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Juli 2008


Die Bundeskanzlerin und ihre Sachkompetenz – noch ein Sommermärchen. Der Oeffinger sagt’s in aller Kürze, und seine Kritik an der Berichterstattung der Medien ist äußerst gerechtfertigt. Beispielhaft dafür zitiert SpOn die Wirtschaftswoche:
Merkel sagte jetzt in dem Interview mit der “Wirtschaftswoche”, unter ihr würden sicher keine Reformen zurückgedreht, die den Wirtschaftsaufschwung mitbegünstigt hätten. “Das sage ich ausdrücklich beispielsweise mit Blick auf Bestrebungen, die Rente mit 67 auszuhöhlen[...]
Die “Rente mit 67″, deren erste Auswirkungen erst in eingen Jahren messbar werden können, haben absolut nichts mit einem aktuellen Wirtschaftsaufschwung zu tun. Das kann man Merkel aber gar nicht ankreiden, denn sie hat es völlig anders formuliert:
Während meiner Kanzlerschaft werden sinnvolle Reformen an keiner Stelle zurückgedreht. Das sage ich ausdrücklich beispielsweise mit Blick auf Bestrebungen, die Rente mit 67 auszuhöhlen[...]”
Merkel will den Agenda-Kurs forsetzen, das wird auch im SpOn-Artikel deutlich. Das Boulevardnachrichtenportal will aber Gutes tun und ihren Job vermeintlich besser machen als sie selbst.
Merkel schwört Deutschland auf härteren Kampf gegen Arbeitslosigkeit ein” ist die Titelphrase. Das “Einschwören” übernimmt SpOn aber selbst durch die grenzdebile Behauptung, zukünftige Rentenkürzungen schafften heute schon Arbeitsplätze. “Härterer Kampf gegen Arbeitslosigkeit” ist aus derselben Charge. So etwas schreiben Leute, die keinen Gedanken an ihre eigene Sprache verschwenden. Wer kämpft denn da? Was bedeutet “einschwören”? Gegen wen oder was wird da “gekämpft”, was sind die Mittel, wer gewinnt und wer verliert? Würde der Autor “ler”, der “Reuters/dpa” zitiert haben will, seinen Job halbwegs tragbar erledigen, hätte er sich diese Fragen selbst gestellt. Dann wäre vielleicht ein Stück Journalismus dabei herausgekommen, über das man nicht (wie der Oeffinger) sagen müßte:
Viel zu häufig werden nur die hohlen Phrasen wiedergekäut und wird bestraft, was nicht hohle Phrase ist“.

hokedog
 
Herzlichen Glückwunsch!

Es gab einige aussichtsreiche Kandidaten, die den Kriterien der Jury beinahe entsprachen, und wenige, die danach noch infrage kamen. Ich fand einige sehr gute Blogs, die noch zu jung sind, um sie schon zu prämieren (fehlt jemandem ein “i”? Ich mag diese Schreibweise einfach nicht). Heiße Kandidaten fürs nächste Jahr allemal.
Daß die Kommentatoren nicht müde wurden, selbst zu votieren, hat die Jury nicht beeinflußt. Meine Blogroll wird aber sehr bald diesen Bezeugungen Rechnung tragen.
Der Sieger ist ein wahrlich Unterschätzter. Nicht zuletzt, weil er die moderaten Töne vorzieht, gern trotzdem deutlich wird und immer eine wirklich eigene Meinung hat. Es ist ein solides, unauffälliges Blog, mit einer guten Mischung aus Politik, Computerwelt und den Rest des Lebens. Es macht mich regelmäßig schmunzeln und gehört schon lange zu meinen Favoriten. Man mag mir zurecht vorwerfen, daß ich ein wenig zurückgebe von der wohlwollenden Aufmerksamkeit, die er mir schenkt, von daher ist es ganz im Sinne von Grimme ;-) auch ein Dankeschön.

