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Juni 2009


Wie viele Wahlen muß die SPD noch verlieren, bis Kurt Beck endlich zurücktritt?

Nein, was haben wir für einen Frühling! Bärlutschkoni und Popolanleck (Pardon!) amüsieren sich vörzüglich, Gordon Brown (Texture like Sun) baut sich täglich neue Kabinette, hierzulande hauen ein paar Selbstberufene die Milliarden durch den Schornstein, ohne daß eine Regierung, geschweige denn ein Parlament, das kontrolliert. Man könnte meinen, ganz Europa würde von korrupten, unfähigen, dekadenten, machtgeilen, undemokratischen und weltfremden Freaks beherrscht, die Wahlen nur noch abhalten lassen, weil sie danach ganz unabhängig vom Ergebnis weitermachen können. Sie tun, was ihnen ihres Standes würdig erscheint.

Die Karten werden immer wieder neu gemischt, aber es bleiben dieselben Karten. Was dabei auch nicht weiter überrascht, ist das Auftauchen der braunen Joker, die dem angeödet wiederkäuenden Wahlvieh die heimatlichen Wiesen düngen und noch höheres Gras versprechen, das flugs über die Scheiße der anderen blöden Großbauern wuchert.
Es sprießt und steht satt in Frucht und nährt die Illusion, es käme nie der Winter. Krise? Welche Krise?

Europas Abgeschobene lassen sich zu einem Parlament zusammen wählen, das die Kommission nach bestem Können und Gönnen dabei unterstützt, dem ewigen Aufschwung einen chicen Rahmen zu geben. Als nächstes ein Presserecht, das die unmoralischen Knackärsche aus den Fotos der Meetings unserer Obersten zu retuschieren verpflichtet und vielleicht eine Mindestlänge und Höchstkrümmung für deren Schwänze – die Blaupause dafür gibt die Verordnung für Importbananen allemal her.

Aus Griechenland wird die Revolutionierung des Steuersystems gemeldet, Kassenbons zu Lotterielosen! Die Welt ist voller guter Ideen. Es herrscht Aufbruchstimmung auf dem Kontinent der Konvergenzkriterien und Schuldenbremsen.

Nun gut, es gibt ein paar Probleme, aber das Kriesengerede verstummt längst im Angesicht der vielen Retter und Retterinnen, die unser Vetrauen verdienen. Sie tun was, zwischen einer Prise und der nächsten. Wo wir Normalbürger uns schon längst nicht mehr entscheiden könnten, ob wir zum Schampus, zum Koks oder der nach ihm benannten Servicedame greifen sollen, führen unsere Souveräne in between schwungvoll den Füllfederhalter, um ihre noblen Insignien unter ein wichtiges Papier zu setzen.

Was wir am Scheideweg zwischen dem Vertrauen in die Auserwählten und dem Chaos des Defaitismus am allerwenigsten brauchen, ist eine pauschale Verunglimpfung unserer Völkervertreter, bloß weil ihnen hie und da eine menschliche Schwäche unterläuft.
Gehen wir sie wählen, unser Stimmzettel ist mehr als nur die Sicherung unseres Wohlstands. Er ist vor allem die Sicherung ihres Wohlstands, und vielleicht gewinnen wir den großen Teddybären oder sogar die Busreise ans Atomium.

“Es war einmal vor langer langer Zeit”, möchte man anfangen, wenn es darum geht, Liberale bei den “Liberalen” zu finden, die etwas zu sagen hatten. Was ist der “Liberalismus” der FDP jeneits einer wirtschaftspolitischen Ideologie? Waren die Liberalen einmal eine Partei, die sich den Bürgerrechten verschrieben hatte, hatten sie einmal eine Idee von “Freiheit”, die tatsächlich die Freiheit aller Menschen meinte und nicht bloß die des Handels, so ist davon heute offenbar nichts mehr übrig.

