Wirtschaft


Wer ein Musterbeispiel für eine durch und durch blödsinnige Argumentation sucht, dem sei dieser Quark zur Erbschaftssteuer wärmstens ans Herz gelegt. Thomas Straubhaar (nomen est omen) fordert dort, die Erbschaftssteuer abzuschaffen und stattdessen den Konsum zu besteuern – weil das “nachhaltiger” sei. Einer Volkswirtschaft, die sich durch eine paranoide Spaarquote und einen immer lahmenden Binnenkonsum auszeichnet, solche “Nachhaltigkeit” verordnen zu wollen, ist schon recht originell. Und selbst die Konstruktion ist reiner Unsinn: Wer heute ein Vermögen aufbaut, wird vermutlich nicht nachhaltig wirtschaften, sondern den schnellen Gewinn suchen. Jedenfalls, wenn er erfolgreich sein will.
Dieses Maximum ökonomischer Inkompetenz wird schließlich rhetorisch durch die Headline kompensiert, in der die Erbschaftssteuer “Todessteuer” genannt wird. Wer kann so etwas schon befürworten? Das erinnert mich übrigens an das Gequase des Polizisten, der gestern im WDR das heimliche Hacken privater Computer anpries, weil das gut gegen Kinderpornographie sei. Und genau deshalb beiße ich mir so oft auf die Unterlippe und versuche im Zweifel immer, etwas leiser zu argumentieren, damit ich nicht in die falsche Gesellschaft gerate.

Helmut Schmidt räsonniert über die fehlende Kontrolle von Fonds in den Finanzmärkten. Bei Sabine Christiansen schreien sie wie immer durcheinander, heute sollte es um so etwas wie “Rentengerechtigkeit” gehen, und ich frage mich, wie es gelingen kann, die entscheidende Frage noch immer und überall zu umgehen. Die Rentendiskussion zeigt deutlich, daß das vorgebliche Dilemma längst ein Selbstläufer ist: Die Jüngeren werden weniger aus den Rentenkassen zurückbekommen als sie einzahlen, gleichzeitig wird das Rentenalter zunhemend angehoben, einhergehend mit dem Problem, daß immer weniger Arbeitnehmer gebraucht werden, was vor allem die Älteren trifft, womit sie noch weniger von ihrem eingezahlten Geld haben werden. Währenddessen steigt die Produktivität ebenso wie die entscheidende Größe, der absolute Produktausstoß. Es werden mehr Güter produziert, es könnten vor allem noch mehr Güter produziert werden, stieße man nicht irgendwo auf eine Grenze in Form mangelnden Absatzes, gleichzeitig werden aber weniger Menschen am Produktionsprozeß beteiligt. Dieses Problem interessiert die Ökonomen in Form des Problems stagnierender oder gar rückläufiger Absätze – immerhin. Es interessiert sie allerdings nur am äußeren Rande, betrachtet man die Attraktivität parasitären Marktverhaltens, wie es große Fondgesellschaften so sehr lieben. Daß nämlich mit kurzfristigen Gewinnen auf Kosten von Infrastruktur die Basis erodiert, muß langfristig dazu führen, daß ganze Wirtschaftssysteme zusammenbrechen. Wenn die konsumfähige Minderheit weiter schrumpft, wer soll dann noch Gewinne erzeugen?
Aber das ist nur ein blasser Hinweis auf die Frage, um die es eigentlich geht. Die Psychose der Geldwirtschaft, die sich von Absatz, materieller Produktion und deren Bedingungen unabhängig wähnt, ist derart in die Ökonomie eingesickert, daß die Wahnsinnigen in den Marmoranzügen glauben, nur Kommunisten könnten die Frage nach der Verteilung von Gütern im 21. Jahrhundert noch ernsthaft stellen. Wie der Derivatehandel in den Märkten, von denen sie glauben, es handele sich um substanzielle Geschäfte, ist auch Geld selbst nur Funktion und Sediment des Handels mit Waren. So selbstverständlich wie das ist, wird es geleugnet. Die große Maschinerie von Produktion und Verteilung hat jegliche soziale und gesetzliche Korrespondenz verloren. Im Klartext heißt das: Was heute als “Wirtschaft” bezeichnet wird, hat mit der Versorgung der Menschen und der Verteilung von Gütern immer weniger zu tun. Das eine ist unabhängig vom anderen.
Daraus folgen einige wichtige Konsequenzen:
- Nachfrage und Bedarf sind unabhängig voneinander. Die Entwicklung der Nachfrage und die Befriedigung essenzieller Bedürfnisse sind zerfallen.
- Die Märkte können also durch Angebot und Nachfrage soziales Gleichgewicht nicht mehr herstellen, im Gegenteil wird letzteres allein dem Reststaat überlassen.
- Arbeit und Eigentum sind nur noch äußerst schwach aneinander gebunden. Wer es zu etwas bringen will, kann sich Erwerbsarbeit nicht leisten.
Unter diesen Bedingungen und eingedenk des Produktionspotentials ist die entscheidende Frage der Ökonomie von heute die nach den Möglichkeiten einer Verteilung von Gütern unabhängig von den bislang bekannten Mechanismen der Geld- und Marktwirtschaft. Warum wird das nirgends wirksam diskutiert?

p.s.: Es gibt einen dahingerotzten Ansatz zu einer Theorie der Fürsorge, zu dessen Ausarbeitung ich nie gekommen bin. Wer sich das antun will (60 Manuskriptseiten), kann sich HIER einen runterladen.

