Über Geld spricht man nicht
Posted by flatter under Best of , PolitikKommentare deaktiviert
27. Jul 2009 0:18
Unter all den Beweihräucherungen und bemühten Erklärungen der angeblichen Popularität des Freiherrn von Wirtschaft zu Guttenberg erscheint die halbgare in der “Zeit” zunächst noch erträglich, aber auch dort werden die entscheidenden Fragen erst gar nicht gestellt . Immerhin werden dort nicht nur angebliche Chrakterstärken eines Adligen aufgereiht, aber auch Jens Jessen läßt sich darauf ein, dem Adel per se Adel zu unterstellen. Als gäbe es keine krähenden Celebrities blauen Blutes, einen pöbelnden, pissenden und raufenden “Welfenprinzen” etwa oder eine Salonsirene von Thurn und Taxis. Bei Jessen ist der Adel edel:
“Die Erziehung zur Contenance führt zu einer Verachtung der Larmoyanz. Ein Adliger wird sich selten wie der Bürger zu einem larmoyanten Seelchen entwickeln, allerdings auch selten zu einem Künstler oder Intellektuellen. Eine gewisse Verachtung für die eigenen Unpässlichkeiten und Gemütsbewegungen wird ihn immer auszeichnen, und das heißt nun auch: katastrophensicher und unter Umständen sehr tapfer machen.”
Nein, auch das ist ein Vorurteil, und wenn es im Gewande einer Halbkritik daherkommt, weil Jessen feststellt, daß die Guttenbergs und der Restadel wohl doch nicht alle im Widerstand waren, wird es nicht besser. Peinlich wird es gar, wenn Karl-Theodors Vater unwidersprochen zitiert wird:
“Wir sind so erzogen worden, dass man für das, was man für richtig hält, zur Not auch sterben können muss.”
So kennen wir das. Der Adel stirbt immer zuerst, wenn es zum Äußersten kommt.
Da setzt sich einer hin, um zu erklären, warum die Botoxbirne so populär sei und schreibt eine kitschige Eloge auf den Adel. Bei Jessens oben ist mal wieder keiner zu hause.
Selbstredend hat die Karriere des Mannes nach Glos mit seinem Stand zu tun. Daß er eine Stelle eingenommen hat, auf der zuvor ein bayrischer Problembär Winterschlaf gehalten hat, machte ihn wie jeden anderen erst einmal zu einer Aussicht auf Erlösung. Was dann kam, ist aber eben Boulevard und Klatschspalte. Der Mann sieht aus wie Oma sich einen Schwiegersohn vorstellt, er kann vor Geld nicht laufen und trägt beste Garderobe spazieren. Er ist nicht vom Schlage der normalkorrupten Emporkömmlinge und Radfahrer, die das Wahlvolk gestrichen satt hat. Daß er eben nichts hat leisten müssen für diesen “Erfolg”, schon gar nicht – wie unfaßbar lächerlich – sein Leben riskieren, ist dem Qualitätsjournalisten in seiner feuchten Anbetung keinen Gedanken wert.
Es scheint niemandem so recht aufzufallen, aber “Ka-Te” ist keine Charity-Lady, sondern Wirtschaftsminister. Seine vorgeblichen Kompetenzen für dieses Ressort, das wurde am Rande der Seite 10 abgehandelt, waren zunächst einmal erlogen. Schwamm drüber. Seine Rolle beim Fall Opel war kapriziös, zeichnete ihn aber weder durch besondere Klugheit aus noch durch irgend etwas, das man ein “Konzept” nennen könnte. Womit wir bein Hauptproblem sind: Konzepte, Ideen, Wissen, planvolles Handeln und Durchsetzungsfähigkeit, das wären die Kompetenzen, die ein Minister mitbringen sollte. War davon bislang auch nur die Rede? Im Gegenteil. Der Herr Freiherr muß über Geld nicht sprechen. Er hat es, und wie Jessen feststellt, bleibt ihm ja sein Adel, sollte es jemals anders sein. Welch ein Zeugnis für jemanden, der den Staat durch eine Wirtschaftskrise führen soll!
Was Guttenberg als Figur, als Promi und Gesicht in den Medien so dankbar geeignet macht, ist aber das, was in den Wirtschaftsspalten des Qualitätsjournalismus derzeit en vogue ist: Verdrängen, Verschweigen und Gesundbeten. Und wenn dann doch die nächste Blase platzt, haben wir ja immer noch unseren Adelstitel.
