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November 2006


Am Pariser Flughafen Charles de Gaulle werden neuerdings gezielt muslimische Arbeitskräfte aussortiert. Sie gelten als Sicherheitsrisiko. So ganz falsch ist das ja nicht. Betrachtet man die Statistiken, ist der Moslem an sich Terrorist. Immerhin waren 100% aller Terroristen, die je ein Flugzeug absichtlich in ein Hochhaus steuerten, Moslems. Die Welt wird also sicherer, wenn sie nicht mehr in die Nähe von Flughäfen kommen. Man sollte allerdings nicht bei der einen Maßnahme bleiben. Wie man weiß, müssen Muslime alle Bärte tragen, vor allem die radikalen. Ein generelles Bartverbot in Flugzeugen wäre also angemessen. Wer kein Fanatiker ist, kann auf einen Bart verzichten. Problematisch ist allerdings der rückwärts gewandte Fokus auf den Bereich Flugsicherheit. Der Terrormoslem kann nämlich seine Bomben überall legen. Man sollte also für den Fall, daß er sich in größeren Menschenmengen aufhält, zuvor Leibesvisitaionen durchführen und ansonsten die ohnehin vorhandene Bestrebung unterstützen, daß sie unter sich bleiben. Eigene Stadtteile mit günstigem Wohnraum kann man zur Verfügung stellen, so viel Entgegenkommen sollte dem Westmenschen die Sache wert sein. Auch ist zu überlegen, ähnlich mit Bartträgern zu verfahren. Weitere Indikatoren können in ein solches umfassendes Sicherheitskonzept eingebunden werden. Viele Moslems tragen seltsame Kleidigung. Abgewetzte Anzüge und Mützen etwa muß auch niemand tragen. Eine gute Beobachtungen der Moslemstadtteile kann weiteres zur Sicherheit beitragen. Sollte etwa jemand, der sich im Alltag moslemartig kleidet, dabei beobachtet werden, wie er in größeren Menschenmengen oder Flughäfen moslemuntypisch bekleidet erscheint, ist sofortiger Zugriff angeraten. So kann mit ein wenig Flexibilität und vernünftigen Maßnahmen das Leben wieder viel sicherer werden.

“Wir müssen sehr, sehr wachsam sein”, souffliert Generalbundesanwältin Monika Harms der Kanzlerin, und diese komplettiert als geübte DDR-Bürgerin: “Wir brauchen wachsame Bürgerinnen und Bürger [...] wir brauchen genauso Bürgerinnen und Bürger mit Zivilcourage. Lassen Sie uns alles dafür tun, damit unser Land noch sicherer wird”. Die Zivilcourage des guten Staatsürgers heißt also “Wachsamkeit.” Und nehmen wir ihren letzten Satz wörtlich, so müssen wir zur Kenntnis nehmen: Alles untersteht der Sicherheit. Kann man sich nun wirklich darauf verlassen, daß Frau Merkel nicht weiß, was sie sagt? Reicht es, sich damit zu beruhigen, daß die Stasiphantasien, die da aufleben, sich nur einem Person gewordenen rhetorischen Mißgeschick verdanken? Schützt die Unfähigkeit der Koalition, Gesetzesvorhaben umzusetzen, wirklich vor dem Überwachungsstaat?
Ich würde nicht darauf wetten. Darum ist ihr völlig zuzustimmen: Wir brauchen wachsame Bürger, die sich nicht bespitzeln lassen.