Zur Feier der gelungenen Gesundheitsreform hat sich Peer Steinbrück etwas ganz besonderes ausgedacht: Er will die Steuern erhöhen. Und das aus gutem Grund: “Der Bundeszuschuss an die Krankenkassen ist nicht allein durch Kürzungen von Ausgaben zu realisieren.” Die Umsteuerung von einer durch Lohnnebenkosten finanzierten Krankenversicherung hin zu einer steuerfinanzierten wäre ja nach wie vor zu begrüßen, hätte die Bundesregierung nicht bereits deutlich gemacht, wie das laufen soll: Neben den konjunkturell bedingt höheren Steuereinnahmen wurde die Mehrwertsteuer erhöht, und gleichzeitig stiegen die Beiträge. Derart ausgestattet, gurken Merkels Minister durch die Landen und hauen die Scheine bündelweise aus den Fenstern ihrer Dienstwagen. Man kann sich sogar eine “Gesundheitsreform” leisten, von der sich eben das sagen läßt, was der schlaue Peer erkannt hat: Damit sinken die Ausgaben ganz sicher nicht, vor allem nicht die überflüssigen. Im Gegenteil werden die Verwaltungskosten steigen, und am Ende zahlt schon wieder der Gehaltsempfänger. Mit dem Unterschied, daß er als Steuerzahler zusätzlich belastet wird.
Wer derart herummurkst und sich dann mit der Forderung nach mehr Geld vors Volk stellt, schämt sich sicher für gar nichts mehr.

…scheinen eine Allianz eingegangen zu sein in den vergangenen Jahren, was sich in 2006 peinlichst offenbarte: Die zusammenphantasierten Voraussagen der meisten Institute bezüglich des Wirtschaftswachstums belegen im Nachhinein, daß sie einer seriösen verläßlichen Basis entbehren. Schon lange nährten sie den Verdacht, in die große Propagandamühle neoliberaler Kostensenkungsideologen eingebunden zu sein. Nur, wenn es uns schlecht geht, kann man den Leuten die tumbe Mär unterjubeln, man müsse den “Gürtel enger schnallen”. Nicht nur der klügeren Prognosen wegen, sondern vor allem aufgrund der differenzierten und gegen den Mainstream gerichteten Artikel muß daher der Herdentrieb wieder einmal ausdrücklich gelobt werden.

Einen tadelnden Hinweis auf die zweifelhafte Zockerei an den Finanzmärkten erlaubt sich Thomas Hammer in der ZEIT. Die Spielerei mit Derivaten, die vielleicht einmal gedacht war als Risikoausgleich, aber konsequent längst deren Gegenteil ist, ist dabei nicht der einzige Verstoß gegen das Wettmonopol des Staates. Spätestens die “FC Bayern SparKarte” hat nichts mehr mit seriösen Bankgeschäften zu tun. Aber ein Gutes hat die Sache: Wer redet noch von Arbeitslosen, wenn Wirtschaft so spannend sein kann?

Manager machen Fehler. Warum auch nicht, schließlich sind sie Menschen. Viele von ihnen laufen aber offenbar wie betrunken durch den Tag, weil sie zu wenig schlafen. So manches Ritual der Wirtschaftsbosse und ihrer mittelmäßigen Zuträger entzieht sich dem allgemeinen Verständnis. Daß wenig Schlaf und viel Kaffee als cool gelten, spielt dabei offenbar eine wichtige Rolle. Nun werden sie sich damit herausreden, daß der pure Sachzwang den Schlafentzug zeitigt. Dagegen gibt es Enwände: Wäre es so, wer würde dann noch mit kurzen Nächten prahlen? Müßte nicht eher darauf geachtet werden, daß die Belastung in einem vernünftigen Rahmen gehalten wird? Was aber wäre die Konsequenz? Mehr Kooperation, delegieren können, Erfolg, Mißerfolg und nicht zuletzt wichtige Informationen teilen? Das wäre wohl so, als ob bei der Tour de France nicht mehr gedopt würde und die Fahrer sich gegenseitig die Berge hochzögen.

