[Mangels Idee heute noch einmal ein Text von 1996, mit kleinen Aktualisierungen]

Es gibt mindestens einen Menschen, der über die Dinge des Alltags schöne Kolumnen schreiben kann. Ich will ihn nicht verunsichern, indem ich einen ähnlichen Versuch unternähme. Ich kann eigentlich nur häßlich fluchen. Die Welt ist ekelhaft. Ein unentschlossen dreinblickender Franzose hat, glaube ich, diesen Umstand zur Philosophie erklärt und sich über mehrere tausend Buchseiten hochgeistig geekelt. Daß sich das gar nicht amüsant liest, ist ihm auch aufgefallen. Deshalb ist er auch, als er ein ekelhaftes Alter erreicht hatte, brav gestorben. Ich habe es da sehr viel schwerer als Herr Sartre, ich muß nämlich noch leben und deshalb immer schlechte Witze über das eklige Leben machen. Beinahe wie in Mythen, die immer lehrreich sind, weil sie nie jemand wirklich versteht, muß ich also um mein Leben kalauern. Immer, wenn ich einen Witz mache, lugt schelmisch das eklige Leben um eine Ecke, und ich muß wieder einen schlechten Witz machen. Zum Beispiel wartete dieser Tage eine Frauenzeitschrift mit tollen Tips auf, für “wenn der Job die Haut kaputtmacht”. “Was müssen das für eklige Jobs sein”, dachte ich also, “die Frauen schon mit fünfundreißig die ersten Fältchen bescheren?”. Und: “Was, wenn die Haut den Job kaputtmacht?” Wenn Frauen etwa solche Falten haben, daß ihnen ständig Tauben darin nisten? Dauernd das Gegurre, und der Chef meint, sie macht sich lustig über ihn. Und dann dieser Fäkalgestank! Selbst, wenn die Taube ihre Wirtin verläßt, bleiben übelriechende Hinterlassenschaften, die jeden Sozialkontakt erheblich beeinträchtigen. Frauen haben es ziemlich schwer.
Das klingt sehr bemüht. Man denkt: “Er versucht, der Bitterkeit des Lebens mit eisernem Humor zu begegnen, der Gute. Ganz sicher ist er an einen Rollstuhl gefesselt. Und wird dabei gepeinigt, bis aufs Blut.” Das ist lieb von meinen Lesern, so viel Mitgefühl in Wohlwollen zu verzaubern, aber ich habe es nicht verdient. Nie ließe ich mich fesseln, schon gar nicht an einen Rollstuhl, den andere viel besser gebrauchen könnten. Ich fände das sogar geschmacklos. Außerdem hätte ich Angst, sofort reaktionären Schwachsinn reden zu müssen, wie der Herr Schäuble aus der Politik. Der Herr Schäuble aus der Politik ist schlimmer als der Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer. Der Herr Kaiser würde nie so grimmig daherrollen und arme kleine Grundrechte überfahren. Der Herr Kaiser hat auch keinen Grund, verbittert zu sein, sein Leben ist nämlich nie eklig. Er kann immer gut angezogene, saubere, lächelnde Kinder auf den Arm nehmen, während junge, glatthäutige Mütter ihn unaufgefordert bitten, sinnlose Versicherungen abschließen zu dürfen. Herr Schäuble hingegen muß immer Scharen ungewaschener Wähler und Wählerinnen auf den Arm nehmen, während eine biersaure Gesichtsgrätsche aus dem Osten ihm die Richtlinien zieht. Ach, Politik ist saulangweilig. Eine echte Sau würde sich freilich bei einer Rede von Herrn Schäuble selbst in Schweinehälften zerlegen, allein schon, weil sie nichts zu verbergen hat.
Es begibt sich aber derzeit, daß meine Frau mir verboten hat, etwas “Politisches” zu schreiben, weil das nicht witzig sei. Auch so ist das Leben: man schindet sich wie ein Tier und muß dabei noch witzig sein. Wie schaffen die witzigen Kolumnisten das nur? Wie können sie nur in ihren lustigen Glossen fröhlich von Altgirlcontainern etwa erzählen, ohne dabei bittere, politische Manifeste abzusondern, betreffs der Altmenschenrechte zum Beispiel? Was haben die für Frauen, bzw. Männer? Wer steht hinter ihnen, wenn sie an der Tastatur sitzen? “Da drüben wird wieder eine Alte entsorgt, schreib’ ‘mal was Lustiges da drüber!” Der in Leder gekleidete Riese droht mit der Nilpferdpeitsche. “Nein, wie schrecklich!” sagt der Kolumnist. Sein Schreibtischstuhl wird herumgerissen, ein schweres Knie bohrt sich in seine Genitalien, die Peitsche drückt ihm die Nasenlöcher zusammen. “Du sollt was Lustiges drüber schreiben!” preßt der Schinder zwischen seinen faulen Zähnen hervor…
So also entstehen die lustigsten Glossen. Ich aber verbittere – als letzten Akt der Opposition gegen meine unnachgiebige Herrin auch schon mal “was Politisches” schreibend.