Juni 2007
Monthly Archive
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HintergrundKommentare deaktiviert 06. Jun 2007 21:59
[Mangels Idee heute noch einmal ein Text von 1996, mit kleinen Aktualisierungen]
Es gibt mindestens einen Menschen, der über die Dinge des Alltags schöne Kolumnen schreiben kann. Ich will ihn nicht verunsichern, indem ich einen ähnlichen Versuch unternähme. Ich kann eigentlich nur häßlich fluchen. Die Welt ist ekelhaft. Ein unentschlossen dreinblickender Franzose hat, glaube ich, diesen Umstand zur Philosophie erklärt und sich über mehrere tausend Buchseiten hochgeistig geekelt. Daß sich das gar nicht amüsant liest, ist ihm auch aufgefallen. Deshalb ist er auch, als er ein ekelhaftes Alter erreicht hatte, brav gestorben. Ich habe es da sehr viel schwerer als Herr Sartre, ich muß nämlich noch leben und deshalb immer schlechte Witze über das eklige Leben machen. Beinahe wie in Mythen, die immer lehrreich sind, weil sie nie jemand wirklich versteht, muß ich also um mein Leben kalauern. Immer, wenn ich einen Witz mache, lugt schelmisch das eklige Leben um eine Ecke, und ich muß wieder einen schlechten Witz machen. Zum Beispiel wartete dieser Tage eine Frauenzeitschrift mit tollen Tips auf, für “wenn der Job die Haut kaputtmacht”. “Was müssen das für eklige Jobs sein”, dachte ich also, “die Frauen schon mit fünfundreißig die ersten Fältchen bescheren?”. Und: “Was, wenn die Haut den Job kaputtmacht?” Wenn Frauen etwa solche Falten haben, daß ihnen ständig Tauben darin nisten? Dauernd das Gegurre, und der Chef meint, sie macht sich lustig über ihn. Und dann dieser Fäkalgestank! Selbst, wenn die Taube ihre Wirtin verläßt, bleiben übelriechende Hinterlassenschaften, die jeden Sozialkontakt erheblich beeinträchtigen. Frauen haben es ziemlich schwer.
Das klingt sehr bemüht. Man denkt: “Er versucht, der Bitterkeit des Lebens mit eisernem Humor zu begegnen, der Gute. Ganz sicher ist er an einen Rollstuhl gefesselt. Und wird dabei gepeinigt, bis aufs Blut.” Das ist lieb von meinen Lesern, so viel Mitgefühl in Wohlwollen zu verzaubern, aber ich habe es nicht verdient. Nie ließe ich mich fesseln, schon gar nicht an einen Rollstuhl, den andere viel besser gebrauchen könnten. Ich fände das sogar geschmacklos. Außerdem hätte ich Angst, sofort reaktionären Schwachsinn reden zu müssen, wie der Herr Schäuble aus der Politik. Der Herr Schäuble aus der Politik ist schlimmer als der Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer. Der Herr Kaiser würde nie so grimmig daherrollen und arme kleine Grundrechte überfahren. Der Herr Kaiser hat auch keinen Grund, verbittert zu sein, sein Leben ist nämlich nie eklig. Er kann immer gut angezogene, saubere, lächelnde Kinder auf den Arm nehmen, während junge, glatthäutige Mütter ihn unaufgefordert bitten, sinnlose Versicherungen abschließen zu dürfen. Herr Schäuble hingegen muß immer Scharen ungewaschener Wähler und Wählerinnen auf den Arm nehmen, während eine biersaure Gesichtsgrätsche aus dem Osten ihm die Richtlinien zieht. Ach, Politik ist saulangweilig. Eine echte Sau würde sich freilich bei einer Rede von Herrn Schäuble selbst in Schweinehälften zerlegen, allein schon, weil sie nichts zu verbergen hat.
