Man muss sich schon entscheiden. Wie ich bereits bei mehreren Gelegenheiten festgestellt habe, ist der ESM verfassungswidrig; er ist es in vielerlei Hinsicht, im Grunde in jedem Detail, so dass man ihn schon “verfassungsfeindlich” nennen darf, weil er das Grundgesetz und die Anforderungen an einen demokratischen Rechtsstaat auf den Kopf stellt.

Nachdem bereits klar war, dass die verfassungsgemäße Haushaltssouveränität des Bundestags (und ggf. anderer Parlamente) unterlaufen worden wäre, wird aktuell darauf hingewiesen, dass auch die Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat “in Angelegenheiten der Europäischen Union” beschnitten worden sei, die ebenfalls Verfassungsrang hat. Merkel hatte den irrwitzigen Versuch gemacht, diesem Urteil zu entgehen, indem sie behauptete, der ESM habe “gar nichts mit Europa” zu tun.

Mit solch infantiler Frechheit begegnet die Bundesregierung also berechtigter Kritik an ihrer Verfassungstreue. Ihre Lügen sind längst in sich selbst widersprüchlich und nur eine untaugliche Maske für die schiere Arroganz der Macht. In bezug auf die Ausbootung des Parlaments in den Verhandlungen zum ESM bescheinigten sich Merkels Agenten selbst, “immer angemessen” und “mehr als notwendig” informiert zu haben. Nichts, das ist für sie schon mehr als notwendig. Man hätte ja auch jeden verhaften können, der nachfragt.

Die nächste Klatsche aus Karlsruhe

Das Bundesverfassungsgericht hat wie eigentlich immer, wenn es gefragt wurde, der Regierung das Gegenteil ihrer Selbstwahrnehmung bescheinigt. Ein konkretes Beispiel findet sich in der knappen Pressemitteilung des BVerfG, das die Dimensionen der Sache hinreichend illustriert:

Erst am 11. März 2011 übersandte sie den offiziellen Entwurf eines Paktes für Wettbewerbsfähigkeit. Zu diesem Zeitpunkt bestand für den Deutschen Bundestag keine Möglichkeit mehr, dessen Inhalt zu diskutieren und durch eine Stellungnahme auf die Bundesregierung einzuwirken, da die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets sich bereits am gleichen Tag, dem 11. März 2011, auf den Pakt einigten.”

Das also ist “frühzeitig” und “mehr als notwendig” in den Augen des zuständigen Staatssekretärs. Wer in diesem Amt so viel Verachtung gegenüber dem Parlament äußert, gehört auf der Stelle entlassen. Die Kanzlerin, der diese Haltung zu eigen ist, muss zum Rücktritt aufgefordert werden. Obendrein musste das Gericht sie daran erinnern, dass Geheimverhandlungen generell nicht dem Geist des Parlamentarismus entsprechen, auch wenn die Öffentlichkeit, die die “Republik” im Namen trägt, das Vertrauen der Märkte® erschüttert. Sie hat sich gefälligst denen zu verantworten, durch die sie legitimiert ist. Das hat sie in ihrer Leidenschaft für die Interessen der “Investoren” offenbar völlig vergessen.