Die FR hat heute zum Thema Mediamarkt und Abmahnungen artikelt. Als Blogger kann man denken: “Reichlich spät”, aber es ist ja nicht schlecht, wenn es weitere Verbreitung findet und sich zeitlich ein wenig streckt. Die Peinlichkeit darf getrost auf mittlerer Flamme weiterköcheln. Der Artikel faßt das Geschehen gekonnt zusammen, nicht ohne den Hinweis darauf, daß Mediamarkt selbst fröhlich gegen das Wettbewerbsrecht verstößt, das ihm ach so heilig ist, und zwar im Einzefall exakt auf dieselbe Weise, die von seinen Filialen abgemahnt wird. Diese unverschämte Heuchelei wird von der Autorin nicht kommentiert, was sehr zu loben ist. Sie wird sich die Unterlippe zerkaut haben. Geschickt plaziert ist auch das Zitat vom Prof. Krebs:
“Statt Bürokratie aufzubauen, haben Marktteilnehmer, die Wettbewerbszentrale, Verbraucherzentralen und Verbände ein Klagerecht”. Die Freigabe der Abmahnung für Jedermann, zum Spaß und mit niederen Motiven verhindert Bürokratie? Ja nee, ist klar!
Der aufmerksame Leser hat Spaß an der Lektüre. So hat die Abmahnwelle doch auch etwas Gutes. Und Mediamarkt? Geht man gern einkaufen, wo das Recht derart gepflegt wird? Die PR-Abteilung kann das sicher erklären, demnächst mit dem Slogan: “Mediamarkt? Ich bin doch nicht saublöd!”

Eine “Studie” zum Rechtsextremismus hat Ergebnisse hervorgebracht, die eifrig publiziert werden. Die FR etwa glaubt feststellen zu dürfen: “Vor allem Westdeutsche haben ein rechtsextremes Weltbild”. Sie kommt dazu, weil sie eine schlampige Untersuchung vereinfachend interpretiert. Ganze 18 Fragen wurden den Probanden gestellt. Zwar rechtfertigen sich die Autoren in schönster geisteswissenschaftlicher Tradition, indem sie nämlich Kollegen zitieren, die behaupten, “3 Fragen je Dimension” seien ausreichend, das aber dokumentiert nur die Naivität solcher Wissenschaftler. Betrachtet man dann die Formulierungen, ist man über kein “Ergebnis” mehr überrascht. Die Fragen sind teils verschachtelt und können bei schnellem lesen leicht mißverstanden werden. Bei 5 Antwortmöglichkeiten schafft man also nachgerade Fakten, wenn 40% der Antworten rechtsextreme Haltungen indizieren.
Vergleicht man diesen Müll mit den “Studien zum autoritären Charakter” (Theodor W. Adorno, stw), bleibt einem die Luft weg. Das Problem besteht allerdings nicht in der Existenz einer Studie, die bald niemand mehr zitieren wird, sondern in einer Medienlanschaft, die Schlamperei geradezu fordert. Eine der Komplexität der Materie angemessene Untersuchung mit weniger spektakulären Ergebnissen ist für den Tagesbetrieb uninteressant. Extreme sind hingegen gefragt, unglaubliche Phänomene. Daß sie mit der Wirklichkeit bestenfalls zufällig noch etwas zu tun haben, ist nicht weiter relevant. Das Größte ist schließlich, daß solche Nachlässigkeit im Endeffekt dazu beiträgt, Rechtsextremismus zu verharmlosen. Es ist nämlich zu einfach und sogar berechtigt, festzustellen: “So schlimm ist es doch noch nicht.”

Vergessen Sie Merkel, setzen Sie keinen Euro auf Kurt Beck oder sonstwen, dem Sie eine Kanzlerschaft zutrauen können wollen, verirren Sie sich nicht in Parteiprogrammen, ignorieren Sie Grundsatzreden zur deutschen Politik, bald ist das Schnee von gestern. Der Klimawandel beschert uns angenehme Temperaturen, eine Mediengroßmacht steht mehrheitlich zum Verkauf, was sollte ihn noch hindern, Deutscher zu werden und aufzuräumen mit dem amatauerhaften Gemauschel der hiesigen Nomenklatura?!
Es muß nicht immer ein Österreicher sein,dem die Massen zujubeln, ein geschniegelter erfahrener Italiener tut’s genau so gut. Zwar haben wir keine Mussolini, aber die NPD ist eh im Aufwind, die Deutschen halten gerade eh nix von Demokratie, dafür aber umso mehr von Tittenfernsehen und einfachen Strukturen. Nicht weniger darf man erwarten, und er wird es uns liefern, einschließlich einer revolutionierten Bundesliga mit FC Gasprom und AC Fininvest an der Spitze und in der Champions League. Jan Ullrich und Ivan Basso dürfen mit heimischer Lizenz an der Tour de France teilnehmen, im Sommer wird gestreikt, bis alle die Nase voll haben vom Urlaub, und überhaupt ist Ars Vivendi angesagt. Freude pur, die durch keinen pseudointellektuellen Nörgler mehr getrübt wird. Pizza gratis, Chianti bis zum Erbrechen und geile Miezen von früh bis spät – Wenn ihr das nicht wollt, Deutsche, seid ihr ein Volk fader intoleranter Eierlöpfe.