Das beruhigt das Volk, denn es repäsentiert die Zustände angemessen und nimmt viel Gift aus der Debatte:
Die zu kurz kommen, fühlen sich wieder aufgehoben. Sie müssen sich nicht mehr als Leistungsverweigerer und Versager beschimpft fühlen, sondern sie sehen, daß sie von vornherein keine Chance hatten. Die anderen, die es haben, finden das ohnehin gerecht.
In die Oberschicht, so erkennen alle zu ihrer Beruhigung, wird man eben hineingeboren.
Juli 27th, 2009 at 03:30
…und mittlerweile ist laut Johurnaillenumfrage das von und zu Ding auch noch beliebter als das Merkel…
Ich wußte, daß Echo der Frau, Goldenes Blatt und Co nicht aussterben, weil die Deutschen doch irgendwie den Adel brauchen. Jetzt ham wer wieder nen eigenen, woll?
Juli 27th, 2009 at 07:05
egal, auch wenn er nix weiss und kann, sein klarer vorteil ist: er hat schon soviel knete, daß er sich nicht mehr am volksvermögen bereichern muss. ob er`s tut, ist ne andere sache, aber es hebt ihn von seinen politkumpels und parvenues jedweder coleur ab
Juli 27th, 2009 at 07:27
Vielleicht wurde er ja nur einberufen um den Weg für einen neue Monarchie frei zu machen. Queen Angie I. das wär doch was. Und Steinmeier wär ihr Prinz. Vergleiche mit Charles sind erlaubt (der wird auch nicht mehr König). :)
Juli 27th, 2009 at 07:58
Guttenberg ist wirklich ein guter Beleg dafuer, wie verkommen die “politische Kultur” in Deutschland mittlerweile ist.
Ein vollkommen unbekonnter Mann wird praktisch aus dem nichts ueber den Posten des Generalsekretaers in ein Regierungsamt hineingehievt. Er hat weder eine besondere Qualifikation dafuer nachzuweisen, noch einen politischen Hintergrund, der ihn als Amtstraeger vertrauenswuerdig macht.
Nichtsdesdotrotz wird er von der Presse hochgeschrieben und allseits bejubelt.
Ich moechte an dieser Stelle auch noch auf das Guttenberg-Dossier bei zeitgeist-online Hinweisen, das Brandenburger bereits in seinem Kommentar zum letzten Beitrag angesprochen hat. Habe intensiv versucht, gute Berichte ueber Guttis Hintergrund zu finden; die sind aber leider duenn gesaeht. Somit kann ich auch kein Urteil ueber die Verlaesslichkeit des Artikel faellen, aber einen besseren Eindruck als die Hofpresse mach er allemal.
@landbewohner
Lafontaine ist zwar nicht halb so reich, wie die Guttenbergs, hat es aber auch nicht mehr noetig sich am Volksvermoegen zu bedienen. Ihm wird sein Reichtum in den Medien aber negativ angelastet.
Und dass, obwohl er 99 “hingeschmissen” hat, anstatt sich die Voraussetzungen fuer hochdotierte Aufsichtsratspoestchen, Elite-Uni-Dozentenstellen und astronomische Vortragshonorare zu erwerben.
Fuer mich rational kaum noch nachvollziehbar…
hoechstens unter der Annahme, dass die Deutschen nicht nur ein bisschen shizo sind (Die Diagnose von Pispers), sondern auch einen gewaltigen Schlag haben.
Juli 27th, 2009 at 12:50
Ich muß den Aussagen von @Landbewohner und @Goldener Reiter zumindest zum Teil widersprechen.
Wenn man die entsprechenden Links im Guttenberg-Dossier liest dann kann man feststellen, daß Gutti weder unbekannt war und auch Wissen und Können besitzt. Wenn auch nicht unbedingt auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik.
Zitat:
„Die Ernennung des 37-Jährigen stets gut Gegelten in ein Ministeramt (auch wenn, wie wir noch sehen werden, wohl eher das Außen- und nicht das Wirtschaftsamt angepeilt wurde) hatte sich schon früher abgezeichnet – wenn man genauer hingeschaut hätte. Als Indikator kann schon 2002 Guttenbergs Berufung in den Auswärtigen Ausschuss des Bundestages zeitgleich mit seiner Wahl in den deutschen Bundestag für die CSU (Wahlkreis Kulmbach) im sensationell zarten Alter von nur 31 Jahren. Vorher hatte Guttenberg allerdings schon bei der CSU im Fachausschuss Außenpolitik gesessen und einige Jahre als CSU-Politiker hinter sich – wie viele erfährt man nicht.“
https://tinyurl.com/Webarchiv-Bundestag2002
Hier bitte bei Auswärtiger Ausschuss –> Mitglieder nachschauen
Im Newsarchiv seine Webseite findet man folgenden Hinweis.
