In der TAZ findet sich ein Artikel, der ein wenig mit der Ideologie aufräumt, die den Sozialstaat als Untergang des Abendlandes betrachtet. Man fragt sich, ob solche Freiheit von zeitgemäßer Verblendung schon ein Indikator für Linksradikalismus ist oder doch einfach besserer Journalismus. Es sind traurige Zeiten, in denen der gröbste Unsinn schon als Wahrheit gilt, weil er so oft wiederholt wurde. Fast ist man geneigt, mit einem Schild spazieren zu gehen, Aufschrift: “Kostensenkung ist Mord”.
Fraglich ist außerdem aber, ob die Bezeichnung “Neoliberalismus” wirklich zutreffend ist, bzw. ob nicht auch diese schon so abgedroschen ist, daß man sie eben nicht wiederholen sollte. “Liberal” ist eine Vokabel, die hier völlig fehl geht und überdies eine krasse Beschönigung. Schließlich geht es den Ökonomisten nicht um Freiheit, sondern um die Verbreitung nahezu religiöser Glaubenssätze. Sie haben keine Ahnung vom Wirtschaften und sind aus Überzeugung blind in bezug auf die simpelsten menschlichen Bedürfnisse. Solche Propheten des Vulgärdarwinismus’ als “liberal” zu bezeichnen, erfüllt den Tatbestand der Verleumdung. John Stuart Mill, auf den sie sich gern berufen, hatte andere Ziele: Nämlich, daß “keiner arm ist, niemand reicher zu sein wünscht, und niemand Grund zu der Furcht hat, dass er durch die Anstrengungen anderer, die sich selbst vorwärts drängen, zurückgestoßen werde”. Heute würde man ihn dafür als sozialistischen Träumer brandmarken.