merkddrBis 1989 war es in der BRD möglich, moderate Kritik an der Verteilung von Reichtum zu üben, ohne sofort als Kommunist oder Sozialist zu gelten. Solche Kritik wurde auch regelmäßig und heftig von Sozialdemokraten geübt, unter dem Stichwort “soziale Gerechtigkeit”. Zwar war schon 1982 mit dem Lambsdorff-Papier die neoliberale Wende durch die Kohl-Regierung eingeleitet worden, aber es gab noch eine Opposition, die Zweifel an der naturgegebenen Gerechtigkeit der Vermögensverteilung hegte.

Der Sozialismus war ‘drüben’, und weil es ihn dort gab, war es zumindest unstrittig, dass das Böse (Kommunismus) nicht automatisch die Weltherrschaft antritt, wenn die Verteilung von Einkommen und Vermögen nicht unkontrolliert dem Markt und damit den Reichen überlassen wird. Soziale Unterschiede gab es nämlich auch im Osten, und höhere Löhne waren nicht gleichbedeutend mit ‘Mauer und Stacheldraht’, wie jeder sehen konnte.

Dieser Unfug hat sich erst in den politischen Diskurs eingeschlichen, nachdem der ‘real existierende’ Sozialismus sich erledigt hatte und der Feind in Form der PDS sich als Sündenbock im Inneren anbot. Alles, was deren Vertreter fortan sagten, durfte als Gegenteil des Guten angenommen werden, womit vor allem neoliberalen Extremisten gedient war. Deren Verklärung des Privateigentums zum Heiligtum und zur Freiheit an sich war auch deshalb so erfolgreich, weil die Propaganda es im Dualismus ‘Eigentum vs. Unfreiheit’ verpackt zur Erlösung von der Diktatur aufbauschte.

Geschichtsklitterung

Die Geschichtsklitterung, die ‘liberale’ Experten mit dem Recht auf Eigentum betrieben, muss hier nicht noch einmal kommentiert werden, Interessanter ist da schon der Weg in einen Jargon der Eindimensionalität, den die kapitalistische Propaganda genommen hat, um es am Ende der kommunistischen gleichzutun. Was dem Erich sein “Ochs und Esel”, “Völkerfreundschaft”, “Bruderstaat”, “Arbeiter und Bauern” und der Endsieg des Sozialismus, sind der Angela und ihren Brüdern “Leistungsträger”, “Wachstum”, “Vollbeschäftigung”, “Fordern und Fördern” et cetera. Seit dreißig Jahren dasselbe Lied. Die DDR ist nur 40 geworden, wie lange werden wir uns das noch anhören müssen?

Die gegebenen Zustände sind auch ein Resultat des Kalten Krieges, der sich wie ein Phantomschmerz fortsetzt. Natürlich wissen die Verfechter der umgehemmten Bereicherung, dass die Verherrlichung des Privateigentums nur im Interesse der Reichen sein kann. Dass die Propaganda aber noch nicht längst zum Gespött geworden ist, liegt an ihrer Verbindung zum Kampf gegen den Sowjetkommunismus. Ist das ein Grund, diese Gruselshow weiter zu bedienen?

dracpNiemand, nicht einmal die Kommunisten der linken Resterampe, haben etwas gegen Privateigentum und persönlichen Besitz. Die Mär, man müsse noch die Zahnbürste mit dem Nachbarn teilen, wenn man dem Sozialismus einen Fußbreit weicht, darf in Rente geschickt werden. Zumal, wenn Lohnerhöhungen und Erbschaftssteuer schon als “Sozialismus” gelten. Doch, es gibt einen Unterschied zwischen der Besteuerung von Riesenvermögen und der Enteignung aller Fleißigen. Das sind sogar nachgerade Gegensätze.

Eine völlig falsche Analyse

Es ist eine Projektion aus dem Kalten Krieg und eine völlig falsche Analyse des Ost-Sozialismus, zu behaupten, mit Einschränkungen privaten Erwerbs seien Diktatur und wirtschaftlicher Niedergang verbunden. Im Gegenteil ist es vielmehr richtig, dass dogmatisch geprägte Gesellschaftsstrukturen dem Untergang geweiht sind. In einer Übergangsphase können solche gesellschaftlichen Verhältnisse durch die Errichtung einer Diktatur noch konserviert werden, sie korrigieren aber nicht die Fehlfunktionen, an denen sie scheitern.

Der Ostsozialismus scheiterte an der manischen Kontrollwut der Nomenklatura. Es sollte nichts sein, was nicht der Partei gefiel. Somit verengte sich die Wirtschaft auf Abläufe, die ineffizienter kaum sein konnten. Übrigens hat sich diese Oberschicht durchaus bereichert und betrachtete im Zweifelsfall gleich den ganzen Staat als ihr Privateigentum. Da tun sich gewisse Ähnlichkeiten auf.

Wenn Privateigentum motivieren und zur wirtschaftlichen Tätigkeit anregen soll, muss es möglichst breit verteilt sein. Es muss jedermann möglich sein, welches zu erwerben. Je mehr Menschen etwas übrig haben, um sowohl zu konsumieren als auch zu investieren, desto stabiler ist ein marktwirtschaftliches System aufgestellt. Sobald also eine nennenswerte Schieflage entsteht in der Verteilung von Einkommen und Vermögen, wäre es klug, gegenzusteuern.

Den Fleißigen nehmen, den Faulen geben

Das hat nichts damit zu tun, dass man dann den Fleißigen etwas abnimmt und es den Faulen gibt, sondern mit klarer Analyse und guten Ideen zu einer Stabilisierung der Wirtschaft. Die Mittel dazu sind vielfältig und müssen der jeweiligen Situation angepasst sein. Zur Alimentierung der Faulpelze sei an dieser Stelle angemerkt, dass es tatsächlich ein Skandal ist, wie etwa überlastete Krankenschwestern und Pfleger die fetten Shareholder der Privatkliniken alimentieren.

daumen2Das System steht am Rande des Zusammenbruchs, das räumen inzwischen sogar Ökonomen ein, die sich das vor ein paar Jahren noch nicht hätten vorstellen können. Woran es liegt, weiß man auch längst: An sinnlos angehäuftem Kapital, das verantwortungslos und kontraproduktiv der zügigen Vermehrung zustrebt. Die Diagnose ist eindeutig: Die Auswüchse ungehemmter Aneignung, die gängige Form des Privateigentums, hat fatale Auswirkungen. Die Forderung im Grundgesetz, “sein Gebrauch soll(e) zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“, muss ernst genommen werden.

Die frühen Programme der Nachkriegs-Parteien hatten keinerlei Berührungsängste mit Begriff und Inhalt des Wortes “Sozialismus”. Sogar im Parteiprogramm der CDU war davon die Rede. Wenn es denn sozialistisch ist, Eigentum auf ein der Allgemeinheit dienliches Maß zu begrenzen und die Stabilität der Wirtschaft dem Recht auf Vermögenszuwachs vorzuziehen, dann kommen wir wohl an einer sozialistischen Marktwirtschaft nicht vorbei. Einen Widerspruch in sich, wie uns stets weisgemacht wird, kann ich darin nicht erkennen.