Als hätten die U.S.A. nicht schon genug Ärger im Irak, gießt ihr Präsident weiterhin bei jeder Gelegenheit Öl ins Feuer – es ist ja genug da. Im Gegensatz zu den besonnenen Apellen europäischer Regierungen weidet sich der tumbe Texaner an der Todesstrafe für Saddam. Dieser vorzivilisatorische Akt findet Applaus bei Bush, barbarisch liegt ihm halt. Wahrscheinlich wird er sich ein Video davon besorgen. Saddam soll nicht nur hingerichtet werden, sondern ausdrücklich gehängt. Da kann man nur gratulieren, nicht wahr? Uns kann egal sein, ob das nur Dummheit ist oder echte Bosheit. Es ist widerwärtig.

Angesichts der Geschichten um die Entwicklung des Irakkriegs kommmt die Frage auf, wie die Stimmung hierzulande wohl wäre, wenn die Bundeswehr in der Koalition der Willenlosen mitmarschiert wäre. Zur Erinnerung: Stoiber und Merkel balgten sich dereinst um einen warmen Platz hinter dem US-Präsidenten und hätten aus der Dynamik ihres Wahlkampfes heraus “ja” sagen müssen, hätte Bush nach einem Wahlsieg der Union deutsche Truppen angefordert. Die Sache ging bekanntermaßen anders aus.
Inzwischen sind selbst konservative Amerikaner so weit, daß sie den Irrsinn des Kriegs am Golf erkennnen, und sie wollen nichts mehr davon wissen. Deutsche Unionisten haben’s da leichter – Sie können einfach so tun, als hätten sie nichts bemerkt. Erfreut darf man daher zur Kenntnis nehmen, daß die Außenpolitik unter Merkel im Auswärtigen Amt gemacht wird. Die Chefin selbst hält sich weitgehend raus. Vielleicht hat sie ja insgeheim eingesehen, daß sie es nicht kann.

Man muß sich um das deutsche Bildungssystem keine Sorgen machen, so lange solche Koryphäen darüber wachen. Die hessische Kultusministerin Wolff will die Schöpfung im Biologieunterricht behandeln lassen. Kreationismus als Lehrinhalt an deutschen Schulen – das fordert nicht irgend ein Fundamentalist von Opus Dei, donern eine – Hallo! – verantwortliche Ministerin! Entweder hat die CDU sich da entschlossen, mit der Moslembruderschaft um die Wette zu eifern, oder Frau Wolff ist eine radikale Aufklärerin, die mit eisernem Besen säkularisieren will. Das wäre nämlich Effekt, wenn man ihre Idee ganz demokratisch umsetzte, den Blödsinn als Alternative zur Evolutionstheorie anböte und dasselbe Spiel im Religionssunterricht triebe. Keine Zeile aus der Bibel mehr, kein Wort eines Pfarrers oder Religionslehrers, das nicht sofort mit dem aktuellen Stand der Wissenschaft konfrontiert würde. Psychologie, Archäologie, Geschichtswissenschaft, die Naturwissenschaften – wie könnten sie doch den Religionsunterricht bereichern! Damit wäre auch das Ziel erreicht, das Frau Wollf sich gesteckt hat: “die Kinder nicht mit unterschiedlichen Theorien im Biologie- und im Religionsunterricht zu verwirren”. Allerdings bliebe die Schöpfung als Erkenntnis dabei auf der Strecke und würde bald mitsamt des Kreationismus als wüster Geisterglaube belächelt. Keine schlechte Idee.
Sollte Wolff das allerdings ernsthaft anders meinen und wirklich religiösem Firlefanz den Vorrang vor “verwirrenden” Wissenschaften geben wollen, sollte man sie schnellstens befördern – in ein Kloster!

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