Trostpflaster oder Klatsche?
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08. Mai 2008 0:40
Ein “Trostpflaster” für das Parlament sieht Heribert Prantl im jüngsten Gerichtsentscheid des BVerfG zu den Tornado-Einsätzen in Afghanistan. Die Richter haben sich viel zu viel Zeit gelassen und hätten schon 2003 per einstweiliger Anordnung dem Parlamentsvorbehalt Geltung verschaffen müssen.
Daß sich seitdem die Regierungen ermächtigt fühlen, nach Gusto an der Verfassung vorbei zu wurschteln, mag auch den Karlsruher Richtern anzulasten sein. Sie haben sich aber auch in der damals quasi unentschiedenen Frage nunmehr eindeutig positioniert. Dies ist nicht nur einfach “Klarheit für die Zukunft“, sondern bereits in der drängenden aktuellen Debatte eine Klatsche für die militanten Innen-und Außenpolitiker und ihre Pläne zum “Nationalen Sicherheitsrat”. Diese sind damit de jure vom Tisch, auch wenn die Protagonisten des Terroralarms dies nicht wahrhaben wollen.
Es mag sein, daß bei Entscheidungen zu militärischen Fragen “stets die normative Kraft des Faktischen auf dem Parlament lasten [wird]: Der Druck der Bündnispartner, der drohende außenpolitische Gesichtsverlust, das angebliche Scheitern der kompletten Militär-Mission“, aber diejenigen, die das Parlament eben nicht bloß als Abnickbude der Regierungsentscheidungen betrachten, haben damit die besseren Karten. Ich weiß nicht, wie das makabre Spiel ausgehen wird, aber dereinst wird das Bundesverfassungsgericht fraglos als die starke Säule der Demokratie in schweren Zeiten angesehen werden. Auch, wenn sie allein nicht tragen mag – den Richtern gebührt tiefer Dank dafür, daß sie den Job machen, für den eigentlich andere ihren Amtseid geleistet haben.
Mai 8th, 2008 at 11:36
Wenn das Bundesverfassungsgericht “die” starke Säule in der Demokratie der heutigen Bundesrepublik Deutschland geworden sein sollte, so zeigt dies nur, auf welch schwachen Füßen die Volksherrschaft bereits steht. Wenn sie sich nämlich (nur noch) als “Richter-Demokratie”, was schon einen Widerspruch in sich bedeutet, dereinst behaupten kann und muß. “Gute” verfassungstreue Richter sind überdies keine unabänderliche Naturgegebenheit, sondern von den politischen Parteien auf Zeit bestellte Hüter der Verfassung im Namen des Volkes. Diese Auswahl kann auch “ungut” ausfallen.
Selbst wenn die Pläne zu einem Nationalen Sicherheitsrat “de jure” vom Tisch sind, bedeutet dies keineswegs, daß damit keine Gefahr mehr in Verzug ist für die freiheitliche und demokratische Verfassung unseres Landes. Die interessierten Kreise der militanten Innen- und Außenpolitiker basteln immerfort an Plänen der Verwässerung und Umgehung der rechtsstaatlich vorgesehenen grundgesetzlichen Hürden. An diese reaktionäre Vorstellungswelt angepaßte Verfassungsänderungen und “Enttabuisierungen des Parlamentsvorbehalts” sowie die auf uns zukommenden Unwägbarkeiten des EU-Reformvertrages lassen vor allzu großer Euphorie über das begrüßenswerte Urteil des Bundesverfassungsgerichts aber warnen.
Mai 8th, 2008 at 11:57
kann markus nur zustimmen. für mich ist erschreckend, wenn zwischen recht und regierung nur noch das verfassungsgericht steht. an den “eingesammelten” gesetzen der letzten jahre sieht man ja, wie die regierung getreu dem grundsatz “versuch und wirkung” austestet, wie weit es geht und ob jemand klagt. was ist, wenn der stete tropfen den stein denn mal gehöhlt hat…?
was mich eigentlich mal interessiert in dem zusammenhang: jeder kleine raser kriegt ein knöllchen. mutwillige grundgesetzverletzer – was kriegen die eigentlich?
Mai 8th, 2008 at 21:25
Gute Frage. Die Strafe für Meineid ist ja durchaus wirksam, wenn es darum geht, daß Zeugen die Wahrheit sagen. Geht es aber um Regierungsgeschäfte, wird ein nur symbolischer Eid heruntergeleihert, über den sich die Damen und Herren Minister wohl heimlich halbtot lachen. Was hat ein Kanzler zu fürchten, der sich ganz offen von “lupenreinen Demokraten” kaufen läßt? Die Großen läßt man laufen, übrigens nicht nur hier. Ob in den USA, Italien oder Israel, überall finden sich Drecksäcke in Amtspositionen, denen kein Geschäft zu korrupt ist und kein Verbrechen zu niederträchtig. Abwählen ist die Höchststrafe.