Noch einmal zurück zu Burkhard Hirsch: Ich habe mich gefragt, warum die aktuellen Attacken vor allem des Innenministers auf die Freiheitsrechte an “liberalen” Blogs offenbar unbemerkt vorbeirauschen. Jenseits der mehr oder weniger explizit “Linksliberalen” scheint sich kaum wer daran zu stören, daß da jemand mit der Kettensäge durchs Unterholz des Rechtsstaats fährt. Meine Rechereche erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber während sogenannte “liberale” Blogger kein Problem mit dumpf reaktionären Abwehrschlachten gegen die Erkenntnis ökologischer Probleme haben, findet sich bei ihnen kaum mehr irgend Relevantes zur Gesellschaftspolitik. Beinahe scheint es so, als seien die, die voll auf Parteikurs liegen, so etwas wie Antigrüne. Alles, was die Grünen zu sagen haben, ist falsch. Wenn Sie also Grün nicht mögen, kommen Sie zu den Restliberalen und ihrer F.D.P.. Daß die Freiheit, von der sie zehren, die sie im Namen tragen und die ihnen die Bürgerrechte so ganz selbstverständlich garantieren, sich nicht selbst erschaffen hat, scheint vergessen. Daß es des Engagements der Bürger bedarf, sie zu erhalten, ebenso. Das überläßt man den Gutmenschen und Panikmachern. Alles andere regelt der Markt. Politik, das ist der Stand der Dinge, sie erschöpft sich in der Zugehörigkeit zu einem Club und der Vervielfältigung der Vorstandsbeschlüsse. Sich eigene Sorgen zu machen und nach neuen Lösungsansätzen zu suchen, gefährdet nur das Standing in der Fraktion – man will sich doch nicht lächerlich machen!
Die F.D.P. ist aber nicht die Alleinvertretung für die Förderung charakterloser Halbhirne. Das zieht sich quer durch die Landschaft und betrifft beinahe alle, die eine politische Heimat haben. Daher sind es oft die Heimatlosen, die sich als gereifte Persönlichkeiten substanziell in die Debatten einmischen. Es sind solche, die in ihren Parteien eher am Rande stehen und sich das Denken ebensowenig verbieten lassen wie den Mund.
Heimatlosigkeit allein reicht freilich nicht aus, um Charaktere auszubilden, aber sie scheint förderlich zu sein. Auch von daher ist mir das Sozialliberale sympathisch, weil es eben in diesen Zeiten dort nicht vertreten ist, wo die Hanswurste sich die Pöstchen zuschieben.
April 7th, 2007 at 10:41
In 30 Sekunden bei Google fand ich insgesamt ~25 Beiträge zum Thema “Schäuble und Bürgerrechte” bei B.L.O.G., julitopia.de, roberthesse.de, Statler & Waldorf, antibuerokratieteam.de und (auf die habe ich mich mal konzentriert). Technorati bringt noch eine Unmenge mehr auf liberalen Blogs, die ich teils gar nicht kannte (sind wir so viele?) Heißt “kein Anspruch auf Vollständigkeit” bei Dir jetzt “ich hab gar nicht gesucht, aber meine gewöhnlichen Leser werden mir schon zustimmen”? Wenn ja, dann hat das geklappt, denn ich bin über einen begeisterten Link von Hokey hierhergekommen, der offenbar auch keine Lust hatte, Google zu bemühen.
Ich persönlich habe mich zu Burkhard Hirsch nicht geäußert, weil ich seinen Ausführungen nichts hinzuzufügen hatte. Und einfach nur “guckt mal hier” zu schreiben, schien mir wenig sinnvoll – zu einem Beitrag mit solcher Reichweite und starkem Widerhall in den Medien werden meine Leser sicher auch ohne meine Hilfe finden.
April 7th, 2007 at 12:14
Komisch, mir gelingt das nicht in 30 Sekunden. Es geht auch nicht darum, ob man auf irgendwelchen liberalen Blogs irgendetwas zum Thema findet, sondern darum, daß es auf vielen eben dazu nichts gibt. “Nichts” heißt für mich auch, daß seit dem 08.02. (einem lauen Hinweis auf ein TAZ-Interview) bei B.L.O.G. nichts mehr dazu zu lesen ist. Das sind satte zwei Monate, in denen eine Menge passiert ist. Bei Statler & Waldorf gibt’s einen vom 02.01. “Hat Innenminister Schäuble recht?”. Und willst Du mir ernsthaft weismachen, daß ein Sturm des Protestes durch liberale Blogs geht? Genau den hätte ich aber erwartet. Dazu muß man selbstverständlich nicht B. Hirsch zitieren. Ich habe übrigens nicht Google bemüht, um Links zu zählen, ich habe es mir erlaubt, die Blogs direkt zu durchstöbern.
