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Februar 2009


Ich mache meinen Job auch deshalb unverändert gern, weil ich weiß, welch engagierte Mitarbeiterschaft die DB hat. Ich bin stolz auf diese Frauen und Männer – sei es in unseren Führerständen, in unseren Zügen, auf unseren Bahnhöfen, in unseren Speditionen, in unseren Werkstätten, in unseren Verwaltungen oder wo auch immer. Ich bin stets aufs Neue beeindruckt nicht nur vom Einsatz aller DB-Mitarbeiter, sondern vor allem auch davon, in welch hohem Maß Sie sich mit unserem Unternehmen identifizieren.
ausbeutbahn
Sie identifizieren sich so mit diesem Unternehmen, daß Sie gar nicht merken, wie ich mit Ihnen Schlitten fahre. Ich lasse Sie Sonderschichten kloppen, streiche Ihnen die Wochenenden und zahle nur das Nötigste. Ich spare an Ihnen wie ein guter Manager und privatisiere anschließend den ganzen Laden. Die Kohlen, die ich an Ihnen einspare, streichen das Management und die Aktionäre ein. Ich behandle Sie fast so abschätzig wie einen Kunden auf dem Land.
Überhaupt – Sie und die Kunden! Das wäre ja eine Mischpoke, würden wir nicht dafür sorgen, daß Sie sich gegenseitig an den Karren fahren. Wir hetzen unsere Bluthunde auf die Schaffner, die Schaffner auf die Kunden und schließlich die Kunden wieder auf die Bahnmitarbeiter. Funktioniert genial, sonst hätten Sie sich längst zusammengerauft und dagegen protestiert, daß selbst unsere teuersten Züge lebensgefährliche Sparbüchsen sind. Ich bin sehr stolz auf Sie!
Allein, was Ihre Organisiationen für uns leisten! Erst lassen Sie sich von unserem blindesten Maulwurf führen, der die größte Gewerkschaft gegen die einzig entschlossene in Stellung bringt. Diese GdL nehme ich von meinem Lob übrigens ausdrücklich aus. Diese stasigestählten Arbeiter und Bauern gehören verboten, aber vor Gericht konnte ich mich leider nicht damit durchsetzen. Nun ja, aber die Transnet hat mir schon Freude gemacht. Inzwischen lasse ich den Hansen Personalmanager spielen und lasse ihn in Tarifverhandlungen auf die ehemaligen Kollegen los. Da kann er ganz lässig von oben herab zeigen, wo der Bartel den Most holt – wenn er ein guter Bartel ist. Wie liebe ich doch eine Arbeitnehmerschaft, die sich das bieten läßt! Anstatt den Hansen an seiner Krawatte aufzuknüpfen, verhandeln Sie mit ihm und nennen ihn “Partner”. Großartig!
Nicht zuletzt ist da Ihre Geduld zu nennen, Ihre bewundernswerte Bescheidenheit! Hansen erzählt Ihnen, zwölf freie Wochenenden im Jahr seien völlig inankzeptabel, und Sie feiern es als Riesenerfolg, wenn sie dann doch ab und an frei haben. Da draußen sind zweiundfünfzig Wochenenden üblich, ohne Kompromisse. Dafür haben echte Gewerkschaften schon in den Siebzigern erfolgreich gekämpft.
Was bin ich stolz auf solche Mitarbeiter! Selbstverständlich werden Sie nicht bespitzelt, wozu auch? Wir sorgen nur dafür, daß Sie auch gute Mitarbeiter bleiben. Damit wir auch morgen noch stolz auf Sie sein können – auf diejenigen von Ihnen, die dann noch für uns buckeln dürfen.
Ich danke Ihnen. Ich liebe Sie!

Sozial ist, was Arbeit schafft.
Eine unabdingbare Voraussetzung der Freiheit
ist das Vorhandensein von persönlichem Eigentum.
Wir müssen Eigenverantwortung fördern.

Wir müssen persönliches Eigentum schaffen.
Sozial ist, was unabdingbare Voraussetzung der Freiheit,
Eigenverantwortung fördert,
das Vorhandensein von Arbeit.

Eine unabdingbare Voraussetzung der Eigenverantwortung
ist das Vorhandensein von Arbeit.
Sozial ist, was persönliches Eigentum schafft.
Wir müssen Freiheit fördern.

Eine Freiheit der Eigenverantwortung
ist unabdingbare Voraussetzung von Arbeit.
Das Vorhandensein von Voraussetzung ist sozial
von persönlichem Eigentum.

