Weltrevolution gegen den Neoliberalismus?
Posted by flatter under Politik[37] Comments
27. Feb 2011 20:45
Bei Al Jazeera findet sich ein höchst interessanter Artikel zu den Aufständen in Nordafrika, der von einer “Revolution gegen den Neoliberalismus” spricht. Als ich von einem “islamischen Sozialismus” fabulierte, hielt ich das eher für eine fixe Idee, tatsächlich aber gibt es wohl Anzeichen für eine Opposition zum Kapitalismus aktueller Prägung, die eine wichtige Rolle spielt im Kampf gegen die Despoten.
Der unter dem Namen “Abu Atris” firmierende Autor stellt fest, dass in Tunesien und Ägypten neoliberale Regime weggefegt worden sind und kommt zu dem Schluss:
“Soziale Medien mögen geholfen haben, den Kern der Bewegung zu organisieren, die letztendlich Mubarak gestürzt hat, aber ein gewichtiger Teil dessen, was genügend Leute auf die Straße brachte, um schließlich die staatlichen Sicherheitskräfte zu überwältigen, waren wirtschaftliche Mißstände, die dem Neoliberalismus zueigen sind.”
Er beschreibt die Beschaffenheit der ägyptischen Ökonomie, die nicht allein Mubarak die Möglichkeit gegeben hat, sich zu bereichern. Es werden Vorgänge beschrieben, die wir auch hier kennen: Einerseits gibt es “private” Profiteure, die zu ungeheurem Reichtum kommen, andererseits werden ‘Staatsdiener’, in dem Fall Spitzenkräfte der Armee, nach kurzer Dienstzeit auf lukrativere Posten verschoben.
Spielarten des Unrechts
Die Grenze zwischen Staat und Wirtschaft verschwimmt. In Ägypten hält das Militär offenbar selbst zivile Wirtschaftsbetriebe. (Um den IWF-Vorgaben zu genügen, die eine Begrenzung des zivilen Öffentlichen Sektors verlangen, wurden sie halt dem Militär zugerechnet.) Es zirkulieren aber auch verdiente ‘Experten’ des Militärs in privaten Firmen, die nicht zuletzt dafür sorgen, dass amerikanische Subventionen und Investitionen wiederum der US-Wirtschaft zugute kommen. Staatseigentum wurde privatisiert und den bereits gut betuchten Eliten weit unter Marktwert verkauft. Die ‘Staatsquote’ wurde nicht verringert, aber immer weniger davon kommt den Armen zugute.
Dies alles ist völlig legal und gilt keineswegs als “Korruption”, und wen das an gewisse Verstrickungen westlicher Politiker mit Rüstungs- Energie- und Finanzkonzernen erinnert, der ist wohl auf dem richtigen Weg.
Die Revolten Nordafrikas zeigen, dass “Marktwirtschaft” weder Frieden, noch Demokratie oder Freiheit bringt. Sie hilft nicht gegen Zensur, Folter oder Mord. Im Gegenteil ist sie in ihrer neoliberalen Ausprägung obendrein dazu geeignet, die sozialen Unterschiede rapide zu vergrößern und den bestehenden Spielarten des Unrechts eine weitere hinzu zu fügen.
Die Ungerechtigkeit besteht dabei nicht zuletzt darin, dass die Radikalität, mit der ein sich überlassender “Markt” gepredigt wird, sich so nirgends einstellt. Die Armen werden tatsächlich einem Markt überlassen, zu dem sie keinen Zutritt haben. Das heißt: Der Staat lässt sie im Stich und zieht sich sogar noch aus der notwendigen Herstellung der Infrastruktur zurück. Selbst das Nötigste muss man sich leisten können. Schlank macht es ihn dabei freilich nicht: Um die Machtstrukturen zu erhalten, wird fleißig alimentiert, wer sich dem System andient.
Wenn woanders alles schiefgeht, werden Schulden in Billionenhöhe aufgenommen, um ein irrsinniges Bankensystem aufrecht zu erhalten – während die Sozialversicherungen ebtweder gar nicht vorhanden sind, ausgetrocknet oder privaten Kapitalsgesellschaften überlassen werden, gerät der Staat selbst zur Gratis-Versicherung der Großkonzerne.
Blutspuren
Die Strukturen sind vergleichbar, allerdings bedeutet Armut in Ägypten, dass ein Fünftel der Bevölkerung weniger als 2$ täglich zur Verfügung hat. Da müssen hierzulande die Lebensmittelpreise noch kräftig steigen, um dieselben Verhältnisse auch gefühlt zu etablieren. Eine allerdings nicht völlig unrealistische Vorstellung.
