strafObdachlose, Zigeuner, Nomaden, keiner will sie haben. Man kennt sie nicht, man will sie nicht kennen, sie gehören nicht dazu. Sie sind verdächtig. Sicher darf man ihnen ein unstetes Verhältnis zu Recht und Eigentum unterstellen. Nicht zufällig wurden und werden sie in unterschiedlichsten Gesellschaften stigmatisiert und oft schon präventiv und für die Sünde ihrer Existenz bestraft. Landstreicherei ist keine Bagatelle.

Nils Minkmar rezensiert bei FAZ.net das Buch von Katja Kullmann: “Echtleben” unter dem gelungenen Titel “Es lohnt sich nicht, fleißig und gebildet zu sein“. Das “kreative Prekariat” schildert die Autorin als ein ebenso rastloses wie oft gescheitertes Strebertum in einem brutalen Kampf um die wenigen Plätze an den Futtertrögen. Hier wird unter anderem ein völlig anderes Bild gezeichnet von selbständigen “Aufstockern” als in der obskuren Kampagne der letzten Woche.

Kreativ, flexibel, arm

Studiert, kreativ, flexibel, arm. Das ist immer öfter das Schicksal jener, die eigentlich allen Anforderungen der angeblichen Leistungsgesellschaft entsprechen. Personal ist halt teuer, ganz allgemein zu teuer. Man kann sich heute kaum mehr etwas anderes leisten als Praktikanten, Leih- Kurz- und Billigarbeiter. Die wissen daher nie, wieviel Monat am Ende des Geldes noch übrig ist. Frau Kullmann schildert ihre Geschichte bis zur finalen Verweigerung und hat sich dafür just den richtigen Verlag gewählt: Eichborn, frisch in Konkurs gegangen.

Das Bild, das sie zeichnet, wird andernorts ergänzt durch eine Studie, die sich mit Menschen befasst, die bereits auf dem Boden aufgeschlagen sind und denen man dasselbe abverlangt wie jenen, die noch fallen: Arbeitslose. Die sollen bekanntlich auf alles verzichten, was die “soziale Hängematte” eben nicht zu bieten hat.

Sie sollen jederzeit überall zu allem bereit sein – und das ohne die Aussicht, ihre Lage könnte sich realistisch bessern. Im Gegenteil befördert aber die erzwungene Unsicherheit dauerhaft Krankheit, Rückzug und weitere Unsicherheit. Die Prozesse werden zwanghaft beschleunigt, was voll zu Lasten nachhaltiger Beschäftigung geht. Der Druck auf Arbeitslose dürfte derart Arbeitslosigkeit sogar schaffen anstatt sie zu mindern.

Landstreicherei, neu definiert

So teilt sich die Gesellschaft der “Leistungsträger” zunehmend in erschöpfte Versager, die ihre noch vorhandene Kraft einsetzen, um die damit verbundenen Demütigungen zu ertragen und gehetzte Jobzigeuner, die sich in der Konkurrenz durchsetzen, eine Weile bleiben und dann weiterziehen, um woanders die Ellbogen auszufahren. Eine Klasse, die wenig Menschliches mehr erkennen lässt. Entwurzelte Leistungsroboter vs. faule Sozialschmarotzer. Darüber erhaben ist nur, wer als unverzichtbar gilt oder das Ganze finanziert.

Konsequent wäre es doch daher, die neoliberale Doktrin vom allseits bereiten Niedriglöhner durch eine strafgesetzliche Regelung zu ergänzen. Anstatt bloß sogenannte “Sanktionen” in Form von Leistungskürzungen auszusprechen, könnte man Landstreicherei neu definieren. Wer arbeitslos ist und kein Land besitzt, macht sich schuldig im Sinne des StGB. Sollte dieser Anreiz durch Freiheitsstrafen allein nicht effizient genug sein, wird man auch das Strafrecht flexibilisieren müssen. In einem globalisierten Wettbewerb ist das alternativlos.