Abgeordneter schaltet Verstand ein
Posted by flatter under PolitikKommentare deaktiviert
28. Mai 2007 13:26
Wie man nicht nur sein Gewissen, sondern auch seinen Verstand einsetzen und infolge dessen gegen die eigene Regierung stimmen kann, demonstriert Jörg Tauss (MdB, SPD), der sich mit dem “Strafrechtsänderungsgesetz zur Bekämpfung der Computerkriminalität” so gar nicht anfreunden konnte [via SD&CC]. Obwohl es sich nur um eine “politische Sachfrage” handelte, konnte Herr Tauss sich also von der Koalitionsdisziplin freimachen, weil er nicht einem Schmarrn zustimmen wollte, der vermutlich eh wieder vom BVG kassiert werden wird. Da ich prima meckern kann, wenn Abgeordnete stumpf jeden Mist abnicken, der ihnen von den Granden vorgesetzt wird, will ich daher den Abgeordneten Tauss hiermit ausdrücklich loben. Leider wird aus dem jetzt nix mehr, schade.
Selbstverständlich wurde das Gesetz trotzdem durchgewinkt. Die Folge: Wer demnächst etwas programmiert, das sich irgendwie als “Schadsoftware” nutzen läßt, macht sich strafbar. Dabei steht der “Zweck” der Software im Mittelpunkt. Ist der Zweck illegal, so ist das Programmieren strafbar:
Wer eine Straftat nach § 202a oder § 202b vorbereitet, indem er
1. Passworte oder sonstige Sicherungscodes, die den Zugang zu Daten (§ 202a
Abs. 2) ermöglichen, oder
2. Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist,
herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verkauft, einem anderen überlässt, verbreitet
oder sonst zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit
Geldstrafe bestraft.
Hier wird also vom Programmierer verlangt, die Absichten seines Auftraggebers zu prüfen und zu bewerten bzw. im Zweifelsfall die Arbeit zu veweigern. Ebenso ergeht es einem Händler, der dem Bösen das gefährliche Werkzeug verkauft. Würde man dergleichen etwa auf Werkzeuge ausdehnen, die geeignet sind, Einbrüche zu begehen, müßte man morgen jeden Baumarktleiter verhaften und natürlich alle, die Seitenschneider, Brecheisen und dergleichen herstellen. Alles für die Sicherheit!
Mai 29th, 2007 at 14:50
Prima — dann sind ja die Firmen, die für Schäuble den Bundestrojaner entwickelt/entwickelt haben straffällig geworden. Wenn es keine externen Firmen waren, sondern LKA/BKA selber, dann sind ja die Ermittlungsbehörden straffällig geworden.
Mai 29th, 2007 at 14:50
Prima — dann sind ja die Firmen, die für Schäuble den Bundestrojaner entwickelt/entwickelt haben straffällig geworden. Wenn es keine externen Firmen waren, sondern LKA/BKA selber, dann sind ja die Ermittlungsbehörden straffällig geworden.
Mai 29th, 2007 at 15:02
schoen! der Obi/Hornbach Vergleich ist wirklich niedlich resp. gelungen ;-)
Mai 29th, 2007 at 15:02
schoen! der Obi/Hornbach Vergleich ist wirklich niedlich resp. gelungen ;-)
Mai 29th, 2007 at 19:03
@ 1
Nein, so einfach liegen die Dinge leider nicht, denn die Strafbarkeit muss gesetzlich bestimmt sein, bevor die Tat begangen wurde (sog. Garantiefunktion des Strafrechts, Art. 103 Abs. 2 GG). Außerdem würde die Rechtswidrigkeit entfallen, wenn es einen legitimen Rechtfertigungsgrund gäbe. Und der bestünde gerade in dem Gesetz, das den Einsatz des “Bundestrojaners” vorsieht. So machen die das.
