„Ruhe im Leiden!“ Der Kerkermeister schlufft durch die Zellen und ermahnt die an Ketten hängend Geschundenen zur Zimmerlautstärke. Vielleicht hat er Kopfschmerzen und kennt den freundlichen Tankwart nicht, dem solche Probleme Togal sind.
So ungefähr habe ich mir abseits akademischer Betrachtung vorgestellt, was in Schillers Aufsatz „Über Anmut und Würde“ zu lesen ist, dass Würde nämlich eigentlich „Ruhe im Leiden“ sei.
Vielleicht muss so auch Artikel 1 des Grundgesetzes verstanden werden, demnach also des Menschen Ruhe im Leiden unantastbar sei: Wer sich einmal abgefunden hat, dem kann man nichts mehr anhaben. Es handelte sich demnach nicht um eine Rechtsnorm oder ein Ideal, sondern um die Beschreibung eines Zustandes, den erreicht zu haben dem Menschen, zumal als Bundesbürger, grundsätzlich unterstellt wird.
Kein Grund zur Beunruhigung
Das wäre jedenfalls visionär gewesen, beschreibt es doch durchaus zutreffend den Status Quo dieser Tage. Die einen pfeifen derart infernalisch im Walde, dass von Ruhe keine Rede sein kann. Ihr „Uns geht’s gut“ hat die Singvögel in Forst und Flur vertrieben oder zum Schweigen gebracht. Nur Einzelfälle von Uhu und Kuckuck halten noch dagegen, man munkelt, sie seien zu Tauben mutiert.
Die anderen halten still, haben sie doch ohnehin nichts zu sagen. Das haben sie sich gemerkt, ansonsten bedenklich wenig. Passé ihr „starker Arm“, der ganz anderes stillstehen ließ, als sie die Stimme noch erhoben, ohne sie gleich abzugeben, als sie gar noch einig und gemeinsam sangen. Ihr Gesang ward bang und bänger, und heute halten sie eben den Rand, an den sie sich haben drängen lassen. Immerhin: Man hängt sie nicht an Ketten, weit und breit “>keine Sklaverei in Sicht*, das sagt sogar der Kaiser. Um wieviel mehr muss es für uns also heißen: Ruhe bewahren!
*Ja, es geht um eine Sportveranstaltung, aber das Statement von Herrn Beckembauer ist ein Must-see. Btw: Nachfolger Hoeneß steht gerade wegen Steuerhinterziehung vor dem Kadi, Vortandschef Rummenigge wurde jüngst deswegen vorbestraft. So seh’n Sieger aus.
[Update:] Weil das überall unvollständig zitiert wird, hier die Abschrift von Beckenbauers Einsicht:
“Ich habe noch nicht einen einzigen Sklaven in Katar gesehen, also die laufen alle frei rum, weder in Ketten gefesselt und auch mit irgendwelcher Büßerkappe am Kopf, also das habe ich noch nicht gesehen.“
November 10th, 2013 at 21:36
die interpretation is der kracher & der kaiser is halt bayrischer “pragmatiker” wie olle FJS, der hat annudazumal in chile ja ooch keine diktatur gesehen.
November 10th, 2013 at 21:58
Dem Beckenbauer geht’s nur (NUR) ums Geschäftliche. Diskussionen stören dabei. Für einen Geschäftemacher wie den “Kaiser” kann keine Diktatur zu widerwärtig und kein Emirat zu menschenverachtend sein, als dass man deren Machteliten nicht doch in sein Herz schlösse – in der Aussicht auf gute Geschäfte.
Pfui Deibel!
November 10th, 2013 at 22:09
Gähn…gibt es einen Deutschen, der nicht nach den folgenden Punkten berechnet werden kann: 1. Monetäres, 2. Dominanz. 3. Sexualität? Nö, gibt`s nicht.
Der Authority Bias in D ist ja seit Staatsbestehen gegeben, von daher nicht verwunderlich, dass jeder im Medienfokus außerhalb des Rechts erscheint.
November 10th, 2013 at 22:10
Für wesentlich bedenklicher halte ich die Reaktion des Publikums, welche ein zutiefst beschämendes Bild für die gesamte Gesellschaft abliefern. Emotional verkrüppelt und geistig pervertiert. Man muss sich um die mentale Verfassung der Bevölkerung wirklich keine Gedanken mehr machen, das hat sich erübrigt.
November 11th, 2013 at 08:08
Habe den Schiller auch ‘mal überflogen. Hm! Da iss ‘was dran Würde würde Würde wahren? Yes Ma’am – ich geh’ jezz und geb’ mich meiner Würde hin.
Der Kitzbühler? Unbeschreiblich – schon seit Jahrzehnten!! “Kaiser”, Rumpelstilzchen und Verhöhnt_Euch: Ein Trio-Infernal, hochgeschätzt und angehimmelt! Apropos Himmel … *böse_gugg*
November 11th, 2013 at 10:05
OT: Frankfurter Rundschau, quo vadis? 8,50 Euro Mindestlohn sind zu viel
Robert von Heusinger -> mv *plonk* /dev/nul
November 11th, 2013 at 11:26
OT: @R@iner: Ach, wie schön. Ich hab noch einen . Vorkasse schützt also vor allem Stromkunden mit niedrigen Einkommen. Es wäre natürlich vollkommen zynisch zu behaupten, dass solche Maßnahmen vor allem die Stromkonzerne schützen, die dann nicht mehr auf unbezahlten Rechnungen sitzen bleiben, nur weil sich so ein armer Strick einen selbigen genommen hat. Ich weiß grad gar nicht, ob ich die Maßnahme selber oder dieses Hinterhergeschleime in den Medien widerlicher finde. Ähnlich wie bei dem von dir verlinkten Artikel.
Heute ist offenbar einer dieser Tage, an denen man einfach nur das Fenster öffnen und der Welt entgegenschreien möchte, wie gerne sie einen mal haben darf.
November 11th, 2013 at 12:32
Die Würde des Menschen ist
unantbelastbar.Gerade beim Arschlos-Amt, O-Wortlaut des Angestellten: ‘wir müssen uns hier an Gesetze halten!’ – Der Grund meines Besuches war die Mitteilung, dass mein Vermieter mir gekündigt hat, weil das J.Center die Zahlung der Miete wegen 100% Sanktion einstellte. Welches Gesetz meinen die?
November 11th, 2013 at 12:53
@ Amike
Die Welt bliebe ob deines Einwandes stumm – gefangen in Dignität.
November 11th, 2013 at 13:05
Stimmt. Der Krebs holt sie alle.
November 11th, 2013 at 13:09
@Troll – nicht das Grundgesetz und auch nicht die allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Das sind nur noch Christbaumkugeln. Wenn sie überhaupt noch einmal im Jahr hervorgeholt werden…
November 11th, 2013 at 16:16
@R@iner
Danke für’s Link – ich bin entsetzt! Von Robert von Heusinger bin ich solche Töne gar nicht gewohnt – und hätte es nicht geglaubt, wenn ich’s nich selbst gelesen hätte, Ja: FR quo vadis?
November 11th, 2013 at 16:29
aus Feynsinn.Net … das lese ich ja jezz erst :-(
So faul sind Sozialschmarotzer … /”Mehr als jeder dritte Hartz-IV-Empfänger ist wegen psychischer Störungen in Behandlung.”/ Isch kann merr nedd helfe: Irschendwie passd dess zur Würde?! :-o
November 11th, 2013 at 16:46
@ Amike #7
Wie der Verfassungsschutz die Herrschenden vor der Verfassung schützt, so schütz der künftige Verbraucherschutz die Konzerne vor den Verbrauchern.
Ist doch alles richtig so…
November 11th, 2013 at 17:28
Ich kann Heusingers Bedenken grundsätzlich nachvollziehen, allerdings nicht ihre tatsächliche Berechtigung beurteilen. Er sagt ja nicht, dass achtfuffich für irgendeinen Job absolut zu viel wären, im Gegenteil. Er befürwortet den Mindestlohn und hofft explizit auch auf einen höheren als 8,50.
November 11th, 2013 at 17:56
@troll: und jetzt? zahlense die mietrückstände? in solchen fällen musst du wohl aufs sozialamt zur “abwendung von drohender obdachlosigkeit”, da gabs doch sonen passus (sagt einem natürlich keiner).
November 11th, 2013 at 18:04
@Peinhart: Es ist doch wohl keine akademische Frage, ob jemand nach einem entbehrungsreichen Leben in der Altersarmut landen soll.
November 11th, 2013 at 18:26
Der Gag an diesem Ökonomengetue ist dass sie wissen, auf welchem Sand der Exportweltmeister gebaut ist. Klar kollabieren unterm Mindestlohn ganze Segmente, das sind aber die, die von anfang an pleite waren und ihren Konkurs durch Hungerlöhne verschleppt haben – wodurch sie ganz nebenbei andere Segmente mit runtergezogen haben, weil niemand Geld in der Tasche hat. Das sagt aber keiner, nicht mal der Teilzeitkritikaster Heusinger. Erbärmliches Gewürm.
November 11th, 2013 at 18:29
@flatter: So isses.
November 11th, 2013 at 18:48
@Rainer #17 – Da gäbe es aber noch paar mehr Stellschrauben. Insgesamt habt ihr natürlich recht – der ganze Laden ist im Grunde pleite nach seinen eigenen Kriterien. Im selben Grunde könnte man daher auch gleich fordern ohne überhaupt noch groß zu rechnen, ein durchaus sympathischer Ansatz. Warum dann sich aber noch mit einem schäbigen Mindestlohn aufhalten und nicht gleich zB die Finanzierung eines BGE durch die Zentralbanken, wie oben schon mal vorgeschlagen?
November 11th, 2013 at 19:02
@Peinhart: Irgendwie finde ich ein bge konterrevolutionär. Es geht doch um die Bäckerei und nicht um die Brötchen.
November 11th, 2013 at 19:16
Zumal Du mit einem bGE immer nur kaufen kannst, was andere gemacht haben… selber machen iss nich. Und ohne machen ist nichts da.
(Wirklich konterrevolutionär, was fürn Wort, wäre es aber dann nicht, wenn die Leute sich das in Größenordnungen einfordern – weil sie sich was einfordern – nicht, weil das was sie einfordern ‘toll’ ist)
November 11th, 2013 at 20:52
Da könnt Ihr gerne streiten, nix davon wird passieren!
November 11th, 2013 at 21:32
OT: Ich hab drüben bei der Nunft einen OT-Thread gebaut. Können wir ja mal ausprobieren …
November 11th, 2013 at 21:40
OT: Boah, auf der Nunft geht Editieren mit Zeitangabe… hier steht dagegen immer noch “Abrechen” neben dem Knopf “Update” ;-)
November 11th, 2013 at 21:50
Yaya, meine Sklaven arbeiten daran.
edit: Das funzt hier nicht, sorry.
November 11th, 2013 at 23:32
Nunft kommentieren geht nicht so wie ich’s will. Liegt also erst mal auf Eis.
November 12th, 2013 at 07:04
Wo und was ist Nunft und wie komme ich da hin sobald es funzt?
cu
renée
November 12th, 2013 at 08:25
Feynsinn Hinterhof – Linke Seitenleiste, klixu “Grätsche Arschkarte”.
November 12th, 2013 at 09:33
@4: “Für wesentlich bedenklicher halte ich die Reaktion des Publikums, welche ein zutiefst beschämendes Bild für die gesamte Gesellschaft abliefern.”
Wenn ein “Kaiser” öffentlich solchen bullshit absondern darf, ohne umgehend vielstimmig in den Medien zerfetzt zu werden, dann denke ich allerdings auch, dass er zu der deutschen Öffentlichkeit der passende Kaiser ist.
Sport, Wetter, Börsen. Die Dreieinigkeit der nachrichtlichen Verblödung.
November 12th, 2013 at 11:08
Die Würde wurde wirre.
November 12th, 2013 at 11:52
@Rainer – Irgendwie finde ich ein bge konterrevolutionär. Es geht doch um die Bäckerei und nicht um die Brötchen.
Seitdem die Zentralbanken das Geld ohnehin wie blöd rausblasen, hab ich das auch noch mal überdacht. Die Diskussion um ein BGE fand ich ja schon immer spannend, weil sie den Themenbereich Arbeit und Konsum aufmischt. Da sind Elemente drin, die über das Bestehende hinausweisen, wie übrigens in Tauschkreisen durchaus auch. Außerdem – wer will schon diese Bäckerei mit ihren lausigen Brötchen? ;)
@Wat. – Zumal Du mit einem bGE immer nur kaufen kannst, was andere gemacht haben… selber machen iss nich. Und ohne machen ist nichts da.
Es könnte durchaus Zeit und Energie freisetzen, um selber ‘was zu machen’. Und es erhöht den Druck, den Arbeit auf Kapital ausüben kann. Weit mehr als jeder Mindestlohn.
Last not least – BGE würde Würde wahren…
November 12th, 2013 at 12:04
BGE und Sklavenwirtschaft vertragen sich schlecht, es sei denn ein BGE deutlich unter Existemzminimum. Wär’ das nix für die Groko: HartzI V streichen, dafür BGE 8,50 Euro – im Monat?
November 12th, 2013 at 12:11
@Peinhart, ich denke, meine Denke bleibt Dir immer verschlossen…
bGE würde dann Würde wahren, wenn sich das Menschen in ihrer Würde einfordern.
Keinesfalls dann, würde ihnen das in ‘weiser Vorsorge’ übergeholfen.
@flatter, könnten die drauf haben. Dann wäre nämlich egal, was Du mindestens brauchen könntest. Sie hätten aber in Großmannssucht was ‘ordentliches’ verteilt.
Daß Du dann binnen Kürze 15 Euro bräuchtest, was solls.
November 12th, 2013 at 12:59
Nein, Wat. – mir geht es ja gerade immer noch hauptsächlich um die Forderung.
Und um das auch noch mal vorzuholen: Bedürfnisse sind materieller Art, jedenfalls die meisten – Luft essen, macht nicht satt.
Die Bedürfnisse, die wirklich für’s physische Überleben notwendig sind, sind schnell erledigt. Von den anderen behaupte ich, dass sie sich materiell manifestieren, und das auch noch in der speziellen Form des Eigentums. Das ist etwas anderes als die Behauptung, sie seien schlicht materiell. Eine Krawatte erfüllt eben kein ‘materielles Bedürfnis’.
November 12th, 2013 at 15:27
Die Bedürfnisse, die fürs physische Überleben notwendig sind, müssen erst mal gemacht werden und sei versichert, das ist mehr als eine Anzahl Kalorien – oder gäbe es etwa jemawnden, der festegt, was fürs physische Überleben notwendig ist außer mir für mich selbst und Du für Dich ;-)
November 12th, 2013 at 16:49
Das soll natürlich nicht auf irgendwelche Instanzen herauslaufen, die Bedürfnisse in ‘richtige’ oder ‘falsche’ einteilen. Aber trotzdem sollten wir unsere Bedürfnisse kritisch hinterfragen. Mir will scheinen, wir hätten da teilweise gigantische Strukturen aufgebaut – die auch jede Menge ‘Arbeit’ erfordern – aber ‘unterm Strich’ überhaupt kein Bedürfnis befriedigen, sondern sich nur selbst reproduzieren.