Wie bereits in der gestrigen Diskussion deutlich wurde, ist das deutsche Wahlrecht kompliziert. Nicht jeder versteht es. Es ist obendrein nicht nur ungerecht, sondern auch verfassungswidrig, wie seit heute feststeht.
Ich selbst habe gestern übrigens Mist verzapft. Mir war tatsächlich nicht bekannt, daß es im Bundestags zwar Überhangmandate gibt, aber keine Ausgleichsmandate. Es wird also noch schlimmer werden für die SPD, sagt meine trübe Kristallkugel. Da jedes Mandat, das LINKE und CDU über ihren Zweitstimmenanteil hinaus gewinnen, einfach dazu kommt, werden sie im Vergleich zu den anderen noch mehr Sitze bekommen. Die SPD, die nur noch in sehr wenigen Wahlbezirken stärkste Partei ist, wird dadurch ebenso benachteiligt wie Grüne und FDP.
Der Bundestag hat grundsätzlich doppelt so viele Mandate wie Wahlkreise. Holt eine Partei also alle Wahlkreise in einem Bundesland, entspricht dies einem Zweitstimmenanteil von 50%. Je breiter die Streuung der Zweitstimmen ist, desto mehr fällt die Dominanz einer Partei in einem Bundesland ins Gewicht. Nehmen wir an, Erst- und Zweitstimmen verteilen sich gleich, und wir legen die aktuellen Wahlprognosen (EMNID) flächendeckend zugrunde: CDU 35%, SPD 26%, GRÜNE 10%, FDP 12%, LINKE13 %.
Dann hieße das, die CDU hat einen Vorsprung von 9%, im Direktvergleich von 34%, zur SPD. Die SPD müßte also satte 34% mehr an Stimmen holen, um mit der CDU gleichauf zu liegen. Nur eine sehr glückliche Ungleichverteilung der Sympathien in einzeknen Wahlkreisen kann ihr so überhaupt noch Direktmandate einbringen. Die Lage ist aber noch schlimmer: Nur CDU/CSU und LINKE sind in einigen Bundesländern maßgeblich stärker (an Erststimmen) als ihr Gesamtstimmenanteil. Das gilt für die LINKE in einigen Ostländern und für die CDU in fast allen übrigen.
Für Kollege Oswald heißt das übrigens, daß er es theoretisch noch schaffen kann. Allerdings kann es durchaus passieren, daß die CDU in BaWü alle Wahlkreise holt. Dann müßte sie schon die absolute Mehrheit der Zweitstimmen holen, um noch Listenplätze zu besetzen. Oswald dürfte bei allem empfundenen Schwergewicht aber nicht an Nr. 1 stehen, es wird auch dann noch knapp für ihn.
Zurück zum Wahlrecht: Es ist antiquiert. Daß es immer wieder Cleverles gibt, die ein reines Mehrheitswahlrecht fordern, kann man nur mit Kopfschütteln quittieren. Einem Friedrich Merz würde das sicher gefallen, wenn die CDU eine verfassungsgebende Mehrheit hätte. Den tatsächlichen Wahlergbnissen zufolge muß das Mehrheitswahlrecht aber zurückgedrängt werden, etwa durch eine intelligente Regelung durch Ausgleichsmandate. Schön wäre auch die Besetzung der Landeslisten nach Erfolg bei den Erststimmen. Eine Erststimme wäre dann nicht nur für das Direktmandat relevant. Dies würde der Erststimme eine deutlich größere Bedeutung geben. Allerding wird das vermutlich ein Traum bleiben, denn es regiert sich ja am besten, wenn der Bürger den Parteien möglichst wenig ins Handwerk pfuscht.