April 8th, 2007 at 11:54
Vielleicht tippe ich auch schneller als Du… :)
So, dann haben wir also schon seit einem Monat nichts mehr über Schäubles Grundrechtsverständnis geschrieben. Oh, wie schrecklich. Das hat vielleicht damit zu tun, dass wir ein großes Themenspektrum abzudecken versuchen und es irgendwie sinnlos wäre, alle paar Tage wieder darauf hinzuweisen, dass Schäuble der Teufel ist. Einmal im Monat reicht da meiner Ansicht vollkommen. Schließlich sind wir ja auch keine Zeitung und kein Fernsehsender, kein “Leitmedium”, das sich seine Themen von der tagesaktuellen Lage diktieren lassen muss, erst recht keine Partei, die ständig zur fortschreitenden Diskussion Stellung nehmen sollte – sondern ein Blog, dessen Themen vor allem von der Frage bestimmt werden, womit sich die Autoren in ihrer Freizeit gerade beschäftigen.
Insofern bin ich eigentlich ziemlich genervt, wenn jemand versucht, mir meine freiheitliche Einstellung abzusprechen, weil ich nicht zu den von ihm gesetzten Zeitpunkten etwas über die von ihm gewünschten Themen schreibe.
April 8th, 2007 at 12:15
Abgesehen davon, daß wir über zwei Monate sprechen und daß es zwei Monate sind, in der die Diskussion nun einmal geführt wird – das kann in einer Woche schon zu spät sein – kann ich mich nicht erinnern, Dich persönlich angesprochen zu haben. Am allerwenigsten kann ich verstehen, daß Du Dich zum Wadenbeißer Deines neuen Clubs machst. Es wäre mir ganz recht, wenn wir um Inhalte streiten würden. Gern lasse ich mich daher eines besseren belehren, wo ich die Tendenz zu erkennen glaube, daß das Thema “Bürgerrechte” für die Liberalen arg ins Hintertreffen geraten ist. Am überzeugensten sind da nun mal Artikel und nicht beleidigte Kommentare.
Im übrigen weise ich darauf hin, daß mein Artikel ein ganz anderes Thema im Fokus hat.
April 8th, 2007 at 13:13
Oh, tatsächlich, es sind zwei Monate. Ich bitte um Verzeihung – wie die Zeit verfliegt.
Nein, persönlich angesprochen hast Du mich nicht. Aber das erste Drittel Deines Beitrages ist ja schon eine Philippika gegen liberale Blogger – weswegen Deine Andeutung, ich würde an Deinem Beitrag vorbei kommentieren, nicht ganz treffend ist. Als einer derjenigen, die auf liberalen Blogs ihre Meinung verbreiten, fühle ich mich also durchaus angesprochen.
“Wadenbeißer”, ja nun, ich habe versucht, im Ton zu kommentieren, in dem Du dich auch artikuliert hast.
“Neuer Club” – bitter erklär mir doch mal, wie Du das meinst. Das soll jetzt wirklich nicht den beleidigten Unterton haben, den Du wohl aus meinen bisherigen Kommentaren gehört hast; ich bin nur in letzter Zeit keinem Club beigetreten. Ich könnte sogar argumentieren, dass ich überhaupt keinem Club angehöre, aber da ich nun schon die Diskussion für die liberalen Blogger aufgenommen habe, wäre das inkonsequent. Nur: “Neu” ist dieser Club für mich nicht.
Wenn Du über Inhalte reden willst, findest Du bei mir immer einen guten Gesprächspartner. Nur ist die Bezeichnung “charakterlose Halbhirne” für Anhänger der FDP vielleicht nicht ganz der richtige Weg, um zu einer solchen inhaltlichen Diskussion zu kommen.
Soviel zur Vorrede; reden wir über die Inhalte, die Du ansprichst.
