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Ein Gespenst geht um in Deutschland. Es ist verrückt, und zwar nach links, und es treibt den Glaubenskrieg, der Ende der 90er Jahre begonnen hat und bis heute andauert, auf die Spitze – vielleicht in die letzte Schlacht. Der rechte Glaube ist der an niedrige Kosten als allein seligmachende Therapie für einen “Markt” der am Staat krankt. Schon die eingeschliffene Mär, der Staat oder öffentliche Leistungen seien etwas Schädliches, spricht Bände. Der Markt ist gut, der Staat ist schlecht? Bislang konnte durfte man das kaum anders sehen.
Seit 25 Jahren werden tendenziell immer mehr Sozialleistungen gekürzt, sinken die Steuern für Unternehmen und gleichzeitig die Reallöhne. Diese Spanne ist lang genug, um zumindest den Verdacht zu erhärten, der sträflich vernachlässigte Binnenmarkt, die mangelnde Kaufkraft, tue der Konjunktur nicht gut. Wie anders ließe sich erklären, daß die Wirtschaft des ewigen Exportweltmeisters noch immer langsamer wächst als der europäische Durchschnitt?
Das Lamento der neoliberal inspirierten Kostensenker ist immer das gleiche: Wächst die Wirtschaft schneller, lag es an Kostensenkungen. Wächst sie zu langsam, sind die Kosten noch zu hoch. Und selbst in vergleichbar guten Jahren heißt es: Bloß die Kosten im Auge behalten!
Das einzige, das funktioniert an dieser Strategie, ist die Maximierung der Gewinne solcher Betriebe und Gesellschaften, die bereits guten Absatz haben. Sie können ihre Märkte weiter beliefern und erwirtschaften bei gleichen Verkaufspreisen mehr Gewinn. Allerdings geht das fast immer zu Lasten der Qualität. Auf längere Sicht gehen so mehr Kunden verloren, als zuvor gewonnen wurden. Das Kapital kann dann rechtzeitig abwandern und im nächsten Betrieb die Kosten senken.
Sozialabgaben sind für die Kostensenker noch schlimmer als höhere Löhne: Sie bringen ja gar nichts ein. Was der Staat ausgibt, muß er den Bürgern ja wegnehmen. Also ist jeder Euro in staatlicher Hand ein Euro zuviel.
Daß auch das Blödsinn ist, zeigt sich derzeit auf fatale Weise in diesem Land: Bildung und Ausbildung sind in vielen Bereichen so miserabel, daß überall Fachkräfte fehlen. [An dieser Stelle bitte eine Kunstpause einlegen] Der Wirtschaftsweise, der dies liest, erregt sich an dieser Stelle: “Alles Unfug!” sagt er. Der Fachkräftemangel ist demographisch bedingt, es werden keine Kinder mehr geboren.
Aha. Und woran liegt das? Von den Leuten wird verlangt, daß sie mit 207 Euro monatlich ein Kind durchfüttern, wenn es schiefgeht mit dem Job. Sie sollen jederzeit von München nach Hamburg ziehen können, wenn es der Beruf verlangt. Die Begriffe “Armut” und “Kinder” gehören in diesen Zeiten zusammen wie “Wasser” und “naß”. All das aber wurde unter den Tisch gekehrt. Die Kosten waren ja schuld. An allem.
Nun geht die zurecht viel geschmähte SPD hin und rückt ein wenig. Was sie inhaltlich beschlossen hat auf ihrem Parteitag, ist ein laues Lüftchen, das nicht viel bewirken wird. Aber was sie gesagt hat, das wirkt! Die Sozialdemokraten, vor allem die “an der Basis”, haben die Schnauze voll von den Taschenspielertricks der Armanifraktion. Sie sprechen wieder von “Teilhabe”, “Gerechtigkeit” und gar “Sozialismus”. Damit gibt es endlich wieder eine Mehrheit im Parteienspektrum, die nicht mehr das Credo des Neoliberalismus herunterbeten muß. Das ist eine echte Wende.