Im vorangegangenen Artikel und den dortigen Kommentaren habe ich versucht zu skizzieren, wie der Kapitalismus das ‘Streben nach Größe’ auf jeder Ebene fördert, ausnutzt und abbildet. Dabei sind Aneignung, Verfügungsgewalt und Ansehen/Anerkennung durch Erwerb (von Geld) Phänomene, die vor diesem Hintergrund betrachtet (!) demselben Antrieb folgen.
Geld, die Essenz dessen, was da nie genug werden kann, von dem es nie zu viel gibt, ist obendrein unmittelbare Verstärkung, “Lohn” im doppelten Sinne, als Entgelt und einen Konsum, der schneller Bedürfnisbefriedigung dient. Dennoch ist dieser sowohl dem Protestantismus zuwider als auch dem Neoliberalismus, dessen Prophet Hans-Werner Sinn Konsum sogar als grundsätzlich “schädlich” betrachtet. Lieber verzichten sie wohl auf die stabilisierende Wirkung des Lohns als auf den Selbstzweck des Profits. Hier ist ein Riss im System.
Was die These der Tendenz zur Größe ebenfalls stützt, ist dass gerade Reichtum offenbar nie obszön genug sein kann, um nicht nach noch mehr zu streben. Das ist völlig widersinnig, aber die Profiteure sind durchgängig der Auffassung, ihr Kapital müsse sich immer weiter vermehren. Dem entgegen stünde eine Vernunft, die ich als zwecklos, weil eben unattraktiv betrachte. Sie würde jede Form von Wachstum begrenzen, zumal die zerstörerischen, und müsste demnach schon im Keim ansetzen.
Es dürfte von vornherein nicht auf schiere Größe und Wachstum als Selbstzweck gesetzt werden. Der Wagen dürfte nicht erst gebremst werden kurz bevor er aus der Kurve fliegt, sondern nie unkontrolliert Fahrt aufnehmen. Tatsächlich wäre das eine Einschränkung der Freiheit von Anfang an; eine, die zwar verhindern würde, dass am Ende ganze Völker unfrei sind, aber dadurch obendrein noch paradox.
Gesucht wird …
Vernunft wäre also eine Form der Hemmung, aber eine kompetitive, deren unmittelbare Wirkung aufs Handeln und vor allem die Wünsche äußerst begrenzt ist. Selbst unter optimalen Voraussetzungen würde sie das Streben und Tun der Menschen nicht ausreichend beeinflussen, weil sie abstrakte Zielvorstellungen gegen unmittelbare Reize aufbietet. Sie ist lustfeindlich. Dieses Verfahren ist hoffnungslos.
Gesucht wird also nach wie vor ein Antrieb, der spontane Handlungen und soziales Verhalten so beeinflusst, dass das tumbe Streben nach Größe, mehr Besitz und kurzfristiger Spannung zumindest zum Teil ersetzt. Besser noch wäre aber eine Form der Kanalisierung, die das Streben nach Größe und Wachstum nicht bloß eindämmt, sondern im Sinne einer solidarischen Gesellschaft nutzt. Wie das gehen soll, weiß ich nicht.
Dass sich der Neoliberalismus mit seinem absurden Credo, Egoismus sei sozial, als Lüge entlarvt hat, ist derweil nur ein winziger Fortschritt. Es wurde auch zurecht angemerkt, dass das Streben nach Anerkennung unter anderen Bedingungen auch andere konkrete Handlungsziele bewirkt. Dennoch bedarf es eines starken Antriebs. Es braucht Formen der Solidarität, die anspornen. Die stärksten unter diesen sind allerdings brandgefährlich.
Oktober 26th, 2013 at 16:22
Das klingt so, als ob Du einen Mönchsorden gründen willst.
Oktober 26th, 2013 at 16:29
An “HF”
Du hast das wohl nicht so ganz veratanden..hm?
Oktober 26th, 2013 at 16:31
@HF
Mönchsorden als antikapitalistische Institution?
Und in Afrika gibt es neuerdings karierte Zebras und gestreifte Kamele.
Amüsierte Grüße
Bernie
Oktober 26th, 2013 at 17:20
@HF: Wieso? Das Gegenteil ist eher der Fall.
Oktober 26th, 2013 at 17:20
Ich meine in letzter Zeit bereits ein Nachlassen des Besitzstrebens, der ‘Ausweitung’ zu erkennen. Weniger batürlich bei denen, die institutionell nach wie vor dem Scheffeln verpflichtet sind, sondern bei der arbeitenden und konsumierenden Bevölkerung. Dort natürlich auch, aber längst nicht nur gezwungenermaßen, also aus Mangel an ‘Konsumgutscheinen’. Die Idee des ‘sharing’ boomt zwar vielleicht nicht unbedingt, scheint aber dennoch langsam aber stetig um sich zu greifen. Und zwar (vielleicht sogar ausgehend) von file sharing bis ‘hoch’ zu car sharing.
Nach vielen erfolglosen Anläufen scheint es dort nun auch zu einer stetigen Zunahme zu kommen – und das betrifft immerhin den Prototyp und die ‘höchste Vollendung’ des gesamten Industriekapitalismus zugleich, eben das Auto. Dessen Besitz wird insbesondere in Städten nicht mehr als ‘Bereicherung’, sondern im Gegenteil als Belastung empfunden, man tauscht gewissermaßen das längst lästige Statussymbol gegen ein Konzept von Mobilität, das andererseits auch wieder das Verhältnis zu Besitz allgemein beeinflusst. So werden statt dessen zB eher Reisen zum ‘Statussymbol’ – vom Standpunkt materieller Besitzanhäufung die reinste Verschwendung.
Inzwischen gibt es eine ähnliche ‘Wende’ offenbar sogar im ja doch ziemlich ‘intimen’ Bereich der Mode, nicht nur immer mehr Tauschbörsen, sondern ebenfalls Sharing-Modelle, bei denen nicht mehr bestimmte Kleidungsstücke erworben werden, sondern – analog zu oben – die ‘Leistung Bekleidung’, bei der dann bspw innerhalb eines gewissen Zeitraums das konkrete Bekleidungsstück auch ein paarmal getauscht werden kann. Gerade in diesem Bereich hat es ja auch eine ungeheure Beschleunigung der Kaufen/Wegwerfen-Zyklen gegeben. Angenehmer Nebeneffekt dieses neuen Geschäftsmodells ist auch, dass Langlebigkeit der Teile nun gerade wieder gefragt wäre.
Beiden gemeinsam wie gesagt auch ein Paradigmenwechsel in Sachen Besitz – nicht mehr so sehr das Eigentum an Dingen ist gefragt, sondern die Tatsache, dass mir Dinge zur Verfügung stehen, wenn ich sie brauche. Hoffentlich keine Eintagsfliegen, und mE unterstützenswert auch dann, wenn sich dabei – natürlich – immer noch um ‘kommerzielle’ Aktivitäten handelt.
Vielleicht dämmert es ohnehin schon in Sachen ‘bigger better more’, zumindest in den ‘gesättigten’ Metropolenmärkten, und es wird Zeit für eine ganz simple ‘Erzählung vom Guten Leben’ jenseits der als immer fader und belastender empfundenen Mühle von Arbeit und Konsum.
Ich bin gerade verhalten optimistisch, dass der Kapitalismus sozusagen durch endgültige Überdehnung seines eigenen Modells, vom Bankunwesen bis zu einmal tragen & wegwerfen, auch seine eigene Beerdigung in die Wege leitet.
Oktober 26th, 2013 at 17:31
Ich habe zwei Anmerkungen:
“Das ist völlig widersinnig, aber die Profiteure sind durchgängig der Auffassung, ihr Kapital müsse sich immer weiter vermehren.”
Ich halte das eher für eine Eigenschaft des Kapitalismus, die unumgänglich ist, nicht für eine Auffassung der Profiteure. Nicht, dass wir uns missverstehen: ‘korrupte, raffgierige Heuchler’ gehört m.E. wohl noch zu dem Nettesten, was man den Profiteuren nachsagen kann, aber nur weil Fliegen um den Scheißhaufen kreisen, kann man nicht schließen, der Haufen sei da wegen der Fliegen.
Außerdem störe ich mich daran, wie du den Begriff “Vernunft” verwendest (auch schon im vorangegangenen Artikel zu dem Thema). Ich werde mal kurz aus der Dialektik der Aufklärung zitieren, schließlich hast ja ausgerechnet du mir die wärmstens ans Herz gelegt:
“[...]weil Vernunft selbst zum bloßen Hilfsmittel der allumfassenden Wirtschaftsapparatur wurde. Sie dient als allgemeines Werkzeug, das zur Verfertigung aller andern Werkzeuge taugt, starr zweckgerichtet, verhängnisvoll wie das genau berechnete Hantieren in der materiellen Produktion, dessen Resultat für die Menschen jeder Berechnung sich entzieht. Endlich hat sich ihr alter Ehrgeiz, reines Organ der Zwecke zu sein, erfüllt.”
Ob man nun ausgerechnet die Vernunft in Stellung bringen sollte gegen den Kapitalismus? Natürlich ist mir nicht entgangen, dass da steht “eine Vernunft”. Nur halte ich es ebensowenig für sinnvoll, sich eine Vernunft zusammenzubasteln, weil einem die, die es halt hat, nicht in den Kram passt. Und in diesem Fall halte ich das auch nicht für eine neoliberale Verdrehung der Begriffe, das betrifft schon die Vernunft selbst.
Aber vielleicht habe ich dich ja auch vollkommen falsch verstanden und du steigst mir jetzt ordentlich aufs Dach. Das letzte Mal ist ja schon ein Weilchen her *g*.
Oktober 26th, 2013 at 17:41
Der Egoismus ist der Knackpunkt. Der Mensch muss erkennen, dass er nur in Gemeinschaft (über)leben kann. Wenn dann der Egoismus in dem Sinne verstanden wird, dass ‘wenn es allen gut geht, kann es mir so schlecht nicht gehen’ ist der ich-bezogene Egoismus einem gesellschaftlich bezogenen gewichen.
Wenn man an Steuern denkt, so meckern die Leute zwar, aber nehmen diesen Eingriff in ihr Haben trotzdem unhinterfragt (beinahe wie ein Naturgesetz) hin.
Haben oder Sein? Ja, der Egoismus muss sich auf das Sein verlagern, dann klappt es auch mit der kulturellen Entwicklung.
Oktober 26th, 2013 at 17:58
@Amike: Dass die Mehrung dem Kapitalismus zueigen, ist völlig richtig und eine wichtige Einschränkung – die ich quasi als bekannt voraussetze. Dennoch spült das System ja gerade diejenigen in die Schlüsselpositionen, die das alles auch noch richtig finden. Es wird die Ideologie ja aufrecherhalten, weil die Profiteure den Systemzwang befürworten. Sie könnten doch stattdessen auch sagen: Wir haben reichlich Spaß gehabt, und jetz schauen wir uns mal an, wie wir das schrumpfen lassen. Oder besser noch: Ein paar Milliardäre täten sich zusammen und pushten ein sozialistisches Startup.
Ich hege hier einen anderen Begriff von Vernunft als Adorno. Dessen Satz “Aufklärung ist totalitär” richtet sich ja auch nicht gegen jede Form von Aufklärung, sondern die real gegebene.
Im übrigen ist auch Adornos Vernunftbegriff an dieser Stelle (er gilt nicht universal!) ein Gegensatz zum Reiz/Reaktions-Schema. Niemand tut etwas aus Vernunft. Man lässt oder lenkt etwas aus Vernunft, während man einem Reiz folgend lieben, töten und kaufen kann.
Oktober 26th, 2013 at 18:13
@ flatter: “Sie könnten doch stattdessen auch sagen: Wir haben reichlich Spaß gehabt, und jetz schauen wir uns mal an, wie wir das schrumpfen lassen. Oder besser noch: Ein paar Milliardäre täten sich zusammen und pushten ein sozialistisches Startup.”
Und genau da bin ich skeptisch. Ich glaube nicht, dass sie doch könnten. Diejenigen, die clever genug sind, den Charakter und nicht nur die Regeln des Spiels erfolgreich zu durchblicken, werden sich auch darüber im Klaren sein, dass Kapital nur Macht bedeutet, wenn es konzentriert ist.
Dass dein Begriff von Vernunft von dem Adornos abweicht, habe ich schon verstanden, sonst hätte ich ja nicht darauf hingewiesen. Dein Begriff zielt wohl eher darauf ab, dass es eben ‘vernünftig’ ist, nicht alles vor die Hunde gehen zu lassen. Kann ich mit leben. Nun weist du aber selbst darauf hin, dass so eine Vernunft nicht sonderlich weit trägt, wenn man wo hin will. Das neue Narrativ muss also eher reizend als vernünftig sein. Sind ja eigentlich die meisten guten Geschichten, oder?
Oktober 26th, 2013 at 19:12
Die Trugbilder des Kapitalismus sind ungeheuer mächtig.
Jedes System von Macht und Ausbeutung erzeugt bei den Teilnehmern immer auch eine überbordende Furcht/Angst vor seiner Abschaffung.
Es konfrontiert uns ständig mit einem, so möchte man glauben, von ihm selbst kreierten, ambivalenten Gefühl von Blödheit und Ohnmacht.
Es ist die Unterbrechung von Wahrnehmung und Schlussfolgerung über Ablenkung, die seinen Erfolg und seine Stabilität garantieren.
Solange die Majorität der Gesellschaft nach jeder Krise erneut freudig auf Erfolg/Sieg setzt, erhält sich sein Gefüge eben durch seine ihm immanente Ungerechtigkeit/Dummheit.
Ein Gegenentwurf jenseits von Gewalt, der über das “Kleinzellige” hinausgeht – mir fehlt`s an Glaube und Phantasie.
Oktober 26th, 2013 at 19:54
@Amike: Es ist noch viel einfacher: In diesem Sinne ist Vernunft schon alles, was bis drei zählt. Ihr Potential ist es dann, tatsächlich für ein solidarisches Zusammenleben sorgen zu können. Mir geht es aber in erster Linie um dieses sich-Zusammenreißen, erst denken und dann dandeln.
