Wie bereits in der gestrigen Diskussion deutlich wurde, ist das deutsche Wahlrecht kompliziert. Nicht jeder versteht es. Es ist obendrein nicht nur ungerecht, sondern auch verfassungswidrig, wie seit heute feststeht.
Ich selbst habe gestern übrigens Mist verzapft. Mir war tatsächlich nicht bekannt, daß es im Bundestags zwar Überhangmandate gibt, aber keine Ausgleichsmandate. Es wird also noch schlimmer werden für die SPD, sagt meine trübe Kristallkugel. Da jedes Mandat, das LINKE und CDU über ihren Zweitstimmenanteil hinaus gewinnen, einfach dazu kommt, werden sie im Vergleich zu den anderen noch mehr Sitze bekommen. Die SPD, die nur noch in sehr wenigen Wahlbezirken stärkste Partei ist, wird dadurch ebenso benachteiligt wie Grüne und FDP.
Der Bundestag hat grundsätzlich doppelt so viele Mandate wie Wahlkreise. Holt eine Partei also alle Wahlkreise in einem Bundesland, entspricht dies einem Zweitstimmenanteil von 50%. Je breiter die Streuung der Zweitstimmen ist, desto mehr fällt die Dominanz einer Partei in einem Bundesland ins Gewicht. Nehmen wir an, Erst- und Zweitstimmen verteilen sich gleich, und wir legen die aktuellen Wahlprognosen (EMNID) flächendeckend zugrunde: CDU 35%, SPD 26%, GRÜNE 10%, FDP 12%, LINKE13 %.
Dann hieße das, die CDU hat einen Vorsprung von 9%, im Direktvergleich von 34%, zur SPD. Die SPD müßte also satte 34% mehr an Stimmen holen, um mit der CDU gleichauf zu liegen. Nur eine sehr glückliche Ungleichverteilung der Sympathien in einzeknen Wahlkreisen kann ihr so überhaupt noch Direktmandate einbringen. Die Lage ist aber noch schlimmer: Nur CDU/CSU und LINKE sind in einigen Bundesländern maßgeblich stärker (an Erststimmen) als ihr Gesamtstimmenanteil. Das gilt für die LINKE in einigen Ostländern und für die CDU in fast allen übrigen.
Für Kollege Oswald heißt das übrigens, daß er es theoretisch noch schaffen kann. Allerdings kann es durchaus passieren, daß die CDU in BaWü alle Wahlkreise holt. Dann müßte sie schon die absolute Mehrheit der Zweitstimmen holen, um noch Listenplätze zu besetzen. Oswald dürfte bei allem empfundenen Schwergewicht aber nicht an Nr. 1 stehen, es wird auch dann noch knapp für ihn.
Zurück zum Wahlrecht: Es ist antiquiert. Daß es immer wieder Cleverles gibt, die ein reines Mehrheitswahlrecht fordern, kann man nur mit Kopfschütteln quittieren. Einem Friedrich Merz würde das sicher gefallen, wenn die CDU eine verfassungsgebende Mehrheit hätte. Den tatsächlichen Wahlergbnissen zufolge muß das Mehrheitswahlrecht aber zurückgedrängt werden, etwa durch eine intelligente Regelung durch Ausgleichsmandate. Schön wäre auch die Besetzung der Landeslisten nach Erfolg bei den Erststimmen. Eine Erststimme wäre dann nicht nur für das Direktmandat relevant. Dies würde der Erststimme eine deutlich größere Bedeutung geben. Allerding wird das vermutlich ein Traum bleiben, denn es regiert sich ja am besten, wenn der Bürger den Parteien möglichst wenig ins Handwerk pfuscht.