Gesetzgeber und Gesetznehmer
Posted by flatter under Best of , PolitikKommentare deaktiviert
07. Aug 2009 23:59
Bald wählen wir wieder unseren Bundestag. Der Bundestag wählt dann eine Kanzlerin, und die bildet eine Regierung. Der Bundestag verabschiedet Gesetze, die die Regierung eingekauft hat.
Nicht nur die Bertelsmann-Stiftung schreibt ganze Gesetze, die ein willfähriger Minister dann enem ebensolchen Parlament zum Abnicken vorlegt. Immer öfter sind es Anwaltskanzleien, die die Texte ausarbeiten, auf deren Basis wir dann regiert und behördlich verwaltet werden.
Die Supernova am Regierungsimmel, der allseits feinentstaubte und glatt gewienerte Bundesallerleiminister zu Guttenberg, hat in dieser Tradition einen Gesetzentwurf abschreiben lassen, der zwar denkwürdig überflüssig ist, immerhin aber die Jura-Wirtschaft ankurbelt. Hätte der Mann ein bißchen mehr drauf als wirre Reden und sein Talent für virtuoses Fettnäpchen-Twister, würde er vielleicht eine Abwrackprämie für Staatssekretäre und sonstige Ministerialbürokraten einrichten. Würde ihn auch nur der Hauch einer Ahnung sanft umwehen, wofür er zuständig ist und wofür nicht, er könnte endlich seine Arbeit aufnehmen.
Der “KaTe” setzt aber andere Prioritäten, meist an der Frage orientiert, was ihm die meisten Sendeminuten in der Tagesschau einbringt. Mal sehen, ob er noch rechtzeitig als Verschwender von Steuergeldern von sich reden macht oder gar als Vetternwirtschaftsminister. Schlimm genug, daß Gesetze von Jura-Firmen und Interessensverbänden gemacht werden. Guttenberg kann es aber noch dümmer: Er ist gar nicht zuständig für solche Gesetzentwürfe, und der Inhalt seines großen Wurfs ist nicht nur alt, sondern auch bereits als unerwünscht abgelehnt worden, von der eigenen Fraktion.
Dreifach Pech gehabt. Aber das konnte er sicherlich nicht wissen. Dazu hätte er sich nämlich in die Niederungen eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens begeben oder sich mit der Arbeit des Parlaments und der Ministerien beschäftigen müssen. Vielleich wäre ihm dann auch aufgefallen, daß die Gesetzes-Experten von “Linklaters” ihm olle Kamellen serviert haben. Vielleicht ist es ihm aber auch wurscht, denn er hat sich einmal mehr als Politiker auf der Höhe der Zeit erwiesen – und Steuergelder in die freie Wirtschaft entlassen.
August 8th, 2009 at 00:22
Bitte den Muell den ich weiter oben gesendet habe, umgehend loeschen. Danke.
Bleibt anzumerken: alle Steuergelder werden letztendlich wieder “in die freie Wirtschaft entlassen”. Und zwar ausnahmslos. Im Grunde werden sie der freien Wirtschaft nicht einmal wirklich entzogen, sondern nur ueber die Staatskasse umgeleitet. Im Besitz der Bank(en) bleiben sie aber in jedem Fall.
August 8th, 2009 at 13:07
Es macht aber schon einen Unterschied, ob das Geld auf dem Weg zurück in die freie Wirtschaft einen Umweg über Arbeitnehmer und Arbeitslose (also Konsumenten) macht, oder direkt in die Privatwirtschaft fließt, wo jeder überschüssige Profit der Gier von “Top-Managern” oder Aktionären zum Opfer fällt.
Der Unterschied liegt darin, ob es bei denen landet die es umgehend wieder ausgeben und die Nachfrage stärken, oder bei denen die es umgehend auf schweizer Konten verschieben, wo es nicht so alleine ist zwischen den anderen Millionen…
August 8th, 2009 at 15:10
Hallo Flatter,
da tust Du unserem Superminister aber unrecht, indem Du ihm Dummheit vorwirfst.
Er ist z.Z. der cleverste in der ganzen Bagage und wird es noch sehr weit bringen.
Natürlich weiß er, dass er nicht zuständig ist, und dass dieser Gesetzesentwurf niemals zur Abstimmung kommen wird. Allein, das interessiert ihn nicht die Bohne, denn er pflegt so sein Image des “Machers”. Endlich mal einer der nicht redet, sondern handelt. Dass er sich gegen die anderen Betonköpfe nicht durchsetzen kann? Dafür kann er ja nunmal nichts!