Gerhard Baum war und ist ein Liberaler, dem Freiheit und Bürgerrechte noch etwas gelten, der dafür kämpft, und zwar zur Not auch gegen die “Freunde” in der eigenen Partei. Als Bundesinneminister der sozialliberalen Koalition hat er selbst in den heißesten Phasen des “RAF-Terrors” nicht das Maß verloren. Er steht heute weit abseits in der FDP.

Überhaupt, die Innenpolitik: Sollte diese nicht das wichtigste Anliegen des politischen Liberalismus sein? Der Parteivorsitzende kann sich zwar der Lächerlichkeit preisgeben, sich selbst als “Freiheitsstatue” zu bezeichnen, in Sachen realer Freiheit ist er allerdings mehr als zurückhaltend. Der einzige Innenminister, den die FDP seit Jahren aufzubieten hat, ist Ingo Wolf in NRW. Und ausgerechnet der hat ein Verfasssungschutzgesetz verbrochen, das an Bürgerrechtsfeindlichkeit nicht zu überbieten ist. Es wurde daher vom BVerfG gestoppt.

Wenn es darauf ankommt, ist die FDP so reaktionär, wie ihr favorisierter Koalitionspartner das gern hätte. Da ist nicht viel Widerstand zu erwarten, wenn die Freiheit beschnitten wird. Schon in der letzten Bundesregierung, an der sie beteiligt war, hat sie 1995 dem Großen Lauschangriff zugestimmt. Übrigens nicht nur die Fraktion – deren Votum war durch zwei Drittel der Parteimitglieder vorab in einer Urabstimmung erwirkt worden.
Eine der wenigen Liberalen in der Partei, Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, trat daraufhin von ihrem Amt zurück.

Als Jürgen Möllemann noch den Oberclown der Partei gab, ließ sich Westerwelle nicht nur vor dessen Karren spannen und ins Guidomobil sperren, sondern er nahm ihn auch ausdrücklich gegen den Vorwurf des Antisemitismus in schutz. Spätestens seit dem Bundestwagswahlkampf 2002 ließ es sich allerdings nicht mehr leugnen, daß Möllemann ein engagierter Antisemit war. An Westerwelle blieb davon nichts haften.

Mit Silvana Koch-Mehrin stellt sich nunmehr eine “freiheitliche Demokratin” zur Europawahl, deren Gesinnung in den letzten Tagen nur allzu deutlich wurde. Sie nimmt sich die Freiheit zu lügen, verweigert aber anderen die, darauf aufmerksam zu machen. Die Freiheit der Presse, geschweige denn der Netzöffentlichkeit gilt ihr nichts. Sie bekämpft sie vielmehr aus durchsichtigem Eigeninteresse.

Wenn sich die FDP heute also als “freiheitlich” bezeichnet und die eine oder andere Gelegenheit nutzt, um sich als “liberales” Gegengewicht zu einer CDU zu präsentieren, deren Hass auf die Grundrechte von ihrem ministeriellen Rollterrier exekutiert wird, so ist das der reine Etikettenschwindel. Die FDP interessiert sich nicht für Innenpolitik und schon gar nicht für Freiheit oder Bürgerrechte. Solange es nicht zu viele Steuerfahnder gibt, macht sie alles mit, was die Rechtskonservativen sich einfallen lassen.
Es kann aus den gegebenen Erfahrungen kein Zweifel aufkommen: Wer Westerwelle wählt, wird Schäuble serviert bekommen.

Gut, daß andere immer Luft haben, wenn man selbst ein wenig müde ist. Heute ist Thomas Knüwer zu danken, der die Paranoia des Herrn Schäuble wieder einmal in Erinnerung bringt. Es ist mindestens so schlimm, wie viele hier draußen befürchtet hatten, als die angeblich “nur” gegen Kipo eingesetzten Stopschilder zur Diskussion standen. Schäuble will sie alle, will uns alle, die wir “mit einem Mausklick” tausende betrügen, in die Luft jagen, schänden, metzeln, meucheln könnten.