Paradebeispiel ist da für mich immer wieder das Auto: es gibt zahlreiche Studien, die nahelegen, dass wir im Alltagsleben genausoviele Wege zurücklegen wie früher, dass wir dieselbe Zeit dafür aufbringen und dass nur die zurückgelegten Strecken größer geworden sind. Gleichzeitig haben sich die Siedlungstrukruren durch das Auto aber so verändert, dass für viele ein Auto nicht nur ein Bedürfnis, sondern geradezu ein Muss geworden ist – allein um wieder ganz simpel Nahrung ranzuschaffen. Und ebenso gleichzeitig haben wir uns eine neue gefährliche und lebensfeindliche Umwelt geschaffen allein dadurch, dass da draußen ständig tonnenschwere Stahlkolosse durch die Gegend schießen. Von der ganzen ‘Arbeit’ ganz zu schweigen. ;)
Natürlich kann man das nicht von heute auf morgen zurückbauen oder ‘abschaffen’, und natürlich könnte man auch darauf bauen, dass sich viele angebliche Bedürfnisse wie das nach 99 Shampoo-Sorten in einer besseren Welt auch von selbst erledigen. Aber zwischenzeitlich könnte es doch nicht schaden, auch darüber mal nachzudenken, dass vielleicht ein Großteil unserer materiellen Produktion gar nicht wirklich auf ‘Bedürfnissen’ beruht, sondern nur idiotische Strukturen reproduziert.
Manchmal will mir sogar scheinen, der (westliche) Mensch demonstriere mit diesem ganzen materiellen Gedöns tatsächlich nur seine vermeintliche Macht über die Natur, als müsse er noch immer den Schock verdauen und sich auf diesem Wege seiner Großartigkeit und seiner vermeintlich angekratzen Würde versichern. Trotziges Teenie-Gehabe. ;)
November 12th, 2013 at 17:11
@Wat.: Das klingt bei dir immer so, als könne jeder mit demselben Recht wie jeder andere entscheiden, was ist. In bezug auf die “physischen Bedürfnisse”: Wenn mir einer erzählt, zu seinen physischen Bedürfnissen zählten zwei Smartphones und eine silberne Salatschleuder, dann hat der sie nicht mehr alle und ich werde mich einen Scheiß für solche Bedürfnisse interessieren. Es gibt durchaus noch Kriterien für richtig und falsch und es können nicht bloß persönliche Befindlichkeiten darüber entscheiden.
November 12th, 2013 at 17:12
@Topic
Niemand
Sucht
Uns
Der Vater von Uwe M. spricht vor Gericht von VerFaschoschutz-Lüge:
spon
Siegfried Mundlos hat sich seine eigene Theorie zurechtgelegt, um das Unbegreifliche zu begreifen: Der Verfassungsschutz habe die rechtsextreme Szene in Thüringen aufgebaut, … (und dabei) regelrecht “eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme betrieben”, … die Adressenliste, die 1998 bei einer Razzia bei seinem Sohn gefunden wurde, die sei “doch kein NSU-Netz, das ist ein Verfassungsschutz-Netz”
zeit
Mundlos äußerte in Erfurt erhebliche Zweifel daran, dass der Verfassungsschutz und die Polizei die drei wirklich finden wollten. “Man hat gewusst, wo die sind, dass sie in Chemnitz sind. Man hätte sie in den ersten vier Wochen fassen können”, sagte er.
November 12th, 2013 at 17:37
Ich wünsche Herrn Siegfried Mundlos noch ein langes, gesundes und unfallfreies Leben.
cu
renée
November 12th, 2013 at 18:01
@flatter, @Peinhart:
Daß derjenige nicht alle Tassen im Schrank hat, ist die eine Sache, denkt derjenige bei dem einen oder anderen Bedürfnis von Euch oder mir auch.
Verweigert Eure jeweilige Mitarbeit bei der Herstellung, alleine kann sich keiner so etwas machen – aber bitte so umsichtig – daß es noch genügend gibt, die Euch bei Eurem ‘Krempel’ nicht für ohne Tassen im Schrank halten ;-)
Edit: Ja, jeder entscheidet schon heute, was er meint, was ist. Jeder hat seine eigene Realität. Und in dieser Realität können die harten Fakten (Ressourcen) dann unterschiedliche Gestalt annehmen.
November 12th, 2013 at 19:27
Ich fürchte, Konstruktivismus ist ein bizarrer Luxus, den sich in dieser Konsequenz nur der Kap. leisten kann.
November 12th, 2013 at 19:58
Kann er sich ja eben nicht… hätte er nur gern ;-)
November 12th, 2013 at 20:41
So etwas rückständiges wie mich, was Bedürfnisse betrifft, ist wohl eher selten anzutreffen, vermute ich mal.
Irgendwann, nachdem ich die Lohnarbeit abgeschüttelt habe, auch damit das Handy, mit dem ich zu jeder Tageszeit und auch Abendzeit immer wieder für das Unternehmen präsent sein durfte.
Erst glaubte ich zu meinen, ohne dieses Ding wäre kein richtiges Leben im Leben mehr möglich auch ohne den Fernseher nicht mehr. Auch die Einlassungen von Mitmenschen, dass ich wohl nicht mehr alle Tassen im Oberstübchen haben müsste, habe ich überlebt.
Und mit der Zunahme an der Masse von Konsumgütern hat sich mein Portemonnaie immer weiter verschlossen.
Und da meinen die Menschen, dass die Bedürfnisse die ihnen so wichtig sind, ihre eigenen Bedürfnisse sind.
Debei können sie nur das kaufen, was ihnen angeboten wird und was ihnen die Lohnarbeit erlaubt zu erwerben. Hin-und hergerissen zwischen ihren begrenzten finanziellen Möglichkeiten und dem, was die Marketingabteilungen ihnen schon als künftiges Bedürfnis herausgekitzelt hat.
Das schlimmste was unserem Konsumenten passieren kann ist, und mehr als diese Rolle darf er ja nicht ausfüllen, dass ihm eine Gesellschaft als Utopie angeboten wird, in der er seine Rolle als Konsument nicht mehr uneingeschränkt ausleben kann.
Ich befürchte, dass es der Grund ist, warum Menschen in den kapital. Zentren so schlechtgelaunt, nie zufrieden aber dennoch ihn ihm verharren wollen.
Ein guter Ansatz von Ernesto Guevara war mal, nach und nach immer mehr Grundbedürfnisee der Allgemeinheit dem Markt zu entziehen: Gesundheitsversorgung, Wohnen, Energieversorgung und Bildung. Na ja, Schnee von gestern.
A propos Bedürfnisse! Die waren mal zu meiner Jugendzeit Kohle und Kartoffeln im Keller. Warmwasser am Wochenende, Wohnraum 59 qm, Fortbewegung Fahrrad und Tram.
Wir kapitalistischen Kinder wachsen mit den Produktivkräften und dahinter zurückzufallen, dass können wir uns kaum vorstellen. Vielleicht beharren wir deshalb so auf unsere individuelle Bedürfnisbefriedigung.
November 12th, 2013 at 21:06
Ja, das ist vielleicht der Haken – ich habe eine Perspektive, daß jeder seiner Rolle als Konsument uneingeschränkt nachkommen kann, soweit er seiner Rolle als Produzent auch nachkommt.
Was komsumiert werden will, muß produziert werden (können und wollen) von denen, die konsumieren möchten.
Auweia muß da ein ‘nur BWL-er’ viel lernen. Ok, nicht nur der, ich auch ;-)
November 12th, 2013 at 21:26
Meine individuelle Bedürfnisbefriedigung stößt im Kapitalismus ständig auf Mauern. Abgesehen vom existenziell Notwendigen kommen da eher immaterielle Dinge. Dafür würde ich auch gerne auf meine “Ziggen” verzichten, wenn der Rest meiner “Persönlichkeit” eine Lebensberechtigung haben dürfte.
Dieses System ist krank und macht krank.
cu
renée
November 12th, 2013 at 21:45
Das ist aber was die Mehrheit will. Dominanz & Regression alleine, lassen eine Menge zum Spielen übrig.
November 12th, 2013 at 22:05
@45, Wat
So ganz kann ich Deinen Ausführungen nicht folgen , “dass jeder seiner Rolle als Konsument auch uneingeschränkt nachkommen kann.”
Was machen wir jetzt? Wir haben unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen zum Konsum für diejenigen die produzieren und unterschiedlich entlohnt werden. Dann haben wir diejenigen, die nicht in der Produktion tätig sind oder sein können.
Arbeitslose, Alte, Kranke, Behinderte, Frauen in der häuslichen Kinderbetreuung und Versorgung von Pflegebedürftigen. Wie sieht es mit deren Zugang zum Konsum aus?
Das Problem, wie es sich für mich heute darstellt, ist der enorme stoffliche Reichtum aus der Produktion und der immer grösseren Verarmung der Gesellschaften, also der Mangel an Konsumtionsmöglichkeiten. Bist Du für deren Aufhebung?
Ein BWL-er, ich bin doch hoffentlich nicht gemeint, handelt im Sinne eines Unternehmens durchaus rational.
Seit 5 Jahren betreibt meine Frau ein kleines Unternehmen und sobald ein solches existiert, fängt zwangsläufig diese unternehmerische Rationalität an zu wirken. Da regiert der Rechenstift, die Kalkulation unter dem Zwang der Konkurrenz.
Einen kleinen Unterschied gibt es doch: Keine Aneignung fremder Arbeitskraft.
November 12th, 2013 at 22:31
Noch ein kleiner Nachtrag!
Meine Frau hat gerade eine zehntätige Messe für Kreateure im Kunsthandwerk unbeschadet überstanden!
Was die sich alles von den Kosumenten hat anhören müssen und nicht nur sie.
Unverschämte Preise, rummäkeln an den Produkten an Farben und Formen. Warum nicht in dieser oder jener Grösse vorhanden. Alles wird angegrabscht, aufgemacht, umgedreht für gut oder schlecht befunden.
Selbst banale Preisschilder werden entwendet. Ja der Konsument hat sich da uneingeschränkt ausgelebt. Glücklicherweise gibt es auch solche, die das nicht nötig haben.
November 12th, 2013 at 22:40
Gefangen im System.
November 12th, 2013 at 23:21
@Troptard
Ja, @Eike sagt es: Gefangen im System.
(Obwohl er es wohl anders meint)
Troptard, wir werden die ganze Sch…ose erst los, wenn wir Konsumenten und Produzenten gleichzeitig sind. Nee, nicht jeder stellt allein das her, was er braucht – ich will nicht auf den Baum (zurück) – wenn wir es schaffen, zusammen das zu produzieren, was wir (jeder einzelne) wollen.
Und das verlangt mehr Können und Wissen von uns, als das, was wir bis jetzt können und machen (wollen). Ich umschreibe diese Wissen- und Fertigkeitsdefizite gern mit ‘nur BWL-er’.
Kooperation.
Es gibt ‘nichts’, was nicht auch Alte und Kranke (noch) beitragen können, zb. Rat geben – aber sie müßten es nicht. Sie würden aber wollen ;-)
Bei unserer derzeitigen Arbeitsteilung bleibt uns mE gar nichts anderes übrig als uns zu einigen, wie wir zusammen das fertig bringen, was wir brauchen (wollen und müssen).
Dabei kein Fachidiot zu bleiben, erleichtert die Möglichkeit des Konsums mE enorm, ‘Du’ könntest Dich nämlich flexibler in das einbringen, was ‘Du’ als Ergebnis haben willst…
November 13th, 2013 at 00:16
dabei gehe ich d’accord. Ob ich es anders meine? Keine Ahnung, da ich Dich nur virtuell kenne. Gefangen im System heißt für mich Reziprozität + Authority Bias + Story Bias + etc. pp.
November 13th, 2013 at 11:08
@Wat. – Was komsumiert werden will, muß produziert werden (können und wollen) von denen, die konsumieren möchten.
Das ist ein grundsätzlich sympathischer Ansatz, und ich würde ihn auch so weit wie möglich vertreten. Durch Dezentralisierung einerseits und Reintegration von Fertigung andererseits wird da vielleicht auch durchaus einiges möglich sein. In vielen Bereichen ist die kapitalistische Vergesellschaftung diesem kommunistischen Ideal aber offenbar auch schon längst davon gelaufen.
Nehmen wir wieder das leidige Beispiel Auto: das erfordert nicht nur zur Produktion dieser Dinger eine enorme Fertigungstiefe und Infrastruktur, sondern vor allem auch zum Betrieb selbst. Und deren Auf- und Ausbau, aber auch schon ihre Erhaltung greift massiv in die Rechte Dritter ein, und der Betrieb dieser Dinger dann noch einmal. Es ist nicht damit getan, dass sich ein paar Leute zusammen ein paar Autos bauen und die dann ‘konsumieren’. Das macht aber aus der Frage ‘Autokonsum’ nicht weniger als eine gesamtgesellschaftliche Entscheidung, bei der eigentlich sogar noch künftige Generationen mit am Tisch sitzen müßten.
Infrastrukturen sind längst nicht mehr nur ein massives Problem für den wertgetriebenen Kapitalismus, der sie aus dem Konsum der vergleichsweise läppischen ‘Endgeräte’ immer weniger finanzieren kann und damit an die Grenzen seiner Vergesellschaftung zu stoßen scheint, sie sind mE auch ein Problem für deinen – wie gesagt grundsätzlich sehr sympathischen und ‘richtigen’ – Ansatz.
Ohne eine ‘Kritik des Konsums’ – der, wie Troptard auch schon andeutete, an Fremdbestimmung und Entfremdung der ‘Arbeit’ kaum nachstehen dürfte – und einen entsprechenden Blick auf die ‘Bedürfnisse’ dürfte mE nicht allzuviel davon zu retten sein. Ob und wie weit mit, müsste man sehen.
November 13th, 2013 at 11:30
Ich wüsste auch gern mal, wieviel Organisation sich überhaupt noch erlaubt in diesem Modell spontaner Produktion nach Willensbekundung. Für mich läuft das auf ein ‘Zurück auf die Bäume’ hinaus, sorry. Ich lasse michaber gern eines Besseren belehren, etwa durch ein wenigstens vage skizzierbarem Modell einer solchen Wirtschaft.
November 13th, 2013 at 16:38
Es mag für Menschen unangenehm klingen, wenn ich behaupte, dass meine Krankheit mich frühzeitig in die Erwerbsunfähigkeit geführt hat und mir das zurückgegeben hat, was ich davor immer als Diebstahl an meiner Lebenszeit empfunden habe.
Heute mache ich das, was ich in meiner Jugendzeit gelebt habe, Musik und Malerei.