Ich habe schon in den bisherigen Artikeln zum Thema angedeutet, wie lächerlich angesichts dessen das Schreckgespenst des “Sozialismus” wirkt, dessen “Blutspur” hier ernsthaft in die Debatte gebracht wird. Guido Westerwelle ist dabei einer derjenigen, die nie ohne den Spuk des “Kommunismus” auskommen, um die brutale Wirklichkeit des Neoliberalismus alternativlos wirken zu lassen. So oft sieht sonst nur einer diesen Spuk: Silvio Berlusconi. Ein Feindbild muss her, egal woher. Revolutionsopfer Ghaddafi beschwört derweil Al Qaida, die an allem Schuld sei. Dies ist nicht ganz zufällig die Gesellschaft, die derzeit den Anschluss an die Realität gänzlich verpasst und sich in Ammenmärchen flüchtet.
Das weitreichende Schweigen über die politischen Zustände in Nordafrika, die Ratlosigkeit und die hilflos-rituellen Reaktionen zeigen noch keine Anzeichen von der Angst, es könnte denselben woanders – nämlich hier – genauso gehen. Dass niemand das hat kommen sehen, sich keine Erklärung für den Flächenband finden will und nicht einmal ein passables Feindbild zur Hand ist, deutet allerdings darauf hin: Die sind genau wie wir. Einige wenige sind oben, die anderen sind unten und ein paar als Kitt dazwischen. Allmählich spricht sich herum, dass das nicht gottgegeben ist.
Februar 27th, 2011 at 20:59
Ich denke der Neoliberalismus fördert die Überbevölkerung.
Der nahe Osten ist voller archäologischer Geschichten, über ökologische Katastrophen und biblische Genozide.
Archäologie kann uns viel zur nachhaltigen Bewirtschaftung erzählen. Und wie man es nicht machen sollte.
Legt die Demokratie Kondome in die Hände arabischer Männer?
Oder werden die letzten Ressourcen in den arabischen Ländern nur eher unwiederbringlich zerstört?
Februar 27th, 2011 at 23:25
In Klischees denken, bringt nichts. neoliberal ist eben korporatistisch (bzw. faschistisch), eben die zusammenarbeit von kapital, militär, industrie und politik.
der markt an sich bedeutet noch nicht per se recht des stärkeren und ungerechtigkeit.
die idee des staatlich gezähmten freien marktes ist m. E. leider die einzige variante, die sich mit persönlicher, wirtschaftlicher, intellektuelle und politischer freiheit verträgt.
die banker müssen an die leine. militär und industrie auch. politiker, die die leine halten, gehören kontrolliert und sind uns verantwortlich.
auf westerwelle passt auch die vokabel neoliberal nicht. der mann ist karrierist in einer etwas abgehalfterten vertreter-partei des liberalismus. ich erinnere an leute wie Baum et al., die für mich echte liberale politik verkörpern.
neoliberal ist die gruppe cheney/rumsfeld/bush. das ist ein unterschied.
Februar 27th, 2011 at 23:51
Ein utopisches Gedankenspiel:
Heute wird über die Festung Europa als Bollwerk gegen afrikanische Flüchtlingsströme beraten, die auf Nußschalen in ein besseres Morgen schwimmen wollen. Schnellboote und eine Mittelmeerunion seien nötig, da Multikulti erwiesenermaßen tot ist und Deutschland sich abschafft (vgl. Bestsellerexperte T.S., Klaustrophobie – Wie scheiße ich mir selbst ins Hirn?, 2010).
Morgen zeigt der Stacheldraht nach innen und es werden nur noch Greise in Europa festgehalten, die trotz Hartz10, RTL, Soylent Green und der mageren Streubombenrendite von Riester nicht mehr den Schlund der Ackermänner füllen können und wollen. Für die Wirtschaftsweisen unverhofft steht der Neoliberalismus einem System in Konkurrenz gegenüber, welches auf Solidarität und Gerechtigkeit setzt (vgl. Mohammed und Jesus, islamisches Urchristentum – hier haste auch was!, 2060). Wettbewerb der Systeme “reloaded” als ausgleichende Gerechtigkeit. Eine Mauer um die Festung Europa steht dann zumindest schon, die Afrikaner vor graueuropäischen Exilanten schützt.
