Ich hatte schon seit längerem die Absicht, mich zur Idee eines “bedingungslosen Grundeinkommens” (BGE) zu äußern, da ist der Artikel beim Spiegelfechter eine gute Gelegenheit. Jens Berger befasst sich dort einerseits nur mit dem “Althaus-Modell”, andererseits mit den Aspekten des BGE, die meiner Ansicht nach eher verzichtbar sind. Es geht dabei meist um Berechnungsgrundlagen, Finanzierbarkeit und einen Vergleich zum heute gegebenen Zustand.

ausbeutsrgDie Diskussion insgesamt ist typisch deutsch. Dazu hat auch und vor allem Götz Werner beigetragen, jener Milliardär, der schon ein Menschenfeind sein muss, weil er so stinkreich ist. Das von ihm propagierte Ulmer Modell zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass schlaue Ökonomen es durchgerechnet und ihm Finanzierbarkeit bescheinigt haben. Der ökonomische Ansatz, der besagt, alle Kosten – also auch Steuern und Sozialabgaben – würden im Endeffekt über den Produktpreis getragen, führt dabei zu der logischen Konsequenz, nur noch eine Steuer zu erheben, nämlich die auf den Preis. Die Mehrwertsteuer.

Und nun wird also fröhlich diskutiert, über Finanzierungsmodelle und die Folgen für die Volkswirtschaft, über sinistre Motive eines Milliardärs und die heuchlerische Adaption der Idee durch den gefallenen CDU-Funktionär Dieter Althaus. Dabei ist längst alles klar und gar nichts: Die Ulmer Porfessoren haben ja errechnet, dass es funktioniert, gleichzeitig aber betont, dass niemand vorhersagen kann, wie sich eine Umstellung auf das neue Modell langfristig auswirken würde. Ja wie denn auch? Das weiß man doch nicht einmal vom gegebenen System, da ist nur eines gewiss: Die neoliberalen Vorhersagen der Wirtschaft taugen weit weniger als die der Wetterfrösche.

Die Wiederherstellung der Menschenwürde

Im Kern geht es doch um etwas völlig anderes. Es geht um die Wiederherstellung der Menschenwürde. Deren real existierende Verlaufsform in den Ämtern, den Medien und der Politik, zwischen Arbeitszwang und Armenbeschimpfung, kann nicht das sein, was das Grundgesetz als “unantastbar” bezeichnet. Das Menschenrecht auf eine Existenz bedarf auch einer ökonomischen und ethischen Basis. Ökonomisch bedarf es der Möglichkeit zur Teilhabe, ethisch ist zu sichern, dass das Recht darauf nicht infrage gestellt wird. Genau dies geschieht aber, wenn Menschen sich für ihre Bedürftigkeit rechtfertigen müssen. Dieses Recht wird pervertiert, wenn es juristisch nur unter Zwängen zugestanden und moralisch durch eine aufgestachelte Öffentlichkeit vollends aberkannt wird.

eurosnakeDen Armen ihre Würde zurückzugeben bedeutet in einer vorläufig kapitalistischen Gesellschaft, sie unabhängig zu machen. Es bedeutet, sie von Zwang und Schikane zu befreien, und es bedeutet, ihnen eine souveräne Rolle im Marktgeschehen einzuräumen. Damit müssten sich eigentlich alle zufrieden geben können, nicht zuletzt diejenigen, die glauben, der Wettbewerb sei das Zaubermittel der marktwirtschaftlichen Alchimie. Es geht also auch darum, den Wettberb um Arbeitskräfte zu beleben, um Arbeit als solche einer positiven Entwicklung zuzuführen.

Darauf könnte man sich endlich doch einmal einigen: Dass ein Arbeitszwang sozial, ökonomisch und ethisch nicht hinnehmbar ist. Dass es niemandem hilft, sich mit der Hatz auf angebliche Faulpelze aufzuhalten, wenn die Wirtschaft auf ihre Mitarbeit problemlos verzichten kann. Dass das Prinzip “Fordern und Fördern” nicht funktioniert, weil Zwang niemanden fördert. Im Gegenteil zerstört er die Motivation der Betroffenen endgültig und verhindert Wettbewerb in einem der wichtigsten Bereiche der Wirtschaft. Das haben sogar solche Leute erkannt, die persönlich kein Problem damit haben, Menschen auch mit der Peitsche zur Arbeit zu treiben.

Zwang fördert niemanden

Die Verwässerung dieses möglichen Konsenses durch Finanzierungs-Planspielchen und gegenseitige Unterstellungen kann nur denen dienen, denen die heutige Situation der Unterschicht zupass kommt und die sie deshalb gar nicht ändern wollen. Zur Umsetzung neuer Modelle hat man noch viel Zeit und Muße und kann viel ausprobieren. Ob sich wirklich allein durch eine Produktsteuer die öffentlichen Haushalte und das Sozialwesen finanzieren lassen, wird man sehen. Auch die Besteuerung großer Vermögen und vor allem Erbschaften darf weiter diskutiert werden.

Was aber schon morgen problemlos umgesetzt werden kann und eine völlig neue Dynamik auslösen würde, ist die Abschaffung des Arbeitszwangs für Bedürftige. Als nächstes muss man dann über eine Ausweitung der Zuverdienste und eine Vereinfachung der Bedürftigkeitsprüfung sprechen.
Man müsste dann allerdings auf einen gern genutzten Sündenbock verzichten, da dürfte das Problem liegen. Man will ja nicht nur noch auf den Ausländern herumhacken und dadurch unangenehme politische Konkurrenz nach vorn bringen.