Ich habe mich ja bereits an ein düsteres Niveau im deutschen Blätterwald und seinem Online-Unterholz gewöhnt. Insbesondere wenn es um den Internetuser als solchen geht, den, der sich täglich tummelt, weiß, was er tut und das für völlig selbstverständlich hält. Den kann der Journalist nicht verstehen, er ist ihm unheimlich. Vielleicht hat der User eine Kompetenz, die der Journalist nicht hat? Das darf natürlich nicht ans Tageslicht kommen. Deshalb fokussiert der Lohnschreiber auf den Mob, der da draußen tobt, der anonym pöbelt, auch wenn er unter vollem Namen bloggt.
Die Monstranz der Inkompetenz, die Politiker in Sachen neue Medien vor sich hin tragen, tut ein Übriges. Diese Matadore der Muffmedien, die sich in der Bibliothek die Bücher suchen lassen, stets von der Bestsellerliste kaufen und vor dem Doppelklick kapitulieren wie ein Gaul vor der Rosenhecke, sind der vermeintliche Prototyp des Lesers, an dem sich die Holzmedien noch immer orientieren. Die passende palamentarische Vertretung des Zeitungslesers, die im besten Fall jemanden kennt, der “ins Internet gehen” kann, ist die kommunikative Elite, der sich Interviewer und Hofschreiber anbiedern, als gäbe es kein Heute.
Auf der anderen Seite stehen eben die Anderen. Die immer was zu meckern haben und nicht einmal mehr Leserbriefe schreiben, geschweige denn sich im Ortsverband der Partei ihres Geschmacks engagieren. Sie halten sich nicht an die Qualitätsstandards der Axel-Springer-Schule und scheren bei jeder Gelegenheit aus dem Konsens der Empfänger jener Sendungen aus, die ihnen das aus guten Grund etablierte Spektrum bietet.
Kaum erkühnt sich eine vor allem deshalb ungemein beliebte Ministerin, die pädophilen Windmühlen des Internets mit der Kavallerie aus dem Sumpf zu vertreiben, da geht ein Aufschrei durchs Netz. Und schlimmer noch: Er bleibt nicht dort, sondern endet in einer Petition, mit der sich der ehrwürdige Bundestag beschäftigen soll.
Als gute Anstalten staatstragender Verkündung ergießt das Konglomerat der Großmedien ganz folgerichtig Gift und Gülle über die Pädophilenfreunde der anarchistischen Front der Internetchaoten, auf daß Ruhe sei im Lande der Aufrechten und Anständigen. Das ist es, was der User schon kennt und der Blogger erwartet.
Und nun dies. Ausgerechnet der Online-Ableger des treuen Kanzlerinnenfunks bietet einem Christian Stöcker die Plattform, im Gewande eines Journalisten differenziert und hintergründig die Öffentliche Meinung zu untergraben und zur öffentlichen Sache zu machen. Was dabei herumkommt, bestätigt die berechtigte Furcht vor solcher Differenzierung: Er verstört nicht nur die Rezipienten durch seine abweichlerischen Erläuterungen, er macht sich nachgerade gemein mit dem Mob, dessen anarchistische Gesinnung der Pädophilie Tür und Tor öffnet.
Spiegel Online mag sich damit herausreden wollen, daß dieses skandalöse Machwerk unter der Rubrik “Netzwelt” versteckt wurde. Man mag ihm auch zugute halten, daß er die Grenze der “C64″ – Generation bei 35 Jahren zieht und die Firma Atari nicht erwähnt, womit er sich als Laie zu erkennen gibt: Die heute 35-jährigen waren gerade einmal 8 Jahre alt, als der C64 erschien und konnten sich das Produkt weder leisten, noch hätten sie etwas damit anfangen können.