Oktober 26th, 2013 at 20:23
Wir sind Jäger, wir sind Sammler. Wir sind zudem darauf ausgerichtet, stets mit minimalem Aufwand maximalen Nutzen zu erzielen. Sonst würden wir heute noch auf den Bäumen sitzen und Eicheln rülpsen. Dass uns dies in einer Moderne, in der nur Kapital zählt, zum Verhängnis werden könnte, hat die Evolution einfach nicht vorausgesehen.
Oktober 26th, 2013 at 20:33
Wenn wir sie schon personalisiseren, warum sie sich dann nicht als ein perfides zynisches Arschloch vorstellen? ;-)
Oktober 26th, 2013 at 20:51
Ah, so etwas hier gehört natürlich auch dazu, erreicht aber noch viel zu wenige (auch weil es viele einfach nicht verstehen).
Oktober 26th, 2013 at 21:16
@ flatter
“Es braucht Formen der Solidarität, die anspornen. Die stärksten unter diesen sind allerdings brandgefährlich.”
Das mit dem brandgefährlich ist mir nicht klar, was du damit meinst.
cu
renée
Oktober 26th, 2013 at 21:23
Ich meine die Grandiosität der Gruppe/Masse zwischen Schalke04 und Reichsparteitag, die Solidarität gegen andere.
Oktober 26th, 2013 at 22:47
@flatter(14) Ich fand den früher total unsympathisch, doofe Rollen, doofes Image. Und Fan werde ich wahrscheinlich auch nicht mehr werden. Allerdings ist der außerhalb von seinen Comedy-Rollen einfach ein intelligenter, wacher Mann mit Witz.
Das Selbstverständnis sich das Recht zu nehmen, etwas zu ändern, würde ich mir allerdings gehäuft bei uns nicht prominenten Menschen wünschen. Das Selbstverständnis, dass wir die Formulierung und evtl Durchsetzung unserer Bedürfnisse nicht legitimieren lassen müssen. Natürlich erreicht so jemand mehr Menschen als wir, aber das bekommt immer so eine Vorbeter-Mentalität. Ganz sicher braucht es solche Menschen, aber eben nicht in so exponierter Rolle, wie sie dann oft landen. Gar nicht mal weil sie das selber möchten, sondern weil wir so Hinterhertraber sind. Die Kommentare unter dem Video sprechen Bände, was das angeht. Da wird als Quintessenz Russell Brand direkt zum nächsten Präsidenten gewählt. *hmpf* Also parken die Leute, die just seine Reden gehört haben ihn direkt wieder ins bestehende System und sich selbst in Untätigkeit.
Das ist das, was nagt bei sowas. Aber vielleicht braucht es einfach nur noch etwas mehr Zeit. Ich weiß es nicht, ich hoffe aber.
Oktober 27th, 2013 at 01:37
Ich finde es grandios, wenn kritisiert wird; daß so was nur wieder als “ins System integriert” erkannt (wird).
Ja, vielleicht bin ich da besonders bescheiden, aber da wird mir ganz warm ums Herz – ich stehe mit meinen komischen Gedanken nicht allein, denke ich dann…
@flatter
Icke – die mit Pferd – und wo ist vorne, odda so ;-)
Ja, ich weiß, das ‘verkommt’ hier zur s.g. Moralpredigt: Eine Gesellschaft/ Gemeinschaft gestaltet sich danach, wie sie ihre (Reproduktions-)Arbeit vornimmt/ gestaltet/ erledigt…
An die Vernunft zu appellieren, bringt mE nicht wirklich was, wenn wir ‘woanders’ hinwollen…
Vernunft ist hier: wie komme ich am besten oder schnellsten oder überhaupt an Geld, damit ich mein(e) Leben (Existenz) gewährleistet kriege – denn nur damit krieg ich das ‘gebacken’.
Vernunft, wie wir sie ‘brauchen’ würde also schon das Verständnis voraussetzen, was diese Gesellschaft(sform Kapitalismus) ist.
Da scheint es mir leichter zu verklickern, daß wir (Lohnarbeiter) die sind, die alles wissen, alles machen, daß der Laden hier läuft – wir ‘nur’ zu wenig Selbstbewußtsein haben davon zu wissen und uns darum beinahe grenzenlos ausnutzen lassen, von denen, die uns erzählen, sie wüßten, wie Leben geht…
Begrenzung.
Ich habs im letzten Thread schon geschrieben: Käme mir einer mit Vernunft und daß meine Bedürfnisse unvernünftig sind, würde ‘er’ bei mir auf (mindestens) Granit beißen.
Die (nachkapitalistische) Begrenzung ergäbe sich (allein) daraus, daß ich zur Befriedigung meiner Bedürfnisse allein wg. Arbeitsteilung (ich bin kein Universalgenie und kann alles, obwohl viel mehr als mancher ‘nur BWL-er’) immer andere zur Hilfe bräuchte, auch wegen der natürlichen Ressourcen, die nur begrenzt zur Verfügung stehen bzw. wir nur begrenzt nutzen können, so wir unseren Planeten weiter für uns bewohnbar lassen wollen. (Da ist von schön und gesund noch nicht mal die Rede, die es aber wäre, so viele Menschen gemeinsam planen würden, was denn wie ginge)
Der Hauptansatz kann möglicherweise nur sein:
Wir gemeinsam wissen alles.
Wir gemeinsam können alles.
Wir gemeinsam schaffen alles.
Wir gemeinsam lassen niemanden (von uns Menschen) vor die Hunde gehen.
und
Wir müssen das auch nicht (mehr), weil wir (uns) gemeinsam einigen, wie wir gemeinsam unsere individuellen(!) Leben auf solide Füße stellen.
Wir müssen, als diejenigen (s. o.) nicht andere ernähren, die uns gnädig erlauben evtl. auch was abzukriegen, von dem, was wir (nur für sie) geschaffen haben…
Divide et impera nimmt uns unser(e) Leben.
Unsere Kraft.
Unsere natürliche(!) Vernunft,
Btw. unsere natürliche Vernunft ist in der Lage natürliche Grenzen zu erkennen und mit ihnen umzugehen.
Darum setzen wir in diesem System Kapitalismus auf Konkurrenz. Wäre die nicht nötig, könnten wir endlich wirklich natürlich sein – Menschen eben.
… mit Schwächen und Stärken, gemeinsam oder allein, aber niemals einsam.
Oktober 27th, 2013 at 08:43
Wat, ich hatte jetzt einiges dazu geschrieben, aber ist noch früh am Tag, war ne doofe Nacht und somit einige ich mich mit mir, dass du besonders bescheiden bist und lösche den Rest.
Oktober 27th, 2013 at 08:28
@Wat.: Ich kenne diese Argumente, es geht aber immer noch um die Veränderung und das Entstehen von Gesellschaften sowie die psychologische Basis dessen. Mit “Wenn wir erst mal …” kommen wir schon nicht weiter; im übrigen spreche ich hier von Antrieben, die nichts mit Kapitalismus zu tun haben und deiner Idee im Wege stehen. Ein Argument wäre es, dass es diese gar nicht gibt, dass das alles Erfindungen des Kap. sind. Glaube ich nicht.
Oktober 27th, 2013 at 08:40
OT: If Bullshit makes your day… Wir leiden nur unter einer “Post-Erdöl-Belastungsstörung”; Beleg u.a.: Wessen Haus abfackelt, der bekommt schlechte Laune. Sparen hilft aber.
Oktober 27th, 2013 at 11:32
Dumm, Dümmer, Menschen
Oktober 27th, 2013 at 12:31
@flatter(21): Gegen Glauben ist kein Argument (Kraut) gewachsen ;-)
Edit: Boah, die Uhrzeit stimmt schon und das ohne hörbares “Krach, Knirsch, Stöhn” von uns flatter
Oktober 27th, 2013 at 12:58
Danke gleichfalls.
Oktober 27th, 2013 at 12:59
Was steckt hinter dem ‘Streben nach Größe’, dem Mehr, dem Wachstum? Du schreibst, es bilde ein – evolutionäres? – Prinzip ab, nutze es nur aus, kann es also selbst nicht sein. Wenn ich dich recht verstehe, bezieht die ‘Erzählung’ nur ihre Überzeugungskraft aus dieser – scheinbaren? – Übereinstimmung mit einem gesellschaftlich als ‘naturhaft’ begriffenen und anerkanntem Prinzip. Aber was ist dabei der ‘Antrieb’? So ganz erschliesst sich mir das immer noch nicht. Oder gilt die Suche nur einem anderen, möglichst ebenso ‘anerkannten’ Prinzip, das eine neue, andere Erzählung auf ähnliche Art ‘ideell unterstützen’ könnte?
Oktober 27th, 2013 at 13:46
Fangen wir mit dem Einfachsten an: Der Mensch will sich vermehren. Er strebt danach, mehr zu sein, nicht weniger. Dazu bewegt er sich, wird er aktiv, bindet er Ressourcen an sich: Nahrung, Geschlechtspartner, Land … schließlich Geld. Im Geld gerinnt alles, was man sich wünschen kann. Je mehr Geld, desto mehr Ressourcen, mehr Nahrung, Land, Geschlechtsparnter, versorgte Nachkommen, erfüllte Wünsche. Das ganze Paket. Daher ist Geld auch nur im Kapitalismus bei sich selbst, weil nur dort die volle Entfaltung des ‘Mehr’ stattfindet. Aus Geld mehr Geld machen. Sich selbst vergrößernde Ressource, totale Ressource, absolute Wunscherfüllung. Nebenbei durch die Bindung des Eigentums an Person und Dynastie gleich die Erhaltung der Sippe. Der Clou an dieser Ressource der Ressourcen ist die Illusion, es bräuchte keine soziale Organisation mehr, keine Politik, keine Rücksicht, keine Koalitionen. Nur nach oben streben, dorthin, wo sich alles von selbst ergibt.
Wer sich bescheidet, akzeptiert aber immer noch das ‘Oben’, den Adel, bei dem die totale Ressource verortet ist und von dessen Gnade der Plebs dennoch leben darf. Wer es nicht schafft, gibt halt auf, aber es gibt immer nur das Streben nach mehr, nach oben, wo die Gewinner sind.
Eine Alternative würde dieses Streben unnötig machen, überflüssig; erkennen, dass es gar destruktiv ist. Wohin aber mit dem Streben als solchem? Was tun mit denen, die noch immer nach mehr streben, nach Macht, nach der alleinigen Verfügung über Ressourcen? Was tun mit dem Streben des Individuums nach Erhaltung seines selbst und seiner Nachkommenschaft? Was tun mit denen, die das nach wie vor propagieren? Die Stärke des Kap. ist die Bündelung des Strebens, der Aktivität, der Sehnsucht, der Wünsche, der Allmachtsphantasien. Alle diese Bestrebungen werden innerhalb des kap. Systems genutzt und bedient. Nur von außen erkennt man den Irrsinn darin. Ihn zu erkennen, heißt aber nicht, die Streber und ihre Wirkung zu bändigen. Wenn du nun hingehst und sagst, ihr müsst euer Streben, eure Wünsche und eure Machtphantasien aufgeben, weil sie nicht vernünftig sind, ihr müsst euch begrenzen, wirst du scheitern. Du musst den Einzelnen die Möglichkeit geben, für sich und aus ihren individuellen Antrieben heraus etwas zu schaffen, ohne wieder Konkurrenz und Aneignung zu fördern. Das ist das Problem, das ich sehe.
Oktober 27th, 2013 at 13:49
@Peinhart(25): So hatte ich @flatter verstanden, daß er nach so einem Prinzip sucht.
… und versucht, ein (aus meiner Sicht) mögliches aufzuzeigen.
Er hält meins für Glaube… seines hat er so ‘gekennzeichnet’.
Nun mag Selbstvertrauen auch eine Art Glaube sein, mit Argumenten ist auch dem nicht bei- oder für zu kommen – mit gemeinsamen Tun, aus dem das Selbstvertrauen entsteht – aber schon.
Oktober 27th, 2013 at 14:14
Wenn ich sage, “ich glaube”, so ist damit gemeint, dass ich davon überzeugt bin, es als haltbare These erachte. Wissen kann ich das nur, wenn ich in die Vergangenheit und die Zukunft reise und es dort jeweils verifiziere. Du kannst es aber auch anders haben: Wenn du das anders siehst als ich, ist eine(r) im Irrtum. Nach meiner Einschätzung selbtsverständlich du, sonst schlösse ich mich ja deiner Meinung an.
Oktober 27th, 2013 at 16:41
Tja….beim Sozialen sind die Grenzen immanent. Meine Frau hat heute ‘nem sprichtwörtkich auf der Straße liegenden Penner erste Hilfe geleistet und auch dafür gesorgt, dass der zur Weiterbehandlung ins Krankenhaus kam. Nicht, dass da viele andere Leute dran vorbei gefahren wären….
Oktober 27th, 2013 at 17:22
@flatter #26 – Dann würde ich aber doch wieder das gute alte ‘Reich der Freiheit’ vorschlagen. Zum einen ist ja das Freiheitsversprechen des Liberalismus zumindest für die Massen nie eingelöst worden, eben weil dieses Versprechen bzw das liberale Konstrukt als Ganzes von vornherein an Eigentum geknüpft war. Selbst die Bürger- und später Menschenrechte beruhen ursprünglich nur auf dem Eigentum, nämlich dem des Einzelnen an sich selbst. Genau diese Eigentumskonstruktion gebiert aber selbst wieder Herrschaft, durch Ausschluß (‘Betreten des Seegrundstücks verboten’) und eine Art Tributpflichtigkeit bis in’s Arbeitsverhältnis und in die Bedürfnisbefriedigung. Und das wird, behaupte ich, auch durchaus gefühlt, auch wenn es vielleicht nicht ‘hergeleitet’ werden kann.