Wenn man keine Zeit hat, muß man sie halt zitieren. Das soll heute einmal reichen, und ich gebe mir nicht einmal die Mühe, rhetorisch elegant zu paraphrasieren oder sonstwie zu belegen, daß ich einen schlauen Artikel verstanden habe. Vielleicht so viel: Angewidert und amüsiert zugleich las ich im “Herdentrieb” den Verriß von Gabor Steingarts “Weltkrieg um Wohlstand”. Schon im September ließ Steingart in SPIEGEL Online die Panzer rollen und warnte vor der asiatischen Gefahr, die nichts von Werten hält, den Westen plündert, alles unterwandert, was uns heilig ist und uns schließlich ins Elend stürzen wird. Dieter Wermuth zerpflückt diesen wirtschaftstheoretischen Offenbarungseid, und man darf ihm danken, daß er derart vielen die Lektüre erspart. Es ist kaum zu glauben, daß die Zitate, die er in seinem Artikel verfrühstückt, wirklich aus einem ernst gemeinten Buch stammen. Noch weniger kann man begreifen, daß so etwas anderswo angepriesen wird.

Die FR hat heute zum Thema Mediamarkt und Abmahnungen artikelt. Als Blogger kann man denken: “Reichlich spät”, aber es ist ja nicht schlecht, wenn es weitere Verbreitung findet und sich zeitlich ein wenig streckt. Die Peinlichkeit darf getrost auf mittlerer Flamme weiterköcheln. Der Artikel faßt das Geschehen gekonnt zusammen, nicht ohne den Hinweis darauf, daß Mediamarkt selbst fröhlich gegen das Wettbewerbsrecht verstößt, das ihm ach so heilig ist, und zwar im Einzefall exakt auf dieselbe Weise, die von seinen Filialen abgemahnt wird. Diese unverschämte Heuchelei wird von der Autorin nicht kommentiert, was sehr zu loben ist. Sie wird sich die Unterlippe zerkaut haben. Geschickt plaziert ist auch das Zitat vom Prof. Krebs:
“Statt Bürokratie aufzubauen, haben Marktteilnehmer, die Wettbewerbszentrale, Verbraucherzentralen und Verbände ein Klagerecht”. Die Freigabe der Abmahnung für Jedermann, zum Spaß und mit niederen Motiven verhindert Bürokratie? Ja nee, ist klar!
Der aufmerksame Leser hat Spaß an der Lektüre. So hat die Abmahnwelle doch auch etwas Gutes. Und Mediamarkt? Geht man gern einkaufen, wo das Recht derart gepflegt wird? Die PR-Abteilung kann das sicher erklären, demnächst mit dem Slogan: “Mediamarkt? Ich bin doch nicht saublöd!”

Nicholas Stern hat heute den nach ihm benannten “Stern Review” zur Klimaveränderung präsentiert und dabei aufgezeigt, daß die produktionsbedingten Umweltschäden schon in naher Zukunft gewaltige wirtschaftliche Probleme zeitigen werden. Sie werden umso drastischer ausfallen, je später und je halbherziger von Seiten der großen Industrienationen gegengesteuert wird.
Die von der britischen Regierung in Auftrag gegebene Studie zeigt deutlich auf, daß es nicht nur bedauerliche Kollateralschäden an der Überlebensgrundlage der Menschheit geben wird, sondern auch die Weltwirtschaft in Nöte bringt, was für den neoliberalen Mainstream in den Glas-und Marmorburgen allemal schockierender sein dürfte. Wie tief dieses Denken bereits greift, zeigt sich an Stern selbst und der Formulierung des Kernproblems: This is the greatest market failure the world has seen”. “Das größte Marktversagen, daß die Welt je gesehen hat” macht er aus und fällt aus allen Wolken. Erschreckt stell Stern fest, daß der Markt es nicht geschafft hat, dieses Problem zu verhindern. Man ahnt, daß es aus seiner Sicht nur der Markt sein kann, der die Sache wieder in den Griff bekommt. Es ist ja erfreulich, wenn die Apologeten des reinen Angebots inzwischen auch feststellen, daß etwas schiefläuft. Bis zu der Einsicht, daß “der Markt” der größte Teil des Problems ist und nicht die Lösung sein kann, ist es aber noch ein weiter Weg.

Es gibt Tage, die die Hoffnung nähren. So hat ein CDU-Ministerpräsident sich für das bedingungslose Grundeinkommen ausgesprochen. Jemand, von dem man es nicht unbedingt erwarten durfte. Einer aus dem Osten hat erkannt, daß Menschen durch positive Motivation eher zu bewegen sind als durch Drangsalierung. Dieter Althaus ist damit auf einer Bewußtseinsebene, die Münteferung wohl nicht mehr erreichen wird. Wer braucht den eigentlich noch?
Ebenso erfreulich ist die sehr weise Entscheidung zur Vergabe des diesjährigen Fiedensnobelpreises. It’s the Economy. Ja, in der Tat, und es läßt sich sogar Geld damit verdienen, wenn man nicht nur denen gibt, die es schon reichlich haben. Das binnenwirtschaftliche Entwicklungsland BRD könnte davon übrigens eine Menge lernen. Wenn die hiesigen Bänker kleinen Unternehmen etwas zutrauen würden, könnte die Wirtschaft richtig wachsen und müßte sich nicht auf das Dauerstrohfeuer der Exporte verlassen. Fast könnte man aber meinen, eine andere Politik in der Wirtschaft wäre zu menschenfreundlich und daher verpönt.

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