch der fremde Brandstifter! SPIEGEL
Na klar: Die Ausländer sind unberechenbar und können jederzeit den Auländerterror auch hier ausleben. Beckstein spricht von “Parallelgesellschaften von Deutschen und Ausländern”. Das klingt fast, als hätte er etwas begriffen, aber es klingt eben nur so. Wenn Haider&Co. schwadronieren, klingt es immer genau so. Die Inländer und die Ausländer können Schweinehunde sein, da ist man ganz ausgewogen. Merkwürdig nur, daß es im folgenden dann immer nur um die Fremden geht. Hier ist es “die hohe Arbeitslosigkeit unter türkischen Jugendlichen und auf die große Anzahl von ausländischen Kindern, die ohne Abschluss die Schulen verlassen”. Der Türke steht schon vorm Gartentor und wartet darauf, loszuschlagen.
Daß die türkischen Jugendlichen und Heranwachsenden zumeist in ihren Familiensystemen viel besser aufgehoben sind als die Deutschen Verlierer in den Fragmenten ihrer Kleinfamilien, findet keine Erwähnung. Das aber ist der entscheidende Faktor. Und wenn ein Terror auf deutschen Straßen ausbricht, dann ist die Parole nicht “Dschihad”, sondern “Sieg Heil!”. Wir hatten das schon, aber die Becksteins wollen natürlich nichts davon wissen.
Tröstlich, daß es gelegentlich Stimmen gibt, die noch den Kern der Sache nennen. Michael Müller bringt es auf den Punkt: Eine Gesellschaft braucht “organische Zusammenhänge, sonst geht sie kaputt”. Warum sich nicht wiederholen: Wenn Autos brennen, richtet sich der Zellhaufen gegen das Primat des Anorganischen. Die “Misesis ans Tote” stößt an ihre Grenzen. Dumm nur, daß sich die Wut im nächsten Schritt wieder gegen Menschen richtet und der eine den anderen erschlägt.

In Paris brennen Autos. Der SPIEGEL hat sie gezählt! Wirklich belustigend is die Perspektive, die Ausschreitungen aus dem Autowrack zu betrachten.
Nun kommen sie wieder mit ihren grandiosen Theorien: Guerilla sei das, von bösen Islamisten gesteuert. Und wenn die Mullahs abwiegeln, ist das nur der nächste Hinterhalt! Nicht alle sind so dumm wie die Verschwörungstheoretiker, und die Klügeren sind sich einig: Integration tut not! Die Jugendarbeitslosigkeit ist zu hoch, und es haben sich Ghettos gebildet, in denen “die Gesellschaft” keinen Einfluß mehr hat.
Nur geht das immer noch in die falsche Richtung. Die Ghettos sind nämlich keine, in denen sich Zuwanderer abkapseln. Es sind solche, in denen sich die Verlierer einigeln. Es sind nicht allein die Ausländerkinder “in dritter Generation”, die nicht mehr lesen und schreiben lernen. Es sind genau so die europäischen Inländer, die ihre eigene Sprache sprechen und keinen Bezug mehr zur “Leitkultur” haben. Es werden genau so in Deutschland die Verlierer in die Randgebiete gedrängt, in denen Wohnraum nicht zu groß ist und nicht zu teuer, um staatlich finanziert zu werden. Und genau so wie “die Ausländer” fühlen sich ganze einheimische Bevölkerungsgruppen inzwischen ausgeschlossen. Mit der Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum haben sie auch die Anbindung an das Gemeinwesen verloren. Sie sind definitiv nicht Deutschalnd. Oder eben Frankreich. Es ist die Welt der Autofahrer, der Mobilen und Versorgten, zu der sie nicht mehr gehören.
“Was ist das für ein Land, in dem in einer Nacht über 300 Autos in Brand gesteckt werden?” fragt ein französicher Journalist. Offenbar eines, das sich mehr für die Dinge interessiert als für die Menschen.

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