Zu zeigen wäre dann also auch, dass weit verbreitetes Gemeineigentum und eine Beschränkung des persönlichen Eigentums auf das, was man auch quasi im Wortsinne wirklich ‘be-sitzen’ kann, größere Freiheit und auch mehr Möglichkeiten zur Entfaltung des Einzelnen bietet. Die meisten sind sowieso nie darüber hinaus gekommen, wenn überhaupt so weit. Viele haben nicht mal Eigentum an dem, was sie tatsächlich ‘be-sitzen’, ihrer Wohnung etwa. Und also auch keine praktische Einschränkung zu befürchten, höchstens eine ‘virtuelle’. Handwerker und Bauern sind zwar auch Eigentümer von Produktionsmitteln, aber weniger zum Zwecke der Machtentfaltung oder Ausbeutung, sondern als notwendige Subsistenzmittel, deren Erwerb eher als lästig denn als lustvoll empfunden wird. Allen offenstehende Produktionsmittel dezentraler, kleinteiliger Art (wie zB die schon erwähnten 3D-Drucker) erweitern die Möglichkeiten vom ‘Normalverbraucher’ zum ‘Normalproduzenten’ nach eigenen, nicht von der Massenproduktion und dem Profitinteresse vorgegebenen Bedürfnissen. Mehr Freiheit, mehr Entfaltung. Weniger Macht anderer über dich.
Olle Kamelle, hat ja bislang auch nicht gefunzt. Da würde ich aber widersprechen. Zum einen ist diese Erzählung über die Jahre immer noch so attraktiv, dass immer noch viele Menschen daran hängen und sie nicht loslassen wollen, einschließlich unserer Wenigkeiten hier. Andererseits sehe ich schon einen zunehmenden Bruch zwischen dem ‘einfachen Volk’ und der sogenannten Elite in Wirtschaft, Politik und Medien und würde das gerade auch daran festmachen, dass die Verteidigung der bestehenden Verhältnisse eine immer penetrantere Form annehmen und dass auch Herrschaft immer offener ausgesprochen und angewendet wird. Auf der anderen Seite Tendenzen, wie ich sie hier bereits beschrieben habe – die zwar, auch das eine Stärke des Systems, sofort auch als Geschäftsmodelle ‘inkorporiert’ werden, aber auch über das Bestehende hinausweisen. Die Zeit mag noch nicht reif sein, aber sie scheint mir doch zu reifen.
Oktober 27th, 2013 at 17:29
Passendes Bild, von wegen Holzweg und so.
Das Problem ist nämlich nicht Rasse oder Klasse oder Kasse sondern: Psychologisch!
Angst einerseits, Psychopathie andererseits.
Das System ist wie ein Kartenhaus (ja, wie bei Alice im Wunderland, wir sind Spielkarten), die oberen haben Angst vorm Fall, die unteren haben Angst, dass ihnen alles auf den Kopf fällt und so hält Angst alles zusammen.
War schon in der Schule so, die widerlichsten Subjekte (Schläger, Streber, Großgoschen) sind Klassensprecher geworden. Ohne Geld, ohne große Macht, aber trotzdem an irgendeine Spitze und so sieht es auch im großen aus!
Aber das wollen die Leute nicht wissen und so suchen sie auch weiterhin nach ihren Teufelchen, Wachtmeistern, Kasperlen und Vorhang! —
Oktober 27th, 2013 at 17:36
Aber der Antrieb nach “mehr” ist doch meiner Meinung nach in erster Linie der Antrieb nach mehr Glück und Zufriedenheit oder nicht? In einer Welt, ind der man vermeintlich beides kaufen kann – Wohlstand bis zum Luxus = Glück und Zufriedenheit, Schönheit und ewige Jugend = G&Z, Erfolg und Anerkennung = G&Z, Besitz = G&Z usw.
Das evolutionäre Prinzip hat, so denke ich, weder was mit Vernunft noch mit Wachstum, beides i.S. des Kapitalismus, zu tun, sondern mit Entwicklung, persönlicher “Vervollkommnung” (geistig, körperlich), aber das eben auch nicht im Sinne der heute von außen initiierten Perfektionierung, des “Mehr-sein-Wollens”, sondern um sich wohl und besser zu fühlen. Welchen anderen natürlichen Antrieb sollte es denn außer diesem geben?
Auslöser für Veränderungen war, so weit ich das beurteilen kann, noch immer eine Unzufriedenheit einer Mehrheit von Menschen. Warum wohl wird das Mantra des Wohlstandes und der Freiheit bis zum Erbrechen und mittlerweile geradezu paradox, wenn man hinter die Floskel schaut, von den Bewahrern des Systems widerholt?
Ich glaube nicht daran, dass man sich “nur” einen überzeugenden Antrieb “einfallen” lassenn muss, um die Menschen zu einem Wandel zu bewegen, und was die Vernunft angeht, so wird diese doch inzwischen auf eine Kosten-Nutzen-Rechnung reduziert – so als sei alles berechenbar und müsste nur berechnet werden, inklusive des menschlichen Verhaltens, damit eine Gesellschaft “funktioniert”.
Dass vieles, was derzeit in Politik und Wirtschaft geschieht, völlig irrsinnig ist, also ganz und gar nicht vernünftig, ist doch inzwischen offensichtlich. Trotzdem wird weiter gemacht, von den einen, weil sie ihre Pfründe nicht hergeben wollen, von den anderen, weil sie glauben, eh nichts ändern zu können. Wir werden doch auch wie unmündige Kinder behandelt, nicht wie Erwachsene, die ihr Leben gut und besser gestalten könnten, wenn wir nicht so konditioniert wären, wie wir es sind.
Woran liegt das, dass so viele Menschen nicht anders denken und handeln (können) als sich anzupassen und damit im schlimmsten Falle sich selbst verleugnen oder schlicht verzweifeln, aber dennoch passiv bleiben? Liegt es nicht auch daran, (zur Gesellschaft) dazu gehören zu wollen, weil wir alle die Gesellschaft brauchen, trotz aller gewünschter individueller Freiheit?
Angst ist ein nicht zu unterschätzender Motor menschlichen Handelns, die Angst, ausgeschlossen zu werden, aber auch die Angst vor Veränderung und Unbekanntem, erst recht angesichts der Konditionierung in den sogenannten freiheitlich-demoratischen Ländern westlicher Prägung und einer Welt, die suggeriert, dass alles möglich sei, wenn “man” nur flexibel und stark genug ist.
Steckt dahinter aber nicht auch eine Sehnsucht nach Stabilität, nach Sicherheit? Oder ist das schon ein Zeichen von (Alters)Müdigkeit, wenn ich das so sehe?
Ich denke, “der” Mensch strebt, wenn man es überhaupt Streben nennen kann, danach, dass es ihm gut geht, dass er sich wohl fühlt mit sich und seinem Umfeld, nicht danach, besser, geschickter, reicher, schöner, stärker… zu sein als alle anderen. Das, so denke ich, ist dem Einfluss geschuldet, dem wir alle von Kindesbeinen an ausgesetzt sind.
Wenn dieses Gesellschaftssystem an seinem Endpunkt angelangt ist, und alles spricht dafür, dass wir uns in der Endphase befinden (für mich gibt es da sehr viele Parallelen zur Endphase der DDR, was die Inhaltsleere unserer sogenannten “Gestalter” und “Leistungsträger” der Gesellschaft betrifft), wird es eine “Entwicklung” geben. Ich glaube kaum, dass irgendjemand das aufhalten noch vorherbestimmen kann, in welche Richtung sie gehen wird.
Leider.
Oktober 27th, 2013 at 17:37
So eine Erzählung, die die ‘Anreize’ anders gewichtet, kann mE niemals nur als Erzählung, also mehr oder weniger nur Aneinanderreihung von Wörtern, fruchten.
Haben sie mE auch nie.
Ein Blick ins Leben muß die Erzählung untermauern – und die Erzählung kann nicht dauerhaft fruchten, würde sie von anderen erzählt, als denen, die in der Erzählung leben und meinen: sie stimme.
Erfahrungen sind nur mit anderen Erfahrungen ‘zu erschlagen’, nicht damit, daß da wer erzählt: Die bisherigen Erfahrungen sind falsch.
Bei Menschen, die bereits in Zweifel ob einer Erzählung gekommen sind, mag vielleicht argumentativ möglich sein aufzuzeigen, warum ‘das alles nicht hinhauen kann’.
… und schlußendlich wird sich mE niemand eine andere (neue) Erzählung anhören, so er noch keine andere (neue) braucht.
@flatter(28): meine #27 war nicht despektierlich gemeint. Auch meines in #18 ist ja so etwas wie Glaube, so lange ich nicht nach hinten schauend die Gewißheit habe.
Oktober 27th, 2013 at 17:40
@Peinhart: Ich fürchte nur, dass die Konsequenz aus dieser Erfahrung hinein reift in die Forderung, dass das jetzt alles gerechter zugehen müsse, damit andere auch mal zum Zuge kommen. Natürlich nur die Fleißigen …
Oktober 27th, 2013 at 19:04
@ Die da draußen: Nein, ich werde hier keine Diskussion über Zinswirtschaft oder Negativzins führen. Heute nicht, morgen nicht und überhaupt nicht.
Oktober 27th, 2013 at 22:27
ich bin mal so frei, OT aus geg. anlass:
https://www.youtube.com/watch?v=hUntj4z3v0w
keine tubelinks, keine tubelinks, aber was soll man da bei sowas sonst linken?
Oktober 27th, 2013 at 23:42
Na sowas hier? ;-)
Oktober 28th, 2013 at 08:23
Oder sowas … Strawman.
R.I.P.
Oktober 28th, 2013 at 09:49
@flatter #34 – Ich befürchte eher, dass ein Netz ganz anderer Herrschaft – Stichwort Information und Rohstoffe – darüber geworfen wird, bevor die Zeit reif ist. Insofern ist es vielleicht nicht nur Kritikern recht, wenn mal über die Macht der Dienste gesprochen wird. Und diese dabei vielleicht sogar größer erscheint, als sie schon ist. Denn auch diese Herrschaft würde sich auf Eigentum stützen, allerdings auf ein noch viel wackligeres, das zudem nicht von der gängigen Erzählung von Fleiß und Eigenerwerb abgedeckt wäre. Privatisierung von Rohstoffen und Information, ‘Patente auf Leben’ etc sind ohnehin nicht sehr gelitten, die sind nur durch Gewalt bzw Gewaltandrohung durchzusetzen.
Besser noch wäre aber eine Form der Kanalisierung, die das Streben nach Größe und Wachstum nicht bloß eindämmt, sondern im Sinne einer solidarischen Gesellschaft nutzt. Wie das gehen soll, weiß ich nicht.
Gemeinbesitz leistet das sogar, behaupte ich mal. Nehmen wir einen beliebigen Kiez, in dem sich eine ganze Reihe von Menschen eine private Hobbyschreinerei einrichten, um ihrer ‘voluptas laborandi’ nachzugehen, von der sie nach einem stinklangweiligen entfremdeten ‘Broterwerb’ immer noch jede Menge übrig haben. Da gibt es dann meinetwegen ein gutes Dutzend abgezwackter muffiger Kellerräume, ausgestattet gerade mit dem Nötigsten, alle in fußläufiger Entfernung und alle die meiste Zeit ungenutzt. Darüber hinaus hat auch jeder einzelne Haushalt seine eigene Bohrmschine, seinen Rasenmäher, seine kleine Waschfabrik etc. Das ist das ‘marktwirtschaftliche’ Modell.
Gemeinbesitz würde eine große helle Werkstatt einrichten können, ausgestattet mit nahezu allen denkbaren Bearbeitungsvarianten. Da wäre auch ein ganz anderes ‘Streben nach Größe’ möglich als mit den ‘idiotisch’ gegeneinander abgeschotteten Rumpelkammern. Könnte man auch jetzt schon machen, möchte amn einwenden, man müsste sich nur zusammentun. Jeder, der das schon mal praktisch versucht hat, weiß, dass dem vor allem wieder eins massiv im Wege steht – eben der bürgerliche Eigentumsbegriff. Wem gehört was, wie geht man mit Defekten und Reparaturen um, alles muss letztlich wieder auf’s Eigentum heruntergebrochen und entsprechend geregelt werden. Verträge müssen aufgesetzt werden, Mißtrauen grassiert, jeder wähnt mehr zu geben als er bekommt, man will bevor es überhaupt richtig losgeht schon gar nicht mehr, dass Herbert Leichtfuß seinen Staubsauger verleiht…
Je mehr Gegenstände des gelegentlichen Bedarfs ‘vergemeinschaftet’ werden, desto größer der ‘Pool’ an Gegenständen, auf die der Einzelne bei Bedarf Zugriff hat. Teilen verkleinert nicht, sondern vergrößert den ‘Aktionsradius’.
Gemeinbesitz schafft mehr und größere Gestaltungsmöglichkeit für den Einzelnen, auch was die gesamte Entwicklung der Umgebung angeht. Schluß mit der kleinteiligen Parzellenidiotie, dem Flickenteppich von Privatinseln, die doch nie wirklich ‘eigenständig’ werden können, hin zu einem funktionalen – und größeren – Ganzen. Bestimmt nicht konfliktfrei, aber mit ‘mehr Reichweite’ des Einzelnen.
Dekonstruktion der angeblich segensreichen Wirkungen des Privateigentums wäre also weiterhin gefragt, nebst einer anderen Herleitung von Freiheit. Nur sollte man das vielleicht nicht vorrangig als ‘Beschränkung’ kommunizieren bzw wirklich nur dort wo es um die Beschränkung der Macht (weniger) anderer über deine Entfaltungs- und Zugriffsmöglichkeiten geht. Otto Normaleinzelner hingegen kann dabei nur an ‘Mehr’ und ‘Größe’ gewinnen.
Eigentum ist nebenbei bemerkt auch eine Art Sozialbarriere – wenn man alles besitzt, muss man nicht in Kontakt mit anderen treten, wenn man bspw ein bestimmtes Werkzeug – oder einen Staubsauger ;) – braucht. Eigentum leistet ‘unschätzbare Dienste’ bei der Atomisierung der Gesellschaft.