Meine Lösung würde zunächst darin bestehen, die Arbeitzeit auf das Niveau herunterzuführen, was durch die Entwicklung der Produktivkräfte möglich wäre und kein Rückfall hinter dieses erreichte Niveau.
3 Stunden am Tag oder 15 Stunden in der Woche, das müsste doch möglich sein.
Das würde auch einschliessen, dass diejenigen, die absolut keinen Bock auf Arbeit haben und diejenigen die nicht mehr arbeiten können ebenso aus dem Ergebnis der Produktion befriedigt werden, wie diejenigen, die in der Produktion tätig sind.
Soviel Soziales wäre doch locker zu bewerkstelligen.
Würde allerdings die Produktionssstrukturen kaum verändern aber wohl doch das Bedürfnis nach Befriedigung durch den Erwerb von Konsumgütern, so meine Vermutung.
Ich betrachte diesen überwiegend als unbewussten Zwang sich für das Leid in der Arbeit belohnen zu müssen.
Mit einer Kritik am Konsum, da habe ich so meine Schwierigkeiten. Wenn eine solche, dann unter den gegebenen Produktionsverhältnissen. Gebrauchswert als Vehikel um den Fric zu machen (Geld). Die Nützlichkeit ist dann nur ein notwendiges Übel, was es noch braucht.
Oder wie meine Frau den Konsumenten antwortet, die ihre Preise als unverschämt empfinden:
” Man muss schon ziemlich reich sein, um Scheisse zu kaufen, weil diese nach kurzer Zeit nur noch für den Weg in die Mülltonne taugt.”
Gruss Troptard.
November 13th, 2013 at 16:56
@Troptard
Das ginge auch, wenn ich nur die nehme, die jetzt arbeiten und die die arbeiten wollen(!) und das ins Verhältnis setze zu den Stunden, die jetzt von Lohnabhängigen und Selbständigen erbracht werden, bin ich momentan schon bei 5,5 Stunden am Tag.
Wieviel davon ist ‘nur’ kapitalistische ‘Verwaltung, wieviel Beschäftigung um der Beschäftigung?
Ich weiß es nicht, aber so weit weg von 3 Stunden, allerdings täglich an 5 Wochentagen, ist das sicherlich nicht.
@Peinhart, Flatter
Wenn ich mir die heutige Wirtschaft angucke und dann per Knopfdruck versuche, das auf sozialistisch (‘richtig sozialistisch, also mit Abrede und Einigung) umzustellen, kann das auch nicht gehen.
Das muß wachsen.
Und das würde wachsen, würden wir das mal als Perspektive ansehen und wenn es nur deshalb ist, weil wir “Produzent und Konsument in eins” werden müssen(!), wollten wir diesen Mist hier mal vom Hals kriegen.
@flatter, eine Variante Modell hatte ich hier schon mehrfach skizziert. Du hattest sie meiner Erinnerung darum abgehakt, weil sich Menschen nach Deiner Erfahrung nicht einigen können werden.
@Peinhart @Flatter: Ja, immer gleich die großen Baustellen, laßt uns doch mal die kleinen als Anfang wuppen – daß das nicht geht, bin ich erst geneigt einzusehen, wenn wir es erfolglos(!) an den unterschiedlichen Orten (auch mehrfach und verschieden) angegangen haben.
Nicht schon, wenn Euer Gehirn, ob Eurer Erfahrungen (meins hat da möglicherweise in Ansätzen andere) das von vornherein als ein(!) Weg ablehnt.
Denn für Resozismus kriegt ihr mich nicht begeistert, egal mit welchen Wattebäuschen der sich tarnt, ich helfe meinen Totengräbern nicht noch freiwillig selber mit in den Sattel.
… so viel Selbstaufgabe darf von mir bitte keiner erwarten…
November 13th, 2013 at 18:13
@ Wat
Entschuldige! “Produzent und Konsument in eins”! Was Du damit ausdrücken willst, kann ich gedanklich nicht erfassen.
Sind wir nicht ohnehin Produzenten und Konsumenten in eins? Auch wenn wir arbeitsteilig, an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Bereichen tätig sind. Kannst Du das präzisieren ?
November 13th, 2013 at 18:42
@Wat. – Ich lehne doch hier gar nichts ‘von vornherein ab’. Aber ich meine am Beispiel Auto erstmal nur gezeigt zu haben dass a) unser Konsum auch unter dem reinen Aspekt der ‘Nützlichkeit’ oft mehr als fragwürdig ist (und zwar über Aspekte wie eingebaute Obsolenz hinaus) und dass b) dieser Konsum auch wieder Rückwirkungen hat auf den Produktionsprozess und seine organisatorischen Notwendigkeiten. So dass womöglich eine Kritik der Produktionsverhältnisse unvollständig ist ohne auch eine ‘Kritik der Konsumtionsverhältnisse’. Und da reichen mir Begriffe wie ‘Gebrauchswert’ oder ‘menschliche Bedürfnisse’ nicht aus in ihrer Unbestimmtheit und nur vermeintlichen Selbstverständlichkeit.
Das gesellschaftliche Sein – das bekanntlich auch das (individuelle) Bewußtsein bestimmt – setzt sich nicht nur aus Praktiken, sondern auch aus Vorstellungen zusammen. Und ich habe auch so meine Zweifel, dass letztere einfach immer nur eine Funktion ersterer sind. Das mag zwar auf die kapitalistische Gesellschaft in hohem Maße zutreffen, in anderen oder früheren ist oder war das aber nicht der Fall, sondern eher gerade umgekehrt.
Nur die Praktiken, und nur die der Produktion zu verändern ist sicher ein wichtiger Hebel zur Veränderung dieser Gesellschaft, aber ich habe meine Zweifel, ‘dass das reicht’. Und ich habe erst recht meine Zweifel, dass zeitweilige Zusammenschlüsse von Individuen zum Zweck der Produktion irgendwelcher Konsumgüter tatsächlich überhaupt so etwas wie eine Gesellschaft ausmachen können. Das scheint mir irgendwie im luftleeren Raum zu schweben.
November 13th, 2013 at 20:09
Nehme Dominanz, nehme Sexualität, nehme Fußball und viel Geld, nehme anerzogene Gewohnheiten und Alltagsroutinen (Letztere sind lt. meiner Empfindung vor allem sehr wichtig für Frauen, was es wiederum wichtig für Männer macht) und sage mir wie Du nur den kleinsten Nenner davon mit den Menschen von heute realisieren willst, unter besonderer Berücksichtigung der Schwellenländer, wo die Menschen von einer Infrastruktur nicht mal gehört haben, die aber mehr von unserem Wohlstandsmüll in Sachen Schrott und Müll vor Ort haben als zu Essen für die Familie? Ich sehe da nicht einen brauchbaren Ansatz, außer zurück auf die Bäume.
November 13th, 2013 at 21:42
@Eike(59): Und ich dachte die Friedhofsbank, nun also die Bäume…
@Peinhart(58)
“Und ich habe erst recht meine Zweifel, dass zeitweilige Zusammenschlüsse von Individuen zum Zweck der Produktion irgendwelcher Konsumgüter tatsächlich überhaupt so etwas wie eine Gesellschaft ausmachen können. Das scheint mir irgendwie im luftleeren Raum zu schweben.”
Ich dachte… ja, auch bei Dir fange ich mit “ich dachte” an ;-)
Ich dachte, Du @flatter und ich seien uns wenigstens in einem Punkt so etwas wie einig: Warenwirtschaft ‘verschönern’ geht auf zwei Weisen – Soziale Marktwirtschaft und Staatssozialismus…. mehr gibt es da nicht.
Jetzt auf das Zitat.
Ist die Frage, wie Du “zeitweilig” definierst. Heißt “zeitweilig” frei oder was sonst?
@Peinhart, unsere Unstimmigkeiten ergeben sich möglicherweise (nee, mit absoluter Sicherheit) schon daraus, daß Du und wohl auch @flatter mit mir nicht konform gehst, wenn ich sage, daß die Art der Reproduktion die Gesellschaft bestimmt und daraus ein Überbau für diese Art Reproduktion erwächst. Daß ein Überbau niemals die prinzipielle Änderung der Reproduktion vornehmen kann und auch noch nie hat.
Oder bitte, nenn(t) mir nur ein Beispiel, wo zb. aus Warenwirtschaft aus einem Überbau heraus in der gesamten Gesellschaft was anderes wurde.
Wenn ich das nicht so sehe, versuche ich vielleicht auch, daß da Überbau was wuppen kann, Kritik des Konsums (von anderen, denn jeder selbst würde für sich einfach anders handeln, sich aber nicht öffentlich dafür kritisieren) was fruchten läßt oder wir nur uns ändern müßten, damit wir was ändern (was es dann mE nicht mehr bräuchte).
ICH habe meine Zweifel inwieweit da Diskussion hier was bringen kann – wir liegen Lichtjahre auseinander.
… und ich wüßte nicht, wie wir uns näher kommen könnten.
Was ich vorschlage, ist für Dich/Euch Mist. Was Du/Ihr vorschlagt, ist für mich unverantwortbar.
Sorry, ich bin kurz davor aufzugeben. Wenn ich das nicht mal mit Euch, die Ihr theoretische ‘Vorbildung’ diesbezüglich habt, diskutieren kann, bleibt mir momentan nur zu konstatieren, daß kein Argument was bringt. Bisher nahm ich an, daß das wenigstens bei denen, die im Zweifel sind, was bringen könnte.
Ok, habe ich mich wohl geirrt.
November 13th, 2013 at 21:59
@Troptard(57)
“Sind wir nicht ohnehin Produzenten und Konsumenten in eins? Auch wenn wir arbeitsteilig, an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Bereichen tätig sind. Kannst Du das präzisieren ?”
Wir mögen Produzenten sein, und wir mögen Konsumenten sein. Aber wir sind es nicht “in eins”.
Wir produzieren gesellschaftlich, aber wir verbrauchen nicht gesellschaftlich. Wir produzieren gesellschaftlich, aber die Aneignung der Produktionsergebnisse erfolgt privat (kapitalistisch).
Wir produzieren gesellschaftlich, aber wir entscheiden an keiner Stelle gesellschaftlich, was wir konsumieren möchten.
Wenn produziert wird, weil genau das konsumiert werden will – oder auch anders herum – weil wir dieses, jenes, solches (jeder einzelne) konsumieren möchten, produzieren wir dieses jenes und solches – dann und nur dann sind wir Produzenten und Konsumenten gemeinsam.
Das heißt noch lange nicht, daß auch alle immer gleichzeitig produzieren müßten, es heißt, wir einigen uns, wie wir das, was wir haben wollen, gemeinsam ‘gebacken’ kriegen.
Wir wollen das eine und machen darum das andere.
Wir. Das heißt Wir. Also nicht eine Truppe, die wir ‘entsenden’ entscheidet, was wir von dem, was wir brauchen wollen, produzieren müssen und produzieren (wegen Material, Ressourcen etc.) können.
Erst ohne so eine ‘Zusatztruppe’ wird es was anderes als Staatssozialismus, vorausgesetzt, wir sind wenigstens im Nachkapitalismus… nämlich Sozialismus, der den Namen verdient und nicht nur eine neue Unterdrückerei auf den Plan ruft.
(Keine Herren, keine Sklaven geht nur mit dieser Übereinkunft: Was wir haben wollen, produzieren wir. Und das ohne ‘Vermittlung’ von Verrechnungseinheiten
Edit: Denn die ‘Notenbank der Verrechnungseinheiten gehört den ‘Sklavenhaltern’)
November 13th, 2013 at 22:04
Was wir gemeinsam gebacken kriegen ist zumindest ein Plastikmeer. Nur weiß keiner, wozu es gut sein soll.
Was natürlich auch geht ist Positivgelalle…Man nimmt eine Situation und stellt sie absichtlich falsch dar, mit dem Gedanken, sich einzureden, dass es gut ist oder zumindest mal irgendwann gut wird.
November 13th, 2013 at 22:22
Eike: So habe ich in meinem ersten Leben Staatssozialismus (Resozismus) kennen gelernt – der wird nicht gut… außer vielleicht für die Planungsbürokraten.
Btw. ansonsten hab ich für heute auch genug “Friedhofsbank” gehört und bin kurz davor mich selbst drauf zu setzen…
November 14th, 2013 at 13:01
@Wat. – Nicht aufgeben, nicht hinsetzen! ;) Zu Basis und Überbau nur soviel wie wir andernorts auch schon hatten: wenn die Beziehung wirklich immer nur in die eine Richtung ginge, könnten wir auch gar keine Vorstellung von einer anderen Basis entwickeln, geschweige denn diese sich irgendwie ‘revolutionär’ durchsetzen. Wir könnten wirklich nur abwarten, bis die Basis vollkommen unbrauchbar geworden wäre und ‘die Geschichte’ unseren Job übernimmt. That’s a depressing prospect for an ambitious left. ;) Siehe auch das letzte Zitat dieses Abschnitts (Engels an Bloch). Auch die kapitalistische Basis hat Veränderungen hinnehmen müssen, die sich aus dem Überbau entwickelt haben, auch wenn sie im Kern bislang noch ‘intakt’ geblieben ist.
Zum Konsum. Auch in dem o.g. Abschnitt, aus dem ‘Manifest’: “Der moderne Arbeiter dagegen, statt sich mit dem Fortschritt der Industrie zu heben, sinkt immer tiefer unter die Bedingungen seiner eigenen Klasse herab.” Die tatsächliche Entwicklung lief aber zumindest in den kapitalistischen Zentren zunächst mal anders – der moderne Arbeiter hat sich ‘mit dem Fortschritt der Industrie gehoben’ und ist auch als Konsument in die ‘bürgerliche Gesellschaft’ aufgenommen worden. Er definiert sich selbst, behaupte ich, inzwischen sogar weit mehr als Konsument denn als Produzent für eine herrschende Klasse. Die Einheit von Produzent und Konsument ist dadurch auf die schon von Troptard beschriebene Weise tatsächlich schon durch den Kapitalismus selbst weitgehend hergestellt worden.
Der Kapitalismus ‘revolutioniert’ ja sowohl Basis und Überbau laufend selbst, er ist sozusagen selbst schon ‘permanente Revolution’. Durch seine immer weiter gehende Vergesellschaftung der Produktion und Reproduktion ist er selbst Bewegung hin zum Kommunismus. Was er schon sozusagen erledigt hat, müssen wir nicht noch einmal als Forderung erheben – aber wir finden uns dadurch in einem Überbau wieder, der sich von dem von Marx beschriebenen und antizipierten in diesem mE wichtigen Punkt der ‘Teilhabe am Konsum’ unterscheidet. Auch wenn ein Fiat Panda oder auch ein Golf natürlich immer noch keine S-Klasse sind…
Wenn dieser moderne Arbeiter (oder Lohnabhängige) sich inzwischen aber in erster Linie eben nicht mehr als ‘Arbeiter’, sondern als Konsument versteht, dann können wir den Konsum nicht aus unserer Kritik herauslassen – weil die Strukturen eben dieser Art von Konsum immer wieder zurückverweisen auf die Produktionsstrukturen, die ihn geschaffen haben, auf die ‘Arbeitsgesellschaft’.