Ja, es ist wirklich erschreckend, wie wenig Widerstand in der politischen Landschaft gegen den schäubleschen Kontrollfetischismus geboten wird. Abgesehen von Burkhard Hirsch (der ja nun leider schon weitgehend zum alten Eisen zählt) hat sich parteiübergreifend kaum jemand zu Wort gemeldet, um gegen diese Bedrohung von Freiheitsrechten einzutreten. Die CDU sowieso nicht, denn dort hat man sich diese Art von Kontrolle und Herrschaft ja ohnehin auf die Fahnen geschrieben. Die SPD hat jegliches Interesse an den Bürgerrechten schon lange auf den Misthaufen gekarrt; die Grünen delektieren sich lieber an der Klimapanik, die ihnen neuen Auftrieb gibt, und die FDP-Führung beschäftigt sich fast ausschließlich mit Wirtschaftspolitik, ergänzt durch Staatskultur und (in NRW) Patriotismus (schon wieder!). Die Linkspartei ist in dieser Diskussion kaum ernstzunehmen – wenn die Partei, die die Stasi hervorgebracht hat, nun vom Abwehrkampf um Bürgerrechte spricht (tut sie das überhaupt?), dann kann ich nur lachen.
In der Blogosphäre sehe ich eher eine gewisse Resignation am Werke. Egal, ob der Innenminister nun von den Roten oder den Schwarzen gestellt wird, die Bürgerrechte werden immer weiter demontiert. Und die Mehrheit der Deutschen scheint das auch noch gut und richtig zu finden – wie mir und (ich glaube) Statler mal von einem konservativen Diskussionspartner gesagt wurde: “Hört doch endlich auf mit diesem ständigen Gejammere wegen der Bürgerrechte und eurem Kampf gegen mehr Sicherheit, ihr stellt euch damit doch nur gesellschaftlich ins Abseits”.
April 8th, 2007 at 14:11
Mit “neuem Club” meinte ich B.L.O.G.. Die dort bloggenden Kollegen könnten wesentlch eher gemeint sein als Du. Ich sehe das Spektrum dieses Blogs auch eine ganze Ecke weiter rechts als die “liberale Stimme”. Nunja, und das “bissig” veranlaßte mich zur Assoziation im Wadenbereich.
Was die “Halbhirne” anbetrifft, so zielt das eher auf diejenigen ab, die sich durch eine stromlinienförmige “Meinung” auszeichnen und sich dadurch ein Dazugehören sichern sowie ein Fortkommen erhoffen. Ein parteiübergreifendes Phänomen. Wer es anders versucht, hat wenig Chancen, vom Establishment gehört zu werden.
Und was die Resignation anbetrifft, so trifft das eben auf die Blogs, die ich wohl nicht zufällig am häufihgsten lese, nicht zu. Ich selbst bin nicht einmal so weit resigniert, daß ich nicht auf mehr hoffe. Auch deshalb provoziere ich gern Liberale. Nicht, weil ich etwas besseres bin, sondern weil ich hoffe, daß diese mehr können als bloß Kosten senken.
April 9th, 2007 at 13:54
Ich habe übrigens noch ein wenig rumgesurft, und vielleicht versöhnen Dich die Julis wieder etwas mit der liberalen Blogosphäre. Neben Robert Hesse habe ich nämlich auch bei Kolia N. Ohmann sowie bei mehr-freiheit-wagen.de relativ aktuellen Beiträge in Bezug auf die Frage von Sicherheit und Bürgerrechten entdeckt, bei letzterem Blog sogar eine aktuelle Bezugnahme auf Burkhard Hirsch.
April 9th, 2007 at 16:06
Thnx!
Wie ich lese, wird die Diskussion um das Anschmiegen an die CDU (und ihren Schäuble, den die F.D.P. ja auch schon in der “eigenen” Regierung geduldet hat, so wie zuvor Kanther und Zimmermann) ja durchaus geführt.
“Überlassen wir doch nicht den Linken die Bürgerrechte!” ist genau der richtige Ansatz, und “mehr freiheit wagen” erinnert mich irgendwie an eine Formel von Willy Brandt. Wäre schön, wenn sich das durchsetzte.
April 9th, 2007 at 17:58
Gespannt bin ich übrigens auch auf den Parteitag der NRW-FDP am 21. April. Dort werden zwei Anträge zum Landesverfassungsschutzgesetz aufeinander prallen – der eine von den Innenpolitikern der Partei (diese laufen auf mehr Befugnisse für den Verfassungsschutz und eine Schwächung der Bürgerrechtehinaus), der andere von den Julis NRW (der geht in die andere Richtung. Bei einer ganzen Reihe der FDP-Kreisverbände hier im Land hat sich der Juli-Antrag durchgesetzt…