Oktober 28th, 2013 at 15:19
@Frau Lehmann:
Deine Bedenken im letzten Absatz hat Napoleon in folgender Aussage untergebracht:
“Bei einer Revolution gibt es genau zwei Sorten von Menschen, die die sie verursachen und die die von ihr profitieren.”
@39 Peinhart:
“Gemeinbesitz …. Bestimmt nicht konfliktfrei, aber mit ‘mehr Reichweite’ des Einzelnen.”
Ich bin jetzt seit zwei Jahren Schrebergärtner im Verein. Im Grunde ist deine Vision hier vollzogen. Die Grundstücke sind ja nur von der Stadt gepachtet, die Gemeinschaftsanlagen werden gepflegt von Allen usw.
Trotzdem würde auch hier ohne Vereinsüberbau alles gleitend in Mord und Totschlag übergehen.
Als Sozialbarriere reichen hier schon die unterschiedlichen Ansichten wann lärmintensive Gartenarbeiten durchgeführt werden dürfen. Unter Freiheit verstehen insbesondere die Rentner das Recht andere ungefragt und permanent zu belehren.
Gemeinbesitz ist auch so eine interessante Geschichte.
Laß mal sich 10 Leute eine Waschmaschine teilen.
Das fängt beim Streit um Nutzungsrechte an, geht über das Gezänk der verschiedenen Ansichten von Reinlichkeit der Maschine weiter und endet noch lange nicht bei der Frage ob denn jeder zu eventuellen Beschädigungen steht.
Besseres Beispiel wäre noch ein elektrischer Wäschetrockner. Da muss das Flusensieb nach jedem Durchgang gereinigt werden.
Da braucht es nur einen Stinkstiefel in der Gruppe und einen Person, die sich nicht traut direkt Mißstände anzusprechen schon fliegt dir der ganze Laden in kurzer Zeit um die Ohren.
Ich glaube auch nicht an die Weisheit der Massen, als jemand der sich seit über 40 Jahren sein Essen komplett selbst zu bereitet. Irgendeiner muß den Scheißdreck in den Lebensmittelregalen schließlich kaufen und fressen.
Da die Produktpalette in diesem Bereich immer weiter diversifiziert scheint es immer mehr Menschen zu geben, die sich das reinziehen. Und dazu wird nun niemand gezwungen.
Eine Art merkwürdiger Leere in meinem Kopf hinterlassen dann Produkte die mir völlig sinnlos erscheinen. Auch ich akzeptiere den offensichtlichen Zeitvorteil einer Tiefkühlpizza oder sogar von Bratkartoffeln mit Rührei aus dem Kühlregal, ja auch den von Fertigpfannkuchen.
Aber eben diese Pfannkuchen gibt es als Backmischung.
Wie bescheuert muß man sein ?
Herkömmliche Pfannkuchen bestehen aus Mehl, Salz, Milch und eventuell Ei.
Ich wiege das Mehl, messe die Milch und diese Zutaten werden nun ganz einfach mit einem Mixer verrührt. Die Pfannkuchen muß ich selbst und einzeln in der Pfanne braten.
Jetzt die Backmischung. Mehl, Milch und EI sind als Pulver vorhanden und ich muß eine bestimmte Menge Wasser abmessen. Die Pfannkuchen muß ich selbst und einzeln in der Pfanne braten.
Abgesehen von einem eingesparten Meßvorgang, dafür um die Möglichkeit gebracht das Ei wegzulassen, habe ich jetzt welchen Vorteil ?
Mit solchen Leuten machst du nichts auf, schon mal mal gar nichts was mit Nachdenken, Gemeinschaft oder Teilhabe zu tun hat.
Verantwortung muß klar definiert werden.
Warum sollten Leute, die ansonsten nicht mal für sich selbst Verantwortung übernehmen, ausgerechnet in einer Gemeinschaft diese übernehmen ?
Oktober 28th, 2013 at 16:35
@Freigesetzter(40)
Du bist (so entnehme ich das Deinem Post), ganz bestimmt selbst (noch) nicht für eine Gemeinschaft ‘geeignet’.
Warum?
Menschen entscheiden sich für zb. Backmischung(en), statt wie Du für die einzelnen ‘Komponenten’.
Du kommst nicht einmal auf die Idee, daß sie dafür nicht nur eine hinreichende, sogar möglicherweise notwendige Begründung haben (könnten).
Für Dich sind sie bescheuert, da ändert auch das Fragezeichen am Satzende nichts dran.
Frag sie, sie haben mit Sicherheit eine ‘stichhaltige’ Begründung oder mehrere Menschen auch verschiedene…
Eine fiele mir sofort ein ohne zu fragen:
Eine Backmischung transportiert sich besser und hält sich (ohne und auch mit Kühlmöglichkeiten) erheblich länger als die einzelnen Zutaten Milch und Ei.
Da ich zb. Pfannkuchen nicht besonders mag, darf darum etwa mein Schluß sein:
Alle, die so etwas essen (wollen), sind bescheuert…
Ich käme da nicht mal im Traum drauf^^
Oktober 28th, 2013 at 16:46
@Freigesetzter – kenne ich auch (fast) alles aus eigener Anschauung. Ich glaube auch nicht, dass das einfach wird. Erst recht nicht, dass das Leben künftig quasi automatisch nun doch zum Ponyhof wird. Und trotzdem: Eigentum dekonstruieren. Vielleicht sind diese Rentner ja ua auch deshalb so gnatterig, weil dessen Erzählung sie getäuscht und betrogen hat. ;)
Ich habe übrigens mal ein ‘Strohwitwer-Kochbuch’ geschenkt bekommen, da war auch ein Rezept für Kartoffelpuffer drin. Fing an mit dem Satz ‘Bereiten Sie den Fertigteig nach Anweisung des Herstellers zu’. Ein Kochbuch! War schon so vor etwa 25-30 Jahren und, glaube ich, von Burda.
Und, äh, könnte mal jemand das Wort ‘Kiez’ aus meinem Beitrag streichen? Paranoia reicht mir schon wieder ihr kaltes Händchen… :D
Oktober 28th, 2013 at 17:28
Ja, alle Menschen sind bescheuert außer ich. Alles Geisterfahrer …
;-)
Schon mal überlegt, dass bestimmte Formen von “Bescheuertheit” auch was mit Sozialisation zu tun haben könnten? Oder mit äußeren Bedingungen, dass man sich manchmal nur unter größeren Anstrengungen anders verhalten kann. Kennt jeder die Umstände, unter denen sich der andere zu gewissen “bescheuerten” Entscheidungen gezwungen sieht?
Weiß hier jeder, wie “bescheuert” sein eigenes Verhalten ist/auf andere wirkt?
@42 Peinhart
” Ein Kochbuch! War schon so vor etwa 25-30 Jahren und, glaube ich, von Burda.”
Sixu, hat doch gewirkt, die Propaganda …
cu
renée
Oktober 28th, 2013 at 18:11
Inwiefern? Dass ich dem ‘Focus’ von Anfang an mißtraut hab…? ;p
Oktober 28th, 2013 at 18:36
Ach ja, hier noch der Staubsauger… machen ja sowieso gerade mächtig Wind, die Dinger.
Oktober 28th, 2013 at 21:15
Werden die Dinger nicht demnächst verboten? Jedenfalls die, die tatsächlich saugen.
cu
renée
Oktober 29th, 2013 at 13:23
Ich will nochmal versuchen, das Pferd von der Seite aufzuzäumen. ;) Nehmen wir an, mit dem materiellen Wachstum des Kapitalismus wäre es mehr oder minder vorbei, aus sowohl ökonomischen wie ökologischen Gründen. Ökonomisch weil ein zwar theoretisch in immer größeren Mengen hergestellbarer Warenberg eben aufgrund der Tatsache, dass er dazu immer weniger ‘Humankapital’ benötigt, seinen ‘Wert’ immer weniger ‘realisieren’ könnte. Eine theoretisch weiter wachsende Massenproduktion trifft nicht mehr auf die nötige Massenkaufkraft. Aber selbst wenn es gelänge, diese beiden Pole wieder in Tritt zu bringen, stößt die theoretisch mögliche Ausweitung der Massenproduktion immer noch an praktische ökologische Grenzen.
Nehmen wir also an, das ‘Gesamtwachstum hätte eine Art Plateau erreicht, ein Niveau das insgesamt nicht mehr steigerbar ist. Das Versprechen schon der Frühliberalen an die ‘unteren Klassen’ war ja aber in etwa “auch wenn euer Anteil zugegebenermaßen insgesamt eher klein ist – dadurch dass das Ganze wächst, wächst immerhin auch der”. Damit scheint es zumindest in ‘entwickelten’ Gesellschaften auch ‘allgemein wahrnehmbar’ vorbei zu sein, womit die Verteilungsfrage verschärft ausbricht. Es geht nicht länger nur um ‘mehr Mehr’ oder ‘weniger Mehr’, sondern um die Wurscht. Auf Basis des (Privat-) Eigentums also um eine Art ‘Verdrängungswettbewerb’ sowohl auf Seiten der Wirtschaftsunternehmen wie auch der Einzelnen. Ich nehme an, darauf zielte auch dieser Einwand…?
Verbreitert man hingegen sozusagen die ‘Aneignungsbasis’ durch Abschaffung des (Privat-) Eigentums käme man immerhin noch von Verteilungskämpfen, in denen wir uns gegenseitig die ‘Mein-Mein’-Förmchen aus der Hand reißen (mit der Gefahr, dass es die Förmchen dabei auch noch selbst zerreisst, von uns ganz zu schweigen) zu einem ‘echten’ Teilen in die Nutzung der geschaffenen Konsumgegenstände, dann käme es immerhin für viele, wenn nicht die meisten doch noch zu einer Steigerung ihrer ‘Bedürfnisbefriedigung’ – wenn auch nur solange, bis dieses Teilen vollzogen ist.
An was aber soll man bei einer Entscheidung zwischen den beiden ‘Modellen’ appellieren außer an die ‘Vernunft’? Und auch noch in einer verdammt utilitaristischen Variante, der des ‘größten Glücks der größten Zahl’ in einer nur neuen, durch das ‘Ende des Wachstums’ erzwungenen Variante? Womit sich dann auch das Marx’sche ‘Gattungswesen’ Mensch selbst in der kommunistischen Utopie (einmal mehr?) nur als eine wenn auch fortgeschrittene Variante des ‘homo oeconomicus’ entpuppte, die Utopie selbst als Variante nicht nur des Liberalismus sondern gar Utilitarismus?
Liegt der ‘Antrieb’ dieser Artikel ungefähr auf dieser Linie…? Und in dem, was unweigerlich wieder drohen würde, wenn besagtes Teilen dann, sollte es überhaupt stattfinden, tatsächlich ‘abgeschlossen’ wäre?
Vielleicht müsste man sich mal mehr für das interessieren, was als ‘menschliches Bedürfnis’, als ‘Gebrauchswert’ so selbstverständlich zu sein scheint, dass es meistens gar nicht hinterfragt und mehr oder minder stillschweigend als in erster Linie ‘materiell’ gesehen wird? Aber selbst da – welches ‘menschliche Bedürfnis’ wird zB durch eine Krawatte befriedigt? Wärmt nicht, schnürt den Hals ein und hängt in die Suppe. Und trotzdem gibt es eine Krawattenindustrie…
Oktober 29th, 2013 at 16:00
Mit der ersten Annahme hast du recht, sofern ich dich recht verstehe ;-)
“Liegt der ‘Antrieb’ dieser Artikel ungefähr auf dieser Linie…?” verstehe ich vielleicht gar nicht. Beantworten kann ich aber einiges: Appelieren wirst du wohl an Vernunft können, aber besser funktioniert meist die simple Stimulation. Es geht um Belohung, die als Fernziel obendrein Allmacht verspricht. Unschlagbares Konzept. Nehmen wir die Krawatte: Dahinter steht natürlich zuerst das Streben nach Anerkennung. Hier eine Anerkennung, die dich gleich macht mit den ganz Mächtigen; die tragen auch welche. Strick um den Hals, anstrengen, anstrengen, dann kannst du’s auch schaffen. Das erste Stöckchen holst du leicht, das nächste auch noch und glaubst an das Ḱonzept. Dass die Stöckchen immer weiter weg fliegen und du es nie ins Paradies schaffst, weißt du nicht, man sagt es dir ja auch nicht. Wenn du es bemerkst, bist eh erst mal selbst schuld, weil nicht schnell, fit, brav genug. Alle anderen machen derweil dasselbe, es muss also alles seine Ordnung haben.
Gesellschaftliche Anerkennung wird auch in alternativen Systemen ein sehr starkes Motiv bleiben. Es wäre aber ggf. eines, das dem des persönlichen Vorteils im Wege ist. Nicht so im Kap., da kannst du beides haben. Deshalb kann der sich auch quasi aus dem Nichts jedesmal wieder etablieren, wenn die Gewinner des Kampfes ums Dasein ihr Erfolgsrezept zur Blaupause machen. Im Sozialismus hast du genau da einen Bruch; du musst dich entscheiden zwischen deinem (kurzfristigen )Vorteil und dem aller. Das macht das Konzept schwach.
Oktober 29th, 2013 at 19:38
Ein Vortrag gleichen Titels von Raul Zelik auf youtube: Nach dem Kapitalismus (~2h)
Oktober 29th, 2013 at 19:55
@flatter(48)
Sag ich doch, ich hab nicht nur komische Ansichten, ich bin vielleicht sogar ‘nen Alien…
“du musst dich entscheiden zwischen deinem (kurzfristigen )Vorteil und dem aller. Das macht das Konzept schwach.”
Konzept würd ich das nicht mal nennen, aber die Tatsache, nicht immer wieder was hinterherrennen zu müssen, um nicht nur einen Vorteil überhaupt ein(en) ‘Teil’ zu haben, ist/wäre für mich das Starke.
