Wenn der Qualitätsjournalismus löscht
Posted by flatter under Journalismus , Netzwelt[13] Comments
27. Mai 2010 19:37
Die Frankfurter Rundschau hatte einen Link auf mein Blog gesetzt, weil ich schon vor fünf Tagen die Aussage Köhlers abgetippt und online gestellt hatte. Das wurde hier in den Kommentaren mit Genugtuung zur Kenntnis genommen.
Inzwischen ist der Artikel der FR geändert worden und der Link wieder draußen. Die Kommentare unter dem Artikel wurden also zum Teil zu einem anderen Inhalt abgegeben. Nicht einmal ein Hinweis auf Blogs als Informationsquelle ist mehr zu finden. Ebensowenig einer darauf, daß der Inhalt geändert wurde. Dieser Umstand ist zwar deutlich weniger relevant als das Verschwinden der Aussage Köhlers, wirft aber die Frage auf, ob es gängige Praxis ist, Artikel zu ändern wie es einem gerade paßt und darauf zu hoffen, daß es keiner merkt.
Konkret gebührt mir die Aufmerksamkeit ohnehin nur als pars pro toto – andere waren schon früher raus mit der Meldung und wieder andere engagierter als ich. Daß aber auch die FR erst mittelbar und letztlich durch die Blogsphäre aufmerksam wurde, hätte durchaus stehen bleiben dürfen.
Im übrigen sind mir die 96 Leserlein lieb und teuer, die im Laufe des Tages auf diesem Weg zu mir fanden. Wenn ich einen Link auf die FR setze, haben sie drüben allerdings garantiert mehr davon. Kurzum: Was als scheinbar erfreulicher Umstand begann, endet unkollegial und schlicht peinlich.
Mai 27th, 2010 at 21:03
Cross your heart, what did you expect?
Mai 27th, 2010 at 21:19
Offensichtlich müssen Köhlers Aussagen ja ganz schnell ‘relativiert’ werden, er hat das alles gar nicht so gemeint und was noch alles erfunden wird. Erschreckend bei ARD tagesschau.de, wie hier vertuscht, entschärft und verharmlost werden soll. Und erst noch die Kommentare bei tagesschau.de zu Thema Köhler…
Da können offizielle (Hofberichtetattungs-)Medien nicht zu allzu wahrheitsliebenden Bloggern verlinken!
Mai 27th, 2010 at 21:25
Ein Punkt ist aber auch:
Verlinken große Medien auf Blogs, ist das vielleicht nett, aber da kommen ruck-zuck die ersten an und fabulieren von mieser Pseudo-Qualitätspresse, klauen nur bei Blogs etc pp. Vor allem wenn Blogs im Prinzip keinen Inhalt herstellen, sondern nur von anderer Seite aufbereiten (Multiplikatoreffekt mal bewusst ausgeklammert).
Da kannst du als Redakteur gute Absichten haben, aber die werden von der anderen Seite einem links und rechts durchs Gesicht geprügelt. Und auf sowas verzichtet man gerne, so Leid es einen für den einzelnen tut.
Mai 27th, 2010 at 22:36
Das nachträgliche Ändern eines Artikels ohne dies zu kennzeichnen entzieht dem Fabulieren von mieser Qualitätspresse natürlich knallhart den Boden (indem man den Multiplikator mal bewusst ausklammert).
Mai 27th, 2010 at 22:41
@Nora:
Ich finde das zunächst einmal nicht nett, sondern angemessen. Ist es “nett”, wenn ich einen Artikel verlinke, auf dessen Inhalt ich mich beziehe? Nein, in Blogs ist das selbstverständlich. Ebenso wie es guter Usus ist, die inhaltliche Überarbeitung von Artikeln als “Update” zu kennzeichnen. Der Kuhjournalismus hingegen streut unterschiedliche Versionen mit unterschiedlichen Informationen unter demselben Titel und derselben URL, was die Leser nicht einmal erfahren. Das ist ein qualitatives Defizit, miserable Handarbeit und völlig unverständlich.