@ flatter
Eine hübsche Zusammenfassung, Respekt! Sehr prägnant hast Du den Irrsinn herausgearbeitet, der in der Vorverlagerung der Strafbarkeitsschwelle auf die Phase des bloßen “Vorbereitens” besteht. Ich steuere gern noch meinen Teil dazu bei:
Das Vorbereiten von Straftaten ist grundsätzlich straflos, Strafbarkeit tritt regelmäßig erst dann ein, wenn die Tat in das Stadium des strafbaren(!) (sind auch nicht alle Delikte) Versuchs eingetreten ist (https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__23.html). Einzige Ausnahme: § 30 StGB. Dessen Absatz 2 bestimmt das Verabreden mehrerer (kein Einzeltäter, erhöhte objektive Gefährlichkeit) zu einem Verbrechen als strafbar (https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__30.html). Verbrechen sind solche Taten, die mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bedroht sind (https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__12.html).
Was für ein dogmatischer Widersinn hier deutlich wird: die geplante Vorschrift spricht von einer Strafdrohung von bis zu einem Jahr, die Vorschriften, auf die sie sich bezieht, von bis zu drei bzw. bis zu zwei Jahren.
Es geht also um Vergehen (nicht Verbrechen) eines Einzeltäters (nicht mehrerer) im leichten Kriminalitätsbereich, vergleichbar etwa mit einer Sachbeschädigung (https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__303.html).
Trotzdem soll hier bereits im Vorbereitungsstadium eine Strafbarkeit eingeführt werden. Und zwar vermutlich aus genau dem Grund, den Du so lebensnah deutlich machst: es dürfte ansonsten schwierig werden, dem Programmierer einen entsprechenden Gehilfenvorsatz nachzuweisen. Also bastelt man sich im Voraus eine solche Vorschrift, denn hier genügt das Bewußtsein, die Software dem Auftraggeber zu überlassen, für den Vorsatz insgesamt. Der Programmierer kommt also willentlich seinen Verpflichtungen aus dem Werkvertragsverhältnis nach und das genügt, ihm einen strafrechtlich relevanten Vorsatz für den Fall ans Bein zu binden, dass sich sein Besteller nicht legal verhält. Ein offensichtlicher Verstoß gegen den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung (“Was zivilrechtlich erlaubt ist, kann strafrechtlich nicht verboten sein”).
Ich traue den Pappnasen im Bundestag einiges zu, aber wenn das Gesetz werden sollte, kann man das Strafrecht in diesem Lande wirklich nicht mehr ernst nehmen. Und das wäre schlecht für alle Beteiligten, nicht nur für “Liebhaber” wie mich. Aber selbiges ist in den letzten Jahren ohnehin weitenteils zum “Staatssteuerungsrecht” verkommen, ist also nicht mehr in erster Linie staatliche Antwort auf die schuldhafte Verletzung von geschützten Rechtsgütern, über deren Vorliegen in einem objektiven Verfahren Klarheit herbeigeführt werden soll. Was jedoch die Funktion des Strafrechts in einem aufgeklärten Rechtsstaat sein sollte.
Immerhin kann man sehen, dass im BMJ Leute sitzen, die des Deutschen nicht wirklich mächtig sind: “Passworte” anstatt -wörter. Autsch! Da wundert einen gar nichts mehr.
(https://www.bmj.bund.de/media/archive/1317.pdf)
Mai 29th, 2007 at 19:03
@ 1
Nein, so einfach liegen die Dinge leider nicht, denn die Strafbarkeit muss gesetzlich bestimmt sein, bevor die Tat begangen wurde (sog. Garantiefunktion des Strafrechts, Art. 103 Abs. 2 GG). Außerdem würde die Rechtswidrigkeit entfallen, wenn es einen legitimen Rechtfertigungsgrund gäbe. Und der bestünde gerade in dem Gesetz, das den Einsatz des “Bundestrojaners” vorsieht. So machen die das.
