diDie Karriere des Blenders zu Guttenberg ist über die Skandalisierung seiner letzten Affäre hinaus ein Anlass, die Kommunikation über Politik zu hinterfragen. Nicht zuletzt um zu klären, inwiefern eine Ansprache an den Verstand der Menschen überhaupt noch sinnvoll ist. Man muss sich dafür nicht einmal das peinliche Radiogespräch von Holger Klein mit einer Guttenberg-Anhängerin anhören. Die Glorifizierung des geschniegelten Dilettanten hält der einfachsten Nachfrage nicht stand, das kann niemanden überraschen, der sich von der Propaganda nicht hat einlullen lassen. Die Frage: “Was hat Guttenberg gut gemacht?” können dessen glühendste Verehrer noch am allerwenigsten beantworten. Wie denn auch?

Wer nie ein Spiel von Franz Beckenbauer gesehen hat, weiß dennoch, dass er eine “Lichtgestalt” ist. Besser noch “absolute Lichtgestalt” oder etwas mit einem Superlativ. Wer keine Ahnung von Wirtschaft hat und eine solche auch gar nicht entwickeln will, weiß dennoch: ‘Wir’ sind Exportweltmeister, und wie der Name schon sagt, ist das etwas extrem Gutes. Die Identifikation mit einem Status oder einer Gruppe ist dabei schon ein sehr starkes Motiv, die mit einer Person ein noch stärkeres. Es ist nichts anderes als das, was die Psyche von Verliebten prägt. Es sind eigentlich “narzisstische” Triebkräfte, die da am Werk sind, Gefühle, die eigentlich den Bezug der geblendeten Personen zu sich selbst betreffen. Daher ist die Formulierung, man “identifiziere” sich mit jemanden, völlig richtig gewählt. Das Schicksal des Promis wird empfunden, als sei es das eigene. Sein Erfolg ist der seiner Fans, sein Misserfolg ebenso.

Sehnsucht und Kränkung

brainpipeExakt deshalb ist der Abstieg des Blenders vom Star zum Betrüger für viele so unerträglich. Sie selbst sind verletzt, sie selbst sind aus luftiger Höhe abgestürzt und fühlen sich jetzt zu unrecht geschmäht. Der Weg in eine von Verstand geleitete Aufarbeitung der Angelegenheit fällt ihnen doppelt schwer: Erstens weil man das Band der Identifizierung nicht mal eben so löst, zweitens, weil man dann die nächste Kränkung erfährt. Denn wenn man dann wieder ganz bei sich ist und nicht mehr Teil der grandiosen Führerfigur, steht man als Depp da, der einem Aufschneider auf den Leim gegangen ist, unfähig, einen Laienschauspieler von einer Gottheit zu unterscheiden.

So endet, was sich von Sehnsüchten treiben lässt, wo Nüchternheit geboten wäre. Wie in allen anderen Lebenslagen, in denen Produkte mit Pomp und PR verkauft werden, ist die Enttäuschung vorprogrammiert. In der Verschmelzung solcher Verkaufsstrategien mit Politik und Glamour bleibt es nicht bei der lehrreichen Ernüchterung, sondern es wird gewaltiger Flurschaden angerichtet. Je weiter sich die Propaganda von der Wirklichkeit entfernt, desto größer ist die Blamage, wenn der Betrug auffliegt. Dass Guttenbergs Fans das nicht ihm ankreiden, sondern den Medien, ist obendrein ein Reflex, der unbewusst die Richtigen zu treffen sucht. Da wurde einer gemacht und zerstört, und mit ihm die Träume der Entzückten und Entrückten.

Herzschmerz und Propaganda

Das mögen die auf der anderen Seite mit Hohn begleiten, den der Baron allemal verdient hat, zumal er bis heute nicht einsehen mag, dass er an seiner eigenen billigen Legende gescheitert ist. Viel wichtiger aber ist die Frage, wie man sich zu dem Phänomen stellt, das ihm und anderen Trugbildern ihren Erfolg beschert. Was kann man tun gegen eine Melange von Propaganda und Kitsch, gegen Herzschmerz und Promi-PR? Es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass Fakten und Vernunft völlig außen vor sind in diesem Spiel.

Ein Minister, der von einer Affäre in die andere geschlittert ist, schon bei den Verhandlungen um Opel nicht koordiniert hat, sondern erst entschlossen die Insolvenz vorantreiben wollte, um dann ebenso standhaft das Gegenteil zu tun. Die Presse adelte derweil den Adel. Dann kam die Linklaters-Affäre. Guttenberg ließ ein ganzes Gesetz von einer Anwaltskanzlei schreiben, teilte das gleichwohl niemandem mit. Der Briefkopf im Gesetzentwurf war freilich ein eindeutiger Hinweis. Es folgten u.a. Kundus-Affäre, Gorch Fock-Affäre, Promotions-Affäre. Aber das sind Fakten und die spielen keine Rolle.

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Schnöde Realität vs. schöne Illusion

Auf der ganz anderen Seite stehen Angebote wie dieses Blog, und die Frage, die hier immer wieder aufkommt, ist vollkommen berechtigt: Wozu das Ganze? Wofür noch mehr Information, pointierter Kommentar und abweichende Meinung, wenn der grundlegende Bezug auf Fakten offenbar unerwünscht ist? Wozu sich an der schnöden Realität abarbeiten, wo die schöne Illusion herrscht? Wie aufklären, wenn bereits genug gesagt ist und niemand das hören will? Oder gibt es womöglich einen Weg, dem Verstand doch noch zu seinem Recht zu verhelfen?

Ich weiß es nicht. Ein kleiner Hoffnungsschimmer liegt darin, dass vielleicht einige Journalisten mitlesen in den kritischen Blogs und bei den wenigen mutigeren Kollegen. Dass sie sich ärgern, bei der Vollverschleierung des politischen Diskurses erwischt zu werden. Dass es eine multiplizierende Leserschaft gibt, die sie verlieren, wenn sie einen so schlechten Job machen. Dass sich doch der eine oder andere schämt, wenn er seine Artikel von gestern liest. Vielleicht ist Bloggen am Ende aber auch nur Besserwisserei, die mit ein wenig politischer Lyrik tröstet. Ist das besser als nichts?