Endlich mal Ruhe fürs Existenzielle, endlich Chance, endlich nicht immer beweisen müssen, daß ich es wert bin essen zu dürfen.
Für mich die grandioseste aller meiner Vorstellungen – ein Traum.
… hoffentlich nicht nur.
Oktober 30th, 2013 at 11:16
Deshalb kann der sich auch quasi aus dem Nichts jedesmal wieder etablieren, wenn die Gewinner des Kampfes ums Dasein ihr Erfolgsrezept zur Blaupause machen.
…aber die Tatsache, nicht immer wieder was hinterherrennen zu müssen, um nicht nur einen Vorteil [sondern] überhaupt ein(en) ‘Teil’ zu haben, ist/wäre für mich das Starke.
Vielleicht ist die Krawatte, äh der (kurzfristige) Vorteil gar nicht der wichtigste Teil der Erzählung, vielleicht ist dieses ‘hol dir was du kriegen kannst’ nur die nervöse Reaktion auf die immer noch erfolgreiche und ‘größere’ Erzählung vom ‘Kampf ums Dasein’. Wirtschaftlich ausgedrückt die zwar in erster Linie durch dieses System selbst erzeugte, aber als ‘natürlich’ halluzinierte ‘Knappheit’ aller Güter, gegen die dann auch so verbissen und haltlos anproduziert werden muss, bis sie in einigen Bereichen dann auch tatsächlich eintritt. Was aber lange noch nicht heisst, dass ein gutes Leben für alle nicht möglich wäre. Wenn man sich die billigen Kindergeburtstagsgeschenke als ‘Incentives’ mal sparen könnte und würde. Aber vielleicht muss da erst ein Alien kommen… ;)
Auf etwas ähnliches wollte ich mit der Krawatte hinaus – Bedürfnisse sind nicht nur einfache ‘natürliche’ Bedürfnisse, sondern ‘menschliche’ gerade erst dadurch dass sie kulturell definiert sind. In einer Kultur der Knappheit und des Kampfes wird Raffen zum Bedürfnis ebenso wie uferlose Produktion. Der kulturelle Rahmen bestimmt so auch Art und Inhalt der ‘Arbeit’, die sich eine Gesellschaft dadurch quasi ‘auferlegt’.
Die sprichwörtliche ‘Effektivität’ des Kapitalismus wird zwar durch dessen eigene ‘Gesetze’ hervorgebracht und forciert, dessen positive Bewertung aber, die die Menschen auch ihre Entfremdung und widrigen Arbeitsverhältnisse (als ja doch ‘notwendige’) ertragen lässt stammt mE aus diesem kulturellen Rahmen, dieser ‘Erzählung’. Nur daraus zieht sie auch erst ihre – vermeintliche – ‘Nützlichkeit’. Und nur dadurch wird die Belohnung auch überhaupt erst zur Belohnung – für die, die das in Frage stellen, erscheint es hingegen oft nur noch als nutzloser Tand, Glasperlen für die sich die Menschen vergeblich abrackern.
Der ‘Antrieb’ käme dann aber auch gar nicht so sehr aus dieser Belohnung selbst, sondern diese wird dazu wie gesagt erst vor dem Hintergund der Erzählung von Knappheit und Kampf. Diese Erzählung ist vielmehr selbst der ‘Antrieb’, die ‘Belohnungen’ sind nur die Trostpreise auf diesem albernen Kindergeburtstag. Da müsste man also ansetzen, und bei dem ‘wie’ hilft vielleicht auch schon die Frage weiter, warum ‘wir’ das eigentlich nicht (mehr) glauben mögen.
Oktober 30th, 2013 at 22:57
@47+51 Peinhart
Sehe ich ziemlich ähnlich. Was häufig “hinten runterfällt” ist m.E. der nicht materiell zu bemessende Teil, evtl. der materiellen “Haben wollen”-Sozialisation geschuldet.
Es kommen auch immer wieder die Bedenkenträger an, was alles in einem anderen Gesellschafts- und Produktionssystem nicht funktionieren könnte/würde etc., da wird die “Natur des Menschen” angeführt oder sonstige Gespenster. Was den meisten wohl noch immer nicht klar ist, dass es höchstwahrscheinlich nicht mehr lange so schön bleibt wie es jetzt noch ist.
Nein, wir leben nicht ewig und keiner bekommt eine zweite Chance – allerdings, die Existenz in diesem Scheißsystem würde ich nur bedingt “Leben” nennen. Ich könnte mir da weitaus besseres vorstellen, selbst wenn es nicht perfekt ist – und etwas weniger sinnloser “Luxus” muss nicht bedeuten, in Höhlen zu hausen.
cu
renée
Oktober 30th, 2013 at 23:16
Höhlen find ich prima. Höllen wäre treffender für heutiger Zuhauses…
Oktober 31st, 2013 at 08:27
Was häufig “hinten runterfällt” ist m.E. der nicht materiell zu bemessende Teil…
Was mE ein genereller Denkfehler der linken Bewegungen sein könnte. Diese Gesellschaft wird zwar von ihrem selbstläufigen, eigendynamischen materiellen Produktionssystem geprägt und beherrscht, seine Rechtfertigung und Akzeptanz aber verdankt es in erster Linie immer noch seiner ‘kulturellen Aufladung’, namentlich Aufklärung und Liberalismus. Setzt man jetzt selbst nur sozusagen technisch an diesem Produktionssystem an besteht erstens die Gefahr, diesen ‘Akzeptanzkern’ argumentativ zu verfehlen, zweitens die, dass man mehr oder minder bewusst versucht, es durch ein ebenso ‘materiell prägendes’ zu ersetzen, dessen kulturelle und soziale Eigenschaften dann quasi automatisch aus dessen ‘technischen Eigenschaften’ hervorgehen sollen.
Das hat aber, behaupte ich, nicht mal der Kapitalismus in seiner Entstehungsphase geschafft. Der kam durch eine gesellschaftlich-kulturelle ‘Erzählung’ in’s Rollen, bevor seine Eigendynamik begann, seinerseits die ‘Überbauten’ zu (ver-) formen.
Und außerdem und überhaupt – wollen wir das eigentlich? Dass wieder die technische Seite der Produktion aus sich selbst heraus die soziale und kulturelle Wirklichkeit bestimmt? Durch neue, aber ‘bessere’ Sachzwänge? Wäre ‘bewußt’ nicht gerade andersherum?
Oktober 31st, 2013 at 17:42
@54 Peinhart
Die technische Seite der derzeitigen Produktion wird noch einige Jährchen unsere Wirklichkeit bestimmen, die “Hinterlassenschaften” werden uns, ob wir wollen oder nicht, noch so einige Sachen aufzwingen (u.a. “Fuku”!!). Eine zukünftige Gesellschaft wird gezwungen sein, etliche Energien auf den Rückbau zentralistischer Großindustrien zu verwenden, der Aufbau dezentralisierter Produktion wird erstmal nur unter Verwendung dieser alten Dinosaurier möglich sein. Sonst stehen der Menschheit Jahre bis Jahrzehnte bevor, wo keiner gerne dabeigewesen sein möchte. Das ist hierzu jedenfalls meine Meinung.
Was ich wegen nicht materiellen Belohnungen meine, wäre auch z.B. in folgendem Szenario enthalten. Wenn ich mir vorstelle, es wären nur noch ca. 30 – 40 Stunden Arbeit nötig um mit einem Äquivalent von derzeit 1000 € entsprechenden Gütern versorgt zu sein, dann wäre das für mich persönlich ein wahnsinniger Luxus. Noch mehr Luxus wäre es dann noch, wenn es eine mir entsprechende Arbeit wäre, an der ich Freude haben kann. Diese Wünsche sind ja nichts irreales – derzeit aber die reinste Utopie.
Erleben werde ich so etwas wohl nicht mehr, aber dass ich in ein paar Jahren mit meiner Rente auf dem Stand eines Bettlers leben darf schon eher. Falls es dann noch Reste von einem “sozialen Netz” gibt.
cu
renée
Oktober 31st, 2013 at 20:26
55, renée
Zustimmung!
Zum letzten Absatz: Früher, vor Bismarck, sind die Menschen auch an ihrem Arbeitsplatz gestorben. Da wollen Politik und Wirtschaft wieder hin. Oder eher umgekehrt; Die Wirtschaft denkt und die Politik lenkt.
Oktober 31st, 2013 at 20:40
PS zu 55: ich meinte natürlich 30 – 40 Stunden Arbeit im Monat. Der Rest zu den ca. 170 Stunden, die heute bei Vollzeitarbeit geleistet werden, ist für die “Verwaltung” der kapitalistischen Bedingungen und den “Mehrwert” nötig.
Etwas OT, ich bin eben auf ein Video gestoßen, da auf durohr will ich es nicht verlinken:
“Zu Protokoll: Günter Gaus im Gespräch mit Rudi Dutschke”
Bei dieser Rede überfällt mich Trauer, dass dieser Mensch nicht mehr unter uns weilt. Ich denke, es sollten es sich einige hier mal anschauen, und zwar nicht nur diejenigen, für die Dutschke eine Gestalt aus grauer Vorzeit ist.
cu
renée
November 1st, 2013 at 08:58
@renée #55 – Auch von mir vollste Zustimmung, allerdings fasst du hier ‘technisch’ vielleicht etwas enger als ich es in meinem Post gemeint hatte. Ich meinte eher die Organisation von Produktion und Distribution über den Markt, also das, was auch Marx im ‘Kapital’ analysiert und kritisiert hat. Dem übergeordnet ist mE aber eine ‘praktische Vernunft’, eine ‘Rationalität’, die sich in erster Linie als materielle Maximierung von Zweck-Mittel-Relationen versteht. Erst da liegt dieses ‘Streben nach Größe’, nach Ausdehnung begründet, nicht schon in der kapitalistischen Organisation dieses Strebens. Die dürfte nur wieder die bislang ‘effektivste’ Art und Weise sein, wie dieses Streben sich realisiert. Und wohl auch bleiben. So dass man wirklich immer nur mit Negativvokabeln wie ‘Verzicht’ argumentieren könnte.
Was dann wohl hieße, an diese ‘Vernunft’ nicht nur nicht gut appellieren zu können, sondern sie vielmehr selbst in Frage zu stellen oder besser diesen ‘aufklärerischen Überschwang’ der Begeisterung für Quantifizierung (Naturwissenschaften) und Quantität (Reproduktion) in die Schranken zu weisen. Qualität (des Lebens) statt (materieller) Quantität, wie es sich ja auch in deiner ‘kleinen Utopie’ darstellt. Da kann man dann auch den ‘Gewinn’ betonen. Aber der Quantifizierungswahn steckt noch viel tiefer, vor allem aber, was die Wissenschaften angeht.
Tun wir das hingegen nicht, wird sich der Kapitalismus, sogar ein ‘Neofeudalismus’ oder was sich da gerade anbahnt durch Monopolisierung von Wissen und Ressourcen, in punkto ‘Effizienz’ kaum schlagen lassen – aber eben auch nicht in punkto ‘Unerfreulichkeit des Lebens’ für die allermeisten. Und da sehe ich durchaus schon, dass diese Art von ‘Vernunft’ dabei ist, den Bogen zu überspannen. Und nicht nur dort, das gnadenlose Trimmen auf Effizienz führt mittlerweile auch dazu, dass immer mehr Sicherungen und Redundanzen aus dem System entfernt werden (Stichwort Deregulation) – was es extrem anfällig und zunehmend ‘wackliger’ macht.
Der Video-Empfehlung möchte ich mich ebenfalls anschließen, auch Gaus war mE ein bemerkenswerter Mann. Kaum vorstellbar, dass so einer heute noch in politische Ämter geriete…
November 3rd, 2013 at 13:41
Das lässt mich nicht los hier. ;) Deshalb möchte ich mich dem Pferd noch einmal nähern, diesmal vielleicht eher mehr von unten. ‘Streben nach Größe’, Wachstum und Akkumulation sind Wesensmerkmale des Kapitalismus. Vielleicht muss man dafür aber gar nicht unbedingt die Evolution bzw das landläufige Verständnis derselben bemühen. Vielleicht ist die Parallele zwischen diesem Verständnis und unserer Ökonomie vielmehr auf ein gemeinsames Drittes zurückzuführen, namentlich auf unsere Obsession mit Zahlen, des haltlosen Quantifizierens von allem und jedem.
Mehr, größer, besser. Schneller, höher, weiter. Effizienter. Messen und Zählen durchdringt alle Lebensbereiche, und was sich nicht quantifizieren, messen oder zählen lässt, wird gerne auch mal ganz ausgeblendet bzw geniesst als ‘weiches’ Kriterium kein besonders hohes Ansehen, siehe auch die vermeintliche Überlegenheit der Naturwissenschaften über die des Geistes sowie das Bemühen letzterer, sich durch allerlei mathematische Modelle der Begriffswelt ersterer, den ‘harten’, sprich quantifizierbaren ‘Fakten’, anzunähern.
‘Die Zahl hat über das Wort gesiegt’ könnte vielleicht auch als Überschrift über der historischen Wende stehen, die uns Aufklärung und Kapitalismus beschert haben. Die christlich-feudale Welt war noch vorwiegend durch das Wort geprägt und bezog daraus ihre Legitimation, mit dem Aufkommen der modernen Naturwissenschaften hingegen begann der Aufstieg der Zahl. Der technische Erfolg in der Naturbeherrschung gab dem Ansatz recht, und die technologische Überlegenheit ‘des Westens’, vor allem auch im Bereich der Waffentechnik, begründete und begründet noch seine weltweite Ausdehnung und Herrschaft.
Ich mag keine monokausalen Ein-Punkt-Theorien, aber hier könnte zumindest ein starker Strang liegen, der sich durch unsere gesamte Kultur zieht. ‘Qualität statt Quantität’ wäre dann schon etwas mehr als nur ein billiger Slogan, den mittlerweile eh die meisten ohne viel Überlegung unterschreiben würden. Aber genau dass sie das tun würden, ließe hoffen. Das ‘Ende des Wachstums’ und die zunehmende Akzeptanz dieser These lässt grüßen.