Zitat:
„Der Bundestagsabgeordnete Karl-Theodor zu Guttenberg wurde kürzlich in die traditionsreiche „Atlantik-Brücke“ sowie in ein Führungsgremium des „Aspen-Instituts“ berufen.“
https://www.zuguttenberg.de/index.php?url=/news_158.htm
Die „Atlantikbrücke“ und das „Aspen-Institut“ sind mit Sicherheit keine Einrichtungen zur Erholung für unbedarfte Adlige.
Als letztes Beispiel möchte ich noch die „Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V.“ anführen in der sich neben vuz Guttenberg (im Bereich Politik) viele illustre Mitglieder und Förderer befinden.
https://www.dgap.org/dgap/mitgliedschaft/
Sage als niemand er weis nix und kann nix. Über seine wirklichen Qualitäten wird nur nichts in den Mainstreammedien berichtet.
Und unbekannt war er seit 2002 auch im Bundestag nicht, er hat sich nur nicht in die Öffentlichkeit gedrängt.
Juli 27th, 2009 at 14:45
@5 Brandenburger
Es haengt natuerlich alles von den Masstaeben ab, die man anlegt.
Atlantikbruecke, Aspen-Institut und Deutsche Gesellschaft fuer Aussenpolitik sind natuerlich keine einfachen Erholungeinrichtungen.
Da wird hart gearbeitet damit die richtigen Leute die richtigen Leute kennenlernen.
Wenn wir, der Souveraen “Volk”, es wollen, dass diese “richtigen Leute” unseren Staat fuehren, dann brauchen wir uns natuerlich auch nicht zu wundern, wenn so die “richtigen Interessen” bedient werden ;)
Juli 27th, 2009 at 14:45
Bedauerlich, dass dieser Guttenberg in Jessens Hagiographie wohl massenweise “adelige” und “bürgerliche” Eigenschaften nachgehalten bekommt, aber keinerlei lobenswerte proletarische Eigenschaften zu verkörpern scheint. Kraft, Offenheit, Ehrlichkeit zum Beispiel.
Bei diesem Guttenberg-Diskurs rollen sich mir langsam alle Zehennägel auf. Lässt allerdings tief blicken – weniger das Wahlvolk betreffend, denn vielmehr die Medienlandschaft.
Juli 27th, 2009 at 15:22
Da wird auch mehr die Sehnsucht der Journalisten als der Bevölkerung bedient. Adel verkauft sich immer gut, weswegen wir jede königliche Verlobung oder Hochzeit Europas im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verfolgen dürfen.
Weil man kein eigenes Königshaus hat, muss man sich entweder dem Britischen zuwenden oder es mit Maja Synke gut sein lassen. Was für die Journalisten deprimierend sein muss.
Endlich hat man in Deutschland wieder einen Adeligen, über den man berichten kann. Der schlägt auch niemanden mit dem Regenschirm oder fröhnt andersweitig dem Celebtity-Skandalleben.
So was will man sich doch bitte nicht wegen inhaltlicher Fragen kaputt machen. Darauf hat man Jahre gewartet.
Juli 27th, 2009 at 15:24
Zweckoptimistisch wie ich mich zu sein zwinge, hoffe ich ja noch immer, dass die Sympathiewerte Gutties (wie auch seiner Lehnsherrin) auf die Weise zu Stande gekommen sind, die Sir Humphry (in anderem Zusammenhang) hier so eindruecklich schildert:
https://www.youtube.com/watch?v=2yhN1IDLQjo
Falls nicht, fordere ich die unverzuegliche Wiedereinfuehrung der Leibeigenschaft.
Wegen nachgewiesener Unzurechnungsfaehigkeit des Souveraens!
Juli 27th, 2009 at 15:48
Mir ist der Herr Guttenberg seit einigen Jahren bekannt, als er an der Uni sprach, an der ich damals studierte. Vom CSU-Parteitag kommend, begrüßte er die anwesenden Studenten damit, dass er froh sei, jetzt mal mit “intelligenten Menschen” sprechen und den “Kreuther Sumpf” verlassen zu können. Die Aussage über seine Partei lässt doch immerhin auf ein vernünftiges Urteilsvermögen schließen…
Juli 27th, 2009 at 18:42
Eine sehr interessante Faktensammlung zu Guttenberg, die der allgemeinen Lobhudelei etwas entgegenstellt findet sich hier: https://www.bleib-passiv.de/beitraege/artikel/66-zur-person-karl-theodor-zu-guttenberg.html
Juli 28th, 2009 at 01:59
@ Brandenburger:
Atlantikbrücke, Aspen-Institut und vor allem die Deutsche Gesellschaft für auswärtige Politik – letzeres ist übrigens ein Ableger des berühmt-berüchtigten konservativ-kriegerischen US-Thinktanks “Council for Foreign Relations” (CFR), sind allesamt Thinktanks und amüsanterweise aus dem Dunstkreis der US-Konservativen.