Februar 28th, 2011 at 00:13
@wagener: Das wohl wichtigste Kernelemet dessen, was ich als “Neoliberalismus” bezeichne, ist das Ausschalten der Kontrolle durch die Öffentlichkeit bzw. demokratische Institutionen. Die akademische Frage, ob und wie der Markt gezähmt werden kann, ist so lange unerheblich, wie der Spuk wirkt, solche Kontrolle sei sozialistische Unfreiheit, die noch immer als “Blutspur” verkauft wird. Staatliche Institutionen als Handlanger einer Oberschicht, der Filz von Profiteuren in Wirtschaft und Bürokratie, das prägte den im Stalinismus wurzelden ‘Realsozialismus’ genauso wie den losgelassenen Kapitalismus. Wie “liberal” das ist, weiß jeder, der in solchen Systemen nicht mitmarschiert.
Februar 28th, 2011 at 04:28
Diese Zusammenarbeit (kapital/militär/industrie/abhängige politik) ist in meinen Augen so fatal, weil bereits über die Jahre ab adsurdum durchstrukturiert. Da läuft alles wie geschmiert, optimal vom feinsten, bloss weiss selbst von den Involvierten keiner mehr wofür und warum – mit welchem Ziel – man in diese Richtung weitermacht.
Nehmen wir mal die Leute, die nicht mehr mitmachen wollen als Teil im Gesamtpuzzel des Systems.
https://www.bildblog.de/28264/wir-sind-helden-wollen-nicht-fuer-bild-werben/
Dieses Blatt ist es nicht mal wert, als vierlagige Sonderausgabe zum Hinternputzen bereit zu liegen.
Trotzdem existieren die. Warum?
Herr, warum?!
… weil die Spacken einen Scheiß Unterhaltungswert haben! Schnulze Doof Normalbürger hat zwar kaum Hirn im Schädel, selbiges dürstet jedoch nach Zerstreuung. Statt das mit einer Streubombe zu zerledigen, zieht man sich halt das Schandblatt rein.
Februar 28th, 2011 at 08:30
Doch, bei uns ist die Entwicklung hin zu breiter Armut auch möglich. In meinem Beruf z.B. werden heute in etwa die Gehälter von 1995 gezahlt. Konnte ich Anfang der 90er noch richtig gut davon leben, ist es inzwischen etwas schwieriger, so erhielt ich 2007 immer noch nur 8,75 € brutto pro Stunde. Dafür ist die Tätigkeit immer mehr verdichtet worden und wird von den meisten Kolleginnen inzwischen im Laufschritt erledigt.
Auch in anderen Branchen sind die Gehälter in den letzen Jahren real kaum gestiegen. Zwar sind dafür Computer billiger, aber die kann man ja weder essen noch sind sie Verkehrsmittel.
Die nächste Runde ist eingeläutet, die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU. Ich höre schon die Begründungen der Arbeitgeber, weshalb auch diesmal “kein Spielraum für Erhöhungen der Löhne und Gehälter vorhanden” ist.
Vielleicht holen auch die Afrikaner für uns die Kastanien aus dem Feuer und machen den entsprechenden Geldsäcken und ihren Politikern genug Angst, wie ein Aufstand hier wohl aussähe und endete, aber bis jetzt habe ich den Eindruck, es wird aber auch jeder Cent als verloren betrachtet, der in das Stillhalteabkommen Hartz IV fließt.
Ich glaube nicht, das der Neoliberalismus an den Aufständen in Afrika zugrunde geht, m. E. wird es zu einem regelrechten wirtschaftlichen Zusammenbruch bisher nicht gekannten Ausmaßes kommen, all die Blasen sind ja nur geflickt worden. Und dann wird man sehen.
Februar 28th, 2011 at 09:10
Die Analyse, dass der (“schlanke”) Staat nur noch existiert, um als Gratisversicherung für Banker und andere asoziale Eliten zu fungieren, trifft den Nagel auf den Kopf! Dankeschön.
Februar 28th, 2011 at 10:19
Genauso wie im Artikel sehe ich das auch. Ich denke das Ding ist noch nicht durch und es werden immer mehr Länder angesteckt.
Die Frage ist, ob bei uns die kritische Masse erreicht ist. Ich denke 30% der Leute müssen raffen was abgeht und damit nicht zu frieden sein, dann gehts los.
Sind es 30% in diesem Land, oder weniger. Wenn man die Nichtwähler Zahlen sieht, glaube ich stehen wir kurz davor.
Wenn ich sehe was für ein Murks beschlossen wird beim H4 Thema wird mir schlecht. Im gleichen Atemzug fordert der Arbeitgeberverband weitere Subventionen für die AG und Kürzungen für die AN und der Wirtschaftflügel der CDU fordert irgendwelche Sachen die völlig an der Realität der Probleme in unserem Land vorbeigeht.