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Man ist fast geneigt, an die Terroristen aller Länder, im Innern und Äußern, vom Ischlamischte über den ETA- oder IRA-Separatisten bis hin zum abgehalfterten Altkader der RAF, um einen klitzekleinen Anschlag zur besten Nachrichtenzeit zu bitten, damit Wölfi endlich einmal etwas handfestes zu bekämpfen hat. Und man fragt sich natürlich auch: Wie haben jahrhundertelang nur die Bomben zünden können, wenn es noch gar kein Internet gab?

Thomas Knüwer stellt die Verbindung her zwischen Schäubles Allround-Irrsinn und dem ganz speziellen Terrain “Internet”, das einem, dem alles Unbekannte unheimlich ist, natürlich unheimlich unheimlich sein muß. Aber ist das wirklich des Pudels Kern? Wenn der Schäublemann kommt, werden Maßnahmen ergriffen. Sie taugen zwar nix, aber sie werden durchgeführt. Da werden Schilder ins Netz gestellt, da wird die die Maus eingeschlossen, die Return- und die Entertaste eingezogen, und schon kann nichts mehr passieren. Vor allem diese Piraten sind dann machtlos, hähä.

Es ist, wie Knüwer es sagt:
Es sei denn, die Volksvertreter begreifen endlich, dass sie das Volk vertreten sollen – und nicht bekämpfen.
Es geht nicht “nur” ums Internet und seine User. Die Jungen, die Fremden, die Nerds, die Linken, vermutlich auch noch die Schwulen und die Obdachlosen – alle, deren Lebenswelt nicht die der kleingeistigen politischen Kaste und ihrer polierten Oberfläche ist, sind verdächtig. Sie müssen sich entweder durch Entbergung ihrer Intimsphäre und Überanpassung “integrieren” oder sie gelten als gefährlich. Das ist die Welt der Schäubles, der Wiefelspütze und Schönbohms. Und nicht nur diese Inliner und Härteexperten, auch ihre konservativ-neoliberalen Kumpane aus den Glashäusern und Elfenbeintürmen stimmen ein in das Lied der Sicherheit, der keine Freiheit zu klein ist, um das gefährliche Andere nicht noch zuzulassen.

Dabei ist es gut für die Demokratie, daß sich diese Geistesriesen das Internet und seine Nutzer als Feinde ausgesucht haben, denn dort stoßen sie nicht nur auf den Widerstand der Informierten und führen einen völlig aussichtslosen Kampf. Vielmehr hat gerade ihre Indifferenz gegen die User ein großes Potenzial an aufklärerischer Wirkung.

Zwar nehmen sich die Netzbewohner gern als politisch anders wahr, und vielleicht sind sie im Gros auch “links der Mitte”. Diejenigen, die hier aufgescheucht und alarmiert werden, sind aber keine homogene Masse und schon gar keine Extremisten. Sie sind vielmehr Bürger aller Schichten und unterschiedlichster Interessen. Zur Diktatur taugt solcher Zinnober nicht, sonst müßten die Schäubles sich Randgruppe für Randgruppe holen, wovon sie womöglich wirklich träumen.

Dagegen organisieren sie derzeit allerdings auf äußerst wirksame Weise einen Widerstand, den echte Extremisten nie zustande bekämen. Es ist eine Frage der Zeit, bis dieser Effekt massenwirksam wird. Aufzuhalten ist er ohne die völlständige Zerstörung des Rechtsstaats nicht mehr.

Ich habe mich ja bereits an ein düsteres Niveau im deutschen Blätterwald und seinem Online-Unterholz gewöhnt. Insbesondere wenn es um den Internetuser als solchen geht, den, der sich täglich tummelt, weiß, was er tut und das für völlig selbstverständlich hält. Den kann der Journalist nicht verstehen, er ist ihm unheimlich. Vielleicht hat der User eine Kompetenz, die der Journalist nicht hat? Das darf natürlich nicht ans Tageslicht kommen. Deshalb fokussiert der Lohnschreiber auf den Mob, der da draußen tobt, der anonym pöbelt, auch wenn er unter vollem Namen bloggt.