Natürlich lässt sich nicht gut eine Strategie ‘die Zahl bekämpfen’ formulieren. Aber vielleicht hilft es bei der Beurteilung von ‘Trends’ und Tendenzen, diese auf ihre mögliche Einordnung in das Schema Qualität/Quantität zu überprüfen.
Zum Schluß (hoffentlich…) möchte ich noch den verehrten Herrn Professor Sinn rehabilitieren, denn dieser ist ein wahrer und würdiger Hohepriester des Quantitätswahns. Es geht ihm offenbar tatsächlich nur um Profit, um Akkumulation als Selbstzweck, Konsum bzw Bedürfnisbefriedigung ist für ihn allenfalls ein lästiger Umweg zu diesem Ziel, den er sich gern sparen würde. Er hätte es gern direkt, nur das Wachstum einer Zahlengröße, ohne jede lästige – Qualität.
Da ist kein Riß, jedenfalls nicht in seinem System…
November 3rd, 2013 at 15:07
@Peinhart(59): Wort vs Zahl? Quantität vs Qualität? Konkurrenz vs Kooperation!
November 3rd, 2013 at 16:58
Sicher, wir könnten auch kooperieren, um weiter sinnlos und selbstzweckhaft ‘materielle Werte’ anzuhäufen. ;)
Das soll ja eben nicht ‘alles erklären’ – wie eben auch Konkurrenz/Kooperation nicht alles erklärt – sondern nur ein Puzzleteilchen sein, um der Faszination dieses ‘Strebens nach Größe’, des ‘bigger better more’ auf die Spur zu kommen. Aber mal so gefragt – wie würdest du denn ‘spontan’ das Gegensatzpärchen Konkurrenz/Kooperation dem Pärchen Qualität/Quantität zuordnen? Womit ich weder eine unmittelbare, direkte Übereinstimmung implizieren will noch irgendeine Priorität des einen Pärchens über das andere. Trotzdem – wie würdest du sie zuordnen, wenn du das zB in irgendeinem albernen psychologisch-assoziativen ‘Feldversuch’ als Aufgabe bekämst…?
November 3rd, 2013 at 18:20
@61 Peinhart
Zwar ging die Frage nicht an mich, aber sowohl “spontan” als auch nach längerem Nachdenken würde ich die beiden Gegensatzpärchen einander kaum zuordnen können. Anders ausgedrückt würde ich sagen, dass Kooperation eine größere Chance hat, sich positiv auf beide Parameter auszuwirken.
Trotzdem bin ich ein “Zahlenfanatiker”.
cu
renée
November 3rd, 2013 at 19:35
Quantität, weil Menge zu Konkurrenz
Qualität, weil ‘Empfinden’ zu Kooperation
Btw. Wobei, gebe ich gern zu – Qualität unter Konkurrenz wäre auch nur Menge, weil Wert ‘an sich’.
Für einen Alien wie mich fängt ‘richtiger Wert’ da an, wo er immateriell ist, nichts mit Zahlen oder Geld zu tun hat/hätte.
(Mein Planet ist nur nicht mehr oder noch nicht da in dieser Welt ;-) )
November 3rd, 2013 at 22:51
Produktivität bestimmt die produzierte Menge in einer bestimmten Zeitperiode. Der Wert der produzierten Güter sinkt, damit auch der Preis, wenn auch nicht notwendigerweise.
Was nicht bedeutet , dass damit auch die Qualität der Produkte sich verringern muss. Menge und Qualität schliessen sich nicht gegenseitig aus.
Verlust an der Qualität ist ein bewusster betriebswirtschaftlicher Eingriff in die Produktion , um Preis und Lebensdauer eines Produktes weiter herabzusenken.
Kooperation ist das (jetzt das unbewusste) Zusammenwirken der Gesellschaft in der Produktion.
Der “Wert” als Begriff im bürgerlichen Sinne ist die Reduzierung des Menschen als Markteilnehmer, der den Preis der Ware nach seiner eigenen Wertschätzung bestimmen kann. Die Produktionssphäre wird hier bewusst ausgeschlossen.
Für ein Unternehmen ist der Wert einer Ware von keinerlei Interesse. Für dieses gibt es nur Vorrauskosten und einen Preis in dem der Gewinnaufschlag enthalten ist. Für den Konsumenten das Preisschild auf der Ware.
Und weil er den Marx nur dem Namen nach kennt, kann er anschliessend darüber fabulieren, was es mit dem Wert wohl so auf sich hat.
November 3rd, 2013 at 23:25
Nur daß der s.g. Unternehmer vom Wert lebt/ leben muß. Daß der erst auf dem Markt über den Preis ‘realisiert’ wird, seis (ihm) drum…
Och, den Marx meint er sogar so manches mal zu kennen und als mißlungene Bedienungsanleitung verstehen.
… was ihn wiederum von so manchem ‘Linken’ nicht unbedingt unterscheidet, odda so.
November 4th, 2013 at 12:22
@Peinhart(59): Ich hatte bereits beschlossen, mich mit psychologisierenden Inhalten zum Kapitalismus künftig zurückzuhalten, weil ich hier – was nicht wirklich überrascht – diese Diskussion nicht ans Laufen bringe. Werde mich an den Entschluss wohl auch weitgehend halten. Dennoch gefällt es mir, dass sich die eine oder andere Tür für neue Perspektiven öffnet.
Die Zahl ist m.E. die Repräsentation des Phänomens, wobei sie es nicht 1:1 abbildet. Beispiel: Wenn man auch gern mehr sein möchte als man ist, geht es beim Rang um die kleinen Zahlen; Nr.1 ist das Ziel. So lange es ums Geld geht, will jeder raus den kleinen Zahlen. Wie mickrig ist es, wenn einem 2 Euro für den Einkauf fehlen oder 1000 Euro, um das Konto auszugleichen. Hast du hingegen 10 Millionen Schulden, bist du einer, der sich das leisten kann.
Da es das Viele nur für wenige gibt – so wie generell die hohen Ränge in Hierarchien eben knapp sind, verhält es sich so auch mit den Ressourcen im Kapitalismus. Die Verquickung von sozialer Realität mit der Ökonomie führt am Ende beides ad absurdum: Die Verteilung/Allokation ist für’n Eimer und die sozialen Beziehungen sind kaputt. Das wiederum zeigt mir aber, dass es keine stringenten Forderungen der Subsysteme sind, die ins Fiasko führen, sondern eine Dynamik, die sich zumindest noch aus anderen Quellen speist. Ich komme hier in Gefilde, für die ein Blog nicht geeignet ist. Hatte schon bessere Ideen für Opener.
November 4th, 2013 at 14:22
Edith an flatter: hat sich überschnitten, sorry…
Ich danke den Probanden. :) Ich will aber nochmal versuchen klarzumachen, worauf ich damit ‘nur’ herauswill. Zufällig (verdammte Synchro…) gab es gestern abend diesen Film, der das vielleicht recht gut illustriert. Die Festlegung, dass eine Erhebung erst ab 1000 Fuß ‘Berg’ genannt werden darf, alles darunter nur ein ‘Hügel’ ist, ist natürlich vollkommen willkürlich, was man spätestens dann bemerkt, wenn man einfach nur eine andere Skala anlegt. 100 Fuß entsprechen 304 Meter und 80 Zentimeter, aber ’304,8′ oder ’127,64′ auf einer anderen ebenso denkbaren, ebenso willkürlichen Skala würde man für eine solche ‘bedeutsame’ Festlegung als reine Zahlenwerte nicht wählen.
Das heißt, das dem reinen Zahlenwert als solchem eine Bedeutung ‘zugemessen’ (sic) wird, die ‘real’ vollkommen bedeutungslos und willkürlich ist. Ähnlich verhält es sich mit anderen ‘magischen Marken’ wie zB der 9000er-Grenze beim Dax. Der Übergang von 8999 zu 9000 oder 9001 unterscheidet sich in nichts von denen zwischen 8743 zu 8744 oder 8745, wird aber, wieder nur durch den reinen Zahlenwert, mit einer Bedeutung aufgeladen als handle es sich dabei tatsächlich um etwas so ‘reales’ wie die Schallmauer, wo das ‘vorher’ und das ‘nachher’ auch tatsächlich einen qualitativen Unterschied ausmacht.
Aber nicht nur, was allerlei ‘runde’ Zahlen angeht, unsere Kultur scheint auch ein ausgeprägtes Faible für höhere Werte an sich zu haben, nach der Regel höher gleich besser. Ausnahmen bestätigen die Regel, beim 100-Meter-Lauf zB geht es zwar um den niedrigeren Wert, aber auch der drückt eine (Leistungs-) Steigerung aus.
Da scheint doch ein regelrechter ‘Zahlenfetischismus’ vorzuliegen. Es werden einerseits qualitative Unterschiede in rein quantitative hineinprojeziert, andererseits bleiben qualitative Unterschiede unberücksichtig allein deshalb, weil man sie nicht quantifizieren kann. Die aktuellen Bestrebungen zB, dem BIP als ‘Wohlstandindikator’ (was schon zweifelhaft genug ist) noch eine Art ‘Glücksbarometer’ zur Seite zu stellen (dh auch ‘Glück’ messen und quantifizieren zu wollen), stellen unbeholfene und eigentlich nur noch lächerliche Versuche dar, das dann doch noch alles unter den einen Hut zu kriegen. Das Guiness-Buch kann man gar als eine Art ‘Heiliger Schrift’ solchen lächerlichen Wahns betrachten.
Und dieser Quantifizierungswahn, der sich mE den Naturwissenschaften und der (mE auch höchst zweifelhaften) ‘Entdeckung’, auch das ‘Buch der Natur’ sei ‘in Mathematik geschrieben’ verdankt, paart sich nun sozusagen mit einer Ökonomie, die ebenfalls alles ‘beziffern’ muss.
Diese Kultur ist – neben vielem anderen versteht sich – offenbar ‘zahlenverliebt’, das scheint mir ein durchaus bedeutsamer Bestandteil der ‘Brille’ zu sein, durch die der Mensch die Natur und damit auch sich selbst (siehe zB ‘quantified self’ etc) und seine Werke, seine Produktion betrachtet. Ein selbstzweckhaftes ‘Streben nach Größe’ und Wachstum, weitestgehend ohne Reflektion, was das qualitativ eigentlich bedeuten soll, scheint mir da einfach in’s Bild zu passen.
Erstmal nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ihr könnt mich jetzt einweisen lassen. ;)
November 4th, 2013 at 14:41
Ich komme hier in Gefilde, für die ein Blog nicht geeignet ist.
Das ist sicher richtig. Ich finde es trotzdem interessant, einfach mal Steinchen in’s Wasser zu werfen auch ohne unbedingt mitzubekommen, was die Wellen an welchem Ufer auch immer so anrichten. Dein Steinchen hier hat mich da ja auch auf einen Pfad gespült, der erstmal nicht uninteressant aussieht, sich am Ende vielleicht aber auch als Sackgasse erweisen kann. Bis dahin hat man dann aber auch schon wieder einige neue Abzweigungen entdeckt usw… Unter anderem bin ich da, auch durch den von Rainer verlinkten Zelik-Vortrag, eben auch wieder an diesem Totempfahl vorbeigekommen, der mit Natur/Kultur überschrieben ist. Und auch den Übergang Feudalismus zu Kapitalismus nochmal genauer, und ebenfalls durch die ‘Kultur-Brille’ zu betrachten (via Zelik -> Harvey) scheint ein vielversprechender Ansatz.
Ich danke dir jedenfalls für diesen Opener und die Verwirrung, die er in mir ausgelöst hat. :p
November 4th, 2013 at 15:19
@Peinhart: Ich behaupte, dass die Zahlen in deinen Beispielen einfach eine Astraktionsebene darstellen, um innerhalb eines eng umgrenzten Themenbereichs Vergleiche anstellen zu können. Das ist es nämlich, was unser Gehirn am allerallerbesten kann: Differenzen erkennen. Es erscheint mir nur logisch, dass diese Eigenschaft, die uns vor Gefahren schützen helfen soll, ihre Fortsetzung im Makrokosmos findet.
Unsere Wahrnehmung ähnelt einem PID-Regler mit hohem K(D)-Wert, sage ich mal in erster Näherung. ;-)
November 4th, 2013 at 16:38
@Peinhart (67): Was du da beschreibst, ist exakt Repräsentation. Da dürfen Quantität und Qualität fröhlich ineinander umschlagen, und der Signifikand/das Symbolische gerät wieder zum Inhalt. Das dürfte u.a. eine Funktionsweise sein, die Aufklärung/Wissenschaft wieder in Mytholgie transformiert (s. “Dialektik der Aufklärung”): Es werden Parameter festgelegt, um Arbeitsbereiche zu definieren, und ihnen dann Bedeutung zugeordnet. Der Experte wird in diesem Spiel zum Priester, der festlegt und deutet; die Zahl als Symbol der Objektivität tritt an die Stelle der Heiligen Schrift, dabei ist das Ganze nichts als Verdinglichung. Ja, auch und gerade wieder Folge der Arbeitsbedingungen. Aber wer fragt schon deviante Geisteswissenschaftler, doppelt Stigmatisierte …
November 4th, 2013 at 18:35
@Rainer – Sicher. Ich will ja auch keinen Feldzug gegen jegliche Quantifizierung antreten, dafür sind mir allein schon die ‘Errungenschaften’ dieses Ansatzes zu lieb. Der Punkt war mehr, dass man ein Prinzip auch übertreiben, überdehnen kann. Aber wenn wir schon bei der Wahrnehmung sind halte ich mal bisschen dagegen: was unser Hirn am allerallerliebsten macht, ist wahrgenommenen Differenzen auch Bedeutungen zuschreiben.
Jeder hat bestimmt schon mal im Halbdunkel durch die Differenzen zur ansonsten be- bzw erkannten Umgebung eine Silhouette wahrgenommen, der man aber keine Bedeutung zuordnen kann. Das macht einen für gewöhnlich so wuschig, dass man irgendwann das Licht anmacht und – ach, nur ein Handschuh. Oder was auch immer. Erst dann hat der olle Graukasten Ruhe.