Was wir konsumieren, und mehr noch wie wir konsumieren – nämlich in der Form des Privateigentums – reproduziert wiederum auch die Art der Produktion. Wenn wir den Konsum ungeschoren lassen wollten, dann würde es mich nicht wundern, wenn sich auch von daher immer wieder kapitalistische oder ‘resozistische’ Formen ergeben.
Wie wir leben wollen, müssen wir uns überlegen. Und dazu gehört notwendig auch, uns über unsere ‘menschlichen Bedürfnisse’ klar zu werden.
November 14th, 2013 at 17:05
@61, Wat
Vielen Dank, dass Du Dir die Mühe für Erläuterungen gemacht hast. So wie Du es beschrieben hast, ist es mir nun klarer geworden.
Da Du öfters den Staatssozialimus ansprichst und damit Deine Erfahrungen hast, ist Dir ja auch klar, dass die Befreiung der Arbeit (vom Privateigentum) alleine nicht ausreicht, sondern dass es eine Befreiuung auch von der Arbeit geben muss.
Das Privateigentum abschütteln und weiterwursteln wie bisher, wäre für mich kein Fortschritt.
Die grosse Schwierigkeit liegt meiner Ansicht darin,bei allen Bemühungen, dass es bis heute keine brauchbaren Ansätze für eine Zeit nach dem Kapitalismus gibt, sofern sie denn kommt.
Meistens bleibt es aus meiner Sicht mehr oder weniger bei Allgemeinplätzen wie, die Gesellschaft muss dann entscheiden was produziert wird, welche Ressourcen geschont und welche noch eingesetzt werden auch im Hinblick auf Umweltverschmutzung und Klimawandel, dass es dazu einer Planung bedarf und hierfür möglicherweise auch auf die Erfahrungen aus dem Staatssozialimus Bezug genommen werden muss, dezentrale Entwicklungsversuche, Entscheidungsfindung durch Räte etc..
Ich selbst habe zu wenig Fantasie, um eine konkretere Perspektive entwickeln zu können.
Ich vermute auch, dass es eine lange Zeit in Anspruch nehmen würde, die bisherige Organisation der Produktion so zu verändern, dass sie den Bedürfnissen der Menschen gerechter werden kann. Ich denke da an das Beispiel von Peinhart mit der Autoindustrie.
Dann an die Zentralisierung der Produktion. Ich habe mal ein Video zur Nahrungsmittelindustrie gesehen. Zunächst wurde ein Supermarkt gezeigt mit seiner unübersichtlichen Zahl von Waren und deren Verpackung. Das Ergebnis war, dass alle diese hübsch anzusehenden Produkte (von der Qualität abgesehen, aber für mich ein sehr wichtiger Aspekt) von nur sechs Herstellern stammte. Das Beispiel stammte aus Amerika.
Deshalb war mein bescheidener Ansatz zunächst die notwendige Arbeitszeit auf das Niveau zurückzuführen, wie es die Produktivität bereits jetzt möglich machen würde.
Was die Befriedigung des Konsums, die Befriedigung von Bedürfnissen ist für mich was vollkommen Unterschiedliches auch wenn das heute wohl mehr und mehr in eins zu gehen scheint, so hat Peinhart dazu sehr viel Interessantes geschrieben, z.B. die Rückwirkungen von Konsum auf die Produktion und umgekehrt.
Aus meiner Sicht wird es nicht möglich sein, Konsumansprüche individuell zu bestimmen und durchzusetzen.
Werden sie ja heute auch nicht. Die Warenvielfalt, auch die alternativen Möglichkeiten heute, täuschen darüber hinweg, dass diese Produkte für einen jeweils bestimmten Markt hergestellt werden, in bestimmter Qualität und davon abhängigem Preis, also für das jeweilige Reproduktionsniveau seiner Klientel und ohne Rücksicht auf Umwelt, Klima, auf Ausbeutung von Ressourcen in anderen Ländern, Müllproduktion usw..
Warum sollte es nicht möglich sein, sich darauf zu einigen, welche Produkte in welcher Qualität hergestellt werden, die Produkte so herzustellen, dass sie eine lange Lebenserwartung haben, darüber zu entscheiden welche Produkte für den Konsum unentbehrlich sind und welche unnötig und nicht zu vergessen: wie ermöglichen wir den Menschen ausserhalb der Kosumzentren ein Leben, was wir uns selbst gerne zugestehen.
So ich glaube ich bin in’s Schwafeln verfallen.
Also Schluss und Gruss Troptard.
November 14th, 2013 at 17:20
@Peinhart: Sehe ich genau so. Mal abgesehen von einer gewissen Überbaulastigkeit, die ich sowohl als Philosoph wie auch als Blogger quasi zwangsläufig pflege, sind die Veränderungen im Überbau m.E. die entscheidenden dieser Zeit. Es sind ja nicht die Arbeitsbedingungen der Autoren, die jene Propaganda hervorgebracht haben, mit denen die Köpfe vergiftet werden. Es liegt doch nicht an der Struktur der Lohnarbeit, dass bestimmte Theorien verboten, Meinungen geächtet sind, sondern an der Überbauproduktion durch Think Tanks und Medienkonzerne. Deren Produktionsweise hat sich kaum verändert, und gerade das, was sich verändert hat (Internet), führt bislang nicht zu anderen Inhalten. Die Geschichte, das Narrativ, wurde verändert, so dass Alternativen isoliert sind, weil sie nicht mehr kommunizierbar sind.
Das ist kein Plädoyer für die höhere Relevanz des Überbaus, sondern nur der Hinweis auf dessen Relevanz. Basis/Produktionsweise und Überbau sind immer ineinander verflochten. Das bedeutet aber eben unmittelbar, dass man beides ändern muss und beides Wirkung entfaltet. Ohne andere Arbeitsbedingungen keine andere Gesellschaft; und ohne andere Erzählung keine anderen Arbeitsbedingungen! Letzteres ist das, an dem ich mich abarbeiten kann.
November 14th, 2013 at 18:00
@Troptard – Warum sollte es nicht möglich sein, sich darauf zu einigen, welche Produkte in welcher Qualität hergestellt werden, die Produkte so herzustellen, dass sie eine lange Lebenserwartung haben, darüber zu entscheiden welche Produkte für den Konsum unentbehrlich sind und welche unnötig …
Doch, ich denke das könnten wir tun. Das können bzw müssen wir aber größtenteils nur als ‘Gesamtgesellschaft’ entscheiden. Es wäre sozusagen ein ‘Basis-Set’ des Konsums. Was dem Einzelnen darüber hinaus fehlt könnte er dann in freier Assoziation mit Gleichgesinnten herstellen – wofür man allerdings Wege vorsehen muss, wie zB an Ressourcen und Produktionsmittel zu kommen ist. Keinesfalls darf das Ganze ‘starr’ werden, auch der ‘Basis-Set’ nicht.
… und nicht zu vergessen: wie ermöglichen wir den Menschen ausserhalb der Kosumzentren ein Leben, was wir uns selbst gerne zugestehen.
Ich denke, der Großteil würde sich schon ‘fast von selbst’ erledigen, wenn wir unsere Verfahrensweisen ‘freigeben’, sprich Patente, Lizenzen, unser Wissen bezüglich Produktion und Produktionsmitteln. Gerade dieses allerdings wird immer weitgehender und immer repressiver ‘privatisiert’. Stichwort ‘Rentenkapitalismus’, der vielleicht auch gar nicht mehr unbedingt akkumulieren will, sondern ‘nur noch’ aus dem bereits Akkumulierten und seiner Monopolisierung schöne laufende Einkünfte erpressen will.
@flatter – Danke. Es brodelt zZt ganz schön in meinem Köpfchen, muss ich zugeben. Tritt mir also bitte auch an’s Schienbein, wenn ich mich zu sehr verrenne. Oder dauernd Threads hier kapere…
November 14th, 2013 at 18:08
TV-Tipp für heute abend: ‘Wie 3D-Druck unsere Welt verändert’, 20:15 auf 3sat. Vielleicht druckt der Kapitalismus ja schon an seiner Todesanzeige. Zumindest der ‘wie wir ihn kennen’…
November 14th, 2013 at 18:25
@65 Troptard
Nein, das war kein Geschwafel, du hast da einige wichtige Punkte angerissen, vor allem der letzte Absatz hat m.E. einen guten Ansatz gebracht.
cu
renée
November 14th, 2013 at 18:30
Da möchte ich doch auf Peinhart Bezug nehmen, die sog. Rückkopplungseffekte.
Die Relevanz der sog. Basis (bei mir nicht die Produktionsweise sondern die Verwertungsbedingungen des Kapitals, die wiederum Auswirkungen auf die Bedingungen für die Lohnarbeit haben) hat Rückwirkungen auf die instrumentelle und ideologische Verarbeitung im Überbau und der Neubestimmung instrumenteller und ideologischer Anpassungsmassnahmen für die Basis.
Der sog. Überbau verdankt seine Existenz dem Kapital und nicht umgekehrt. Woran sich jeder abarbeiten will, bleibt unbenommen. Beides hat seine Berechtigung!
November 14th, 2013 at 18:36
Letzteres sagt sich so leicht, aber in welcher Konstellation sich das Kapital zur vorherrschenden gesellschaftlichen(!) Macht hat entwickeln können, muss da erst noch geklärt werden. Insbesondere die Verbindung von Kapital und Religion spielt da eine sehr große Rolle. Hätte sich das Kapital nicht mit diesem Überbau verbunden, wäre es gescheitert; anders gesagt: Es konnte sich erst entfalten, nachdem dieser Prozess entsprechend vorangeschritten war. Das beginnt ggf. mit dem Fegefeuer als Option Zinsen zu nehmen ohne ewige Verdammnis zu riskieren und endet vielleicht vorläufig in dem Wahn konsumfeindlichen Hortens seitens einer protestantischen Askese. Wie immer: keine Basis ohne Überbau und umgekehrt.
November 14th, 2013 at 20:29
Eine Dialektik zwischen Basis und Überbau stelle ich so wenig in Abrede, wie die vom Handeln und Denken.
Trotzdem ist es kein schlichtes “Ei vs Henne Problem”.
Das ausschlaggebende ist die Basis wie das Handeln…
Btw. Aus der Produktionsweise haben sich immer die Verwertungsbedingungen abgeleitet, bzw. aus den Verwertungsbedingungen resultierte die Produktionsweise… und damit der jeweilige Überbau.
Die Verwertungsbedingungen mindestens zu erhalten, ist ‘Job’ des Überbaus.
November 14th, 2013 at 20:36
Ich widerspreche erstens dem Henne-Ei Problem, doch; das sehe ich exakt so.
Zwotens, vermutlich wichtiger: Ich sehe eine historische Zäsur betreffs Verwertungsbedingungen und Produktion, die das zentrale Problem der Vergangenheit sprichwörtlich auf den Kopf stellt: Die Produktion stößt auf das Hindernis, dass sie zu effizient ist, in technischem Sinne zu produktiv. Das hat es so noch nie gegeben. Allein das vorhandene Wissen ist dazu geeignet, sogar die ‘Lösung’ in Form des Resets außer Kraft zu setzen, weil die Infrastruktur in Null Komma Nix wieder an dieselbe Grenze stoßen würde. Es bedarf erstmals eines begrenzenden Überbaus, wo jahrhundertelang Produktivkräfte zu entfalten waren. Information als Ressource hat derart an Relevanz gewonnen, dass ‘Überbau’ selbst zum einem wichtigen Teil der Produktionsbasis wird – Mal ganz abgesehen von ‘Rechten’, die reiner Überbau sind und Produktion wie Verteilung entscheidend beeinflussen.
November 14th, 2013 at 20:39
Amen!
November 14th, 2013 at 20:42
Das Ende deiner Argumente? Hatte ich mir schnittiger vorgestellt.
November 14th, 2013 at 20:50
Antwort auf # 30 @flatter aus Nachbarthread nach seinem Einwurf “Optimistin”:
ICH werde nicht unabhängig von meinem Hals. ICH bin nicht unabhängig von meinem Hals.
gez. Pessimist, Optimist mit Erfahrungen
Im Moment bleibt wohl für mich eh nur die Friedhofsbank, an den Hals geht es mir mit allen drei Varianten:
1) im Kap verhungere ich ‘bestenfalls nur’
2) im hier plausible erscheinenden Nachkapitalismus gehts mir als ‘Fußvolk’ an den Kragen, wenn ich immer was von unterdrückendem Überbau erzähle (und diesmal würde ich das, jetzt weiß ich es ja, hat schließlich lange genug gedauert)
3) im hier plausible erscheinenden Nachkapitalismus schlage ich mich (wieder) auf die andere Schreibtischseite (schließlich weiß ich a) wie das geht und b) was ich da wie machen muß), dann erschlägt mich irgendwann das Fußvolk…
Rum wie num – ich wäre gern unabhängig von meinem Hals und noch Subjekt – vielleicht krieg ich das mit dem Objektiv-sein dann endlich mal hin.
November 14th, 2013 at 20:52
@flatter#75
Argumente? Das ist doch das, was ich so und so nicht hab, odda…
Ich hab vorm “Amen!” nur weg gelassen, was ich inhaltlich sonst immer mal wieder schrieb.
November 14th, 2013 at 20:56
@76: Seltsames Programm. Ich versuche, Dinge zu verstehen und Möglichkeiten zu finden. Dann entscheide ich, was ich tun kann und andere können ggf. (besser) entscheiden, was sie tun können. Wer wen unterdrückt und warum, ist immer eine Frage von Hebeln und Hebelziehern. Ob es mir an den Kragen geht, ist mir vordergründig egal. Glaubst du, wir wären heute sicher? Ich? Große Schnauze ist große Unabhängigkeit; unser beider Vorteil. Wenn wer unsere Grenzen findet, ist das vorbei. Na und?
@77: Ich mag Polemik, aber nicht aus der Opferrolle, deshalb sag’ ich da nix zu.
November 14th, 2013 at 21:00
@ 73, flatter
Das Problem scheint mir darin zu liegen, dass es unterschiedliche Ansichten über Ursache und Wirkung gibt. Aber damit soll es für mich auch genug sein.
Gruss an Wat. und flatter
November 14th, 2013 at 21:10
Wenn es mir schon an den Kragen geht, dann wenigstens, weil ich das Maul immer aufgerissen habe…
Aber es sei mir nachgesehen, daß ich so lange es geht, ganz gern hätte, daß ich das Maul aufreißen kann, ohne daß es mir an den Kragen geht.
@Troptard: messerscharf erkannt ;-)
November 15th, 2013 at 06:43
@80 Wat.