So kommt das “im Volk” an! Und das sorgt dafür, dass er mittlerweile der beliebteste Politiker der Republik ist.
Dass das Gesetz von einer privaten Firma erstellt worden ist, bestätigt doch nur das, was uns Bürgern seit 20 Jahren in die Köpfe gehämmert wird: Die Privatwirtschaft kann ALLES besser. Ich weiß nicht wie es Dir geht, aber ich höre seit vielen Jahren öfter die Meinung, dass es besser wäre, “wir würden von Profis regiert”.
Wie gesagt, ihm Dummheit zu unterstellen, ist meilenweit danebengeschossen. Im Gegenteil, der Bursche ist ein “Politiker” wie er im Buche steht. Und wenn er nicht doch noch auf die Idee kommt, silberne Löffel zu klauen, dann wird er in 4, spätestens in 8 Jahren zum Kanzler gewählt – es sei denn, er steigt vorher aus, um Kasse zu machen …
August 8th, 2009 at 21:57
Guttenberg: Lobby-Baron der Pleitebanken
Wie die Zeit vergeht: Ungefähr ab Mitte 1999 / Anfang 2000 hat die damalige Schröder-Fischer-Regierung die in den Industriestaaten dominierende Ideologie des zügellosen und schnellen Geldes übernommen und in Deutschland den raschen Durchbruch verschafft. Dazu beschloss sie 2001 das vierte Finanzmarktförderungsgesetz. Fonds erhielten dadurch erweiterte Anlagemöglichkeiten. Es befreite die Unternehmen von Steuern auf Veräußerungsgewinne. Der Derivatehandel im Immobiliengeschäft wurde erlaubt.
Bereits im April 2004 fabrizierte ein Kartell deutscher Banken mit Unterstützung der Bundesregierung die europaweit wohl größte Verbriefungsplattform für ABS-Kreditschrott, die TSI-GmbH. Dabei waren die Commerzbank, die CitiGroup, die EuroHypo, die DZ – Bank der Volks- und Raiffeisenbanken, die Deutsche Bank, die DekaBank der Sparkassen, die Dresdner-Kleinwort sowie die UniCredit. Auch die Landesbanken von Bayern (BayernLB), die WestLB, die HSH – Nordbank sowie die Landesbank Hessen – Thüringen (HelaBa) machten mit. Die überwiegend staatseigene KfW – Bank war ebenfalls mit dabei. Dazu kam ein Beirat. Dort sind die TSI-Gründungsbanken mit Mitgliedern ihrer Vorstände vertreten. Im Beirat des TSI – Bankenkartells sitzen außerdem Staatssekretäre und Ministerialdirigenten aus dem Wirtschafts- und Finanzministerium des Bundes sowie Vorstände namhafter Wirtschaftprüfungs- und Ratingesellschaften, beispielsweise Standard & Poor’s. Zum Kreis der auserwählten Leute im Beirat zählen auch Josef Ackermanns Frontmann für ‚Global Transaction Banking“ der Deutschen Bank AG sowie Vertreter öffentlicher Hochschulen und der privaten Hochschulen der deutschen Finanzwirtschaft.
In den Depots der TSI-Pleitebanken liegt nach Schätzung der Weltbank mittlerweile für mehr als 800 Milliarden Euro Kreditmüll. Dieser soll nach dem Willen der Erfinder des Verbriefungsschrotts in sogenannte Bad Banks verschoben werden. Als vorbereitenden Schritt billigte der Bundestag am 20. März 2009 das ‚Rettungsübernahmegesetz’. Federführend wirkten Anwälte der US-Großkanzlei ‚Freshfields-Bruckhaus-Deringer’ beim Entwurf dieses Gesetzes mit. Sie lieferten bereits für das ‚Finanzmarktstabilisierungsgesetz’ vom 18. Oktober 2008 die Inhalte und den Entwurf dieses Gesetzes. Man sei schließlich die “Partei des Privateigentums”. So kommentierten hohe CDUFunktionäre aus dem Umfeld der Bundeskanzlerin daraufhin die Dienste der US-Kanzlei Freshfields-Bruckhaus-Deringer. Dieselbe Kanzlei vertritt auch die Interessen der wichtigen deutschen Großbanken und des seinerzeitigen HRE–Hauptaktionär J. C. Flowers. Neben Beteiligungen an der HRE-Pleitebank hält Flowers rund 10 Prozent Anteile an der HSH–Mülldeponie.