Das ändert aber nichts daran, daß dieser Mann völlig untragbar ist für ein führendes Medium, dem die Bürger und Bürgerinnen vertrauen. Und auch mir als Vertreter der Generation Atari und Hassblogger aus dem Internet kann nichts daran liegen, solche Artikel bei einem Feindverlag zu finden. Die Fronten müssen klar bleiben, sonst stehen wir am Ende alle ohne Leser da und neimand weiß mehr, was er am nächsten Tag zu denken und zu sagen hat.
Juni 3rd, 2009 at 02:52
Ach ja, Atari (ST 1040), in Verbindung mit Cubase mein erster Musikcomputer…
Juni 3rd, 2009 at 07:44
mein einstieg in die computerwelt beginnt erst 1992. und dieses jahr findet mein persönliches jubiläum statt: 10 jahre zugang zum internet.
so what. internet, pc – mit dem alter hat das nicht unbedingt etwas zu tun.
Juni 3rd, 2009 at 08:54
@Frankiteur: Atari ST 1024 meinst Du wahrscheinlich? Den hatte ich auch. Ein tolles Gerät. Mein erster Computer … mit 13 …
Juni 3rd, 2009 at 09:15
Ist hier ein “Generation ST” Treffen? Mein erster Atari war ein 520ST (der “Grosse” hiess uebrigens tatsaechlich 1040ST und nicht 1024 – auch wenn er ueber sagenhafte 1024 Kilobyte Ram verfuegte). Mein erster Computer war ein Commodore plus 4, den es bei ALDI fuer 228 DM gab. Den C64 konnte ich mir nicht leisten, obwohl ich damals schon 30 war.
;-)
Ach ja – auf die eingehendere Lektuere ominoesen SpOn Artikels habe ich verzichtet, kaum dass mir diese merkwuerdige Definition der “Generation C64″ ins Auge sprang.
Juni 3rd, 2009 at 09:41
Solche Artikel fallen wohl in die gleiche Kategorie, wie gestern ein Beitrag im ZDF-Heute-Journal, in dem die Piraten-Partei als ungemein sympathische Wähl-Alternative vorgestellt wurde mit echten Chancen auf Einzug in’s Europaparlament. Man darf die Zielgruppen von morgen ja nicht vor den Kopf stoßen. Da schmiert man ihnen halt ein bisschen Honig um’s Maul und gibt sich selbst halt auch mal ungewohnt progressiv und tolerant.
Außerdem ist diese Strategie gut für die Eindämmung von Aufruhren und Müpfigkeiten der Bürger. Die entstehenden kognitiven Dissonanzen, der psychologische “Hä?”-Effekt, erzeugt im Kleinstammhirn des Rezipienten eine corticale Krampferregung, welche verhindert, dass er auf die Straße geht zum Demonstrieren oder gar Schlimmeres tut, z.B. nervige Online-Petitionen unterschreibt.
Noch sind die Strategien der Think Tanks und Elite-Propaganda-PR, welche hinter SpOn stehen und auch das ZDF oder den DLF beraten, noch diffus und unklar, aber da beschäftigt man sich schon – nämlich z.B. heute in Bonn – vorausblickend mit derartigen Kampffeldern.
Natürlich werden hierzu die progressive Netzpolitik-Aktivisten eingeladen. Schließlich kann man vom Gegner lernen. Am besten, sich direkt in einem Powerpoint-Vortrag von ihm erläutern lassen, was er vorhat.
Und außerdem – es ist das Grundgesetz der PR – wird ein persönliche Kontakt zum eigentlichen Asset in Zeiten frei floatender Jedermanns-Informationen. Auch der standfesteste intellektuelle Gegner hat schließlich seine kleinen Eitelkeiten, bei denen man ihn früher oder später packen kann.
Solche Kongresse haben dann das bezeichnende Thema:
“Konfliktvermeidung im Multimedia-Zeitalter
Chancen und Herausforderungen durch neue Technologien und Nutzergewohnheiten”
Juni 3rd, 2009 at 10:01
Verzeihts mir, aber da sind sie wieder die alten Eitelkeiten ;-)
Mein erster war ein TRS80 von Tandy. Von Commodore gabs da aber auch schon einen. Ich glaube eine Modell PET2001.
