Gerd Nowakowski stellt im Tagesspiegel eine ganz normale Entwicklung vor: Es wird teuer, in der Stadt zu wohnen, und die einheimische Bevölkerung kann sich das nicht leisten. Im Kern ist etwas dran an der Meinung, dergleichen ließe sich nicht aufhalten. Dies unwidersprochen hinzunehmen, kann man freilich von den Betroffenen nicht erwarten, das kann sich allenfalls der überlegene Chronist erlauben, der über den Dingen schwebt und es besser weiß. Dieser wäre, wie Chat Atkins sagt, “Fatalist”.
Ist er aber nicht, weder das eine noch das andere. Er ist vielmehr ein Claqeur der Macht, einer, der zustimmt, um dabei zu sein. Er ist der Herr Schmidt, der alles mitmacht, weil er gern regiert wird und alles gut und richtig findet, was der Zeitgeist ihm zuflüstert.
Der Artikel ist ein Leuchtsignal neoliberaler Unmenschlichkeit, weil er die Wirklichkeit benennt und opportunistisch gutheißt, obwohl ihm die Tragik für die Betroffenen völlig bewußt ist:
Im Trendbezirk Prenzlauer Berg, so sagen Untersuchungen, ist die frühere Bevölkerung nahezu ausgetauscht.”
Es ist wahr, und es ist dramatisch. Hinter diesem Satz verbergen sich tausende von Einzelschicksalen und das Schicksal einer Stadt, die einmal eine von Menschen war und nunmehr eine des Geschäfts ist. Wohin gehen die Leute? Was nehmen sie mit? Was bleibt zurück? Sie müssen nicht um ihr Leben fürchten, trotzdem müssen sie flüchten, vor dem Ruin. Das hätte mich interessiert: Wie sich das Leben verändert, wenn keiner mehr den anderen kennt. Wenn die alten Nachbarn fort sind und der neue aus einer anderen Welt kommt. Nichts dergleichen. Es ist, wie es ist, und das ist auch gut so:
Berlin leuchtet – wer hier investiert und kreativ wird, kann helfen, jene Arbeitsplätze zu schaffen, die Berlin so dringend braucht. Zum Besten der Stadt. Mehr Wohlstand für alle, das wäre ein Schmierstoff gegen soziale Reibungen: ein akzeptabler Preis für Veränderung. Aufzuhalten ist die Entwicklung nicht. Wie in jeder normalen Metropole eben. Daran muss sich Berlin gewöhnen. Es gibt eben kein Recht darauf, im Zentrum zu wohnen.
Nein, es gibt kein Recht, zu wohnen. Es gibt ein Recht, die Heimat von Menschen zu kaufen und sie zu vertreiben. Soziale Reibungen finden da nicht mehr statt, wo sich der Yuppie seine Zweitwohnung leistet. Wo die Menschen hingehen, wird es umso mehr “Reibung” geben und sehr wenig Wohlstand. Aus den Banlieues, die so entstehen, kann derselbe Chronist dann bald fasziniert vom marodierenden Pöbel berichten und seine Wohlstandsthese bestätigt finden.
Nowakoswki spricht tatsächlich von einer Stadt ohne Menschen. Die Straßen und Häuser meint er. Dort verortet er “Soziales”, nicht da, wo die Menschen sind. “Zum Besten der Stadt” meint eine Metropole auf Koks, für die es kein Morgen gibt, weil sie kein Gestern hat. Normal für eine Metropole? Mag sein. Nicht aufzuhalten? Wohl richtig. Aber ein “akzeptabler Preis”? Die Vertriebenen des Kapitals sind ein akzeptabler Preis, weil man sie nicht fragt. Sie sind ein “Preis”, weil sie gehandelt werden wie Stückgut. Wer so etwas “Wohlstand” nennt, ist angekommen. Er empfindet nichts mehr für die Verlierer und hat sich völlig der normativen Kraft der Besitzverhältnisse hingegeben. “Ihr Opfer!” ruft er den Leuten zu, und sein Cabrio sagt: “Eure Armut kotzt mich an”.