Es begibt sich aber derzeit, daß meine Frau mir verboten hat, etwas “Politisches” zu schreiben, weil das nicht witzig sei. Auch so ist das Leben: man schindet sich wie ein Tier und muß dabei noch witzig sein. Wie schaffen die witzigen Kolumnisten das nur? Wie können sie nur in ihren lustigen Glossen fröhlich von Altgirlcontainern etwa erzählen, ohne dabei bittere, politische Manifeste abzusondern, betreffs der Altmenschenrechte zum Beispiel? Was haben die für Frauen, bzw. Männer? Wer steht hinter ihnen, wenn sie an der Tastatur sitzen? “Da drüben wird wieder eine Alte entsorgt, schreib’ ‘mal was Lustiges da drüber!” Der in Leder gekleidete Riese droht mit der Nilpferdpeitsche. “Nein, wie schrecklich!” sagt der Kolumnist. Sein Schreibtischstuhl wird herumgerissen, ein schweres Knie bohrt sich in seine Genitalien, die Peitsche drückt ihm die Nasenlöcher zusammen. “Du sollt was Lustiges drüber schreiben!” preßt der Schinder zwischen seinen faulen Zähnen hervor…
So also entstehen die lustigsten Glossen. Ich aber verbittere – als letzten Akt der Opposition gegen meine unnachgiebige Herrin auch schon mal “was Politisches” schreibend.
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PolitikKommentare deaktiviert 05. Jun 2007 23:21
Ausgerechnet die Versammlung der lupenreinen Demokraten der G8 sollen Rußland vor Putin retten. Das ist Elena Tregubovas Idee, und sie glaubt, dies sei die letzte Chance. Eine seltsame Vorstellung.
Rußland wird also von einer demokratiefeindlichen Bande beherrscht, die den Reichtum aus den Rohstoffen des Landes unter sich aufteilt, die die Freiheit der Bürger beschneidet und einen kalten Krieg anzettelt? Weiß Frau Tregubova, an wen sie sich da wendet? Weiß sie, daß auch die G8 marschieren, wenn No. 1 pfeift? Jene No. 1, die von einer Bande von Ölprofiteuren geführt wird, die nicht nur die eigenen Bodenschätze als Quelle schamloser Bereicherung zu schätzen weiß, sondern die in aller Welt? Jene Bande, die Korruptionsaffären nachgerade sammelt, der kein Akt der Vetternwirtschaft zu peinlich ist? Die Macht, die weltweit für eine historische Erosion der Menschenrechte gesorgt hat? Die Administration, die binnen weniger Jahre im internationalen Austausch Diplomatie durch Lüge und Erpressung ersetzt hat? Die Heuchler, die durch Protektionismus die Armut der 3. Welt fördert, für sich aber stets freien Handel einfordert und im Zuge der noblen Gesten dieser Tage dem Neger die Hand schüttelt? Die Herren, die erst provokativ Raketen in Putins Vorgarten aufstellen, um ihm dann zu erklären, daß das gut für ihn ist? Die größte Dreckschleuder der Welt, die die Gipfelteilnehmer jetzt mit einem “Umweltprogramm” verkaspert? Brauchen Sie noch mehr Beispiele? Oder wendet sie sich viellleicht an diejenigen, die den Bushs blind folgen? Oder an diejenigen, die sich derart in Gesäusel üben, daß sich niemand wundern muß, wenn der große Führer der Freien Welt© nichts hört von jedweder Kritik?
Das kann ja wohl nur ein Scherz sein. Gehen Sie nach Hause, Frau Tregubova. Versuchen Sie selbst, den Russen zu erklären, was Demokratie ist. Auf dem G8-Gipfel finden Sie derzeit keine Demokraten, die sich trauen, welche zu sein.
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Best of ,
HintergrundKommentare deaktiviert 04. Jun 2007 23:20
Zu den aktuellen Schäublereien rund ums Killerspiel gibt es Argumente bei kiesows und MMsSenf. Während kiesow den Betrunkenen Schützen an der Kirmesbude den Egoshooter um die Ohren haut, weist MM darauf hin daß “River Raid”, ein rührendes Klötzkesspiel, bis 2002 indiziert war. Echtes, womöglich tödliches Ballern einschließlich Zugang zu scharfen Waffen soll weiterhin erlaubt sein, während die lächerlichsten pseudomedientheoretischen Argumente aufgefahren werden, um den Aktionismus der Verbieter und Bestrafer zu untermauern.