Dann denke ich das ist an Dreistigkeit kaum noch zu überbieten und das begreifen viele Leute.
Februar 28th, 2011 at 10:20
da stimmt aber auch gar nix. Das sind wohl die Träume eines gescheiterten arabischen “Linken”. Zur Erinnerung: Syrien ist eine sozialistische Volksrepublik (eigentlich Räterepublik), Tunesien und Ägypten sind erst neulichh von der “Sozialistischen Internationale” ausgeschlossen worden. Hahaha ;-)
Februar 28th, 2011 at 10:47
als Lektüre möchte ich auch Matt Taibbis Veranschaulichung der Verfilzung zwischen ‘Staat’ und ‘Markt’ empfehlen, wenn die staatlichen Institutionen, die im öffentlichen Auftrag den ‘freien Markt’ kontrollieren sollten, zu dessen Instrument werden
“Why Isn’t Wall Street in Jail?
Financial crooks brought down the world’s economy — but the feds are doing more to protect them than to prosecute them”
https://www.rollingstone.com/politics/news/why-isnt-wall-street-in-jail-20110216
Februar 28th, 2011 at 10:58
noch ein Hinweis
“Capital as Power: Toward a New Cosmology of Capitalism”
https://bnarchives.yorku.ca/285/
Februar 28th, 2011 at 11:07
@Frank (9):
Wie ich im Kommentar 4 schon schrieb, ist das Prinzip kein Alleinstellungsmerkmal des Neoliberalismus. Es muss auch nicht auf jede Revolte passen. Der Neolib ist eine Spielart des Kapitalismus, womit er schon mal sämtliche Probleme des letzteren mit sich bringt. Er ist aber auch eine besonders verbohrte Ideologie, die unabhängig von jeder Wirklichkeit stets mehr von selben fordert und jeden Ausgleich negiert. Das macht ihn besonders ungerecht und unmenschlich.
Die Sache mit dem sogenannten “Sozialismus” solltet ihr derweil vergessen, der steht ja sogar bei der neoliberalen SPD im Parteiprogramm.
[edit:] Ich muss da noch mal nachlegen: Ich bin schon erstaunt, wie oft ich höre, Ägypten sei “sozialistisch” (gewesen). Mubaraks Rafffkediktatur war Sozialismus? Was war daran sozialistisch? Warum höre ich eigentlich aus der Ecke, die so argumentiert, nie, dass die DDR eine Demokratie war? Die hieß doch auch ausdrücklich so. Schließlich: Wie der verlinkte Artikel darlegt, waren es ausgeprochen neoliberale Maßnahmen (sog. “Reformen”), die die Kluft zwischen arm und reich noch einmal vergrößerten. (Sozialismus schließt so etwas systembedingt aus). Das sei ein Hauptgrund für die Menschen gewesen, auf die Straße zu gehen.
Februar 28th, 2011 at 11:15
Die Lebensmittelpreise galoppieren auch in Deutschland.
Sie sind in den letzten 6 Monaten im Schnitt um 7% gestiegen.
Werden wir Kochtöpfe schlagende Hausfrauen vor den Rathäusern sehen?
Februar 28th, 2011 at 12:06
Sehr schöner Artikel, flatter!
Endlich steigt hier mal jemand nicht auf die durch´s Dorf gettriebene Sau auf!
Februar 28th, 2011 at 12:25
@ flatter
nach dem WW2 haben etwa 60 Staaten “Sozialismus” in jeglicher Form ausprobiert. europisch, arabisch, asiatisch oder amerikanisch. Wenn es nicht schon mit einer Diktatur begann, so endete es in jedem Fall in einer. Bisher hat es nirgendwo funktioniert, hat aber zigMillionen Tote gekostet.
Februar 28th, 2011 at 13:49
perfide und pervers ist es andererseits, wenn über die ‘zigMillionen Tote’ des konkurrierenden Systems – ob es sich bei zumeist staatskapitalistischen Systemen wirklich um alternative Systeme handelte, sei jetzt dahingestellt – die ‘zigMillionen Tote’, die tagtägliche Ausplünderung von noch mehr Millionen, die Zerstörung der Umwelt usw im real existierenden Kapitalismus vergessen, verdrängt und akzeptiert werden.