Meiner Erfahrung nach geht es einem früher oder später immer “an den Kragen”, ob man stille ist oder das Maul aufreißt.
cu
renée
November 15th, 2013 at 11:38
@Wat. #72 – Aus der Produktionsweise haben sich immer die Verwertungsbedingungen abgeleitet, bzw. aus den Verwertungsbedingungen resultierte die Produktionsweise… und damit der jeweilige Überbau.
Das tat es in früheren bzw sog. ‘primitiven’ Gesellschaften definitiv nicht, dort bestimmten gesellschaftliche Vorstellungen im Gegenteil die Produktionsweise – was sich irgendwann aber tatsächlich als ‘Fessel’ einer ‘fortschreitenden’ Produktionsweise erwies, die dann – auch das eine ‘historische Zäsur’ – durch Aufklärung, praktische Vernunft und Kapitalismus ‘gesprengt’ wurde.
Was aber passiert jetzt? Der Kapitalismus hat seine Basis bereits so weit selbst weiter und weiter revolutioniert, dass der träge Überbau schon wieder in der Luft hängt. Die Ausbeutung der Arbeit zum Zwecke größerer ‘Effizienz’ ist im Grunde längst obsolet geworden – weder die ökonomischen Erwerbsmöglichkeiten noch die ‘ideelle’ Aneignung halten noch mit den explodierenden Konsummöglichkeiten mit – die ‘wertgetrieben’ gleichzeitig sogar auch noch Erfordernisse sind.
Aber der gesamte Überbau, von den ‘Erzählungen’, ökonomischen Theorien, über Jura, Philosophie bis in alle staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen kennt nichts anderes als das – und zwingt eine Basis, die längst anders kann und will, unter ihr altbekanntes aber wie gesagt obsoletes Regime.
Yes, we are about to enter the world of Star Trek. Der Film gestern abend auf 3sat war nicht besonders, die anschließende Diskussion auch nur so lala, aber das wurde doch deutlich: was hier ‘materiell’ entstanden ist, wirft alle unsere ‘Vorstellungen’ über den Haufen. Die ‘produktive Basis’ ist bereits ‘kommunistisch’ – und nur der Überbau verhindert noch hartnäckig, dass sie sie auch so genutzt werden kann wie es ihre Struktur längst nahelegt, fast schon erzwingt.
Wissen, als in seiner Entstehung, Weiterentwicklung und auch Bewahrung überhaupt nur noch historisch-gesellschaftlich zu denken und zu begreifen, ist längst die stärkste Produktivkraft, gegen die alle aktuelle ‘individuelle Leistung’ auf die der Überbau immer noch – und immer absurder und repressiver – rekurriert nur noch lächerlich und jede ‘Entlohnung’ rein willkürlich ist. Der Kapitalismus selbst ‘hebt die Arbeit auf’ (und damit auch sich selbst) – der Überbau hingegen weiß davon noch nix. Die Arbeit wird zwar immer noch ausgebeutet – aber nicht, weil die materielle Basis, der ‘Stand der Produktivkräfte’ dies erzwingt, sondern ‘nur noch’ der Überbau.
So lasst uns denn die Welt verändern, indem wir sie neu interpretieren – von der längst geschaffenen Basis aus.
Amen…?
Und nein, das ist nicht das Schlaraffenland. Aber ein entscheidender Umschlag wie von flatter in #73 beschrieben allemal. Und natürlich kann es auch anders ausgehen, als eine Art neuer Feudalismus beispielsweise. Der Überbau wird nachziehen, so oder so… aber jetzt wäre die Gelegenheit, andere Vorstellungen zu entwickeln und hoffentlich auch durchzusetzen. Denn er wackelt bedenklich und verliert sukzessive seine angestammte Legitimation.
November 15th, 2013 at 11:54
@flatter #73 – Dass du darauf rauswolltest mit den ‘Nach dem’-Openern hab ich schlicht nicht gerafft. Vielleicht hat der ‘Antrieb’ mich verwirrt, aber die Verwirrung war wie gesagt hilfreich. :)
Eins unterscheidet uns natürlich noch(?) von ‘Star Trek’ – weder Energie noch Rohstoffe stehen unbegrenzt zur Verfügung. Vielleicht noch wichtiger – die geschaffenen Möglichkeiten reichen vermutlich aus, uns eine ‘Dritte Natur’ zu erschaffen, in der wir mehr denn je nur noch ‘Objekt’ sind. Willst du da die ‘Begrenzungen’ reinhauen…? Um wenigstens so gut wie möglich ‘Herr im eignen Haus’ zu bleiben – oder vielleicht auch erst zu werden?
November 15th, 2013 at 12:46
@Peinhart: Darauf wollte ich nicht hinaus. Das sind für mich vielmehr offene Fragen. U.a. die gute Wat. hat mich quasi dorthin getrieben. Manchmal liebe ich unsere Diskussionen.
Auch wie sich die Begrenzungen formieren, wie soll ich das vorab entwickeln? Je mehr Ideen dazu, desto besser, aber man müsste ja vor allem wissen, was unter welchen Bedingungen genau begrenzt werden müsste. Ich habe ja einen Strang hier, bei dem es um Korruptionsbegrenzung geht, also um die Begrenzung gesellschaftlicher Macht und der Verfügung über Ressourcen. Das müsste in egal welche gesellschaft implementiert werden, denn ein Stausee ist auch dann einer, wenn ihn eine kleine Gemeinde baut. Dass ein auf Akkumulation beruhendes System nicht infrage kommt, ebenfalls. Ja, selbst so etwas wie die Begrenzungen in der ursprünglichen Parteistruktur der Grünen könnten taugen, wenn sie stabil wären. In dem Fall haben wir erlebt, dass so etwas im Kap. nicht von Dauer ist. Korruptionsbegrenzung wird hier schnell und erfolgreich bekämpft.
November 15th, 2013 at 14:26
U.a. die gute Wat. hat mich quasi dorthin getrieben. Manchmal liebe ich unsere Diskussionen.
Dem kann ich mich nur anschließen. Und ich bin gespannt, was sie dazu sagt, soweit scheinen wir doch gar nicht auseinander zu liegen…?
November 15th, 2013 at 18:15
@Peinhart(82)
“Aber der gesamte Überbau, von den ‘Erzählungen’, ökonomischen Theorien, über Jura, Philosophie bis in alle staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen kennt nichts anderes als das – und zwingt eine Basis, die längst anders kann und will, unter ihr altbekanntes aber wie gesagt obsoletes Regime.
Yes, we are about to enter the world of Star Trek. Der Film gestern abend auf 3sat war nicht besonders, die anschließende Diskussion auch nur so lala, aber das wurde doch deutlich: was hier ‘materiell’ entstanden ist, wirft alle unsere ‘Vorstellungen’ über den Haufen. Die ‘produktive Basis’ ist bereits ‘kommunistisch’ – und nur der Überbau verhindert noch hartnäckig, dass sie sie auch so genutzt werden kann wie es ihre Struktur längst nahelegt, fast schon erzwingt.”
Hä?!
Die produktive Basis ist kommunistisch?
Nee, die ist so was von kapitalistisch, sonst würds hier schon gestern Revolution gegeben haben und wir bräuchten uns keinen Kopp machen, wie wir hier raus kommen und schon gar nicht wie – diese Basis wäre dann nicht die Blaupause – sie wäre die einzig gangbare Möglichkeit.
Ich halte von “einzig” und “einzige” nichts, absolut nichts, aber manchmal diskutiere ich auch schlüssig ;-)
Wenn die Art der Reproduktion den Überbau (also die Basis den Überbau) bestimmt, kann sie schon darum jetzt nicht kommunistisch sein, weil ich mich immer noch im Kapitalistischen System befinde und nicht sehe, daß das die übergroße Mehrheit loswerden will, weil sie es loswerden muß und kann.
“Technische Basis” – wat dat denn – macht irgend eine Maschine, ein Roboter, eine Infrastruktur was von alleine?
Nö.
Im Gegenteil, würden sich alle Kapitalisten dieser Welt von Heute auf Morgen in Luft auslösen, wir wüßten überhaupt nicht, wie wir unsere Leben (Reproduktion) organisiert kriegten, ohne daß wieder Kapitalismus oder Staatssozialismus bei rum kommt.
Ohne Warenwirtschaft kriegen wir einstweilen nüscht gebacken – es würde also entweder Markt- u/o unter Avantgardewirtschaft.
Die Basis will (noch?) nicht anders und schlimmer noch, dreist sie wollte, sie könnte es gar nicht.
Oder wie geht Abrede/Einigung/Verständigung, wo ist Mehrheit ausreichend, wo Konsens nötig!
Was ist das wichtigste, was machen wir zuerst, wonach entscheiden, was wichtig ist – wo die Grenze zu weniger oder unwichtig…^^
Die Basis muß erst kommunistisch werden, nö, sie muß sich nur als Menschen begreifen, die für sich gemeinsam was machen wollen und gucken, wie sie damit hier in Teilbereichen anfangen – (ich spare mir die Wiederholung von Genossenschaften, Kommunen, Regionen, Strom, Wasser, Gesundheitswesen, Bildung) – und dabei vielleicht heraus kriegt, wo sie Grenzen hat und wie sie sie ‘händeln’ kann.
… dann wird sie das vielleicht, gern auch ohne daß sie weiß, daß sie es ist.
Also Jungs, laßt die alten Liederbücher in der Tasche, “Generator anschmeißen” geht heute anders :-P
November 15th, 2013 at 18:45
“wir wüßten überhaupt nicht, wie wir unsere Leben (Reproduktion) organisiert kriegten, ohne daß wieder Kapitalismus oder Staatssozialismus bei rum kommt.”
Wissen schon, aber es gäbe einfach zu viele und vor allem zu Einflussreiche, die dem im Wege wären, weil sie aus dem Trampelpfad nicht abweichen wollen. Es ist eine Frage des Wollens, nicht des Wissens.
Wäre es im übrigen so, dass keiner da ne Ahnung hätte, könnte es ja auch keine Projekte dazu geben.
November 15th, 2013 at 18:58
Des Könnens.
… die Projekte theoretischer Art nützen (allein) NULL, sorry.
November 15th, 2013 at 19:03
So wie die praktischen allein NULL, no sorry. Läuft hier ‘nen Möbiusband? ;-)
November 15th, 2013 at 19:10
@Wat. #86 – Ich stimme dir zu, und auch wieder nicht. Was ich damit meine, wenn ich zugegebenermaßen provokativ ‘die Basis ist längst kommunistisch’ sage ist, dass durch die digitale Revolution, 3D-Drucker etc in der Tat die technische Beschaffenheit der Produktionsmittel selbst in diese Richtung zeigt und sich nur noch unter immer größeren Verrenkungen, organisatorischer, rechtlicher und ideologischer Art unter die kapitalistische Knute zwingen lässt, während gleichzeitig die dadurch gewonnene Produktivität den Kapitalismus auch ökonomisch-rechnerisch erledigt. Soviel ‘Wert’ wie er inzwischen bräuchte, kann er weder produzieren noch konsumptiv absorbieren. Das unterscheidet die aktuelle Situation deutlich von der Blütezeit der ‘großen Industrie’, die in diesen Hinsichten tatsächlich noch genuin kapitalistisch war.
Der Kapitalismus ist mE tatsächlich dabei, sich selbst abzuschaffen. Er ‘funktioniert’ nicht mehr. Das heisst aber auch erstmal nicht mehr, als dass wir an einem ‘Scheideweg’ stehen. Und natürlich müssen Menschen tätig werden, handeln, damit sich das auch in diese Richtung entwickelt und nicht, wie schon gesagt, zB in ein neofeudales Rentenregime (denn ‘Kapitalismus’ könnte man auch das eben nicht mehr nennen).
Aber da ist mE tatsächlich erst einmal der Überbau ‘am Zug’, der mit den gewandelten technischen Gegebenheiten so oder so fertig werden muss. Repression, Monopolisierung von Infrastruktur, Ressourcen und vor allem Wissen sind im Moment die Möglichkeiten, die ich für die herrschende Klasse sehe, um sich zu erhalten. Dazu müsste sie aber mittelfristig selbst schon eine ‘andere Erzählung’ präsentieren. Und da liegt auch ‘unsere’ Chance… die Situation scheint mir ‘offener’ denn je. Weit offener zB als zu Zeiten des Fordismus, der für alle sichtbar immerhin noch ‘funktionierte’.
November 15th, 2013 at 19:15
@82, Peinhart
“Der Kapitalismus hat seine Basis bereits so weit selbst weiter und weiter revolutioniert , dass der träge Überbau schon wieder in der Luft hängt.”
Wenn wir die Basis als Kombination aus Produktivkräften und Produktionsverhältnissen betrachten, so hat er die Produktivkräfte ständig revolutioniert und zwar so, dass hier auch ein Endpunkt der Dynamik der Produktivkräfte erreicht worden ist und unaufhebbar in Widerspruch zu den Produktionsverhältnissen geraten ist.
Die Produktionsverhältnisse selbst hat er ja nicht revolutioniert.
Der Überbau kann sich deshalb auch nicht mehr wie früher( in vorkap. Gesellschaften) als Hemmschuh der Produktivkräfte betätigen, um die Umwälzung der Produtionsverhältnise und seines Überbaus zu verewigen, sondern er ist m.E. auf die Rolle eines hilflosen Agenten zrückgeworfen, der gleichzeitig die Verwertungsbedingungen des Kapitals befördern soll, den Anschein einer funktionierenden Arbeitsgesellschaft bewahren und gleichzeitig selbst zur Disposition gestellt ist, soweit er selbst die abhängige Variable der Verwertungsbedingungen geworden ist, Knecht im eigenen Haus.
Was die Bewusstseinebene betrifft, so sind auch die Lohnarbeiter ( die abhängig Beschäftigten )selbst und ihre traditionelle Reproduktion in der Familie zu einem Hindernis für gesellschaftliche Veränderungen geworden.
Die gegenseitigen Abhängigkeiten in diesem gesellschaftlichem Gefüge sind so vielschichtig, dass ich persönlich nicht
wage, von einem Zwang des Überbaus auf die Basis auszugehen.
Das wäre für mich ebenso falsch, wie von einem einseitigen Druck der Basis auf den Überbau auszugehen.
Gruss Troptard.
November 15th, 2013 at 19:33
Der Überbau ist inzwischen eine Chimäre aus Kapitaleignern bzw. deren unmittelbaren Interessensverwaltern, Staat, Medien (die quer zu den anderen Istitutionen stehen, weil selbst z.T. staatlich, z.T. Konzerne und obendrein mit PR verflochten) und Logen, die wiederum aus unterschiedlichen ‘Eliten’ bestehen und sich unter der Ägide der NATO am stärksten konzentrieren. Was diese Strukturen an Überbau strategisch produzieren, hechelt den status quo jeweils hinterher, weil es keinen Plan mehr geben kann, mit dem man die Menschen noch in das Spiel einbinden kann. Auch schiere Verblödung hilft nicht weiter, weil dumme Menschen ohne Orientierung nicht weniger gefährlich sind als clevere. Daher haben wir es mit einem verworrenen Spiel psychologischer Einflussnhame zu tun, die obendrein zu komlex ist, um sie zentral zu harmonisieren. Es gibt nicht einmal eine Theorie dieser Herrschaft, mit der sie ihre Selbsterhaltung organisieren könnte. Deshalb befasse ich mich auch kaum mehr mit deren haarsträubenden Widersprüchen, sondern mit den Hemmnissen der Abgehängten und Problemen der Zukunft – ja auch solchen, die vielleicht nie wer haben wird.