Nehmen wir nochmal das Dax-Beispiel: es ist zunächst vollkommen albern und willkürlich, irgendeine Tausender-Grenze als ‘magisch’ zu halluzinieren. Aber dadurch, dass das gemacht wird, und diese zugeschriebene ‘Bedeutung’ wiederum entsprechende Reaktionen (ängstliche, euphorische etc) hervorruft, wird sie dann tatsächlich auch zu einer ‘realen’ magischen Grenze. Durch die Zuschreibung einer Bedeutung entsteht erst das Bedeutete. Das ist eigentlich überhaupt gar nichts besonderes, und mit Worten und Begriffen kann man das mindestens genauso gut.
Aber unsere Kultur scheint von Zahlen derart ‘besessen’, dass sie sich gerade daraus einen ganzen Bedeutungskosmos zu erschaffen scheint, der gar keine Wahrnehmung mehr abbildet, sondern ein selbstzweckhaftes Eigenleben beginnt, das nicht mehr ‘geerdet’ ist. Die Teilchenphysik (wo die Mathematik ‘Postulate an die Wirklichkeit’ stellt) scheint mir ebenso ein Beispiel dafür zu sein wie eben auch unsere Ökonomie.
Wir bemühen uns krampfhaft, Recheneinheiten der Realabstraktion(!) ‘Wert’ so anzuordnen und zu verschieben, dass Dinge möglich werden, die auf der eigentlich ja nur abgebildeten ‘real-stofflichen’ Ebene längst überhaupt kein Problem mehr darstellen. Hier schlägt das, was als Werkzeug zur Problemlösung gedacht war, um und gerät zum vermeintlich ‘eigentlichen’ Problem. Natürlich sind Zahlen und Quantifizierung keinesfalls das Hauptproblem dieser Angelegenheit, vielleicht spielen sie auch gar keine Rolle. Aber eigentlich und wie gesagt ging es mir ja zunächst auch wirklich nur um einen möglichen Aspekt des Faszinosums Waxtum…
November 4th, 2013 at 18:40
@flatter – Schon wieder überschnitten, Mist. Hätte ich mir vielleicht einiges paren können. Das kommt daher, dass ich heute großenteils offline schreiben muss, da der Anschluß oder Router oder was auch immer spinnt.
Was mich aber momentan umtreibt, ist die Frage, ob Zahlen/Quantitäten dabei eine ‘Sonderrolle’ spielen oder auch nur ‘Begriffe’ sind.
November 4th, 2013 at 19:28
Oder, spezieller, ob unsere naturwissenschaftliche Faszination für Zahlen und Quantitäten eventuell auch einen Anteil daran hat, dass sich das vermeintlich ‘objektive’ Zahlengebilde Ökonomie derart über alle als ‘amorph’, unexakt und subjektiv empfundenen ‘kulturellen Werte’ legen konnte.
November 4th, 2013 at 19:45
Oh, ich denke, das spielt durchaus eine Rolle, vielleicht ist der “Positivismus”, den Adorno und Horkheimer kritisieren, ein ‘epistem’ im Foucaultschen Sinne. Mir fehlt überhaupt eine Diskursanalyse des Kapitalismus’, und zwar schmerzlich. Gibt es nicht irgendwo schräge Historiker, die da was am laufen haben?
November 4th, 2013 at 19:48
Ich hatte immer gedacht, der Kapitalismus wäre naturgegeben. Den braucht man nicht zu hinterfragen. Kapitalismus bedeutet Freiheit. *duck*
November 4th, 2013 at 19:58
@Peinhart(73): Oder ob es vielleicht umgekehrt ist, daß alles in Wert und Geld bemessen wollen und ja eigentlich auch irgendwie müssen, diese ‘Parallelen’ dann auch in jedem, außer für uns paar manchmal anders Tickende, nur in Zahlen eine ebensolche ‘Wichtigkeit’ haben…
Das klang zwar schon viel weiter oben an, scheint mir aber wichtig hier weiter unten noch mal an Deine #73 hängen zu ‘müssen’:
Klar gabs und gibt es wohl in allen Kulturen immer Zahlen und Zahlenspiele für die unterschiedlichsten ‘Mysterien’, die dann, wie die 66 auch mal ‘alles’ überlappen können.
Trotzdem, hier scheint es mir umgekehrt, weil der Kapitalismus alles in Zählbares bringen ‘will’, hängen wir an Zahlen – durch unsere Liebe zu den Zahlen ist mE aber nicht der Kapitalismus entstanden.
Die ‘Liebe’ verwerten zu müssen(!) und verwertbares zu haben oder nicht zu haben, bringt diesen ‘Zahlenmurchs’
Erinnert sei an homo oeconomicus. (Welcher Mensch verhält sich tatsächlich immer so)
November 4th, 2013 at 20:06
@Wat.: An den homo oeconomicus dachte ich auch. Alle Modelle bedienen sich der Vereinfachung, aber manche beginnen mit einer Legende. Bestimmte Fragen gelten als Blasphemie. Bevor einige Ideen in die Welt traten, herrschte das schiere Nichts. Da könnten sogar noch Mammuts gelebt haben.
November 4th, 2013 at 21:20
@ flatter
Ich weiß nicht mehr, ob ich hier schon mal darauf hingewiesen habe, also sorry, wenn der hinweis hier noch einmal erfolgt:
Für hinreichend schräg halte ich Philip Mirowski, selbst wenn Schirrmacher den “lobt”. Während meines studiums habe ich 1986 The Birth of the Business Cycle gelesen – hat mich “begeistert” (überaus anregende lektüre). Danach habe ich noch einen aufsatz von ihm gelesen, den ich als einstieg empfehlen kann (ist wohl die einzige ins deutsche übersetzte veröffentlichung): Prokla 88 Die Bedeutung eines Dollar, S.388-412 (online greifbar) und kürzlich lief er mir wieder in einem FAZ-interview über den weg:
https://bit.ly/12QxZth
Dazu auch:
https://bit.ly/HwIYVf
Zu den neueren büchern von Mirowski kann ich leider nichts sagen, sollte ich doch noch mal lesen von wegen anregende lektüre, denkanstöße usw.
November 4th, 2013 at 21:47
Danke nochmal.
Das Interview macht mich stutzen. Wenn er sagt:
“Die Linke kann da nicht mithalten. Sie verfügt über keine vergleichbare ökonomische Theorie, auf die sich ein politisches Langzeitprogramm stützen könnte“, so bedeutet das, dass es für ihn keine relevante auf Marx rekurrierende Linke gibt. Ist das so? Wäre verdammt traurig.
Wenn er sagt: “Was, wenn wir mit der Fetischisierung des Staats aufhören?“, kennt er emanzipatorische Ansätze entweder nicht oder hält sie ebenfalls für irrelevant. Das wäre noch trauriger, denn hier entsteht genau die Diskussion, die er einfordert.
November 5th, 2013 at 20:43
@flatter: Die gibt es auch nach meiner Einschätzung nicht, jedenfalls weder die Linke(n) noch die Die LINKE.
Sie rekurrieren auf Lenin. (Du übrigens auch, sorry) – und sind trotzdem oder gerade deshalb irrelevant.
Das muß man nicht wissen, das mit “auf Lenin rekurrieren”, allein ‘inhaltlich’ reicht da völlig.^^
… und der gute Mann (Lenin) hat nun (noch mal sorry) wirklich nicht viel mehr mit Marx gemein, als dort ein paar Textzeilen kopiert und in seinen russischen Kontext ‘vergewaltigt’ zu haben. Ob die Textzeilen dann noch paßten, war insofern egal, als er sie passend machte.
(Die ‘Aktion’ Marx / Bakunin ist ja recht bekannt, ich hab mich schon oft gefragt, wie er sich dann erst mit L. gezofft hätte)
(Das er im Interview wieder was anderes meinte, geschenkt)
Nein, auf Marx rekurriert keine Linke, von der ich weiß. Geben kann es sie ja – soll sich mal bei mir melden – oder sagen, wo sie ist – geh ich mal gucken ;-)
PS Emanzipatorische Ansätze ‘nach Marx’ wären nicht nur von der Fetischisierung des Staates weg, sie wäre auch weg davon, daß Staat irgendwas hilfreiches in und für und bei Sachen “Emanzipation” zu suchen hätte.
Von Staat abschaffen spricht er noch weniger als ich. Der ist nicht abschaffbar, er organisiert aber eben auch nicht das darunter.
Ok, hab den Kerl zu oft gelesen…
November 5th, 2013 at 20:56
Sorry, wenn ich deutlich werde, aber dass ich “auf Lenin rekurriere”, ist komplett lächerlich.
November 5th, 2013 at 21:24
@flatter: War auch sehr sehr zugespitzt, ‘gesorried’ hatte ich darum gleich dafür. Aber bisher wolltest Du immer Überbau das machen lassen, was wir untereinander (noch) nicht fertig bringen – und das ist Lenin.
Ob das dann Frankfurter sind oder einzelne eigene Gedanken, leider so was wie eher unerheblich…
November 5th, 2013 at 21:33
Das ist so Lenin wie Rasierschaum Schlagsahne ist. Eine Avantgarde-Strategie zu entwerfen und sie in die gewaltsame Tat umzusetzen ist weit mehr als “Überbau”. Theorien zu entwickeln, die berücksichtigen, dass “Überbau” psychologisch äußerst relevant ist, um nicht naiv in die Falle zu tappen, ist ebenfalls weit mehr als “Überbau”, und zwar in eine ganz andere Richtung. Obendrein ist das eine Perspektive von mehreren, die ich hier einnehme, um Möglichkeiten und Unmöglichkeiten zu durchleuchten. Mich auf Lenin zu verkürzen, ist in meinem Gehörgang daher mehr als eine Zuspitzung, es hat das Zeug, mich zu beleidigen.
Dein Irrtum in diesem Zusammenhang besteht darin, dass ich “Überbau machen lassen” will. Da verstehst du mich – wie schon bei Gelegenheit verdeutlicht – miss. Ich will gerade Überbau nicht machen lassen, nämlich kaputt, was ein naives Verkürzen auf “Praxis” aufzubauen imstande wäre. Ich halte Überbau für relevant, das ist alles. Wenn das schon Lenin ist, sind meine Frau und ich halt Lenin.
November 5th, 2013 at 21:42
Ich will Dich nicht beleidigen, aber nun beleidige Dich bitte nicht selbst @flatter
Wer den Überbau so organisieren will, daß er Menschen nicht das machen lassen will/soll, was diese in ihrer übergroßen Mehrheit wollen – was macht der anderes als die Avantgarde-Karte zu ziehen.
… ob die nun ne Fahne, nen Lehrstuhl oder meinetwegen ein Rechtsexamen hat, scheint mir so lange das gleiche, bis Du mir bitte den Unterschied erklärst, daß ich ihn als solchen erkennen kann.
Edit: Verkürzung auf Praxis – ich verstehe darunter das Tun der Menschen, das Morgen ein anderes sein kann als Heute, weil sie es so wollen – warum Verhindern – egal in welche Richtung – sie wollen das doch.
Ich raffe es nicht.
November 5th, 2013 at 22:01
“Wer den Überbau so organisieren will, daß er Menschen nicht das machen lassen will/soll, was diese in ihrer übergroßen Mehrheit wollen” – von wem redest du da? Vom Lenin auf meiner Schulter? Von mir ja wohl hoffentlich nicht …
Das Problem liegt schon in deinem Begriff von “wollen”. Wie stelle ich denn fest, was die Menschen wollen? Wo äußern sie das? Wer stellt das fest? Oder wollen sie demnach stets das, was ist? Dann erübrigte sich ja jede Diskussion.
Es ist aber doch faktisch so, dass wenige – derzeit die Machtelite – wachsam dafür sorgen, dass bestimmte Formen von Wollen nicht zur Entfaltung kommen. Dazu nutzen sie selten blanke Gewalt, aber in der Regel andere Herrschaftstechniken. Diese sehr wirksamen Techniken stehen jedem zur Verfügung, der asozial genug ist, sie anzuwenden, genauso wie Gewalt.
Wenn ich also versuche, auch nur Projekte an den Start zu bringen, die grundlegend anders sind – so wie sich viele sehr bewusst orientierte Menschen das wünschen – dann muss ich damit rechnen, dass sowohl Gewalt als auch Korruption sich gegen diese Wünsche, dieses Wollen, richten. Das löst sich nicht in nichts auf, bloß weil einige, viele oder sogar die Mehrheit das will. Die Mehrheit, nicht eine Avantgarde, muss sich gegen eine Minderheit zur Wehr setzen. Nicht nur gegen deren direkte brutale Gewalt, sondern auch gegen deren Korruptionstechniken. Es sollte sich wenigstens eine Minderheit Gedanken machen, wie es möglich ist, gegen die Macht und ihre Techniken so zu operieren, dass eine Mehrheit sich überhaupt verdeutlichen kann, was sie will. Die Menschen werden gezwungen, verführt und sediert. Wenn das, was sie unter diesen Umständen tun, für dich mit ihrem sankrosankten Wollen gleichzusetzen ist, haben wir da erhebliche Differenzen.
November 5th, 2013 at 22:06
Haben wir, macht aber nix.
November 10th, 2013 at 18:26
Solange der Hausherr diese Rumpelkammer hier nicht endlich abschliesst… ;)
Vielleicht ist diese positive Besetzung von Größe und Ausdehnung auch nur der immer noch anhaltende Nachhall der praktischen Vernunft, als sie, noch jung und euphorisch, den ganzen von Gott verlassenen bzw ihm entrissenen Raum ausfüllen und alle Dinge sich neu und endlich mündig aneignen(!), alles ergreifen, alles besitzen wollte. Die Sache mit den Zahlen wäre dann nur eine Folge dieses Drangs, auch wenn sie tatsächlich ein Eigenleben entwickelt haben und ihre ursprüngliche Verbindung nur noch unbewusst nachklingt.