In dieser Dokumentation wird diese Hypokrisie veranschaulicht: Zu der Zeit, in der sich die westliche Öffentlichkeit über die Greuel der Roten Khmer genüßlich langatmig empörte, übten die indonesischen Verbündeten des Westens ein Genozid in Osttimor aus, über das niemand sprach
“Manufacturing Consent: Noam Chomsky and the Media”
https://www.archive.org/details/manufacturing_consent
Februar 28th, 2011 at 14:19
zu 15. “-zig Millionen Totte …”= millionenfacher Schwachsinn, Extrem-Schwachmaten nachgeplappert.
Februar 28th, 2011 at 14:22
zu 17. da ist natürlich von “Toten” die Rede, nicht von Totten. Sorry.
Februar 28th, 2011 at 15:03
@Frank
Und vor dem WW2 hat die Weimarer Repuplik schon mal ne hardcore Variante des Kapitalismus ausprobiert, zu was hat das nochmal geführt? Um es mal ohne Scheuklappen zu sagen. Es gab noch KEINE Wirtschafts- und Staatsform, die es geschafft hat dem Grossteil der Bevölkerung Wohlstand zu erschaffen und faire Ressourcenverteilung mit Stabilität, Umweltschutz, Nachhaltigkeit, etc… zu bieten.
Ob dies rein der theoretischen Natur anzukreiden gilt, dass sich noch niemand ein geniales System ausgedacht und umgesetzt hat oder es zwangsläufig immer an der Praxis scheitert, weil wir Menschen einfach geistig nicht fähig dazu sind und lieber niederen Instikten wie Gier folgen, kann ich nicht beantworten. Ich vermute die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Schliesslich muss man die Theorie dann auch rigoros umsetzen und nicht erlauben, dass sich z.B. “Eliten” ausserhalb/oberhalb der Gesetze bewegen und Prinzipien zu verwerfen (wie diese doofen, nervigen GG), weil es Geld/Macht bringt.
Nur weil Deutschland sich “Demokratie” aufs Etikett geschrieben hat, muss es nicht zwingend auch drin sein. Diese ganzen positiven Priviliegien wie einer der besten Gesundheitssysteme und Sozial- sowie Rentenpolitik, die wir uns über Jahre in der BRD erarbeitet haben, werden jetzt nur noch als “Kostenfaktor” und Untergang des Abendlandes postuliert.
So ist das halt wenn man sich in extreme Ideologien verheddert und da ist weder Sozialismus noch der neoliberale Kapitalismus das Gelbe vom Ei. Wenn man aber das jetzige System in Deutschland nicht kritisieren soll/darf, es als “alternativlos” hinstellt und alle anderen sowieso nur Kommunisten und Sozialisten sind, was bitte unterscheidet uns dann von einer DDR (nur eben mit einem Demokratie/Kapitalismus Stempel)? Noch sind die Schmerzen gering. Da Ideologien immer langsam bröckeln wird es noch gute 20-30 Jahre dauern, bis wir hier langsam aufwachen und genug Menschen soviele Schmerzen haben, dass sie wieder auf die Straße gehen. Schade, dass wir nicht früher handeln und den Weg immer erst, wie früher auch schon, bis zum bitteren Ende gehen müssen.
Februar 28th, 2011 at 16:12
@Frank: Ja in der Tat bleiben da 140 Staaten, die sich nicht einmal “sozialistisch” nannten und den Rest besorgt haben. “Zig Millionen” scheint mir übrigens recht hoch gegriffen, und es ist doch äußerst seltsam, dass du gerade am Ende der Naziherrschaft ansetzt. Zählt die nicht? Oder waren die auch “soizalistisch”?
Kommt mal aus den Gräben raus, hängt euch nicht an den Bezeichnungen auf. Was die Reichen und Mächtigen da derzeit rund um den Erdball treiben, ist fatal. Das kann nicht so weitergehen. Ich nenne das “Neoliberalismus”, gebt dem meinetwegen einen anderen Namen, wenn einer besser passt.
Und wenn ich in dem Zusammenhang “sozialistisch” sage, dann meine ich keine Dikrtatur, die mit kapitalsitsichen Mördern gemeinsame Sache macht, sondern das Gegenteil: Ein auf Solidarität beruhendes System, das dem Markt Grenzen setzt und weitegehend frei von ideologischen Dogmen ist. ich bleibe da stur sozialliberal. Wer über etwas anderes diskutieren möchte, diskutiert nicht mit mir.
Februar 28th, 2011 at 16:38
@ flatter,
ich habe deswegen erst ab ´45 angefangen, weil es vorher nur die UdSSR gab. Mit dem Sozialismus ist es wie mit der Religion. Gut gemeint, viele engagierte Leute aber trotzdem kommen immer die an die Macht, die das Gegenteil praktizieren. Von daher bin ich sehr skeptisch, wenn Leute von einer “besseren Welt” im Diesseits oder Jenseits reden.
