jagodaDie Millionen Arbeitsloser werden in Deutschland traditionell von einem Personal verwaltet, das nichts Gutes ahnen läßt. So kam es dann ja auch in den letzten Jahrzehnten: Vermittlung war rar, als Ausgleich wurde Schlampagner zum Zahlensalat gereicht. Der letzte Chef des Arbeitsamtes, Bernhard Jagoda, mußte seinen Hut nehmen nach einem Skandal, der seinesgleichen sucht. Ob bis 2002 Vermittlung überhaupt stattfand, war nicht mehr nachvollziehbar, weil die ‘Erfolgsbilanzen’ der Arbeitsämter nach Strich und Faden gefälscht worden waren.

Dem Fälscher auf der Spur

In der Folge mußte Jagoda seinen Hut nehmen. Dem braven CDU-Mann und Vertriebenenfunktionär folgte einer jener “Sozialdemokraten”, die ein amerikanisches Verständnis von “Eigenverantwortung” mit der Muttermilch aufgesogen haben: Florian Gerster. Gerster, engagiertes Mitglied der INSM, fand im Gefolge von Schröder und Clement genau darin auch gleich die Lösung des Problems: Wen die inzwischen “Agentur” genannte Behörde nicht vermittelt bekommt, der ist selber schuld. Man läßt die Leute Bewerbungen schreiben, bis die Schwarte knackt, und wer nicht mitmacht, kriegt kein Geld mehr.

Die Statistik lag auch ihm dabei sehr am Herzen. Der Umbau der “Agentur” nach den Hartz-Gesetzen brachte vor allem ‘saubere’ Zahlen hervor – die freilich nach wie vor frisiert waren, weil nun alle möglichen Kandidaten herausgerechnet wurden. Die sinnlosesten Weiterbildungen sprossen aus dem Boden, millionenfach absolvierte Bewerbungstrainings, hunderttausende Schweißerscheine, nichts war zu teuer oder überflüssig, um Leute zusammen zu treiben, die für eine Zeit “dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung” standen. Gleichzeitig wurde durch den radikalen Ausbau von Leih-und Zeitarbeit ein ‘Jobwunder’ auf Kosten der Arbeitnehmer und Beitragszahler geschaffen. Die neue Struktur subventioniert unter dem Begriff “Aufstocker” Sklavenlöhne.

Der Feudalherr

gersterDiese Arbeitsverhältnisse und die totale Entrechtung der Arbeitslosen waren Gerster eine echte Herzensangelenheit. Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt verdingte er sich als “Präsident des Verbandes privater Postzusteller”, der seine Sklaven zwang, eine “Gewerkschaft” zu gründen, um Niedriglöhne durchsetzen zu können.

Ansonsten gefiel Gerster sich in der Rolle des Großmoralisten, dies freilich, nachdem er die Chefetage der “Agentur” zum Selbstbedienungsladen umfunktioniert hatte und daraufhin gegangen worden war.

Ihm folgte die aktuelle Besetzung, Frank-Jürgen Weise. Was ihn qualifiziert: Er ist ein Kumpel von Gerster aus Studienzeiten, CDU-Mitglied und im Kuratorium der evangelikalen Veranstaltung “ProChrist”, jener schrägen Clique, der u.a. auch Erwin Teufel, Christine Lieberknecht, Günther Beckstein und der Herr Bundespräsident angehören. Außerdem ist Weise ehemaliger Berufssoldat und Frühaufsteher. Er weiß: “Prekäre Arbeit ist besser als keine Arbeit”.

Sein Stil ist anders als der seines Vorgängers, das Resultat freilich dasselbe. Weise laviert und sitzt aus. So spricht er sich etwa gegen den Wildwuchs befristeter Stellen aus, im eigenen Haus aber findet er die ganz prima. Daß die Statistiken nach wie vor wichtiger sind als das Wohl und Wehe der “Kunden”, dokumentierten BA-Mitarbeiter derweil öffentlich. Weil das alles aber nach seinem Geschmack bestens läuft, reformiert er im Nebenjob die Bundeswehr.

Graf Zahl

weiseIch möchte nur ein Beispiel aus dem SZ-Interview herausgreifen, um seine ‘Philosophie’ zu illustrieren:
Zur Lage alleinerziehender Mütter kann man vieles sagen, vielleicht ja darüber streiten, ob das nicht bereits ein Job ist, der entlohnt gehört. Weise sagt dazu, da sei bei den “Vermittlungsquoten noch ein Plus von zehn oder 20 Prozent drin.” Das ist alles, was ihm zu deren Situation einfällt.
Er hat überhaupt nie wirklich eine Meinung, es sei denn in Zahlen. “Die Politik entscheidet” ist sein Motto, er setzt dann um. Was das für die Betroffenen bedeutet, das geht ihn nichts an. Die Zahlen müssen stimmen.

Wenn sich Weise nun dazu aufschwingt, eine beinahe politische Äußerung zu tun, ist es völlig verfehlt, dies als Meinung zu werten. Schon gar nicht wäre ihm daran gelegen, Horst Seehofer zu widersprechen. Wenn der stramme Bürosoldat feststellt, wir bräuchten eine “gesteuerte Zuwanderung“, dann sorgt er sich um sein Menschenmaterial, das in adäquater Menge vorhanden sein muß:
Heute haben wir 44 Millionen Erwerbsfähige, ohne Zuwanderung werden es 2050 etwa 26 Millionen sein. Deshalb brauchen wir auch eine gesteuerte Zuwanderung“. Da spricht die Zahl für sich, auch wenn es Unfug ist, eine Prognose über 40 Jahre zu machen.

Ein “Punktesystem” kann er sich vorstellen, die große Nummer darf rein, die kleine eben nicht. Es soll sich alles fügen ins Gute der richtigen Zahl. Das ist keine “dumme Quälerei ohne Sinn und Verstand“, sondern Sachzwang und blanke Rationalität, Zuwanderung nach Gebrauchswert eben. Den hat Frank-Jürgen Weise nämlich stets im Blick. Und wenn man sich umschaut unter denen, die bislang ins Amt des BA-Chefs zugewandert sind, kommt man sogar zu dem Schluß: Einen besseren hatten wir seit Jahren nicht, mehr ist nicht drin.
Der Rest, liebe Kunden, ist Eigenverantwortung.