Was will und soll eine Parteivorsitzende? Wir dürfen wohl den politischen Parteien, durchaus auch der “Linken”, unterstellen, dass Wahlerfolge einen wichtigen Teil ihrer Arbeit ausmachen. Soweit also das Programm vermittelt und umgesetzt wird, muss es darum gehen, möglichst breite Zustimmung dafür zu organisieren.

leninMan kann auch darauf verzichten und in bestimmten Phasen Diskussionen anstoßen, in deren Folge die Zustimmung bei potentiellen Wählern zunächst sinkt. Es ist dies sogar ein Indiz für eine gewisse Ehrlichkeit, denn so mancher Diskurs, der am Ende zu wichtigen Erkenntnissen führt, macht diejenigen unbeliebt, die ihn vorantreiben. Hier ist es also angeraten, den Zeitpunkt klug zu wählen und dafür zu sorgen, dass zumindest die gröbsten Missverständnisse vermieden werden.

Schließlich ist darauf zu achten, dass bei aller notwendigen und schmerzhaften Offenheit die Debatte nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, weil die absehbare Reaktion des politischen Gegners den Diskurs einengt, die inhaltliche Auseinandersetzung extrem beeinträchtigt und alle abschreckt, die man über die Stammklientel hinaus gewinnen will.

In allen Punkten versagt

In all diesen Punkten hat Gesine Lötzsch auf höchst beeindruckende Weise versagt. Man kann darüber diskutieren, ob sie ‘jetzt erst recht’ für eine zukünftige inhaltliche Ausrichtung der Partei geeigent wäre, man muss sie nicht dafür verurteilen, dass sie denkt, wie sie denkt. Aber sie ist halt als Politikerin absolut ungeeignet. Das hat nicht nur damit zu tun, dass sie kurz vor drei Landtagswahlen diesen Karneval eröffnet.

Kommen wir zum Inhalt der Sache, zu ihrer Kernaussage:

Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung. Auf jeden Fall wird es nicht den einen Weg geben, sondern sehr viele unterschiedliche Wege, die zum Ziel führen …”

Das versteht nicht jeder, Frau Lötzsch, oder anders: Wie die allermeisten das verstehen, kann sich jeder denken, der ab und zu die Zeitung liest. Oder schon mal politische Diskussionen führt. Oder solchen wenigstens zuhört. Selbst die Mitglieder der WASG, die einen großen Teil der “Linken” ausmachen, dürften sich ziemlich überrollt fühlen, wenn die Chefin derlei von sich gibt.

Die Reaktionen kommen prompt, zuerst natürlich von ganz rechts, wo diktatorische Überwachung gegen die “Kommunisten” gefordert wird. Das ist zwar haarsträubend dämlich, aber schon wesentlich populärer als die Aussage der Vorsitzenden. Erkennen Sie das Problem?

Gegen die “Blutspur des Kommunismus”

Lötzsch hat nicht verstanden, dass der Begriff “Kommunismus” durch die Prägung der herrschenden Westparteien beinahe Synonym zu Stalinismus gebraucht wird. Die Gazetten schreien es ihr prompt entgegen und faseln von “Blutspur des Kommunismus” und ähnlichem.

spiegelcduNatürlich gibt es kein haltbares Argument für solchen Sermon. Wer sich seinen kritischen Geist bewahrt hat, kennt das Spiel: Kapitalistische Diktaturen sind stets “Diktaturen”, sozialistische Diktaturen sind “Kommunismus”. Niemand aus dem Mainstream macht den Kapitalismus für Hitler, Pinochet oder Berlusconi verantwortlich. Stalin, Ceaucescu und die Kims hingegen gelten als Erzkommunisten. Wer diese Regel ignoriert, hat nichts mehr zu sagen, weil er nicht mehr zu Wort kommt, so sind die Machtverhältnisse. Wer diese ändern will, sollte sie wenigstens einmal zur Kenntnis genommen haben.

Nun wird sicher versucht werden, in den Orkan hinein zu rufen, Kommunismus sei ja eigentlich nichts anderes als die klassenlose Gesellschaft. Es wird gesagt werden, dass ja gerade Lötzschs Forderung, dorthin verschiedene Wege zu gehen, begrüßenswert ist. Man kann sogar sagen, dass damit der Weg über die “Diktatur des Proletariats” selbst für Kommunisten nicht mehr verbindlich wäre. Warum zur Hölle hat sie es dann nicht so gesagt und einen Begriff in die Runde geworfen, der noch kaputter ist als “Soziale Marktwirtschaft”?

Eine Diskussion über Alternativen ist mehr als fällig. Sie drängt sich nicht nur auf, sie ist schon notwendig, um überhaupt wieder Worte zu finden, die noch etwas sagen. Dass der Kapitalismus am Ende ist, ist dabei eine absolut konsensfähige Basis. Und wenn am Ende etwas herauskommt, das Kommunisten und andere Philosophen als “Kommunismus” bezeichnen mögen, bitteschön! Aber wir sind einmal mehr bei den Konjunktiven, weil Gesine Lötzsch diese Diskussion bis auf weiteres in Grund und Boden getrampelt hat.