Februar 28th, 2011 at 16:44
“Dass niemand das hat kommen sehen, sich keine Erklärung für den Flächenband finden will und nicht einmal ein passables Feindbild zur Hand ist, deutet allerdings darauf hin: Die sind genau wie wir.”
Erstmal 99 Punkte bzw ein Tauchsieder für die diversen ‘Dienste’. Offensichtlich wurde die ganze Kanaille hier wie dort kalt erwischt. Und Griechenland sieht im Moment tatsächlich auch schon so aus, als stünde es kurz vor Tunesien… Wie ‘wir’ (Deutschen) sind allerdings weder die einen noch die naderen, sondern eher die notwendige Kehrseite der Exportweltmeisterei – auf Import getrimmt, zu einem anderen Schaden der heimischen Wirtschaft, mit allerdings ganz ähnlichen Auswirkungen auf den gemeinen Arbeitnehmer.
“Ich bleibe da stur sozialliberal. Wer über etwas anderes diskutieren möchte, diskutiert nicht mit mir.”
Der Haken ist nur – das kann und wird auch nicht mehr funktionieren. Die Produktivität macht uns den Garaus, und das Wachstum kann’s nicht mehr richten. Volker Pispers bspw hat das in seinem neulichen Programm auch sehr schön ausgeführt. Es klappt also schlicht nicht mehr mit der gewinnorientierten Verwertung der Arbeitskraft. Auch in einem ‘sozialliberalen’ Kapitalismus nicht. Darüber werde ich dann wohl auch nicht mit dir diskutieren… ;)
Februar 28th, 2011 at 17:12
@Peinhart: Wer sagt, dass ich Kapitalist bin? Der Kapitalismus kann übrigens evident funktionieren, unter bestimmten Voraussetzungen. Dazu gehört, dass die Markttreibenden daran glauben, dass er funktioniert. Dazu gehören “Krisen”, nach denen mal das Rad auf Null gestellt werden muss, und dann fängt das von vorn an. q.e.d. Natürlich ist das ziemlich schräge, aber es funktioniert jeweils eine Zeitlang. Ich bin da durchaus für eine klügere Altenative zu haben.
“Liberal” hat nix mit Kapitalismus zu tun, sondern mit Freiheit, die im Gesellschaftsentwurf und ihrer Wirklichkeit eine wichtige Rolle zu spielen hat. Der Kapitalismus ist nicht liberal. Er kippt ja immer wieder in jammervolle Unfreiheit um. “Neoliberalismus”, ja ja, ist schon als Begriff eine Lüge. Das macht ihn für mich nicht minder attraktiv.
Und für euch alle, Antikapitalisten und Antisozialisten: Schaut man in die Geschichte, stellt man fest: Gesellschaft funktioniert dauerhaft gar nicht, Menschheit funktioniert immer nur auf Zeit. Hält mich aber nicht davon ab, nach dem Optimum zu suchen und den derzeit aktiven Irrsinn als das zu sehen, was er ist.
Februar 28th, 2011 at 19:04
Kleine VT:
Vielleicht bauschen die jetzt diese Guttenbergsache so auf, um von einer “nordafrikanischen Lösung” abzulenken.
Aber wozu?
“Wir” sind kein wir.
Wir sind gespalten, alt, gekauft, berieselt, halten uns für etwas besseres.
Auf der Straße könnten uns Nachbarn oder Chef oder Fallmanager entdecken.
Nee, nee, nee…
;)
Februar 28th, 2011 at 20:22
Zitat
“Die Revolten Nordafrikas zeigen, dass “Marktwirtschaft” weder Frieden, noch Demokratie oder Freiheit bringt. Sie hilft nicht gegen Zensur, Folter oder Mord. Im Gegenteil ist sie in ihrer neoliberalen Ausprägung obendrein dazu geeignet, die sozialen Unterschiede rapide zu vergrößern und den bestehenden Spielarten des Unrechts eine weitere hinzu zu fügen.” Zitat Ende
Ich bezweifle, dass es in einer Diktatur eine freie Marktwirtschaft geben kann. Es ist doch wohl eher so, dass es ohne Demokratie keine Marktwirtschaft geben kann.
Insoweit geht obige Aussage völlig ins Leere.