Das war 1978.
Juni 3rd, 2009 at 10:11
eher generation amiga! war aber auch schweineteuer. dtp mit wysiwyg auf zwei 720kb disketten. das waren noch zeiten….
Juni 3rd, 2009 at 10:44
Hallo, ihr junges Gemüse da draußen, lasst mal eine Mumie zu Wort kommen. Habe meinen ersten Computer vor drei Jahren gekauft, mit 68. Nennt sich, zu mir passend, “Phantom 1440 Combo”.
Um den von flatter thematisierten Konflikt zwischen Früh- und Neuzeit zu verstehen, müsst ihr Google klicken.
Mumifikation
Als Mumifikation bezeichnet man den natürlichen Prozess, der zur Bildung von Mumien führt. Seine Untersuchung ist Teil der Fossilisationslehre.
Juni 3rd, 2009 at 10:46
lol, ein Treffen der Computerveteranen ;)
Also mein erster Rechner war ein 386er, das war so um Jahr 91 und ich war damals 13.
Sofern ist dieser Artikel tatsächlich dümmlich, denn es gibt gar keine ‘Generation C64′ und schon gar keinen Kampf der Kulturen (ausser die Hetzer vom Dienst zetteln mal wieder einen an). Ich habe auch oft früher den Fehler gemacht, dass ich den Regierenden schlichte Inkompetenz vorwarf, aber seit ich gelegentlich Mal die Ehre habe Senioren am PC zu trainieren, weiss ich, dass Alter kein Argument ist. Die begreifen erstaunlich schnell was ‘wir’ Jungen an Dingen wie den Stopp-Schildern auszusetzen haben – und ich rede hier von Herrschaften der Generation 55+. Sofern, die Regierenden wissen ganz genau was sie da tun und Autoren wie Herr Stöcker dienen ihnen als Nebelkerzen.
… so ganz habe ich den Artikel aber auch nicht gelesen, paar markante Absätze reichen mir da schon.
Juni 3rd, 2009 at 10:58
Sorry Huuh,wir junges Gemüse kennen nur den Begriff “Klingon-Mumification“. Dafür gibt’s sogar einen Glyph. Wenn Du Dir den Klingon-UTF-8 Zeichensatz auf deinen “Phantom” downloadest, kannst Du sogar in klingonisch schreiben.
Juni 3rd, 2009 at 11:31
Vielen Dank Flatter, je suis seit gestern am Überlegen, ob und wenn wie ich auf diesen pseudojournalistischen Quatsch eines offensichtlich sich hinter dieser Maske versteckenden “Profis” der Netzgeschichte antworten könnte. Dank Dir habe ich nun Zeit mich weiter um meinen Müntefering-Artikel zu kümmern ;-)
Ach ja, und da wir gerade bei einem Skandälchen sind, der Freitag fordert einen Blogger-Rat. Warum? Weil die Bahn Fakenews brachte! Das ist doch auch mal etwas.
via: https://www.freitag.de/alltag/0922-bahn-entlassung-marketing-public-relations-bezahlte-blogs
Juni 3rd, 2009 at 11:57
Na so positiv sehe ich den SpOn-Artikel nicht. Das ist doch eine wilde Konstruktion, die vom eigentlichen Anliegen der Petenten ablenkt. Eigentlich doch nur dämliche Anbiederei.
Ich bin beiläufig 56 Jahre alt und insofern nach Ansicht des SpOn-Autors ein digitaldebiler Greis auf der anderen Seite des gesellschaftlichen Risses. Dummes Zeug. Internet ist beruflich wie privat Tagesgeschäft, ebenso wie der Computer als solcher. Ich denke schon, dass ich auf der gleichen Höhe bin wie mein 24-jähriger Sohn.
Da finde ich auch gar nichts besonderes dran.