Das ist keine Qualifikation, sondern eher ein Zeichen für gezielte neoliberale Indoktrination und US-Fernsteuerung.
Ein Link:
“Familie
Er stammt aus dem fränkischen Adelsgeschlecht Guttenberg. Laut SPIEGEL (11/2009, S.74) wird das Familienvermögen auf ca. 600 Millionen Euro geschätzt. Die Familie von und zu Guttenberg, die auf ihrem Schloss im Fränkischen bei Kulmbach residiert, gehört damit zu den 300 reichsten Familien bzw. Personen Deutschlands. (…)”
Stinkreicher Elitebengel mit guten Manieren, den richtigen (uradeligen) sozialaristokratischen und politischen Kontakten, ohne Geldsorgen, altes Politiker- und Elitengeschlecht, entsprechende Kontakte schon im Gebirgsjägerbataillon geknüpft (wundert mich, warum gerade die so beliebt beim Adel sind).
Weiter geht es:
“Guttenberg ist als so genannter Young-Leader bei den alteingesessenen Leadern des American Council on Germany (Präsident: Henry Kissinger) in die Lehre gegangen, einem US-amerikanischen politischen Zöglingsprogramm für deutsche (und europäische) Eliten. Ziel des ACG ist die stetige Einhaltung und Bewusstwerdung des amerikanischen Blickwinkels des Weltgeschehens und die Umsetzung US-amerikanischer Prinzipien und Ziele in den so bedeutsamen Bereichen Geostrategie und Wirtschaft (Globalisierung und Finanzen). Die auserwählten neuen Mitglieder nehmen an Trainingsprogrammen teil und erhalten somit Zutritt in die elitären Netzwerke. Eine Empfehlung für die Aufnahme als Young-Leader wird meist durch ein Mitgliedsunternehmen ausgesprochen, z.B. die Deutsche Bank, Goldman Sachs oder DaimlerChrysler.
Er saß im Aufsichtsrat des Rhön-Klinikum AG (Umsatz 2007: 2 Milliarden Euro), die zu über einem Viertel seiner Familie gehörte. Bei Wikipedia heißt es über die Rhön-Kliniken: Der bisherige Erfolg des Unternehmens beruht vor allem auf der konsequenten Übernahme von Rationalisierungsstrategien aus der Industrie in die Gesundheitswirtschaft. Wer mehr über das ehrenwerte Unternehmen wissen will, kann sich auf einem extra eingerichteten Blog der ver.di Jugend informieren.(…) ”
Schön auch der Zapp-Beitrag:
Die peinliche Wahrheit über Wirtschaftsminister Guttenberg!
https://www.youtube.com/watch?v=Sb4Qkg0ihlM&eurl=http%3A%2F%2Fwww.bleib-passiv.de%2Fbeitraege%2Fartikel%2F66-zur-person-karl-theodor-zu-guttenberg.html&feature=player_embedded
Juli 28th, 2009 at 02:24
Ich wundere mich da noch gar nicht mal so sehr ueber die Wahl der Truppengattung.
Normalerweise geht der deutsche Adel zwar zu den Panzeraufklaerern (jetzt Heeresaufklaerer), aber die Gebirgsjaeger halten sich ja auch fuer elitaer. Passt also noch.
Stolpern tue ich aber darueber, dass er “nur” Unteroffizier der Reseve sein soll. Offensichtlich auch mit diesem Dienstgrad.
Von einem 37jaehrigen wuerde ich da eigentlich erwarten, dass er, wenn er sich schon nicht die zwei Jahre fuer den ResOffz nimmt, hin und wieder mal eine Wehruebung macht und Feldwebel (oder wenigstens Stuffz) d.R. wird.
Allzu anstrengend ist das nun wirklich nicht.
Juli 28th, 2009 at 11:24
@2 landbewohner
…er hat schon soviel knete, daß er sich nicht mehr am volksvermögen bereichern muss. ob er`s tut, ist ne andere sache…
Guckst Du hier! Auch Thurn und Taxis muss sich nicht mehr am Volksvermögen nicht bereichern:
https://www.br-online.de/bayerisches-fernsehen/unser-land/landwirtschaft-landwirtschaft-heute-transparenzinitiative-ID1232658846115.xml