Februar 28th, 2011 at 21:43
@flatter:
“Gesellschaft funktioniert dauerhaft gar nicht, Menschheit funktioniert immer nur auf Zeit. Hält mich aber nicht davon ab, nach dem Optimum zu suchen”
Kommt dir das nicht selbst widersprüchlich vor? Du suchst nach einem Optimum? Das Ende der Geschichte währte gerade mal 5 Minuten.
Du sehnst dich nach etwas Statischem und vergißt dabei völlig die Dynamik, die in der Geschichte steckt. Systeme ändern sich. Was will uns das sagen?
Februar 28th, 2011 at 22:27
@batrat:
“Es ist doch wohl eher so, dass es ohne Demokratie keine Marktwirtschaft geben kann.” Wer sagt das? Warum soll das so sein? Chile unter Pinochet, Argentitnien unter der Junta, das 3. Reich – alles Demokratien?
Februar 28th, 2011 at 22:31
@Linus: Wie meinen? Das Optimum ist das Beste, was man hinkriegt. Das impliziert absolut die Möglichkeit des Besseren. Es verlangt aber keine Perfektion oder behauptet, diese erreicht zu haben. Nach dem Optimum zu streben, heißt vielmehr stetige Veränderung zu ermöglichen und nicht in Dogmen zu verfallen.
Februar 28th, 2011 at 23:15
@Frank, ist das was er da beschreibt, nicht ein Problem der Menschen ? So nebenbei, Kapitalismus die letzten 100 Jahre locker 80 Mill. Tote, Stalin in Glanzzeiten hat die Million nur knapp vollgekriegt. Es ist nicht das Problem der Ismen. Völlig egal wie die Namen lauten, auf die Menschen kommt es an.
@Flatter
->Gesellschaft funktioniert dauerhaft gar nicht, Menschheit funktioniert immer nur auf Zeit.
Naja, die bisherigen waren da eher kurzweilig, möglicherweise lassen die Randbedingungen zuviel Aussschweifungen zu. So wie das aussieht, justieren sich die Randbedingungen ja gerade neu. ;-)
Mal schauen, wie es aussieht, wenn’s Fressen hier den viertel-Monatslohn verspeist….
Februar 28th, 2011 at 23:18
Moin,
hat nicht schon der alte Hayek gesagt: “Liberalismus ist … unvereinbar mit unbeschränkter Demokratie.”?
CU
Februar 28th, 2011 at 23:24
Ich durfte in den letzten Jahrzehnten die Ergebnisse beider Wirtschaftssysteme genießen.
Nachdem man in der DDR besichtigen konnte, wie es läuft, wenn die Wirtschaft zur Hure einer ideologieüberfrachteten Politik degradiert wird, haben sich heutzutage die Vorzeichen umgekehrt.
Und siehe da, es geht auch anders herum. Die Politik ist jetzt zur Hure der Wirtschaft in Gestalt einer plutokratischen Machtelite verkommen, die natürlich jetzt einen neuen ideologischen Gaul reitet.
Die eine “Quasireligion” ist schon gescheitert, die aktuelle wird bald endgültig scheitern.
Die Frage ist nur noch, geht die jetzige Ideologie genauso geräuschlos unter, wie die andere vor 20 Jahren? Da bin ich mir nicht sicher.
In den Ostblockländern ging es materiell allen gleichmäßig bescheiden. Große Reichtümer hatte wohl keiner zu verlieren.
Das sieht heute ganz anders aus. Der uns regierende Kapital-Adel hat schon was zu verlieren. Und der wird Widerstand gegen die Abkehr von seiner Lieblingsreligion organisieren, da kann man sicher sein. Mal schauen, wie friedlich der sein wird.
Die Menschheit ist meiner Meinung nach in einer Sackgasse angelangt. Es sollten sich schnellstens kluge und ehrliche Leute finden, die der Menscheit neue gesellschaftliche und wirtschaftliche Wege anbieten, gangbare Wege im Einklang mit den Möglichkeiten dieses Planets.
Ansonsten könnte es passieren, dass die Natur in absehbarer Zeit das leidige Problem Menschheit mit den ihr eigenen Gesetzten löst.
März 1st, 2011 at 06:35
@ 31 – meine Rede seit langem – die Erde braucht keine Menschen (wäre ohne Homo Sapiens auch besser drauf)
Ist aber eine reizvolle Ideee, mitzuerleben wie die Menschheit ihren Abgang macht.
Die “nach mir die Sintflut” Einstellung einiger Schmarotzer, die nur ihren eigenen Vorteil sehen, wird leider von der dummen Masse nicht geahndet.
Im Mittelalter wurden Brunnenvergifter … heute dagegen … da werden die von der gekauften Politik geschützt.