Hat schon mal jemand den Leserkommentar-Teil bei SpOn zu diesem Artikel gelesen? Nein? Dann nur zu, ihr werdet sehen, wer sich hier so zu Kommentaren aufgerufen fühlt. Und wer trotz der scheinbaren Konzessionen an die Newest Generation eigentlich durch den Artikel angesprochen wird. Anbiederartikel eben, mehr doch nicht.
Vernünftiges zum Hintergrund der Petition und ihrer Gründe habe ich so gut wie nicht gefunden. Statt dessen die üblichen Plattitüden, nach dem Motto: Ich bin auch ein ganz moderner Freak, aber wie man gegen Kinderporno-Sperren sein kann, verstehe ich nicht… Null Ahnung, null Hintergrund.
Ich bin übrigens Mitpetent so in der 60.000er-Gruppe.
Juni 3rd, 2009 at 12:33
@Maria v. B.: Ich habe den verlinkten Artikel bereits kommentiert: https://archiv.feynsinn.org/?p=1121
@Udo: Von Schverstand und hoher Kompetenz ist ja auch nicht die Rede. Aber ich bin sehr bescheiden geworden und bin schon überrascht, wenn eben jemand nicht scheibt, was alles schreiben, sondern einen zweiten Blick wagt und sich anders äußert. Ob der Autor sich dann hinter die abweichende Position stellt oder nicht, ist für mich irrelevant.
“Null Hintergrund” kann ich schließlich überhaupt nicht bestätigen. Der Artikel enthält eine ganze Reihe an Informationen und Einschätzungen, die im Mainstream verschweigen werden. Man darf halt nicht erwarten, daß der Journalist bei einem solchen Thema Bloggerniveau erreicht.
Juni 3rd, 2009 at 15:55
@flatter: Ok, unter diesen Maßstäben stimme ich dir zu. “Null Hintergrund” bezog sich allerdings auf die Qualität der meisten SpOn-Leserbeiträge…
Juni 3rd, 2009 at 19:35
Ich trau dem Braten bei SpOn auch nicht, allerdings wird man ja bescheiden mit seinen Ansprüchen an die sogenannten Leitmedien. Übrigens bin ich 43, hatte meine erste PC-Begegnung mit einem Amiga 500 und mein erster eigener war ein 386er mit mörderischen 1024kb RAM und Tetris unter DOS, grüne Klötze auf schwarzem Grund. Allerdings habe ich mir mit Mitte 30 beim Verlassen der Generation C64 einen Mac SE gebraucht gegönnt – 9-Zoll Mäusekino All-in-One – der steht staubgeschützt in der Vitrine ;-)
Juni 3rd, 2009 at 22:20
“Allerdings habe ich mir mit Mitte 30 beim Verlassen der Generation C64 einen Mac SE gebraucht gegönnt – 9-Zoll Mäusekino All-in-One – der steht staubgeschützt in der Vitrine ;-)”
So einen hab’ ich auch noch. Der steht staubgeschuetzt im Schrank und wartet drauf, dass ich mir auch mal ne Vitrine leisten kann ..
;-)
Juni 4th, 2009 at 11:43
[...] Glück einfach mal auf die Probe. Er passt einfach so prima zur Generation C64, die heute überall diskutiert wird, aber auch sonst in die heutige Zeit: [...]
Juni 11th, 2009 at 09:30
Mit dem Abstand einiger Tage kann man diesen Stöcker-Artikel leichter einordnen. Er ist keineswegs gut sondern eigentlich ein Politmanöver, bei dem man sich nur darüber wundern kann, dass es offenbar nicht durchschaut wird:
ein politisches Problem, dass nämlich die etablierten Politmacher nebst Zuarbeitern mit ,,dem Netz” ein Problem haben und es nicht handeln können, fast in Panik verfallen, wird durch ein biologisches Problem (Spaltung in junge netzaffine und alte netzferne Menschen) ersetzt. Aus dieser Sichtweise folgt die einzige rationale Strategie: zuhause bleiben, abwarten. Denn dieses biologische Problem nähert sich seiner biologischen Lösung.
Muß man mehr zu diesem Artikel von Stöcker sagen?