Blogs stellen Inhalte ebenso gut oder schlecht her wie andere. Es sei denn, man sollte selbst Amok laufen, um darüber berichten zu dürfen. Das ist doch bloß ein Klischeé. Ich lese nach jeder Talkshow öde Artikel darüber in allen großen Medien. Was anderes ist das als Zweitverwertung? Kaum aufbereitete Agenturmeldungen stellen das Gros der Berichterstattung dar. Da nehmen wir uns doch nix. Und ich lese allemal lieber eine kluge gut geschriebene Analyse über einen Presseartikel als diesen selber, wenn er eben weniger klug und gut geschrieben ist. Ich will gar nicht trennen zwischen “denen” und “uns”. Es gibt aber Gepflogenheiten, die sollten hüben wie drüben selbstverständlich sein. Dem ist allerdings leider nicht so.
Mai 27th, 2010 at 23:46
wir zimmern uns die realität so zurecht, wie es gerade passt. im wissenschaftsbetrieb ist es usus, dass man eine überarbeitete auflage als solche kenntlich macht.
andererseits verschwinden auch da unliebsame personen ins nichts.
was ist die fr heutzutage noch wert. zu holzers zeiten habe ich sie geschätzt.
Mai 28th, 2010 at 00:11
Ist halt voll peinlich für den “Qualitätsjournalismus”, wenn er zugeben muss, wahre Aussagen unseres Bundeshorst von ziemlicher Brisanz aus einem Blog erfahren zu haben. Da löscht der Qualitätsjournalismus lieber, der Qualität halber.
Mai 28th, 2010 at 00:50
@hansklaus: Ich lasse auf die FR bei aller nötigen Kritik noch wenig kommen. Für mich trotzdem derzeit der beste journalistische Auftritt hierzulande.
Ich habe einen Artikel zum Verhältnis Blogs/Journalismus eben fertiggestellt. Kommt aber erst nach dem verlängerten Früshstück. Für heute ist mehr als gut ;-)
Mai 28th, 2010 at 01:24
was mir bei der verfolgung des themas aufgefallen ist,ist die verfälschung des eigentlichen aufregers.
es ging ja nie darum,dass köhler gesagt haben soll,wir bombten die afghanen für öl und ketchup in stücke(was er nicht tat).
es ging darum,ob es im staatlichen rundfunk nachträgliche zensur zum schutze des staatsoberhauptes gibt.
Mai 28th, 2010 at 02:43
@#7, anarscho: Och nö. Mir gegenüber hat sich die FR per Mail freundlich für den Hinweis auf Köhlers Aussage bedankt und unumwunden zugegeben, dass die Redaktion erst so darauf aufmerksam worden war. Damit scheint man da kein großes Problem zu haben.
Warum der Link gelöscht wurde, erklärt das allerdings und natürlich nicht. Vielleicht, weil irgendwem auffiel, dass z.B. unpolitik das Transkript schon vorher hatte, das aber nicht die Quelle des FR-Redakteurs war? Keine Ahnung.
Mai 28th, 2010 at 08:42
@9 / zero_content:
Der Bundeshorst hat sich nicht auf Afghanistan bezogen. Aber er hat gesagt, daß Krieg in Zukunft eben auch zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen geführt werden muß. TINA eben. Und das ist ein Hammer.
Mai 28th, 2010 at 09:24
Soviel zum Thema kostenloser Conentklau, der den angebl. Qualitätsjournalismus so kaputt macht, dass keine Werbeeinnahmen mehr erzielt werden.
Mai 28th, 2010 at 15:15
Ich hab’s: Die Praktikantin (blond, hübsch, lange Beine) war’s – und der Chefredakteur hat repariert!
Da waren wohl ziemlich viel platt, aber jezz iss ja wieder gut, alles im Lot :-((
Besser: Daß doch noch 96 Interessierte die Augen offengehalten habe!
Beste Grüße