Die Monstranz der Inkompetenz, die Politiker in Sachen neue Medien vor sich hin tragen, tut ein Übriges. Diese Matadore der Muffmedien, die sich in der Bibliothek die Bücher suchen lassen, stets von der Bestsellerliste kaufen und vor dem Doppelklick kapitulieren wie ein Gaul vor der Rosenhecke, sind der vermeintliche Prototyp des Lesers, an dem sich die Holzmedien noch immer orientieren. Die passende palamentarische Vertretung des Zeitungslesers, die im besten Fall jemanden kennt, der “ins Internet gehen” kann, ist die kommunikative Elite, der sich Interviewer und Hofschreiber anbiedern, als gäbe es kein Heute.

Auf der anderen Seite stehen eben die Anderen. Die immer was zu meckern haben und nicht einmal mehr Leserbriefe schreiben, geschweige denn sich im Ortsverband der Partei ihres Geschmacks engagieren. Sie halten sich nicht an die Qualitätsstandards der Axel-Springer-Schule und scheren bei jeder Gelegenheit aus dem Konsens der Empfänger jener Sendungen aus, die ihnen das aus guten Grund etablierte Spektrum bietet.
Kaum erkühnt sich eine vor allem deshalb ungemein beliebte Ministerin, die pädophilen Windmühlen des Internets mit der Kavallerie aus dem Sumpf zu vertreiben, da geht ein Aufschrei durchs Netz. Und schlimmer noch: Er bleibt nicht dort, sondern endet in einer Petition, mit der sich der ehrwürdige Bundestag beschäftigen soll.

Als gute Anstalten staatstragender Verkündung ergießt das Konglomerat der Großmedien ganz folgerichtig Gift und Gülle über die Pädophilenfreunde der anarchistischen Front der Internetchaoten, auf daß Ruhe sei im Lande der Aufrechten und Anständigen. Das ist es, was der User schon kennt und der Blogger erwartet.

Und nun dies. Ausgerechnet der Online-Ableger des treuen Kanzlerinnenfunks bietet einem Christian Stöcker die Plattform, im Gewande eines Journalisten differenziert und hintergründig die Öffentliche Meinung zu untergraben und zur öffentlichen Sache zu machen. Was dabei herumkommt, bestätigt die berechtigte Furcht vor solcher Differenzierung: Er verstört nicht nur die Rezipienten durch seine abweichlerischen Erläuterungen, er macht sich nachgerade gemein mit dem Mob, dessen anarchistische Gesinnung der Pädophilie Tür und Tor öffnet.

Spiegel Online mag sich damit herausreden wollen, daß dieses skandalöse Machwerk unter der Rubrik “Netzwelt” versteckt wurde. Man mag ihm auch zugute halten, daß er die Grenze der “C64″ – Generation bei 35 Jahren zieht und die Firma Atari nicht erwähnt, womit er sich als Laie zu erkennen gibt: Die heute 35-jährigen waren gerade einmal 8 Jahre alt, als der C64 erschien und konnten sich das Produkt weder leisten, noch hätten sie etwas damit anfangen können.

Das ändert aber nichts daran, daß dieser Mann völlig untragbar ist für ein führendes Medium, dem die Bürger und Bürgerinnen vertrauen. Und auch mir als Vertreter der Generation Atari und Hassblogger aus dem Internet kann nichts daran liegen, solche Artikel bei einem Feindverlag zu finden. Die Fronten müssen klar bleiben, sonst stehen wir am Ende alle ohne Leser da und neimand weiß mehr, was er am nächsten Tag zu denken und zu sagen hat.

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