Nebenbei gefragt – warum eigentlich gingen von europäischem Boden in vergleichweise kurzer Zeit gleich zwei derartig aggressive missionarische und ‘weltergreifende’ Bewegungen wie das Christentum und die Aufklärung (mit dem Kapitalismus im Schlepptau) aus?
Eine weitere Gemeinsamkeit: beide haben, so gut oder schlecht es geht, versucht mit den jeweiligen ‘Vorgängern’ tabula rasa zu machen. Grundsätzlich geht das eher schlecht, man schleppt die Dinge trotzdem mit, nur halt leider unbewußt. Der Gottesbegriff mitsamt seiner ‘Allmacht’ scheint fortzuleben in der Hybris der Vernunft, auf alles und jedes angewendet werden zu können und zu sollen.
Wenn es aber nicht zuletzt die Vernunft selbst war, die uns in diese Sch…ße hier geritten hat, was machen wir dann mit ihr? Ist sie vielleicht wirklich nur noch nicht ausreichend auf alles angewendet, sollten wir sie nach der äußeren und der inneren Natur des Menschen doch noch stärker auf die Gesellschaft und ihre Organisation einwirken lassen? Oder sollte man sie im Gegenteil strikt beschränken auf das, was sie am besten kann – Funktionsweisen erklären und geeignete Mittel zu einem allerdings äußerlichen Zweck finden? Denn das wurde hier ja auch schon angesprochen – Zweck-Mittel-Relationen sind ihre Stärke, aber kann sie auch die Zwecke selbst bestimmen? Ich denke nein, und das könnte auch eine Erklärung dafür sein, warum ein rein vernunftbasiertes ‘System’ immer zum Selbstzweck zu tendieren scheint.
Der Utilitarismus, mE immer noch die vorherrschende Denkungsart, macht es sich vergleichweise einfach. Das Glück, größtmöglichstes der größtmöglichen Zahl oder, etwas anspruchsvoller, gar das aller Menschen, sollte das mehr oder minder unhinterfragte Ziel sein. Was aber ist das Glück? Aus damaliger Perspektive offenbar vor allem die Mehrung materiellen Wohlstands durch Ausbau der Naturbeherrschung. Das konnte der Kapitalismus zweifelsohne. Aber was wollen wir jetzt? Das gleiche, nur auf eine etwas nettere Art und Weise, Menschen und Natur nicht ganz so ausbeutend? Die bisherigen ‘Sozialismen’ gingen irgendwie in diese Richtung – und wurden bislang immer wieder vom Kapitalismus darin geschlagen.
Kurz und gut, vielleicht brauchen wir erstmal eine neue Zielbestimmung, bevor wir überhaupt anfangen können, davon zu ‘erzählen’. Die Ziele verstehen sich eben nicht von selbst, auch wenn wir ‘Linken’ davon immer irgendwie auszugehen scheinen – womöglich nicht der letzte Grund für die sprichwörtliche Zerstrittenheit.
Vielleicht nicht mehr als ein einfacher Satz von abstrakten Prinzipien, auf die man sich einigen kann bzw auch mit einer Mehrheit könnte, Postulaten, die daraus folgen sowie Aufzeigen der Unmöglichkeit, dies noch ‘im Alten’ erreichen zu können. Vielleicht sind auch die alten Ideale, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit noch mal einen Blick wert, vielleicht sind sie nur vom Selbstzweck der ‘schönen Maschine’ überrannt worden und aus deren Klauen durchaus noch zu befreien. Vielleicht ist bewußtes Anknüpfen auch besser als ein neuer Anlauf tabula rasa.
Die Vernunft kann uns unterstützen, beim inneren Zusammenhang der Prinzipien, bei der Kritik und später bei der Wahl der Mittel. Aber wir müssen wissen, was wir wollen, und zwar bevor wir uns in Details verrennen, wie das organisiert werden kann – sonst droht womöglich nur eine neue vernunftbasierte Selbstzweckmaschine. Zur Erinnerung: die ‘politische Ökonomie’ entstand ursprünglich auch mal aus der Moralphilosophie.
Wir zermartern uns immer den Kopf, wie wir es erreichen können – aber vielleicht wissen wir auch einfach noch nicht wirklich, was ‘es’ überhaupt sein soll. Nur so ein Gedanke, sorry…
November 10th, 2013 at 18:46
“vielleicht brauchen wir erstmal eine neue Zielbestimmung” -
Neu muss sie nicht sein; was mich an der kapitalistischen Verwertung fasziniert, ist dass sie sich als Ziel/Selbstzweck verleugnet, inzwischen aber auch keine anderen Ziele mehr vorgibt. Die “Krise” ist eine ohne Ende, wie schon oft betont.
Negativziele als solche werden sehr häufig abgelehnt, dabei kann man sie oft präziser formulieren. “Gleichheit” als Positives ist eine Hure. Wenn ich dem mein Motto entgegenstelle: “Keine Herren, keine Sklaven”, ist das schon deutlicher. (Das kann nur noch Herr Beckenbauer missverstehen.) Das wäre übrigens ein universales Prinzip, wie es der Vernunft innewohnt. Vernunft kann helfen, Ziele zu setzen, solange sie diese nicht mit der absoluten Forderung nach durchsetzung behaftet, sonst wird die Veransteltung absurd: Man kann zu Zwanglosigkeit nicht zwingen.
Nun ist da noch die Frage, wie ein Ziel sich manifestiert, da sind wir wieder bei der Manipulation der Massen: Wer sagt denn z.B., dass sich die Mehrheit nicht dem o.g. Motto freudig anschlösse. Aber wie setzt wer das auf die Agenda?
November 10th, 2013 at 21:45
Das Handeln bestimmt das Denken…
… nee, sucht (wenn ihr wollt) selber, was ich da schon gepinselt habe ;-)
Ja, Zwanglosigkeit läßt sich nicht erzwingen. Freiheit läßt sich mit Zwang nicht (auch nicht resp. de jure) durchsetzen.
Aus Subjekten keine Objekte machen die leben, höchstens (vorübergehend) Schafe oder graue Masse, die aber ruckzuck bunt wird, wenn das ‘Futter’ ausgeht.
Es wird versucht zu manipulieren aus allen Rohren, aber die wirklich essentiellen und existenziellen ‘Ansprüche’ sind nicht manipulierbar.
‘Du’ kannst vielleicht die Wut wegen des Hungers auf Personen oder andere Personen lenken, aber den Hunger selbst manipulieren, nie und nimmer – unbestechlich.
‘Du’ kannst “Keine Herren, keine Sklaven” postulieren, aber ohne den ‘Unterboden’, daß das tatsächlich geht und satt macht, mE no go.
Ich bringe ja schon des öfteren den Dieb und die kostenlose Entnahme aus dem Laden, um wenigstens versuchen aufzuzeigen, daß die Medaille mindestens zwei (eigentlich sogar drei) Flächen hat…
… wie kommt das kostenlos in den Laden.
Da muß mE der Ansatz sein – mit nem guten Vortrag oder einer Erzählung als Aneinanderreihung von Wörtern nicht zu wuppen.
Wer setzt das auf die Agenda?
Ausschließlich die, die dieses Ziel umsetzen können und diese machen es (erst), wenn sie meinen, es zu müssen und zu können, erst dann wollen sie es auch ;-)
Psssssst, die Lohnabhängigen, die Arbeitenden, die Arbeit-wollenden.
(Nein @Peinhart, nicht die Lohn-Arbeit-wollenden, die Arbeit-wollenden)
November 10th, 2013 at 21:52
“Die wirklich essentiellen und existenziellen ‘Ansprüche’ sind nicht manipulierbar.”
“‘Du’ kannst vielleicht die Wut wegen des Hungers auf Personen oder andere Personen lenken”
Genau, und mehr braucht es nicht, um Herrschaft auszuüben. Das ist das Problem.
November 10th, 2013 at 21:56
Der Krug geht aber nur so lange zum Brunnen, bis er bricht…
Du kannst darauf keine ‘ewige’ Herrschaft begründen, das haben sich schon die Sklavenhalter ohne Erfolg gewünscht.
November 10th, 2013 at 22:06
Wenn du “ewig” als “immer wieder” definierst, bin ich da weniger optimistisch.
November 10th, 2013 at 22:28
Es waren aber immer wieder andere, nein, nicht Personen, Klassen, die dann herrschten.
Gemein war/ist ihnen ‘nur’: Herrschen.
… und auch das immer irgendwie ‘anders’, weil das alte von den alten so nicht mehr ‘ging’, nicht mehr akzeptiert wurde.
Nicht mehr akzeptiert werden konnte, weil sich die materiellen Bedingungen geändert hatten (die Reproduktionsbedingungen)
Diese machten bisher immer wieder auch Herrschaft über die arbeitenden Menschen notwendig!
Ohne diese Herrschaft kriegten sie sich nämlich bei immer stärkerer Arbeitsteilung nicht koordiniert, um die Früchte ihrer Arbeit auch der Gesellschaft ‘zur Verfügung’ stellen und selbst daran teilhaben zu können.
Ohne auch nur einen ‘Rückfluß’ in die Gesellschaft und vor allem zu denen, die mach(t)en, läuft der Laden nämlich nicht…
Es gibt mE keinen historischen Determinismus.
Wenn wir nicht Herrschaft ablehnen, nicht ablehnen, daß wir in erster Linie zugunsten anderer (den wenigen, außer uns) machen, kommen wir nicht auf die Idee, es ohne sie zu wollen und nach Wegen zur Umsetzung zu suchen.
Mein Ziel: Verhältnisse, in der der Mensch kein erniedrigtes, kein geknechtetes, kein verlassenes, kein verächtliches Wesen ist.
… und meine Logik ‘befiehlt mir’, dieses Ziel nur mit frei(willig)en Mitteln erreichen zu können.
November 11th, 2013 at 11:53
@Wat. – Mein Ziel: Verhältnisse, in der der Mensch kein erniedrigtes, kein geknechtetes, kein verlassenes, kein verächtliches Wesen ist.
Das ist ein ziemlich hoher Anspruch. Wie bist du drauf gekommen – durch physischen Hunger oder doch auch mit nem guten Vortrag oder einer Erzählung als Aneinanderreihung von Wörtern? Was hat denn dieses Bedürfnis(!), kein geknechtetes Wesen mehr sein zu wollen, in dir geweckt? Es ist doch vermutlich kein Zufall, dass das ein Zitat ist, eine ‘Aneinanderreihung von Wörtern’ aus einem schriftlichen ‘Vortrag’…?
Das mit dem Hunger allein ist als ‘Antrieb’ dagegen schon weit früher erschöpft – wenn sie alle wieder ‘Futter haben’, Herrschaft und sonstige Verhältnisse hin oder her.
‘Arbeit’ ist für mich im übrigen auch nicht einfach nur ein Synonym für Lohnarbeit, ‘Arbeit’ steht für mich für eine entfremdete und fremdbestimmte Tätigkeit. Und das heisst für mich auch, dass niemand wirklich ‘Arbeit will’ – er nimmt sie höchstens in Kauf, aus ‘Einsicht in die Notwendigkeit’ oder so… ;)
Allerdings ist es so, dass selbst diese ‘Arbeit’ noch elementare menschliche Bedürfnisse(!) erfüllt, wie zB das nach sozialer Anerkennung, ‘gebraucht zu werden’. Das aber auch nur aus Mangel an Alternativen – eine sozial anerkannte Tätigkeit muss deshalb noch lange keine ‘Arbeit’ sein. Umgekehrt mag es sogar in dieser Gesellschaft hier und jetzt entlohnte Tätigkeiten geben, die nicht unter diesen Begriff von ‘Arbeit’ fallen.
These: wenn man ‘menschliche Bedürfnisse’ als vorwiegend materielle denkt, kommt man vielleicht immer irgendwie zumindest in der Nähe von ‘Arbeit’ raus. Und immer auch bei einer Art von ‘Warensammlung’, selbst dann, wenn diese keinen ‘Wert’ mehr haben sollte. Auf jeden Fall und wie gesagt sollte der Begriff ‘menschliche Bedürfnisse’ mal genauer untersucht werden. Die sind mE keinesfalls so selbstverständlich wie selbst Marx sie im allgemeinen ansetzt. Ich sehe da, und nicht nur in ihrer weitgehenden Unbestimmtheit, doch eine fatale Nähe zum ‘Glücksbegriff’ des Utilitarismus.
November 11th, 2013 at 18:06
Was meinen Hunger danach genährt hat?
Ein System, das mir von Morgens bis Abends erzählt hat, daß es der Weg zur Freiheit ist, das aber die meisten anderen nicht wollten…
@Peinhart, ich komme aus einer anderen Welt, uns sind die Marx-Zitate schon im ‘Kindergarten’ entgegen geflogen.
Denkst Du tatsächlich, was ich hier so (auch als) Erfahrungen aufpinsel, hab ich mir nur so ausgedacht, um ‘Euch’ immer nur einfach widersprechen zu können
:-(
Nee, daß Kapitalisten Ausbeuter sind, wußte vom Text her jedes Schulkind…^^
Arbeit kannst Du ruhig nicht wollen, als nur als Einsicht hinnehmen – es ist trotzdem die erste Einsicht, die ‘Du’ haben mußt, willste nicht krepieren.
Nein, über Arbeit mag ich nicht schon wieder mit Dir diskutieren, da drehst Du mir nur im bester (sorry) GSP-Manier die Wörter im Mund rum.
Arbeit wird auf absehbare Zeit kein Spiel und auch in dem wird immer eine Notwendigkeit bleiben (müssen).
Guck Du Dir weiter Bedürfnisse an, ich guck mir an, wie wir die ‘gebacken’ kriegen… dann relativieren die sich ‘von selber’
Wenn ‘Du’ nämlich statt arbeiten nur spielen willst, kannste die gleich ‘begraben’
Bedürfnisse sind materieller Art, jedenfalls die meisten – Luft essen, macht nicht satt.