ausbeuWir kommen vom Begriff der Arbeit nicht los, also will ich mich dem auch nicht entziehen und einen weiteren Versuch wagen, ihn zu denken, und zwar von seinen Extremen her. Diese sind aus meiner Sicht: Arbeit als Vernichtungsprozess, Arbeit als Teil einer kapitalistischen Religion, insbesondere im Neoliberalismus, und drittens Arbeit an der Grenze zur bloßen Tätigkeit, wo der Begriff vielleicht überflüssig wird. Das Motiv, das solche Bemühungen trägt, ist immer noch die Frage, inwieweit eine andere Organisation von Arbeit möglich ist, was daraus folgt und wie man dorthin gelangen kann.

Arbeit als Vernichtungsprozess aufzufassen, erscheint extremistisch und klingt in der Erläuterung zunächst kompliziert. Der Gedanke lässt sich aber leicht illustrieren. Zunächst der komplizierte Einstieg:
Aus der “Dialektik der Aufklärung” und deren Gedanken der “Mimesis ans Tote” lässt sich ‘Arbeit’ als Motor des Todes beschreiben. Ist die “Mimesis” die Anpassungsleistung des Menschen und seiner Gesellschaft an die Kunstwelt der Produktion, so ist Arbeit darin dasjenige, was lebendige Natur in totes Material verwandelt. Alles wird umgewandelt, verwertet und in Stückzahlen erfasst. Daher der Gedanke, dass “Arbeit macht frei” die Menschheit in Stückgut und Arbeiter teilte, zwei Seiten desselben Prozesses.

Arbeit vernichtet zwangsläufig Natur, auch wo sie die Grenze zum kapitalistischen Kannibalismus nicht überschreitet. Nicht bloß die Fleischproduktion ist ein selbsterklärendes Beispiel dafür; vor der Arbeit waren die Natur und ihre Ressourcen, danach die Produkte und ihr Verbrauch. Nichtkapitalistische Arbeit kann sich davon unterscheiden, indem sie das Produkt nicht auch noch zur Ware macht, die nämlich gar nicht des Nutzens wegen geschaffen wird, sondern um eines jenseitigen Nutzens willen – dem des Profits.

Arbeit vernichtet

In der aktuellen Ideologie des Kapitalismus, der neoliberalen Religion, ist der Arbeitsbegriff losgelöst von jedem Inhalt, jedem historischen Kontext und der Wirklichkeit zum Dogma geworden, einem durch Wiederholung eingebläuten Glaubensinhalt. Er setzt dabei auf dem lutherschen Begriff der Arbeit auf, der den Grundstein für die Religiosität der Arbeit legte.

Der Begriff bedeutete seinem Ursprung nach Plage, Mühe, die Not eines Entwurzelten, sich durch Tätigkeit am Leben zu erhalten, kurzum: das nackte Sklavendasein. Dem entgegen stand der Begriff des Werkes, auch des Werkens, was die Erstellung eine Gegenstandes (Flechtwerk) durch Handanlegen meinte. Luther fokussierte auf die tätige Mühe als asketische gottgefällige Art zu leben. Dieser Ansatz war in der Tat alternativlos, denn wo immer Profiteure auf den Plan treten, haben sie ein Interesse an dieser unterwürfigen Grundhaltung. Wo “Gott” stand, fand sich alsbald ein Manufakturbesitzer, Fabrikant, “Arbeitgeber”. Die Kooperation zwischen Privateigentum und Religion funktioniert auf dieser Basis perfekt, sie ist das Resultat schierer Evolution.

Der Bezug auf das Werk hingegen musste fallen. Im Werk wird deutlich, dass es ein von Einzelnen oder Gruppen Geschaffenes ist. Es käme die Frage auf, wieso das dann “Eigentum” eines anderen ist. Der Begriff “Werktätige” war daher von der sozialistischen Ideologie klug gewählt.
Ist erst vom Werk nicht mehr die Rede, kann es gern noch abstrakter werden. “Arbeit” ist selbst Ware, übertragbar und mit einem Wert behaftet. Wenn man die Arbeiter also endgültig enteignen will, was ist dann das Ziel? Man nimmt ihnen das Verdienst um das Produzieren und macht ihr Werken zum Abfallprodukt einer fremden Macht.

Kapitalistische Religionslehre

Daher rührt schon der Begriff “Arbeitgeber”. Es gäbe die Arbeit nicht ohne diesen, wird suggeriert. Er “macht” sie, die anderen führen sie nur aus. Das Arbeiten selbst hat überhaupt keinen Wert. Nehmen wir an, Arbeit sei grundsätzlich sozial (was schon nicht der Fall ist), wie kommt dann einer darauf zu behaupten: “Sozial ist, was Arbeit schafft“? Er hat sich an die Stelle des (göttlichen) Schöpfers gesetzt. Alles Gute kommt eben von oben. Der Arbeiter muss nur eines wissen von seiner Arbeit: Sie definiert ihn. Er ist einer, weil er sich unterwirft und die Mühe auf sich nimmt. Der Ratschluss der höheren Macht ist dabei nicht in Zweifel zu ziehen, das wäre Blasphemie. Die Pfaffen dieser Religion sind die PR-Experten und die ihnen zuarbeitenden “Journalisten”.

Wer also die Arbeit verändern will, legt sich mit der Kirche an und gerät zwangsläufig in die Mühlen der Inquisition. Wenn er Glück hat, wird er dabei lediglich dem öffentlichen Diskurs entzogen; hat er Pech, wird er hingerichtet.

Die Konzepte alternativer Gesellschaften müssen sich aufs Werken wie auf die Arbeit beziehen. Sie kommen nicht umhin, auch “Arbeit” einzubeziehen, die aus lebendiger Natur Gebrauchsgegenstände macht und muss Grenzen ziehen, um nicht in der modernen Barbarei zu enden. Sie wird auf der anderen Seite auch nicht umhin kommen, sich vom Arbeitsbegriff abzugrenzen, wie er sich in den vergangenen Jahrhunderten eingeprägt hat. Nach wie vor wird es aber keine Option sein, sich unreflektiert als “Arbeiter” zu gerieren und zu glauben, derart wäre es auch nur möglich, sich von der kapitalistischen Produktion frei zu machen. Wenn das Denken sich schon so verstricken lässt, wird das Handeln nämlich nichts Gutes bewirken.