roots

Im vorangegangenen Artikel und den dortigen Kommentaren habe ich versucht zu skizzieren, wie der Kapitalismus das ‘Streben nach Größe’ auf jeder Ebene fördert, ausnutzt und abbildet. Dabei sind Aneignung, Verfügungsgewalt und Ansehen/Anerkennung durch Erwerb (von Geld) Phänomene, die vor diesem Hintergrund betrachtet (!) demselben Antrieb folgen.

Geld, die Essenz dessen, was da nie genug werden kann, von dem es nie zu viel gibt, ist obendrein unmittelbare Verstärkung, “Lohn” im doppelten Sinne, als Entgelt und einen Konsum, der schneller Bedürfnisbefriedigung dient. Dennoch ist dieser sowohl dem Protestantismus zuwider als auch dem Neoliberalismus, dessen Prophet Hans-Werner Sinn Konsum sogar als grundsätzlich “schädlich” betrachtet. Lieber verzichten sie wohl auf die stabilisierende Wirkung des Lohns als auf den Selbstzweck des Profits. Hier ist ein Riss im System.

Was die These der Tendenz zur Größe ebenfalls stützt, ist dass gerade Reichtum offenbar nie obszön genug sein kann, um nicht nach noch mehr zu streben. Das ist völlig widersinnig, aber die Profiteure sind durchgängig der Auffassung, ihr Kapital müsse sich immer weiter vermehren. Dem entgegen stünde eine Vernunft, die ich als zwecklos, weil eben unattraktiv betrachte. Sie würde jede Form von Wachstum begrenzen, zumal die zerstörerischen, und müsste demnach schon im Keim ansetzen.

Es dürfte von vornherein nicht auf schiere Größe und Wachstum als Selbstzweck gesetzt werden. Der Wagen dürfte nicht erst gebremst werden kurz bevor er aus der Kurve fliegt, sondern nie unkontrolliert Fahrt aufnehmen. Tatsächlich wäre das eine Einschränkung der Freiheit von Anfang an; eine, die zwar verhindern würde, dass am Ende ganze Völker unfrei sind, aber dadurch obendrein noch paradox.

Gesucht wird …

Vernunft wäre also eine Form der Hemmung, aber eine kompetitive, deren unmittelbare Wirkung aufs Handeln und vor allem die Wünsche äußerst begrenzt ist. Selbst unter optimalen Voraussetzungen würde sie das Streben und Tun der Menschen nicht ausreichend beeinflussen, weil sie abstrakte Zielvorstellungen gegen unmittelbare Reize aufbietet. Sie ist lustfeindlich. Dieses Verfahren ist hoffnungslos.

Gesucht wird also nach wie vor ein Antrieb, der spontane Handlungen und soziales Verhalten so beeinflusst, dass das tumbe Streben nach Größe, mehr Besitz und kurzfristiger Spannung zumindest zum Teil ersetzt. Besser noch wäre aber eine Form der Kanalisierung, die das Streben nach Größe und Wachstum nicht bloß eindämmt, sondern im Sinne einer solidarischen Gesellschaft nutzt. Wie das gehen soll, weiß ich nicht.

Dass sich der Neoliberalismus mit seinem absurden Credo, Egoismus sei sozial, als Lüge entlarvt hat, ist derweil nur ein winziger Fortschritt. Es wurde auch zurecht angemerkt, dass das Streben nach Anerkennung unter anderen Bedingungen auch andere konkrete Handlungsziele bewirkt. Dennoch bedarf es eines starken Antriebs. Es braucht Formen der Solidarität, die anspornen. Die stärksten unter diesen sind allerdings brandgefährlich.