guttwappEin höchst interessantes Interview mit Michael Spreng zur Causa Guttenberg gibt es heute beim dradio. Die Frage nach dem Doktortitel ist dabei völlig marginal, und wer sich noch quasi inhaltlich mit der Affäre befasst, hat sie ohnehin nicht verstanden. Jemand wird einmal gesagt haben: “Der KaTe braucht einen Doktortitel”, woraufhin das dann jemand geregelt hat. Zuletzt wird jemand gesagt haben: “Scheiß’ auf den Doktortitel”, und das Accessoire sollte einfach wieder in der Schublade verschwinden.

Dabei handelt es sich um nicht mehr als ein Steinchen von vielen im medialen Mosaik um einen Scheinreisen, eine Art politisches Teenie-Idol fürs naive Wahlvolk. Guttenberg ist ein politischer Popstar von Gnaden des Boulevards, das sieht auch Spreng so, der ehemalige Chefredakteur der BamS. Aus “eigener Überzeugung und aus kaufmännisch-wirtschaftlichem Kalkül” handele die Redaktion so, Glamour lässt sich halt gut verkaufen. Eine “Win-win-Situation”: Auflage gegen Sympathien.

Das beunruhigende Phänomen ist die produzierte Schwärmerei von “Fans”, zu deutsch Fanatikern, auf offener politischer Bühne:
Gleichgültig, welche Exzesse vorkommen oder welche Skandale – das schweißt die Fans eher noch enger an ihr Idol und die Bewunderung bleibt. Also dieser Einbruch der Popkultur in die politische Kultur ist für mich das eigentlich Faszinierende.

Das Idol und seine Fanatiker

Dieser „Einbruch einer Popkultur“ ist absolut nichts Neues. Die Blindheit selbst gegenüber unerträglichen und unmenschlichen Zügen, die Spaltung in die schmutzige Realität hier und die Unantastbarkeit der Führerfigur dort, das hatten wir alles schon. Wenn der smarte adelige Volkstribun von und zu Guttenberg einen betrügerischen Aufschneider und hemmungslosen Karrieristen von sich abspaltet wie eine charakterliche Bad Bank, dann bedient das die Bedürfnisse derjenigen, die sich entrückt jedem Führer unterwerfen, der ihnen vorgesetzt wird. Allen anderen kann dabei nur übel werden.

Die “Win-win-Situation” ist der Worst Case für eine Demokratie und der tiefste Abgrund, in den Journalismus stürzen kann. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn die Kritik derjenigen, die sich jetzt vielleicht erinnern, was der Springer Verlag ist, nicht bald wieder abebbt, weil Guttenbergs Lack seine peinliche Entlarvung übersteht. Was da zutage tritt, ist eine Maschinerie und nicht bloß eine Affäre.

Ein Politiker, der Affären übersteht, wird dadurch auch gehärtet“, meint Spreng. Ein Politiker, der für offensichtlichen Betrug um seiner Selbstverherrlichung willen auch noch Sympathie erntet, ist höchst gefährlich. Vielleicht ruft das wenigstens die Konkurrenz aus dem eigenen Lager auf den Plan. Noch ist die Gelegenheit da, ihn zu erledigen.