Nein, so rettet man keine Partei, die keinen Sinn mehr hat für die Sorgen ihrer ehemaligen Wähler: Was Sueddeutsche.de heute an Propaganda auffährt, ist so plump, daß es den Agenda-Sozen mehr schaden als nützen wird. Ähnlich wie die “Welt” scheint die SZ zu glauben, wenn man nur lauter trommelt, wird man besser gehört.
Natürlich gehört zur Grundausstattung der Meinungsproduktion ein Artikelchen gegen den bösen Demagogen Lafontaine. Linkisch wird dort eine Reihe moderner Hetzer und Antidemokraten erwähnt, um hernach den Oskar aus der Box springen zu lassen. Wirr werden Argumente aneinandergereiht, Zwiesprech ist der Leitfaden. Eingangs wird die Lage zum “Ende der Weimarer Republik” zitiert (na klar, der Nazi droht auch als Linksfaschist), dann heißt es wiederum: “Auch führt der Blick in die Vergangenheit der Weimarer Republik vermutlich in die Irre.” Wo der Sinn fehlt, herrscht die Assoziation. So funktioniert übrigens Demagogie. Gustav Seibt weiß davon nichts. Er behauptet jenseits jeder Analyse, den Demagogen unterschiede vom bewundernswerten Berufpolitiker, daß dieser seine Affekte beherrsche, während jener die “Wut” in die Politik bringe. Dazu reicht es dann, wenn man behauptet, ein Lafontaine beherrsche seine Affekte nicht und “reize” andere. Diese erschütternde Ahnungslosigkeit erspart dem Autor ebenso das Denken wie seiner Leserschaft. Die rhetorischen Mittel, die Feindbilder und das Spiel mit den Assoziationen, das echte Demagogen treiben, wird nicht weiter betrachtet, und das obwohl Seibt einige dieser Stilmittel selbt im Zusammenhang mit den Kaczynskis erwähnt. Das Praktische an der Verkürzung der Demagogie auf den Affekt ist die Willkür, mit dem man dem einen “Beherrschung” und dem anderen “Affekt” unterstellen kann. Man denke nur an Auftritte Schröders oder Kohls, von Strauß oder Wehner eimal ganz zu schweigen. Alles Demagogen? Nein, denn sie waren in den “richtigen” Parteien, denen mit dem Demokratie-Gütesiegel. So lange Lafontaine in der SPD war und Schröders Kanzlerschaft vorbereitet hat, war er auch noch ein Good Guy. Man sieht es halt, wie man es sehen will.
Zur Vervollständigung des durchschaubaren Laienspiels erscheint ebenfalls heute eine Lobhudelei über Steinmeier von Bernd Oswald, die perfekte Schnittstellen zur Propaganda gegen die LINKE aufweist. Der rhetorische Stil der Redner wird unerwähnt verglichen, was bei Lafontaine “Wut” ist heißt bei Steinmeier “mitreißend“, was jenen zum “Demagogen” macht, läßt diesen “Siegertyp” sein. Wo der Böse die Leute “anherrscht“, macht’s der Gute “wie ein heiserer Schröder“:
Oft presst Steinmeier die Worte mehr hervor, als dass er sie artikuliert.”
Um diesen tendenziösen Mist zu entlarven, reicht es tatsächlich aus, die Adjektive zu sammeln, mit denen die Arbeit eines Redners beschrieben wird. Es ist austauschbar, der Effekt ist beabsichtigt. Sie meinen es gut mit dem, was von der SPD übrig ist und treiben sie doch nur weiter in den Ruin. Seibt legt sein Glaubensbekenntnis gleich eingangs ab:
dass die Linkspartei zu einer dauerhaften Kraft in allen Landesteilen wird” hält er für eine übermäßig dramatisierte Möglichkeit.
Die bräsige Propaganda, die aus dieser Weltsicht resultiert, kann niemand mehr hören – schon gar nicht jemand, dem es um soziale Gerechtigkeit zu tun ist. Menschen, die ihre SPD nicht wiedererkennen, wenden sich angeekelt ab. “Journalismus” solcher Art verstärkt diesen Trend nur.