Die neoliberale Verdrehung der “Sozialen Marktwirtschaft” nach deutscher Prägung hält Angela Merkel für den kommenden Exportschlager. Dabei humpelt sie von einem “Irrtum” zum nächsten, wenn sie sich und ihre Kumpels von der deutschen Wirtschaft als Retterin der Finanzwelt aufspielt. Das beginnt mit dem, was sie nicht erklärt, der Idee der Sozialen Marktwirtschaft, der dem Begriff innewohnte, bevor die INSM ihn mit dem großen Pürierstab vewurstet hat. Eine Idee nämlich, die von vornherein auf einen akzeptablen Ausgleich der Teilnehmer am Wirtschaftskreislauf angelegt ist und das “Soziale” der “Wirtschaft” nicht unterordnet. Neudenglisch würde man es vielleicht so formulieren, daß der Stakeholder Value im Fokus der Ökonomie steht und nicht der Shareholder Value. Soziale Marktwirtschaft wäre darauf angelegt, daß sie Armut und extremen Reichtum einlevelt, wenn nicht verhindert. Eine Wirtschaft, die erst die Schere auseinander klappen läßt, um dann den Armen unter großem Gezeter ein wenig vom Nötigsten zukommen zu lassen, hat damit nichts zu tun.
Genau das sieht Merkel aber ganz anders, und zwar ausdrücklich, und sie pflegt ganz standesgemäß keine Argumente, sondern liefert ein Glaubensbekenntnis ab.

Für die neue Weltwirtschaftsordnung schlug Merkel die Globalisierung des deutschen Modells der sozialen Marktwirtschaft vor. ‘Das sind die Prinzipien, auf die wir uns international einigen können’.

Was Merkel aber da vorschlägt, ist weder “sozial” noch “deutsch”. Ihr Modell bleibt neoliberal und ist insofern längst international. Vielleicht gaubt sie, woanders gäbe es gar keine Sozialleistungen. Vielleicht weiß sie nicht, daß die Marktwirtschaf nicht in Deutschland erfunden wurde. Es gelingt ihr, mit einem Schritt gleich zwei Fettnäpfe zu erwischen: Den ihrer nationalen Arroganz und den des Unwissens, der ihr schon zum zweiten Schuh geworden ist.

Als Prinzipien nannte sie ein Bekenntnis zur Marktwirtschaft, ein intaktes, stabiles internationales Finanzsystem, das eine ‘dienende Funktion’ für den Rest der Wirtschaft wahrnehmen müsse, eine offene Weltwirtschaft, nachhaltige Ressourcennutzung und Armutsbekämpfung. Wie bereits zuvor schlug sie vor, zur Kontrolle einen Weltwirtschaftsrat bei den Vereinten Nationen einzurichten.

Mit dem “Bekenntnis zur Marktwirtschaft” liefert sie einmal mehr ihr überflüssiges Credo ab. Was heißt denn das? Daß man die Existenz der Marktwirtschaft zur Kenntnis nimmt? Daß man sie, egal in welcher Form, auch dann noch verteidigen wird, wenn es nichts mehr zu wirtschaften gibt, weil die Märkte unter dem Dilettantismus der Wirtschafter zusammenbrechen?
Vor allem heißt es eines: Es soll weiterhin unterschieden werden zwischen “Marktwirtschaft” und “Sozialismus”, damit auch in Zukunft jede Idee, die nicht von den alten Lobbyisten eingebracht wird, als eben “sozialistisch” etikettiert werden kann. Denn wirklich ändern soll nichts nichts.
Ein “intaktes, stabiles internationales Finanzsystem” ist freilich eine grandiose Idee. Ich hätte gern übrigens Reichtum und Gesundheit für alle, ein langes Leben und daß alle Frauen auf mich stehen. Was sollen diese Worthülsen? Wollte man bislang ein instabiles Finanzsystem? Wohl kaum. Gern hätte ich an dieser Stelle gehört, woran es denn liegt, daß es trotzdem so kam.
Daß Merkel “nachhaltige Ressourcennutzung” in ein Mikrophon lispeln kann ohne dabei rot zu werden, ist eine erstaunliche Leistung. Union und FDP sind seit Jahrzehnten geradezu süchtig nach rücksichtslosem Wachstum, Energieverschwendung und der Begünstigung deutscher Exporteure. Da war absolut nichts auch nur annähernd nachhaltig.
Dies lag auch und vor allem am neoliberalen Konsens bezüglich der heiligen Deregulierung. Daß Merkel jetzt eine zahnlose zentralistische Instanz zur “Kontrolle” der Weltwirtschaft vorschlägt, ist reinstes Kabarett. Dahinter steckt nichts anderes als die Weigerung, jemals selbst das Nötigste zu tun und endlich wirklich zu regulieren.
Wenn dann alles wieder gut ist und die deutsche Geldelite sich am Konsum der anderen berauschen kann, ist Merkel sogar bereit, die selbst geschaffene Armut zu bekämpfen. So sozial ist das, was sie sich unter Marktwirtschaft vorstellt. Der einzige Trost liegt darin, daß dieses erbärmliche Weltbild von der brutalen Wirklichkeit überrollt werden wird. Gar nicht tröstlich werden freilich die Zustände sein, auf die wir uns einstellen dürfen.

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