Dass Goldman Sachs eine der schlimmsten Finanzkraken der Welt ist, lässt sich nicht leugnen, ich halte sie gar für die schlimmste. Und wenn ich auf diesen Umstand hinweise, erhalte ich regelmäßig Kommentare von Rechtsdraußen, von den ganz Schlauen, die mich dann bekehren wollen. Ich müsste doch sehen, dass diese Juden die Welt beherrschen. Sogar Reden von Adolf Selig werden mir zugespielt.

hoell2Goldman Sachs wurde tatsächlich von einem Juden gegründet und fortan jüdisch dominiert. Und es lässt sich ebenso wenig leugnen, dass Juden historisch bedingt den Finanzgeschäften zugetan waren. Vor allem der Ausschluss von Juden aus den Handwerksgilden und das für sie historisch religiös nicht gültige Zinsverbot – dem lange Zeit auch Christen unterworfen waren – bedingten dies. Bis zur Moderne war das nicht gerade ein Vorteil. Erst mit dem Durchstarten des Kapitalismus wurde daraus ein ‘Wettbewerbsvorteil’. Der bestand allerdings nur in der längeren Erfahrung, denn Christen nahmen längst auch Zinsen. Wer noch fundamentalistisch dachte, musste dafür inzwischen das Fegefeuer fürchten, aber immerhin nicht mehr ewige Verdammnis. Der Deal war okay.

Kapitalismus? Ja bitte!

Jedenfalls gehen Kapitalismus und Judentum prima Hand in Hand. Wie wir von Max Weber wissen, ist es aber der Entwicklung des Protestantismus im Christentum zu verdanken, dass das Kapital den Turbo eingeschaltet hat. Dies verdankt sich einer bizarren Konstruktion:
Man darf annehmen, dass ein Leben in Verzicht, “Askese”, ursprünglich mit freiwilliger Armut verbunden war. Ein solches Leben galt als gottgefällig in manchen Strömungen des Christentums. Mit der Reformation entstanden dann diverse Varianten der Auslegung solcher Gottgefälligkeit, und eine der verrücktesten setzte sich in der Moderne durch, weil sie eben die besten Voraussetzungen bot.

Die Auffassung, dass Gott im Diesseits seine Schäfchen belohnt, führte zu der Einsicht, dass Reichtum demnach ein Zeichen für Gottes Gnade sei – die der Reiche sich wohl ‘verdient’ haben musste. Gleichzeitig aber galten Pomp und Prasserei nach wie vor als sündig. Die Konsequenz: Sich und anderen nichts gönnen, Zaster anhäufen, die Gier nach mehr ausleben ohne davon zu konsumieren. Diese Elemente sind heute in Konstrukten wie “Eigenverantwortung” oder “schädlichem Konsum” [s. vorletzter Absatz] wiederzufinden. Akkumulation als religiös begründeter Selbstzweck – besser kann Kapitalismus nicht gefördert werden. Kapitalismus und Christentum gehen prima Hand Hand.

Gern mehr davon!

Die Letzten, die sich noch zu wehren scheinen und etwa Zinswirtschaft großenteils anrüchig finden, scheinen die Muslime zu sein. Viele Staaten, die muslimisch geprägt sind, stehen eher auf sprichwörtlichem Kriegsfuß mit dem kapitalistischen Westen. Dies wiederum ist ihnen aber gar nicht als Verdienst zu verbuchen, denn vor allem die USA mögen es nicht besonders, wenn man ihnen kein Öl verkaufen will oder das nicht in Dollars abrechnet. Wer so fanatisch ist seine eigenen Prioritäten zu setzen anstatt gutes Geld anzuhäufen, muss eben mit Besuch aus der Luft rechnen.

Aber es ist ja nicht ganz Gallien. Saudi Arabien und die befreundeten Ölbohrinseln mit Staatsflaggen wie Qatar, die Emirate, Bahrain und Kuwait können das ganz gut. Genug Öl und die Bereitschaft es zu verkaufen sind immer wohl gelitten. So entstehen Freundschaften zu Diktaturen mit mittelalterlich muslimischen Rechtssystemen. Kein Problem. Schon die Geschichte zeigt, dass die Sauds den Bogen raus haben: Bereits im 18. Jahrhundert tat sich Muhammad ibn Saud mit Muhammad ibn Abd al-Wahhab zusammen. Der Deal: Saud durfte König sein mit dem Segen von al-Wahhab, der durfte Religionsführer sein und seine Auslegung der Lehre offizielle Religion. Für diese mächtige Konstellation haben die Sauds Mekka und Medina zweimal erobert, was ihnen noch heute die Herrschaft sichert.

Mutter aller Religionen

Auch die Beziehungen zum Westen waren immer gut: Die Engländer waren Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten, die Saudi-Arabien anerkannten und französische Spezialeinheiten halfen 1979 sogar Mekka von Besetzern zu befreien.
Auch im Islam ist die Lehre also Auslegware, und diejenigen, die sich das leisten können, respektive davon ungemein profitieren, tun das eben so, wie es ihnen Macht und Reichtum sichert. Doch: Kapitalismus und Islam gehen prima Hand Hand.

Mit dem Hinduismus dürfte es sich ähnlich verhalten. Eine Religion, in der traditionell die gesellschaftlichen Schichten mit einer religiösen Hierarchie identisch sind, lässt nichts zu wünschen übrig. Ich weiß zu wenig über die konkrete Ausgestaltung des gesellschaftlichen Lebens in Indien und die Ausgestaltung der Wirtschaft im “Schwellenland”, aber Kapitalismus und Hinduismus kann ich mir prima vorstellen. Es ist wie es schon immer war: Der eine hält sie dumm, der andere hält sie arm. Dass der Kapitalismus, zumal in seiner neoliberalen Ausprägung, selbst religiöse Züge trägt, ist kein Zufall. Ebenso wenig wie der Fanatismus, mit dem er der Welt seine Dogmen aufzwingt. Dabei macht er sich jede Religion zunutze, die er für seinen Herrschaftsanspruch gebrauchen kann. Auch das macht ihn so gefährlich.