Wir hatten bereits eine Diskussion darüber: Die Armen werden aus den Städten verdrängt. Beim Interview mit SpOn macht Hartmut Häußermann Vorschläge, wie man die Bevölkerung nicht völlig auseinander fallen läßt. Wenn es schon nicht aufzuhalten ist, daß eine soziale Säuberung der Städte durch hohe Kosten stattfindet, will er wenigstens die Möglichkeit erhalten, daß Kinder unterschiedlicher Schichten gemeinsam unterrichtet werden. Gemeinsamer Unterricht für die Unterschicht, Teilhabe by bus, sozusagen. Dies wird auf wenig Gegenliebe stoßen, es wäre ein doppelter Affront gegen das Volk der Innenstädte. Wenn schon Kinder, dann all inclusive, erklärt Häußermann:
“Heute haben in jüngeren Haushalten oft beide studiert, der Akademikeranteil bei Frauen ist rasant gestiegen – und die wollen ihre Qualifikationen auch einsetzen. Also fahren zwei Leute ins Büro. Kommen Kinder dazu, wird die Logistik komplizierter: Die Kleinen müssen zur Schule, dann zur Nachhilfe oder zum Ballett. Wenn kein Personal da ist, das das organisiert, ist die Innenstadt der Wohnort der Wahl – deshalb entstehen überall diese familienfreundlichen Townhouses.”
Diese “familienfreundliche” Infrastruktur will er auch dem Prekariat zugänglich machen, freilich nur den Pflichtteil. Beim Ballett werden die hamburgergeschwängerten HartzIV-Würstchen außen vor bleiben. Immerhin dürften sie so ein bißchen nicht ganz so unheile Welt schnuppern.
“Familienfreundlich” ist in diesem Sinne natürlich weit ausgelegt. Double income no kids dürfte die Regel bleiben, ggf. ein Stammhalter oder zwei gut gebürstete Reithof- und Tennisclubsteppkes sind Familie genug, und man muß es auch nicht übertreiben mit dem fortgepflanzten Teil der Städter, sonst wird es nur laut und lästig.
In Potsdam hat das Volk dem ausufernden Kinderwahn just aktiv einen Riegel vorgeschoben. Eine Schule in bester Lage, dazu noch Unterricht in unverständlichen ausländischen Sprachen, das paßt nun einmal nicht zwischen die ehrenwerten Häuser. Ganz konsequent wurde die Schule also abgefackelt – wie schon zuvor der Jugendclub an derselben Stelle. Das Volk greift zu revolutionären Mitteln, die Solidarität ist beispielhaft: Niemand hat etwas gesehen oder gehört. Daß es schon so weit kommt, ist alarmierend, die Innere Sicherheit in Gefahr. Die kulturelle Notwehr der Leistungsträger unterstreicht die Forderung nach mehr Schutz für die Innenstädter. Man muß auf der Hut sein, denn der Pöbel könnte glauben, er hätte nun auch ein Recht auf außergesetzliche Maßnahmen.
Juli 19th, 2008 at 19:30
Unsere sogenannten “Leistungsträger” und deren politische Vertretung im Bundestag werden wohl irgendwann zu der Auffassung gelangen, dass auch unsere Städte im Zuge der innenstädtischen Sozialbereinigung bald nicht mehr ohne “Favelas” auskommen werden.
Natürlich nicht so wie in südamerikanischen Schmelztiegeln, sondern durch separierende großzügige Grüngürtel von den Innenstädten abgegrenzt.