@ flatter
Eine hübsche Zusammenfassung, Respekt! Sehr prägnant hast Du den Irrsinn herausgearbeitet, der in der Vorverlagerung der Strafbarkeitsschwelle auf die Phase des bloßen “Vorbereitens” besteht. Ich steuere gern noch meinen Teil dazu bei:
Das Vorbereiten von Straftaten ist grundsätzlich straflos, Strafbarkeit tritt regelmäßig erst dann ein, wenn die Tat in das Stadium des strafbaren(!) (sind auch nicht alle Delikte) Versuchs eingetreten ist (https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__23.html). Einzige Ausnahme: § 30 StGB. Dessen Absatz 2 bestimmt das Verabreden mehrerer (kein Einzeltäter, erhöhte objektive Gefährlichkeit) zu einem Verbrechen als strafbar (https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__30.html). Verbrechen sind solche Taten, die mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bedroht sind (https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__12.html).
Was für ein dogmatischer Widersinn hier deutlich wird: die geplante Vorschrift spricht von einer Strafdrohung von bis zu einem Jahr, die Vorschriften, auf die sie sich bezieht, von bis zu drei bzw. bis zu zwei Jahren.
Es geht also um Vergehen (nicht Verbrechen) eines Einzeltäters (nicht mehrerer) im leichten Kriminalitätsbereich, vergleichbar etwa mit einer Sachbeschädigung (https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__303.html).
Trotzdem soll hier bereits im Vorbereitungsstadium eine Strafbarkeit eingeführt werden. Und zwar vermutlich aus genau dem Grund, den Du so lebensnah deutlich machst: es dürfte ansonsten schwierig werden, dem Programmierer einen entsprechenden Gehilfenvorsatz nachzuweisen. Also bastelt man sich im Voraus eine solche Vorschrift, denn hier genügt das Bewußtsein, die Software dem Auftraggeber zu überlassen, für den Vorsatz insgesamt. Der Programmierer kommt also willentlich seinen Verpflichtungen aus dem Werkvertragsverhältnis nach und das genügt, ihm einen strafrechtlich relevanten Vorsatz für den Fall ans Bein zu binden, dass sich sein Besteller nicht legal verhält. Ein offensichtlicher Verstoß gegen den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung (“Was zivilrechtlich erlaubt ist, kann strafrechtlich nicht verboten sein”).
Ich traue den Pappnasen im Bundestag einiges zu, aber wenn das Gesetz werden sollte, kann man das Strafrecht in diesem Lande wirklich nicht mehr ernst nehmen. Und das wäre schlecht für alle Beteiligten, nicht nur für “Liebhaber” wie mich. Aber selbiges ist in den letzten Jahren ohnehin weitenteils zum “Staatssteuerungsrecht” verkommen, ist also nicht mehr in erster Linie staatliche Antwort auf die schuldhafte Verletzung von geschützten Rechtsgütern, über deren Vorliegen in einem objektiven Verfahren Klarheit herbeigeführt werden soll. Was jedoch die Funktion des Strafrechts in einem aufgeklärten Rechtsstaat sein sollte.
Immerhin kann man sehen, dass im BMJ Leute sitzen, die des Deutschen nicht wirklich mächtig sind: “Passworte” anstatt -wörter. Autsch! Da wundert einen gar nichts mehr.
(https://www.bmj.bund.de/media/archive/1317.pdf)
Mai 29th, 2007 at 23:08
Vielen Dank für das Lob und die Ergänzung!
[edit]: Ein Hinweis bei dieser Gelgenheit: Kommentare mit mehreren Links werden offenbar automatisch in die Autorisierungsroutine geschoben. Daher die Verzögerung bei der Veröffentlichung.
Mai 29th, 2007 at 23:08
Vielen Dank für das Lob und die Ergänzung!
[edit]: Ein Hinweis bei dieser Gelgenheit: Kommentare mit mehreren Links werden offenbar automatisch in die Autorisierungsroutine geschoben. Daher die Verzögerung bei der Veröffentlichung.