November 15th, 2013 at 19:43
@flatter: wenn sich die theoretischen Projekte auf praktisches (tatsächlich) beziehen, dann einverstanden.
Denn sonst stecken wir in einem Dilemma, wir besprächen von etwas die ‘Details’ bevor wir Ansätze oder grobe Züge kennen.
Ist Dir ja selbst in #84 schon aufgefallen…
Darum gucke ich oft auch auf Ansätze, die nach (traditioneller) Lesart so gar nicht proletarisch, kommunistisch, systemverändernd, what ever erscheinen.
… und finde da immer wieder ‘Sachen’, die ich unterstützenswert finde… denen mE nur eine Perspektive fehlt.
(Die, die schreit: macht Revolution, ist keine für sie – aber so wie es ist, wollen sie es doch nicht behalten und so manches ist ganz anders als ein zurück zu besseren Zeiten, siehe S21, Bürgerentscheide)
November 15th, 2013 at 20:25
Dann ist es vermutlich das falsche Anreizsystem, was die Massen nicht begeistern kann.
November 15th, 2013 at 20:27
@Eike: Hä, übersetz mal bitte #94. Krieg ich grad nicht in den Kontext.
November 15th, 2013 at 21:10
@Eike Nro 94: 200000 Jahre hatten die Menschen kein Anreizsystem, und `s hat funktioniert. Erst das Kapitalverwertungssystem zwang unsre Vorvorderen zum Aaabeidn für einen Anreiz, das Geld. Das muss raus aus die Köppe.
Ihr braucht mich für nichts bezahlen, aber ich muss auch für nichts bezahlen müssen, was ich tue tu ich weils wichtig is, weil irgendwer nen Nutzen von hat, und Nachteile bringts auch niemanden.
Freilich is die Ökonomie die Basis aller Gesellschaft, `s kömmt drauf sie so zu gestalten das alle was davon haben. Da hat der Krämergeist in uns nu endlich zu verschwinden.
P.S. Optiker sind auch nur Menschen, hat lechts und rinks vermehrt, noch nen WE ohne Lesebrille…
November 15th, 2013 at 21:38
@Langlode44 Das wird wohl schon jeder hier geschnallt haben, aber: Du musst ja auch die anderen Leutz erreichen, wenn Du Gesellschaft und System nur ein Stück weit ändern willst. Das funktioniert beim Menschen in der Regel über Anreize. Wobei da noch wesentlich wichtiger ist: der Anreiz etwas zu verlieren ist weitaus dominanter, als der etwas zu gewinnen. Und ich fürchte,dass das eben nicht allein der kapitalistischen Erziehung geschuldet ist. Sag doch einfach deinem Kumpel mal, die Außenwand seiner Bude ist scheiße gedämmt. Dadurch muß er jedes Jahr mit einer Mieterhöhung von etwa Soundsoviel rechnen oder sag ihm oh wennde hier noch ein paar Dichtungsringe anne Fenster schraubst, dann haste Soundsoviel im Monat mehr….Achte was passiert.
November 15th, 2013 at 21:40
@wat komplizierte Geschichte. Du darfst den Leuten nicht mit Moral oder Ethik kommen. Falsches Konzept! So funktioniert der Mensch nur bisweilen. Die Kirche wusste das und hat deswegen den Ablasshandel erfunden.
November 15th, 2013 at 22:02
Ich und mit Moral und Ethik kommen… damit erscheine ich nicht mal :-P
Moral und Ethik. Ist das nicht das Zeug, was immer nur für andere gelten soll.
November 15th, 2013 at 22:12
So, wir sehen, alle haben das kapiert, außer natürlich, die 79 Millionen, die vielleicht nicht hierein geschaut haben. Was machen wir da?
November 16th, 2013 at 08:18
@Troptard #91 – Hast recht, ‘Zwang’ war viel zu stark bzw falsch ausgedrückt. Deine Beschreibung der Hilflosigkeit trifft es auch, aber die Hilflosigkeit macht ihn auch zunehmend aggressiv. Auf ‘gerät in zunehmenden Widerspruch’ könnten wir uns aber einigen…?
November 16th, 2013 at 10:50
@ Peinhart,101
Grundsätzlich bin ich mit dem was Du schreibst sehr einverstanden, liegt meinen eigenen Gedanken sehr nahe.
Wenn ich gelegentlich Widerspruch anmelde, dann deshalb, weil ich meine eigenen Deutungsversuche/ meine Sicht zu den Verhältnissen damit überprüfen will.
Auf den letzten Satz können wir uns einigen, ohne das dieser der kleinste gemeinsame Nenner ist!
Gruss Troptard.
November 16th, 2013 at 16:29
Noch’n Zitat, gerade gefunden: “Die bürgerliche Gesellschaft ist unter unseren Augen dabei, unwirklich – weil nicht mehr notwendig – zu werden. Auf der einen Seite nämlich eliminiert die Automatisierung des Produktionsprozesses den Wert, d.h. die gesellschaftliche Dimension des Warensystems, so daß Warenform und Kapitalverhältnis und überhaupt alle spezifischen Formen auf der Oberfläche des Austauschs – Preis, Profit, Zins, Lohn usw. – ihre rationale Basis verlieren, um zur reinen Fassade ohne Substanz, ohne Inhalt zu werden; und andererseits wird mit der Potenzierung des Produktivkraftsystems der Grund für eine ganz andere Gesellschaftsordnung gelegt, eine Gesellschaftsordnung, in der – im Rahmen des Gemeineigentums, welches die conditio sine qua non ist – auch auf gesellschaftlichem Niveau bewußt und planmäßig operiert werden kann.
Die Transition zu dieser höheren Form der Gesellschaft harrt aber noch ihres Subjekts – des spezifischen “Zufalls”, welchem es zukommt, die Rolle des Katalysators in dieser historischen Metamorphose zu spielen.
Wenn je in der Geschichte ein besonderer Zeitraum gewesen sein wird, in dem der “Geist” oder das Denken zentral war, so ist es die Phase, die wir gerade durchlaufen: Im Gegensatz zu allen anderen Transitionen, setzt der Übergang zu einer geplanten Gesellschaft – und nicht nur diese Gesellschaftsform selbst – vor allem eines voraus: die Überlegung (sowie die Selbstdisziplin, die sich automatisch aus der Dominanz der Überlegung ergibt). Zufällig ist dies, weil die bürgerliche Gesellschaft, weit davon entfernt, Überlegung und “Geist” aus sich selbst zu erzeugen, geistlos und geisttötend ist, d.h. nichts als Dummheit hervorbringt.”
Hmm – Quelle
November 16th, 2013 at 17:05
@96 Langlode44 Doch, es war auch damals an Anreizsystem, nur für uns heute nicht mehr als solches erkennbar. 2 Mammuts über den Abgrund geführt = 1 ganzes Jahr zu Essen, kein Mammut über den Abgrund geführt, Essen = Glückssache. Alles mögliche führte damals zum schnellen Ausscheiden aus dem Spiel des Lebens, sogar eine entzündete Sehne. Man muss auch genau hinsehen, wo abhängige und unabhängige Ereignisse stattfinden.
November 16th, 2013 at 17:15
@wat. Es geht ja auch daraum, möglichst viel zu überzeugen, dass ein anderes Leben möglich und trotzdem unter Lebensqualität möglich ist, jedoch dafür das Bestehende abgerissen werden muss. Wie würdest Du es machen? “Ach bitte, scheiße doch wenigstens künftig in die Biotonne, wenn das schon sein muss.” Oder: “Du könntest viel verlieren (wenn mein Video bei YT online geht), wenn Du nicht künftig z. B. beim Nachbarn in die Biotonne scheißt.”
November 16th, 2013 at 17:19
@Wat. – Darum gucke ich oft auch auf Ansätze, die nach (traditioneller) Lesart so gar nicht proletarisch, kommunistisch, systemverändernd, what ever erscheinen.
Das finde ich auch wichtig. Manchmal ergeben sich auch ‘ungewohnte’ Allianzen auf Zeit, zB in punkto Leistungsschutzrecht mit Groosle. Ist dann aber auch ganz schnell wieder vorbei, wenn die sich kurze Zeit später Gesten für ihre komische Brille patentieren lassen wollen.
Es gibt aber auch auf konservativer Seite – mehr als auf zB spezialdemokratischer – eine zunehmende Ahnung davon, wie ‘haltlos’ dieses System inzwischen geworden, vom dauernden hoffnungslosen Hinterhinken des Rechts, seiner Mißachtung, weil’s nicht mehr ‘passt’ bis hin zu Zweifeln am ewigen Wachstum an sich. Auch da kann man sich erstens Anregungen holen und zweitens die Tendenzen unterstützen, die einem in den Kram passen.
November 16th, 2013 at 18:45
@Eike8105): Hast Du irgendwann auch nur einen Satz von mir gelesen, oder hast Du nur ein Stichwort gesucht, daß dann ein kontextloser Friedhofsplatz drunter gepinselt werden kann ^^
1) muß keiner was aufgeben, “Tue Buße, dann gehts Dir gut” oder wie. Mit solchen Sprüchen ist die Kirche seit 2.000 Jahren on tour. Wenn Du die hören willst, geht dort hin, ich sag sie nicht.
2) ich kann keinen überzeugen, der es gar nicht anders will (und warum sollte ich den zu was überzeugen, was er nicht will – Nonsens)
3) Sage nicht immer: Die anderen denken, handeln, tuen so und so – Du kennst die anderen nicht. Also schreibe, daß Du so denkst, das ist, was Du wissen kannst und schiebe das nicht allen anderen unter Generalverdacht unter.
4) Du nervst (mich)
November 17th, 2013 at 13:46
@93 Wat.
“Darum gucke ich oft auch auf Ansätze, die nach (traditioneller) Lesart so gar nicht proletarisch, kommunistisch, systemverändernd, what ever erscheinen.”
Wie gefällt dir dann das hier:
Die Welt lässt sich retten – aber nicht innerhalb des Systems
Ich hatte das schon bei “SPD droht mit…” verlinkt. Wenn aus der Richtung (Wissenschaftler) sich evtl. noch mehr “tut”, wäre das m.E. ziemlich gut.
cu
renée
November 17th, 2013 at 16:13
@renée: Die Ansätze, die ich meine, sind die, die sich die Menschen ‘alleine’ einfallen lassen… Da zeigen sie mE nämlich, welche Sorgen sie ‘tatsächlich’ haben. Ich will nicht bestreiten, daß sie nicht auch andere hätten, aber die, die sie zur Aktion ‘zwingen’, daß sie dagegen vorgehen, sind auf jeden Fall IHRE und nicht die, von den ‘wir’ denken, daß sie sie als Sorgen haben müßten…
November 17th, 2013 at 17:55
There is no such thing as society…?
November 17th, 2013 at 19:01
Gibt es @Peinhart, die besteht aus ‘Mitgliedern’.
November 17th, 2013 at 19:26
@ Wat, 109
Guten Abend Wat!
Als Bedenkenträger möchte ich doch mal vom Allgemeinen zum Konkreten übergehen, aus eigener subjektiver Anschauung und Erfahrung.
Die Sorge meiner Besten war immer, wie sie der Lohnarbeit entrinnen kann. Das hat sie geschafft, indem sie jetzt das macht was ihr Spass macht und nicht zu vernachlässigen, auch die Fähigkeit dies zu tun, dass sie sich damit reproduzieren kann.
Um nicht ausschweifend zu werden, die Systemabhängigkeit hat sich dadurch nicht verändert ( Diktat der Zeit, Abhängikeit vom Markt).
Was mir noch wichtiger erscheint im Zusammenhang mit Deinen Ausführungen , ist die Abhängikeit von der gesellschaftlichen Produktion/ Arbeitsteilung ohne die sie das, was sie so gerne macht, gar nicht machen könnte.
D.H., sie benötigt Stoffe, Garn, Nähmaschinen, Scheren und vieles mehr.
Die gesellschaftliche Tätigkeit ist ihrer eigenen schon immer notwendige Vorraussetzung. Im Kap. funktioniert das ganz gut, wenn es den Fric ( Profit bringt).
Sie könnte sich auch mit anderen zusammenschliessen, was aber die gesellschaftliche Arbeitsteilung dennoch weiterhin voraussetzt.
Um es abzuschliessen! Ohne gesellschaftliche Planung, was in welcher Menge, in welcher Qualität usw. produziert werden muss, wird es wohl nicht gehen.
Wenn ich auch an Medikamente denke. Hier sind zwei Personen im Haushalt, die davon abhängig sind.
Ein viel grösseres Problem stellt für mich die Verteilung der produzierten Güter dar. Wie kann das bemessen werden? Weiterhin über Geld, über Arbeitszeit oder wie?
Hier entstehen für mich mehr Fragen als ich antworten dazu kenne.
Gruss Troptard.
November 17th, 2013 at 19:40
@Troptard(112) – Re-Guten Abend!
“Um es abzuschliessen! Ohne gesellschaftliche Planung, was in welcher Menge, in welcher Qualität usw. produziert werden muss, wird es wohl nicht gehen.
[...]
Ein viel grösseres Problem stellt für mich die Verteilung der produzierten Güter dar. Wie kann das bemessen werden? Weiterhin über Geld, über Arbeitszeit oder wie?”
Es wird mE auf gar keinen Fall ohne gesellschaftliche Planung gehen!
Ohne Planung geht das gar nicht.
Verteilung. Da ist der Knoten ;-)
Nix Verteilung. Streich das Wort aus Deinem Kopf, bitte.
Verteilung bedeutet, da sitzt einer (extra), der das ‘eingesammelte’ aus der Produktion verteilt.
PS das wäre eine ‘Zusatztruppe’ – siehe weiter oben – Staatssozialismus ;-)
Wenn die die konsumieren wollen, das herstellen, was sie dazu brauchen – wo bitte hat da einer Platz, der da noch was verteilen müßte.
Sie haben doch gleich nur das zusammen gemacht, was sie jeder einzelne (ver-/ ge-) brauchen wollten.
Wir müssen halt lernen uns zu koordinieren, da beißt die Maus keinen Faden ab.
Ideen dazu hatte ich schon mehrmals hier ausgeführt, bin da reichlich auf enfant perdu, solange es Bezeichnungen wie “Dödel’ für ‘die da draußen’ gibt, wird sich wohl weiter tapfer die Ansicht halten, daß eine Einigung der vielen Menschen nicht möglich ist.
Muß sie. Ist sie.