Eines kommt allerdings dabei zu kurz, obwohl das Argument von beiden Bloggern gestreift wird: Der Trainingseffekt. Zwar weisen sie zurecht darauf hin, daß die Gewöhnung ans echte Schießen mehr Bedeutung haben dürfte als die Übungen auf virtuellem Terrain. Aber beide verkennen die Situation. Die Gegenseite argumentiert nämlich aus guter Erfahrung. Wem ist noch es noch nicht aufgefallen: Gerade in Deutschland wird der Bürger durch tägliche Konditionierung auf die gnadenlose Vollstreckung geeicht.
Kritiklos und unbewußt lernt er, sich blitzschnell zu bewegen und ohne Rücksicht auf Schäden an Mensch und Material sein Ziel zu verfolgen. Selbst die geschicktesten stoßen dabei stets an ihre Grenzen und versuchen es doch wieder und wieder. Dieses vor allem von der Wirtschaft geförderte Verhalten, das selbst Gemütsmenschen zu hektischen Kämpfern für den Konsum ausbildet, ist äußerst erfolgreich und durchaus erwünscht.
Nur diesem einen Zweck dient das Unverschämtheit überbietende Gebaren deutscher Verkäufer und Verkäuferinnen, die Waren derart über das Band schießen zu lassen, daß es schlicht unmöglich ist, sie heil in den Einkaufswagen zu verbringen. Der Einfall, sie beim Einräumen gleich sortieren zu wollen, kann nur hoffnungslosen Irren in den Sinn kommen. Wäre auch nur einer der Millionen Probanden dieses permanenten Freilichtexperiments in der Lage, sich in dieser Situation bewußt und souverän zu verhalten, man würde davon bald in Funk und Fernsehen erfahren. Vermutlich würde er unverzüglich in einen Schützenverein eintreten, sich eine Knarre besorgen und die Schnalle kaltmachen, die ihm ständig die Saftflaschen zwischen Eier und Joghurt wirft.
Tut aber keiner. Und weil das so tadellos funktioniert, haben sie Angst vor den Killerspielern. Eines Tages könnte einer unter ihnen sein, der schnell genug ist. Der die eine Sekunde Zeit hat, nachzudenken. Der es tut.
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Politik[4] Comments 03. Jun 2007 0:13
Die Schwachmaten, deren hohle Augen nur aus der hirnfreien Sturmhaube herausglotzen, um etwas zu scannen, das man kaputtmachen kann, bemühten sich heute in Rostock, dem Zerrbild des Globalisierungsgegners gerecht zu werden, das sonst nur von den hysterischsten Sicherheitsfanatikern an die Wand gemalt wird. Sie haben den Schäubles mehr geliefert, als diese sich erträumt haben dürften. Es ist zu hoffen, daß die Veranstalter künftiger Demonstrationen bessere Ideen haben als die Polizei, um diese Arschlöcher außen vor zu halten.
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PolitikKommentare deaktiviert 02. Jun 2007 0:10
Deutsche Richter fallen der Regierung in den Rücken. Gefährliche Journalisten erklagen sich den Zugang zum Heiligendamm, Sozialschmarotzer erklagen sich den Verbleib in ihren Wohnungen. Da können Rechtsstaatsfetischisten und radikale Demokratieextremisten sich die Finger wund schreiben, davon läßt sich kein Minister oder Parlamentarier beeindrucken. Einzig die schon immer als linksradikal bekannten Juristen stoppen die übelsten Auswirkungen der ignoranten Herrschermentalität großkoalitionärer Macher und ihrer Beamten vor Ort. Einerseits ist es sehr zu bergrüßen, daß viele Richter noch eisern die Grundrechte verteidigen, andererseits besteht darin ein weiteres Symptom des Demokratieabbaus. Was in den U.S.A. schon lange zu beobachten ist, hat auch Europa erreicht: Ein Kampf um den Erhalt demokratischer Rechtsnormen, der sich zwischen den Staatsgewalten abspielt, während das Volk nur staunend zuschauen oder desinteressiert weghören kann. Die Vorstellung, es könnte sich dabei um Rückzugsgefechte handeln, ist eine weitaus schlimmere als die eines Terroranschlags, sei er auch noch so furchtbar. Daß es in Deutschland keine wirksame parlamentarische Opposition gibt, ist ebenfalls äußerst bedenklich. Was sich in diesen Tagen entscheidet, verlangt nach Generalstreik und Neuwahlen und nicht nach einem gelangweilten unpolitischen Plebs, der nichts zu verbergen hat.
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