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In der FTD plädiert Frank Bremser für einen Schuldenschnitt Griechenlands, sie hätten “das Fallbeil verdient“, wie er meint. Zu Recht bezeichnet er das derzeit aufgelegte Programm als “absurd”. In einem kann ich ihm allerdings nicht zustimmen: Wenn er glaubt:
der Euro und auch die Europäische Union werden es überleben“,
hat er etwas Entscheidendes verpasst. Für den Euro mag das zutreffen. Ein Europa, das die Völker wenigstens einander näher bringt, hat den Termin für eine appetitliche Beerdigung schon verstreichen lassen. Es riecht nach Verwesung.

Für die TAZ bringt Dierk Hirschel die Sache auf die Formel: “Merkels Europa ist falsch“. Das ist sehr milde formuliert. Es ist eine Katastrophe, und wir können uns darauf einstellen, dass die Aufstände in Athen erst der Anfang sind. Man kann sich die Welt der hiesigen Nachrichten absurder nicht vorstellen. Während sogenannte “Demoskopen” den Rücklauf der Propaganda einholen und die bleierne Kanzlerin als unerhört beliebte Politikerin präsentieren, ist sie längst zur Symbolfigur des Hasses auf Deutschland und seine neoliberale ‘Elite’ geworden.

Korruption: Internationale Entsolidarisierung

Ich war 1987 in Griechenland, mit langer Mähne und Rucksack. Als wir damals zu viert quer über ein Privatgrundstück laufen mussten und der Hausbesitzer uns dabei erwischte, haben wir mit Ärger gerechnet. Stattdessen lud der Mann uns zu Gemüseauflauf und Bier ein und berichtete von seiner Zeit in Deutschland. 25 Jahre später hat Merkels Ausschlachten von Kohls Europa dafür gesorgt, dass man als Deutscher vorläufig nicht mehr dorthin reisen kann. Eine grandiose Leistung.

Aber wir wollen es nicht allein der Puppe auf der Bühne ankreiden. Fraglos sind es die Lobbyisten und Profiteure, deren irres Programm da durchgezogen wird. Und fraglos sind es nicht zuletzt die Gewerkschaften, deren bittere Rolle in diesem Spiel erst für ein tragfähiges Fundament sorgt. Schrieb ich dieser Tage noch: “Die FAZ spekuliert jetzt darüber, ob Massenentlassungen und Hungerlöhne dann halt durch die Zustimmung der Sozialisten durchgebracht werden würden. Solche “Sozialisten” möchte ich kennenlernen“, so lerne ich sie gerade kennen. Die Sogenannten werfen diejenigen aus ihrer Fraktion, die noch die Interessen des gebeutelten Volkes vertreten. Der Schröderismus, der Blairism ist überall.

Die griechischen Gewerkschaften hat er noch nicht durchseucht, die gehen immerhin auf die Straße. Angesichts dessen, was den Arbeitnehmern dort abverlangt und angetan wird, wäre internationale Solidarität, einst der Schlachtruf auch der “gemäßigten” Linken, schwer vonnöten. Pustekuchen. In Deutschland freuen sich die Gewerkschaftsfunktionäre auf ein Leben nach der “Arbeitnehmervertretung”, in Aufsichtsräten und im Management.

Der ‘Jeder gegen jeden’-Friede

Daher hat der Deutsche Gewerkschaftsbund nun einen Vierpunkteplan zur Überwindung der Krise vorgelegt.” lese ich und weiß nicht, ob ich weinen oder lachen soll. Hierschel, “Ver.di -Betriebsleiter Wirtschaftspolitik” behelligt uns konsequenter Weise auch gar nicht erst mit dessen Inhalt. Was man dazu findet, beginnt mit der Forderung, den EFSF/ESM mit einer Banklizenz auszustatten. Das Ganze ist ein Wünschdirwas, das sich an diejenigen richtet, die gerade Europa in den Ruin führen. Sinnfreie Appelle statt Solidarität.

Dass die Integration der Arbeitnehmervertreter durch Korruption und lasche Zugeständnisse in Deutschland hervorragend funktioniert, wissen wir. Dass ‘sozialdemokratische’ Parteien, die sich gar “sozialistisch” nennen, inzwischen europaweit derart mit dem System verfilzt sind, dass sie die Geldsäcke auch dann noch ‘retten’, wenn daneben ein Genosse ersäuft, nehmen wir zur Kenntnis. Aber wer hat darauf gebaut, dass die Opfer dieser alternativlosen Maßnahmen ewig in Apathie verharren? Erstaunlich, dass nach den Krawallen in Athen nicht wie üblich von “Chaoten” und “Extremisten” die Rede ist. Setzt sich da Erkenntnis durch?

Deutschland, das ach so umsichtig auf die europäische Integration bedacht ist, hat vollkommen versagt. “Politik” und “Wirtschaft” ohnehin, und die Arbeitnehmerschaft obendrein. Immerhin darf man sich auf das Wirken der Dummheit verlassen, das eine letzte Hoffnung lässt: Wer hat denn bitteschön geglaubt, dass die Spaltung der Völker in Klassen, Nationen, Erfolgreiche und Versager, Selbständige und Abhängige, Arbeiter und Leistungsempfänger etcetera zu einem friedlichen einigen Europa führt? Die Entsolidarisierung der Menschen hat erfolgreich dazu geführt, dass sie nicht gemeinsam kämpfen. Wenn man sie dennoch zwingt, alle für sich zu kämpfen, wird es keineswegs gemütlicher. Athen brennt wieder und alle brutzeln mit.