neopirIch habe mir wie viele, die vom neoliberalen Einheitsbrei die Nase voll haben, zwischenzeitlich so meine Gedanken gemacht über die Piratenpartei und ob ich sie für wählbar halte. Grundsätzlich halte ich nicht viel von Shooting Stars, die letztlich aus Verdruss in Parlamente gewählt werden. Hinzu kam bei den Piraten eine Zeitlang der Einfluss bräunlicher Genossen wie Aaron König. Den haben sie zwar inzwischen entsorgt, aber die Nachfolge ‘überzeugt’ auf ihre ganz eigene Weise.

Was Käpt’n Sebastian Nerz da von sich gegeben hat, kann enttäuschender nicht sein, denn die Linie, die er vertritt, ist schlicht reaktionär und strategisch neoliberal. Der große Trumpf der Piraten, eine Alternative zur Alternativlosigkeit zu sein, ist damit zunächst aus der Hand gegeben. Mit den Grünen und der FDP würde er gern, keineswegs aber mit den Linken und favorisiert eine “Sozialpolitik” à la SPD. Na Bravo, das hatten wir ja noch gar nicht. Zwar gab es reichlich Kritik aus den eigenen Reihen, die Nerz damit konterte, er könnte Interviews ja auch abbrechen, wenn ihm auf doofe Fragen nichts Schlaues einfiele. Sie haben ihn sich aber nun mal gewählt, und er versaut’s.

Kuscheln mit dem Mainstream

Das Kuscheln mit dem antilinken Mainstream besorgt er dann ausgerechnet in der Passauer Neuen Presse, wo man heute die Forderung nach der Vorratsdatenspeicherung zu lesen bekommt neben der nach einem Verbot der Linken – von CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. In dieser Gesellschaft also lebte Herr Nerz seine Träume von einer neoliberalen Koalition ohne Internetsperren aus. Ja, es wäre wohl besser gewesen, er hätte das Interview abgebrochen – vor der Anreise.

Es zeigt sich erfreulich rasch, dass mit Aktivismus kein Staat zu machen ist. Eine Partei ist nur dann eine, wenn ein Meinungsfindungsprozess stattfindet, an dessen Ende der gefundene Konsens auch vertreten wird. Gibt es keinen oder wird er nicht vertreten, braucht niemand eine Partei. Man mag jetzt sagen, dass die Funktionäre anderer Parteien auch vom Konsens abweichen. Eben. Und selbst dann gibt es einen. Vor allem sind diese Funktionäre mit anderen Machtebenen verflochten, die ihnen näher sind als die ‘Basis’. Wer aber braucht Funktionäre, die sich korrumpieren, noch ehe ihnen dafür etwas geboten wird? Eine neue Partei hat ohnehnin nur eine Chance, wenn sie sich über die wesentlichen politischen Fragen einig ist. Deshalb wird das auch nichts werden mit den Piraten.

Beliebigkeit bewegt nichts

Die Hoffnung, Piraten und “Occupy”-Bewegung könnten eine Allianz eingehen, ist damit auch beim Teufel. Oder sind wir schon so beliebig, dass FDP und Occupy auch miteinander könnten?
Dass außerparlamentarische Bewegungen bislang immer links waren, hat schon seinen guten Grund. Damit ist nicht gesagt, dass es nur von links Druck auf die Institutionen geben kann. Aber es ist an der Zeit zu erkennen, dass die oppositionelle Linke mit all ihrer Geschichte, Theorie und Streitkultur sich jahrzehntelang abgemüht hat, und dass Veränderung jetzt nicht mal eben zu machen ist – ohne Inhalte. Gegen Banken zu sein ist kein Konzept. Gegen Internetzensur zu sein auch nicht.

Bei allem Frust über organisierte Politik, zumal die Parteien, ist es aber weiterhin unabdingbar ein Gesellschaftskonzept zu haben, wenn man die Gesellschaft verändern will. Wer zu viel Raum für Beliebigkeit lässt, wird entsprechend beliebige Vertreter hervorbringen, die beliebige Aussagen treffen. Das Problem liegt nicht in der Person eines politischen Fischstäbchens wie Sebastian Nerz. Das Problem liegt in der Struktur der Bewegung, die sich an ihrer vermeintlichen Wirkungsmacht ergötzt und doch nichts bewegt. Gar nichts.