Da hat er sich verkalkuliert, der gute Oswald Metzger: Die CDU in Biberach will ihn nicht als Kandidaten. Damit dürfte klar sein, daß er nicht dem nächsten Bundestag angehört, denn über die Landeslisten wird kaum jemand von der CDU hineinrutschen – schon gar nicht in Baden-Württemberg. Das wird ohnehin noch lustig werden: So, wie ich das sehe, wird die SPD kaum ein Direktmandat holen. CDU und die Linke (im Osten) werden sich die Ernte vermutlich teilen. Da die CDU aber auf etwa 35% kommt und (ich wette) deutlich mehr als die Hälfte der Direktmandate holen wird, wird es voll im Deutschen Bundestag. Das wird dazu führen, daß die CDU eben kaum jemanden über die Listen ans Mandat bringt. Bei der SPD wird es in einigen Bundesländern ähnlich aussehen, weil sie nur jedes zehnte Direktmandat braucht, um ihren Stimmenanteil abzudecken. Selbst das könnte schon schwierig werden, aber durch die vielen zu erwartenden Ausgleichsmandate wird man sicher die aktuellen Minister irgendwie über die Listen durchbringen. Wie dem auch sei, die nächste Wahl wird für die SPD ein böses Erwachen geben, obwohl sie ohnehin kaum etwas erwarten darf. Ein Gutes aber hat es: Oswald ist nicht dabei und muß weiterhin für die INSM das Volk beraten, wofür er jetzt noch weniger qualifiziert ist als ehedem. Eine Chance hätte er wohl noch: Einen Parteiwechsel. Damit muß natürlich jederzeit gerechnet werden.

Nach einer an Zwillingen durchgeführten Forschung über dies und das hat die Wissenschaft festgestellt:

35 Prozent der Unterschiede zwischen männlichen Homo- und Heterosexuellen sind demnach genetisch bedingt“.

Außerdem bestätigen die Betroffenen 22% meher Spannkraft und 34,8% weniger Lachfältchen.
Die Zeit langweilt ihre Leser mit unsortiertem Blaba zu einer weiteren überflüssigen Studie aus der Zwillingsforschung. Wenn man solche Artikel liest, darf man keine Fragen haben. Man muß in die Gemütlichkeit des Boulevard ganz eintauchen und entspannt in den Bauch atmen. Wenn die Dümpelbläschen dann mit einem leisen “Plitsch” an der Schädeldecke zerplatzen, entweicht die Erkenntnis ganz von selbst. Sex? Schwul? Gen! 35%. Alles wird gut. Haben nicht auch SPD und CDU bei der letzten Wahl 35% geholt? Alles ist Gen. Alles ist 35%. Alles ist Sex.

Die Zeit beläßt es aber nicht lange beim Vorbehalt der Komplexität, der unsere wohlige Erkenntnisgewinnung stören könnte. Es ist doch alles ganz einfach:

Zwillinge haben sich in dieser Studie einmal mehr als besonders wertvolle Probanden für die Forschung erwiesen. Eineiige Zwillinge haben dasselbe Erbgut, zweieiige Zwillinge dagegen stammen aus zwei verschiedenen befruchteten Eizellen. Durch den Vergleich beider Gruppen ist es möglich festzustellen, welchen Einfluss die Gene und welchen die Umwelt haben“.

Umwelt oder Gen, was nicht Umwelt ist, ist Gen. Sonst nichts. Schöne alte Welt.
Zum Beispiel Homosexualität: Nehmen wir einmal lesbische Zwillinge, die seit der Geburt getrennt sind. (Hier kann die Zeit noch lernen: “lesbische Zwillinge” kommt viel geiler als “Schwulsein”) Da weder (Pflege-)Vater, noch (Pflege-)Mutter lesbisch sind oder die Kinder zu lesbischem Sex animieren, stellt sich also Frage: Wo hat das Kind das von?

Richtig, auch das ist Gen. 35%. Wenn nämlich beide Zwillinge lesbisch sind, sind es 100%. Ist es nur eine, sind es 50%. Keine von beiden: 0%. Macht im Schnitt, bei Berücksichtigung von Ausgleich-und Überhangsmandaten roh und rund 35%.
Die kleine Spitze im wissenschaftlichen Bericht der “Zeit” ist auch einer Würdigung wert: Zwillinge “einmal mehr als besonders wertvolle Probanden” – ein wunderbar zubereitetes Häppchen zur Geschichte der Zwillingsforschung!

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