März 1st, 2011 at 12:16
@31
Wege gibt es eine Menge, im Energiebereich, in der Landwirtschaft, in der Industrie, in der Gesundheitsfürsorge. Kluge Leute mit Verantwortungsbewusstsein auch. Was fehlt, ist das Geld, das haben nämlich die, die den jetzigen Zustand gern noch weiter in die Richtung von Großprofiten optimieren wollen, und zwar für sich. Sollten ökologische oder gesellschaftliche oder andere Probleme den Profit gefährden, wird “Demokratie” gespielt oder “Teilhabe”, wenn es weiter Probleme gibt, sind dann die Demokraten oder das dumme Volk schuld.
Meine große Hoffnung ist, dass die Globalisierung, wie wir sie jetzt haben, am irgendwann zu teuren Transport scheitert und das dadurch regionalere Kreisläufe erzwungen werden.
Was gerade in Afrika passiert, kann sicher das Benzin teurer machen und unseren “Eliten” etwas Angst, aber leider nicht die ökonomischen Verhältnisse grundlegend umkehren. Wer sind denn die neuen Regierenden in Ägypten?
März 1st, 2011 at 13:40
ich stelle mir schon lange die frage, wer ‘die’ überhaupt sind…die sogenannte elite…nach langer recherche, u.a. auch im bereich geschichtsrevision komme ich zu einem (vorläufigen) fazit: diese sog. elite enstammt aus einer blutlinie. windsors, bush, obama, clinton, blair usw…die eliten stammen aus dem ostkhasarischen raum und haben dort ihre wurzel..noch einen gedanken: schon vor einiger zeit sprechen genforscher von einem evolutionssprung in unserer dns, den sie sich nicht erklären können, die entwicklung zum homo homo sapiens hätte nach darwin rund 1-3 mio. jahre dauern müssen, den hh.sapiens gibt es aber erst seit ca. 30000-50000 jahren. offensichtlich wurde bereits vor langer zeit an unserer dns manipuliert. das lässt darauf schliessen, das es eine intelligenz geben muss, die diese technik beherrscht. ich gehe davon aus, das wir eigentlich als sklavenrasse dienen sollten, jedoch wurde offensichtlich der ‘alte’ dns-teil völlig unterschätzt. mittlerweile gibt es bevölkerungsreduzierungsprogramme über impfen, chemtrails, fluoride, genfood usw. um uns weiterhin im sklavendarsein zu lassen. kosmische ursachen (schumansche frequenz hat sich bereits erhöht, magnetfelder der erde ändern sich) sorgen jedoch dafür das sich unsere dns recodiert. diese recodierung-mechanismus wurde bereits vor einiger zeit von einem schweizer wissenschaftler (er ließ mais in einer veränderten feldstärke-umgebung wachsen, der mais trug anschliessen das 4-fache der menge als herkömmlicher mais) festgestellt, z.zt. findet es global statt. dieser vorgang ist unumkehrbar und kann nicht gestoppt werden. und das wissen die eliten (meiner meinung nach eine nicht-menschliche rasse)…
März 1st, 2011 at 14:20
Mensch Marcus!!
März 2nd, 2011 at 09:06
@Frank # 15
Haben sie tatsächlich “Sozialismus” ausprobiert oder haben sie nur das entsprechende Schild auf die (nur vermeindlich) andere Verpackung geklebt?
Ich meine: JA.
Sozialismus und Markt(-wirtschaft) geht genauso wenig, wie Sozialismus und Parlamentarische Demokratie, Sozialismus und Lohnarbeit.
Irgendwie isset denn doch was ganz anderes oder müßte es sein.
Es ginge um Menschen – nur um sie.
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@ thom # 29
Es ist nicht das Problem der “Ismem”?
Doch!
Denn in ihnen geht es immer nur um die “Ismen”, nicht um die Menschen – am wenigsten um alle Menschen.
Ich meine, das ist für jeden “Ismus” so zu beschreiben…
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Im übrigen finde ich “Überbevölkerung” einen nonsens – wir kriegten (uns) alle satt, problemlos.
… so da nicht immer künstliche Knappheit organisiert würde – wegen des Marktes, wegen der Gewinne, wegen der (juristischen Fiktion) Eigentumstitel.
März 11th, 2011 at 17:06
[...] muss nicht entscheiden, ob für die Revolten in Nordafrika sich (auch) gegen den Neoliberalismus wenden. Es ist aber erkennbar, dass die Kluft zwischen Völkern und ihren Herrschern größer wird, [...]