Die Interessen der Pleitebanken des TSI-Kartells vertritt dagegen offenkundig und sehr erfolgreich die im internationalen Finanzmarkt agierende Kanzlei Linklaters LLP. Sie verfasste, nach vorstehendem Bericht der SZ, im Auftrag des Bundeswirtschaftsministers Guttenberg das “Gesetz zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes”. Die Beauftragung dieser Kanzlei der Finanzwirtschaft ist systemisch konform. Denn der Baron der Pleitebanken beauftragte eine Fachkanzlei, ist nach ihrer Selbstdarstellung (siehe Internetseite der TSI-GmbH) ‚spezialisiert auf die Beratung von strukturierten Kapitalmarktprodukten, insbesondere True Sale- und synthetische Verbriefungen.’ Diese Selbstdarstellung ist lediglich die marketingfähige Umschreibung für das Verramschen von ABS-Kreditmüll. „Deutschland wurde Weltmeister mit riskanten Bankgeschäften. Nirgendwo, auch nicht in Amerika, haben sich Banken mit größerer Bereitschaft in unkalkulierbare Risiken gestürzt.“ Dass stellte EU – Industriekommissar Günter Verheugen am 17. Mai 2009 in einem Gespräch mit der SZ fest.
Nach der bereits erwähnten Schätzung der Weltbank soll inzwischen für mehr als 800 Milliarden Euro Kreditmüll in den Pleitebanken des TSI-Kartells deponiert ein. TSI-Partner! ist die auf ABS-Verbriefung spezialisierte Kanzlei Linklaters! Der Wirtschaftsminister aus adeligem Hause beauftragte also die Kanzlei mit der Verfassung eines Gesetzes zur Kontrolle der Machenschaften des TSI-Bankenkartells, die ihrerseits ein Partner des TSI-Kartells ist. BRAVO! – Der armselige Landadel in der Inkarnation des Freiherrn Karl-Theodor von und zu Guttenberg mutierte mit neuen Aufgaben als Bundeswirtschaftsminister also zum willfährigen Diener des neoliberalen Finanzadels. Genau so stellen sich BürgerInnen des 21. Jahrhunderts die Grundfunktion einer medial transformierten Theokratie vor. Alter Volksmund ist hingegen klar verständlich: Wo die Tröge sind, sind auch die Schweine!
August 9th, 2009 at 12:50
Wenn jetzt sogar schon die Erarbeitung von Gesetzesentwuerfen von der Privatwirtschaft erledigt wird, koennen wir ja eigentlich auch deren Verabschiedung outsourcen.
Die Meinungsforschunsinstitute koennten z.B. auf Grundlage von hochwissenschaftlichen Befragungen den Volkswillen direkt feststellen. Ganz neutral und nur dem Recht und der Wahrheit verplichtert (*prust*Gewieher unterdrueck*)
Undemokratischer als die derzeitige Praxis waehre das auch nicht!
August 9th, 2009 at 13:51
Wie wäre es denn, wenn man die Gesetze einfach versteigern würde? Das würde dann auch wieder Geld in die Staatskassen bringen. Man gibt einfach ein Gesetzesthema vor, zum Beispiel “Innere Sicherheit” und dann können die Großkonzerne und Interessensverbände darauf bieten und das höchste Gebot darf dann die Ausgestaltung übernehmen. Gegen einen Expresszuschlag wird das ganze dann schon vor der Rechtschreibprüfung wirksam.
August 9th, 2009 at 17:27
@LudgerKlus (4)
schoene erlaeuterung der hintergruende.
es ist irgendwie spannend, was fuer ein system am ende nach der modernisierung unserer repraesentativen demokratie wohl rauskommen wird. ich tip auf feudalsystem mit einer konstitutionellen demokratie. damit waere gutti def. kanzlerkandidat der zukunft! ;-)
August 10th, 2009 at 04:17
@ feynsinn:
Ich entschuldige mich für meine zu hohe Meinung von Guttenberg, nach der ich dem Kerl eine Chance geben wollte.
Ist halt nicht zu leugnen: in einem korrupten System kommen ausschließlich Korrupte nach oben.
@ Ludger Klus:
Merci für die Zusammenfassung.
Werd’ da wohl auch noch ein wenig hinterhergoogeln. Nix für ungut, aber es laufen durchaus viele Verschwörungstheoretiker herum.