Edit:
Und bitte, bitte ohne Äquivalenzen, da bin ich gleich wieder dem Herzstillstand nahe – also weder Geld, noch Arbeitszettel, noch Ressourcengutscheine, what ever – ‘einfach’ nur Abrede, weil wir zusammen das ‘backen’, was wir jeder einzelne brauchen – alleine kann nämlich keiner was und ist nicht wertvoller als ein anderer.
November 17th, 2013 at 20:51
@ Peinhart, 103
Danke für den Link. Habe mal kurz reingeschaut um festzustellen, dass ich mir dafür Zeit nehmen will und muss.
Im Moment ist diese relativ knapp bemessen.
@ renée
Habe den Text, allerdings schnell gelesen.
Ich hatte diese Thematik auf anderen Seiten schon mal angesprochen, auf einen Artikel dazu von Tomasz Konicz hingewiesen.
Irgendwie scheint mir das aber im Bewusstsein vieler kritischer Menschen noch nicht so dringlich zu sein.
November 17th, 2013 at 23:08
@114 Troptard
Es ging mir weniger darum, dass diese Problematik noch nicht “im Bewusstsein vieler kritischer Menschen” noch nicht angekommen ist, sondern dass diejenigen, bei denen es angekommen ist, anscheinend die Systemrelevanz zu erkennen beginnen. Das für mich entscheidende steht zu Beginn des Artikels:
“Die Welt lässt sich retten – aber nicht innerhalb des Systems
Die Klimawissenschaften entwickeln zunehmend revolutionäre Sprengkraft. Tatsächlich gibt es gute wissenschaftliche Gründe für zivilen Ungehorsam und Sabotage. Denn der Kapitalismus wird zur existenziellen Bedrohung.”
Wenn jedem Anhänger einer Bewegung (Friedens-, Umwelt-, Tierschutz- etc.) die Systemabhängigkeit seines Anliegens bewusst wäre, hätte das meiner Meinung nach schon eine gewisse Relevanz.
cu
renée
November 18th, 2013 at 10:30
@Wat. #109/111 – Für mich besteht Gesellschaft aus weit mehr bzw primär etwas anderem als nur ‘Mitgliedern’. Gesellschaft ist ein unendlich dichtes, mal feineres und mal gröberes Gespinst von Beziehungen und ‘Verhältnissen’ mit schon einer fast unendlichen Anzahl an Grundmustern – angefangen mit Mann/Frau, Eltern/Kinder, Herr/Knecht usw – die zudem noch nie in ihren reinen Elementarformen auftreten, sondern in immer wieder unterschiedlichen Mischungen. So hat die Mann/Frau-Beziehung im Patriarchat immer auch Elemente der Herr/Knecht-Beziehung, ebenso Eltern/Kinder, in die dann auch noch wieder Mann/Frau hineinspielt. Das alles für einen denkbar kleinen Ausschnitt sowohl was die Mitglieder als auch deren Beziehungen betrifft. In diesem Netz ist niemand ‘frei’ oder ‘alleine’.
Das hört sich an wie Eulen nach Athen, aber wenn ich mir deine 111 ansehe und es dir allem Anschein schon nicht recht ist, wenn Wissenschaftler Gebrauch von eben dem Einfluß machen, den sie nun mal haben, so oder so, sondern ‘die Menschen’ (wer immer da noch übrig bleibt) ‘alleine’ drauf kommen sollen, dann habe ich schon den Eindruck, dass du sie am liebsten so lange in Quarantäne stecken würdest, ‘bis sie endlich wissen was sie wollen’. Oder wahlweise die Gesellschaft auflösen und vielleicht nicht ‘bei Null’, aber schon so ungefähr zu Beginn des Übergangs von Sammler und Jäger zur Sesshaftigkeit neu zusammensetzen.
Dass das nicht geht, muss ich dir eigentlich auch nicht erst sagen. Aber offenbar bin ich nicht der Einzige, der immer wieder diesen Eindruck hat…?
November 18th, 2013 at 11:41
@Peinhart(116)
Bin schon wieder fast auf dem Weg zu meiner Lohnarbeit. Darum jetzt nur schnell:
Wissenschaftler sind ja wohl auch Mitglieder der Gesellschaft, oder^^
Aber bitte als Teil dieser verstehend, nicht als hervor- oder herausgehobenes. Es brächte nichts, daß sie sich als Wissenschaftler ‘was ausdenken’ und das ins Volk tragen wollen. Zumal Wissenschaft immer nur praktisches Wissen ‘verarbeitet’.
Nee, nicht sie sind die großen Denker, vergiß es. Ohne die anderen hätten sie weder was zu denken noch zu essen.
Diese Wissenschaftler können und sollen sich gern in ihre Lebens(um)welt einbringen, das ist aber mehr, als in ihrem Elfenbeinturm sitzen…
Du bist nicht der einzige, der diesen Eindruck hat – ich bin die einzige (hier) – die meint, damit nicht auf die Bäume zu müssen.
Ich hab nun mal nicht den religiösen Ansatz, die Köpfe der Menschen umkrempeln und erziehen zu müssen oder zu wollen.
… und schon gar nicht käme ich auf die Idee, Menschen von was ganz anderem überzeugen zu müssen, so sie (noch) gar nichts anderes wollen.
Wenn sie es anders wollen als jetzt, dann können wir zusammen reden, wie wir uns gemeinsam vorstellen, wie das andere sein soll und wie wir dahin kommen.
(Ich hatte mal gedacht, hier gibt es ein paar oder Paar davon, sonst hätte ich gar nicht erst damit angefangen.)
November 18th, 2013 at 12:11
@Wat.: In komplexeren Prozessen will ich Wissenschaftler an entscheidenden Stellen. Wenn ein Haus gebaut wird, brauche ich Statiker bzw. Architekten. Wenn ein Kraftwerk läuft, brauche ich Ingenieure. Die lasse ich keineswegs mit irgendwem diskutieren, ob sie wohl die Spannung stabil halten dürfen. Wer da keine Ahnung hat, hat das Maul zu halten. So viel Diktatur braucht eine Gesellschaft.
Was nun deinen Volontäranachismus anbetrifft, so verdichtet sich bei mir das Bild, dass du auf den Tag wartest, an dem sich niemand mehr von einer Knarre an seinem Kopf beeindrucken lässt und auch nicht von der Aussicht auf Luxus oder Macht. Ich meinerseits habe vielleicht die Geduld, ein paar hundert Jahre zu warten. Die Ewigkeit ist mir aber zu lang.
November 18th, 2013 at 15:09
@Wat. Wenn sie es anders wollen als jetzt, dann können wir zusammen reden, wie wir uns gemeinsam vorstellen, wie das andere sein soll und wie wir dahin kommen.
Sie wollen es immer ‘anders als jetzt’, in jedem einzelnen Moment – ua deshalb ‘arbeiten’ sie ja auch zum Beispiel. Soll heißen, eine Gesellschaft, zumal eine so komplexe wie unsere inzwischen nun mal ist, befindet sich laufend ‘in Transformation’. Und jeder Einzelne, du und ich auch ‘die Menschen’ will ständig irgendetwas, selbst dann, wenn es ‘nur’ so bleiben soll wie jetzt. Diese Auseinandersetzung läuft schon, sie läuft ständig, hier und gerade jetzt zwischen uns und darüber hinaus auch ständig überall ‘dort draussen im Lande’. Worauf zum Kuckuck wartest du? Wird da irgendwann eine weiße Fahne geschwenkt oder so und dann ist es aber an der Zeit und Wat steht von ihrer Bank auf…?
Dieses ganze Beziehungs- und Verhältnisgespinst bewegt sich dauernd, und jeder gibt genauso dauernd Impulse, will andere überzeugen oder auch selbst überzeugt werden. Wir können versuchen zu verstehen, welche Transformationen sich da abspielen, wo Bruchlinien sind, Zweifel verstärken oder abbauen, Vertrauen zu schaffen oder auch zu unterminieren, um die Sache möglichst in die Richtung zu drücken, in der wir sie haben wollen. Alle machen das, ständig und rund um die Uhr. Warum sollten ausgerechnet ‘wir’ jetzt Pause machen? Das hat doch nichts damit zu tun, sich zum ‘religiösen Führer’ oder was weiß ich aufzuschwingen – keine Sorge, das nimmt dir ohnehin niemand ab (und wenn, werde ich sie warnen ;). Es geht darum, in diesem Prozess präsent zu sein, an den Stellen, die dir oder mir wichtig erscheinen und wo du oder ich meinen, etwas bewirken zu können. Wann, wenn nicht jetzt? Wann, wenn nicht immer und jederzeit…?
Diese Wissenschaftler meinen, so viel Zeit hätten wir nicht mehr, bevor dieser Planet abkackt. Sie machen Druck. Der ist jetzt da, an dieser Stelle, so oder so. Und wir können versuchen, etwas draus zu machen, ihn dahin zu lenken, wo er unserer bescheidenen Meinung nach etwas in unserem Sinne bewirken kann. Wir können es auch lassen, dann machen aber auf jeden Fall andere was draus. Vielleicht ‘ne nette Ökodiktatur, weiter auf Basis des Privateigentums. Wir können uns natürlich auch irren, mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit werden wir uns sogar irren, immer wieder. Dann können, müssen und werden andere uns korrigieren. Aber wir können doch nicht einfach ‘warten’, bis – ja was?
Vielleicht beschließt auch tatsächlich nächste Woche der Papst, den Kapitalismus zu ächten. Das kann uns passen oder nicht, aber auch damit werden wir umgehen müssen.
November 18th, 2013 at 15:45
Oder noch ein bisschen mehr auf den Punkt: Einfluss auszuüben, überzeugen zu wollen ist kein Eingriff in die ‘Autonomie’ anderer – weil es die so gar nicht gibt. In gleichem Maße unfrei ist vermutlich der höchste Grad an Freiheit, den eine komplexe arbeitsteilige Gesellschaft überhaupt erreichen kann – und das auch nur theoretisch.
Und wenn du nicht beeinflussen, nicht überzeugen willst – wie willst du denn dann auch ‘künftig’ debattieren? Wie soll da je eine ‘Abrede’ überhaupt zustande kommen? Alle bleiben so lange zu Hause, bis sie sich einig sind…?
Sorry, ich versteh’s einfach nicht…
November 18th, 2013 at 20:40
@Peinhart, 120
“Sorry, ich versteh’s einfach nicht…”
Sei nicht traurig, es geht nicht nur Dir so.
Irgendwann gibt es aber auch einen Zeitpunkt, zu dem man einsehen muss, dass eine Fortsetzung der Diskussion nicht mehr hilft, etwas zu klären.
November 18th, 2013 at 22:42
@Peinhart(##119+120): “Worauf zum Kuckuck wartest du? Wird da irgendwann eine weiße Fahne geschwenkt oder so und dann ist es aber an der Zeit und Wat steht von ihrer Bank auf…?”
Sehe es als warten.
Ich sehe es als Versuch, unter uns so etwas wie Zustimmung dazu zu gewinnen, daß wir eine Partei gegen das Kapital werden müssen…
Nee, keene Organisation der Rechtsform, eine Organisation der vielen Menschen im gemeinsamen Tun. Rechtsform Partei ist da eher tötlich.
Wegen der Parteiwerdung setze ich gegen (Edit: denn ohne die kriegen wir gar nichts gewuppt, schon gar nicht kämen wir jemals in einer freien Gesellschaft an!!!), wenn es in erster Linie um Köpfe geht.
Das Handeln bestimmt das Denken, bei aller Dialektik zwischen beidem.
Wenn Menschen gerade die Klimaproblematik zb. nicht als ihr erstes Problem ansehen, wohl aber den neu zu erbauenden Kreisverkehr in Hintertupfellingen oder die Stromrechnung zu hoch, dann nützt es wenig, ihnen was von Klimaproblematik oder der Kapitalismus ist am Ende oder die Arbeit muß weg zu erzählen…
Es könnte aber was nützen, sich gemeinsam mit ihnen gegen den neu zu erbauenden Kreisverkehr in Hintertupfellingen einzusetzen oder zu gucken, wie die Stromrechnung günstiger wird.
… warum sollten sie uns zuhören, wenn wir Themen besprechen, die sie null interessieren, uns aber die Themen, die sie interessieren, kalt lassen.
@flatter(118): Es ging hier mal ausschließlich um die s.g. Geisteswissenschaften, die wissen wollen, wie sich Menschen verhalten sollen.
Kein Ingenieur oder Architekt war ‘angegriffen’, zumal die auch selten in Elfenbeintürmen sitzen.
(Daß ich ansonsten wohl für wissenschaftliche Methodik weniger für Wissenschaften bin, stimmt allerdings)
@Troptard(121): An diesem Punkt war ich in diesem Thread schon mit #61, ich verweigere mich nur für gewöhnlich auch dann nicht so schnell.
Ansonsten, wo Du recht hast…^^
November 18th, 2013 at 23:08
Ach, komm, als seien Geisteswissenschaften keine. So wie ich den Statiker für das Haus brauche, brauche ich den Historiker, um nicht wie ein Goldfisch immer wieder die erste Runde zu drehen. Ich brauche Geisteswissenschaftler, um gesellschaftliche Umbrüche zu lesen, Möglichkeiten und Unmöglichkeiten zu erkennen. Wir müssen Millionenstädte am Kacken halten, das geht nicht ohne komplexe Strukturen zu durchschauen, die müssen verwaltet werden, und darin liegt der Schlüssel zu Faschismus oder Freiheit.
Das ganze Pack wird derweil benutzt, um Herrschaftsstrukturen zu etablieren und zu sichern. Vielleicht(!) gelingt es dir, den Kreisverkehr nicht dorthin zu bauen, wo man gleich in einem Abwasch unwertes Leben vertreiben kann. Aber hast du dir mal Gedanken darüber gemacht, wie man Tokyo mit Nahrungsmitteln versorgt? Sollen die das solidarisch ausdiskutieren? Solche Strukturen bilden sich niemals von unten, schon gar nicht wenn man ignoriert, dass sie von oben beherrscht werden, während Menschen mit besseren Ideen sich zwingen, sich ausschließlich im Rahmen ihrer unmittelbaren Interessen zu bewegen. Wir würden das hier gar nicht diskutieren können, wären wir nicht Geisteswissenschaftler.
November 19th, 2013 at 00:00
Ich hab mr Gedanken gemacht, wie wir meine Stadt versorgt kriegen… In Tokio wohne ich nicht. Daß sie dort auch leben, ist mir schon klar, aber ich muß keine Pläne für Tokio machen, das können sie dort gut selber.
Ich muß auch hier nicht darüber grüblen, wie und ob in Stuttgart ein Bus fährt, … siehe Tokio.^^
Aber was red ich. Du sagst: “Solche Strukturen bilden sich niemals von unten”
Wer sitzt nun auf der Bank?
Ich gehe nach ‘unten’ und mache mit, beim mitmachen kann ich vielleicht auch was von Vorschlägen anbringen – ich bin wenigstens schon mal da, wo überhaupt jemand ist…
… wenn sich dann nichts ändert, schade, aber seis drum, solange wir nur ‘über unten’ aber nicht mit ‘mit unten’ gemeinsam(!) reden, ändert sich definitiv nichts zum positiven.
Edit: Wie willst Du denn ‘Deine’ Erzählung aufbauen und anbringen – irgendwo müssen doch da Anknüpfungspunkte sein.
November 19th, 2013 at 00:16
@119 Peinhart
Superplusgut.
cu
renée
November 19th, 2013 at 09:54
Ok, da mir hier die Naivität zugeschrieben wird, bliebe also Dummheit oder Vorsatz…
Wäre schön, wenn die Geisteswissenschaftler auch von ihm, ihrem Geist, Gebrauch machen, gern mit Hilfe von ‘unabhängigen’ Historikern.
Vielleicht würden dann andere Lösungsvorschläge kommen als meine, aber in den Ursachen hätten wir sicher mehr ‘Ähnlichkeit’.
November 19th, 2013 at 10:11
@Wat. – Danke für deine Geduld, ich glaube es jetzt besser zu verstehen. “Es geht darum, in diesem Prozess präsent zu sein, an den Stellen, die dir oder mir wichtig erscheinen und wo du oder ich meinen, etwas bewirken zu können” – schrob ich weiter oben. Witzigerweise musste ich bei deinen Beispielen ausgerechnet an den Film ‘Good Bye Lenin’ denken… ;)
Es kann nicht schaden, das Biest von unten und von oben – und von allen Seiten – zu traktieren, im Gegenteil. Aber es ist tatsächlich wenig sinnvoll, Leute mit etwas vollzupellen, was sie (noch) nicht hören wollen, da muss man tatsächlich auf Anknüpfungspunkte ‘warten’. Und ich denke auch, dass die tatsächlich noch am ehesten dort auftreten, wo Menschen – fast egal aus welchen Gründen – zusammenkommen, und dadurch zB aus der gemachten Illusion des individuellen Versagens heraustreten können. Und man statt dessen auch mal Systemversagen in’s Spiel bringen kann…
November 19th, 2013 at 12:48
Dazu möchte ich aber noch was sagen: Moral und Ethik. Ist das nicht das Zeug, was immer nur für andere gelten soll.
Eigentlich beschäftigt sich Moral mit einem Kernthema dieser Diskussion hier, nämlich der Beziehung von Denken und Handeln, genauer mit den Übereinstimmungen bzw Widersprüchen zwischen den beiden. So besteht die ‘Moral von der Geschicht’ meist daraus, dass aufgrund ‘falschen Denkens’ eine Handlung in ihrer Konsequenz meilenweit neben der Intention landet, oder die ‘Moral der Truppe’ leidet, wenn von den je Einzelnen das jeweilige Gegenüber ‘fälschlich’ (vom Standpunkt der Kriegsherren aus) als Mensch erkannt wird denn als Feind, Unmensch, Wilder oder Barbar, weil so die ‘notwendige’ Brutalität der Kriegshandlungen nicht mehr gewährleistet ist.
Der bekannte ‘moralische Zeigefinger’, der gern in Sonntagsreden geschwungen wird, geht insofern fehl, als er eine ‘Denkgrundlage’ fordert, die mit den tatsächlichen ‘systembedingten’ Handlungsanforderungen kollidiert. Wenn ich mich im Kapitalismus nämlich nach denen richte bzw richten muss (weil die Dinge nunmal so sind) muss ich ‘Schwein sein’ und auch so handeln, wenn ich mich nach den angeblich ‘höheren’ meinetwegen christlich-humanistischen Werten richte, dürfte ich es nicht, würde aber ‘untergehen’.
Dieser Konflikt könnte tatsächlich nur aufgelöst werden, wenn die Handlungsvoraussetzungen andere wären, also nicht als Konsequenz in der individuellen, sondern nur der gesellschaftlichen Praxis. So gesehen kann man mE durchaus auch mal ‘moralisch’ argumentieren.
Das eigentliche Feld sehe ich aber wie gesagt darin, dass man die Frage, die sich die ‘alten’ Moralphilosophen und Begründer der ‘modernen Ökonomie’ auch gestellt haben, neu aufrollt – wie hebt, mehrt und sichert man den allgemeinen ‘Wohlstand’? Und es sind wieder genau die gewandelten technischen Voraussetzungen, die darauf eine komplett andere Antwort erwarten lassen als vor gut 350 Jahren. Man kann dadurch zwar nicht unmittelbar eine neue Praxis schaffen, man kann sie aber – im doppelten Wortsinne – ‘begründen’. Moral als Notwendigkeit der Übereinstimmung von Denken und Handeln ‘macht Sinn’. ;)
November 19th, 2013 at 13:09
Der Philosoph in meiner Wohung schrub dereinst, Ethik sei die Wissenschaft von der Ordnung. Da kommt dann ‘wir’ und ‘die’ gar nicht mehr vor. Ich bin eh auf der Suche nach dem Aufsatz, den ich mal in einen Atari gehackt hab.
Man kann natürlich alles kleinreden und geringschätzen, was in größeren Zusammenhängen gedacht ist, weil es eines Herrschaftsanspruchs verdächtig ist. Hat dieser Marx nicht sogar dicke Bücher geschrieben? Kein Wunder, dass da eine Diktatur draus wurde.
November 19th, 2013 at 21:09
Würde ist ein Konjunktiv. Es geht auch ohne.
November 19th, 2013 at 22:23
@Peinhart(128): “Moral als Notwendigkeit der Übereinstimmung von Denken und Handeln ‘macht Sinn’. ;) “
Naja, aber eigentlich doch nur jeder an sich selbst.
Nicht, daß ich nicht auch das eine oder andere mal nicht an mich halten kann und mal jemanden mit der Nase drauf stupse, daß da Wort und Tat bei ihm keine Einheit bilden. Bliebe mir aber mehr? Ich denke mitnichten. Zumal ich auch eingestehen müßte, daß es das bei mir vielleicht auch gibt… Wofür ich dann bestimmt auch x-’Ausreden’ hab, denke ich mal.
November 20th, 2013 at 09:27
@Peinhart: Stöbertipp. (Das ist nur die Rubrik “Die neuesten Beiträge”.)
November 20th, 2013 at 11:00
@Wat. – Naja, aber eigentlich doch nur jeder an sich selbst.
Ganz und gar nicht, sondern durchaus in dem auch von flatter angesprochenen ‘größeren Zusammenhang’. Wenn in einer Gesellschaft die ‘Erzählung’ davon, was sie angeblich macht, zu stark von dem abweicht, was sie tatsächlich macht, dann kann sie dies vielleicht noch eine Zeitlang durch ‘Ideologieproduktion’ auffangen, aber nicht ewig. Ideologie hat die Aufgabe, unser Bild von dem, was ist, so zurechtzubiegen, dass es mit dem, was sein soll (und was ‘moralisches’ Handeln bestimmt) möglichst immer noch übereinstimmt.
‘Sozial ist was Arbeit schafft’ ist so ein Beispiel: Menschen würden aus sozialer Verantwortung eingestellt, nicht etwa aus schnöder Gewinnsucht. Wenn die aus rein sozialer Verantwortung eingestellten Menschen dann allerdings nur einen Hungerlohn bekommen, dann muss bereits die nächste Ideologiestufe gezündet werden, dann hören wir vielleicht was von ‘Wettbewerbsfähigkeit’.
Irgendwann aber lässt sich nicht mehr verhehlen, dass an der ‘Sozialen Marktwirtschaft’ so gar nichts ‘Soziales’ mehr ist. Dann muss man entweder die ‘Erzählung’ ändern und den Anspruch ‘sozial’ aufgeben – die Rede von der Wettbewerbsfähigkeit deutet schon in diese Richtung – oder an dem Anspruch festhalten, was dann allerdings irgendwann auch erfordert, die gesellschaftliche Praxis so zu ändern dass sie auch zum Anspruch passt.
Der Anspruch aber ist seit den Tagen von Adam Smith immer noch die Mehrung und Sicherung des allgemeinen Wohlstands. Wenn wir uns mit diesem Anspruch identifizieren können, warum sollten wir ihn aufgeben? Warum nicht nutzen? Die moralische Argumentation der Frühliberalen war einfach: auch wenn die Lohnabhängigen im Kapitalismus schlechter wegkommen als die Eigentümer (und das war ihnen durchaus klar) – sie kämen immer noch besser dabei weg als wenn es kein Kapital gäbe. Also kommen alle besser weg mit Kapital als ohne.
Den Anspruch nicht fallen zu lassen, sondern die Frage neu zu stellen, dabei auf die durch die ‘Entwicklung der Produktivkräfte’ veränderte Wirklichkeit hinzuweisen und neue Antworten einzufordern – das ist moralische Argumentation. Die Gesellschaft bei ihrem eigenen Anspruch zu packen mit dem Ziel, die gesellschaftliche Praxis zu ändern.
Die Ausreden der Gesellschaft ziehen auch vor ihr selbst nicht ewig. ;)
November 20th, 2013 at 15:36
@Rainer – Danke, ist ‘geparkt’. :)
Erlauben Sie mir nun noch eine ‘kurze’ Bemerkung zur Ideologieproduktion. ;)
Während Konservative offenbar eher geneigt sind, die Maske ganz fallen zu lassen und offen in Richtung Sozialdarwinismus zu marschieren, ist unter den wenigen noch verbliebenen Sozialdemokraten offenbar die Produktion einer ‘Wünsch-dir-was’-Ideologie in vollstem Gange.
In einer Rezension wird Heiner Flassbecks neues Buch folgendermaßen zitiert: “Der konstruierte Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie sei ein Scheinkonflikt. Es gebe keine Definition der Güter, deren Produktion man zum Wachstum zählen müsse oder nicht: „Wachstum ist das, was die Gesellschaft wünscht“ (S. 92). Der Staat müsse als Pionierunternehmen für das Produkt Umweltschutz auftreten.”
Aha. Der Staat ‘investiert’ also als ‘Unternehmen’ in ein ‘Produkt’ Umweltschutz – und verkauft es dann gewinnbringend an wen…? Bei allem Respekt – ist das nicht blühendster Unsinn? Lügt ihr euch nicht selbst in die Tasche? Das ist eben keine Investition von Kapital mit der Hoffnung auf weitere Verwertung, sprich Waxtum. Das gute Geld wird ausgegeben, und dazu muss es abgezwackt werden, entweder durch Verschuldung, auf Kosten anderer Nachfrage aus dem ‘Lohntopf’ oder gleich als direkter ‘Abzug’ aus dem ‘Kapitaltopf’ selbst.
Das ist keine Produktion – und nur in der kann Wert und damit auch Mehrwert, also Wachstum, entstehen – sondern Konsum. Der Staat tritt stellvertretend für uns alle als Nachfrager auf, der ein ‘Produkt Umweltschutz’ kauft. Konsum ist zwar nicht so schädlich, wie ein noch klügerer Professor behauptet, aber er schafft doch keine neuen Werte, er ‘realisiert’ sie nur.
Natürlich ist diese allerdings nur redensartliche ‘Investition in die Zukunft’ wünschenswert, die Ausgabe hebt auch das allgemeine Wohlbefinden, ja sie lässt vielleicht sogar die Kennziffer BIP ‘wachsen’. Aber kein Gesamtkapital, und darum, leider nur darum, geht es. Das gilt analog auch für andere ‘wünschenswerte’ Bereiche wie Bildung, Gesundheit, Pflege (siehe auch hier, letzte Überschrift ff).
Auch die dort angesprochene ‘Ausschöpfung erneuerbarer Energien’ ersetzt nur die Investitionen in die alten, bestenfalls. Denn Ressourcen zu schonen heisst auch die wert- und mehrwertbildende Arbeit ihrer Gewinnung und Verarbeitung zu ‘schonen’. Kein Wunder, dass das Kapital von selbst nie drauf kommen würde, so wenig wie auf Rohstoffkreisläufe – so wünschenswert sie wären, sie untergraben Gewinnmöglichkeiten und damit Waxtum. Die gleiche Ware, aber mit weniger Arbeit aus einfach zu recyclnden Rohstoffen gefertigt, ist auch ‘weniger wert’. Und auch die Renaturierung von Flüssen ist ökonomisch nichts anderes als der Bau von Pyramiden oder Elbphilharmonien.
Am Ende der zweiten Rezension heisst es immerhin: “Warum sollte ein veränderter Kapitalismus, der doch angeblich die menschlichen Bedürfnisse am besten befriedigen kann, bei entsprechenden Rahmenbedingungen dies auf lange Sicht nicht gleichfalls leisten können. Ob man diese Form des Wirtschaftens dann noch Kapitalismus nennen würde, ist eine andere Frage.”
Nein, würde und könnte man wohl nicht. Und genau da liegt das Problem, das mit ‘Wünschen’ alleine aber nicht zu lösen ist. Dieser schöne Satz „Wachstum ist das, was die Gesellschaft wünscht“ gilt nicht im Kapitalismus – dort gilt “Wachstum ist das, was Kapital verwertet” und sonst nichts. Es gäbe allerdings eine Möglichkeit, dem schönen Satz doch noch zur Geltung zu verhelfen (und dem moralischen Anspruch, der dahinter steht) – das Kapital abschaffen. Das wollt ihr offenbar wohl immer noch nicht, aber tut dieser Spagat nicht langsam auch mal weh? Die Flying Flassbecks – ratlos gefangen in der selbstgeschaffenen ideologischen Zirkuskuppel…?
Es soll sein was nicht ist, und was ist darf nicht sein?
November 20th, 2013 at 23:05
@flatter(129): “Man kann natürlich alles kleinreden und geringschätzen, was in größeren Zusammenhängen gedacht ist, weil es eines Herrschaftsanspruchs verdächtig ist.”
Ob “man” das kann? Sicherlich.
Ich kann so groß denken, da kenne ich noch nicht all zu viele, die da hinterher kommen. Genau gesagt, außer mir bisher nur einen einzigen, egal.
Blöderweise mache ich mir aber auch Gedanken, wie ich dahin komme, daß das was ich mir da so in ganz groß ausgemalt habe, Realität werden kann.
… und das sieht ganz bestimmt so manches mal verflixt klein in klein aus und hat vielleicht auch so manches mal was von zerreden, wenn ich bei der/meiner Überprüfung feststelle: nee, mit diesem Vorschlag kann ich nicht dahin kommen, wohin ich will. Ein ums andere mal kommt bei eben dieser ‘Überprüfung’ sogar heraus, daß ich mit diesem oder jenen gerade dort landen würde, wo ich definitiv nicht hin will…
@Peinhart(134): Staatsdenker, was anderes war die Sozialdemokratie mE nie. Sollte sie sich je vom Kapital ‘trennen’, vom Staat, die Kurve kriegen sie nie im Leben… auch irgendwie logisch, sie selbst wären ‘richtig’ tot.