Mein Einfluß auf die deutsche Politik ist noch größer als ich ohnehin schon annehmen durfte. Roland Koch trat bekanntermaßen zurück, wenige Tage nachdem ich mich eindeutig zu seinen Qualitäten geäußerst und ihn als völlig inakzeptabel für höhere Ämter gebrandmarkt hatte. Ein Bauernopfer, wie sich nunmehr herausstellt.
Denn kaum referiere ich über die Abwegigkeit revolutionärer Ansätze und analysiere die Situation dahingehend, daß die Krise nur friedlich und auf den Grundsätzen der Verfassung(en) zu überwinden ist, schlagen meine Gegner zurück.
Die Postille für neoliberale Reformpolitik lehnt sich als Vorposten aus dem Fenster und bereitet das Feld für die Vorrevolution: Sie präsentiert Vorschläge und Möglichkeiten zur Brutalisierung der Knechtschaft des Volkes unter der Knute der Banken und ihrer Großkunden als Resultat des “Sparzwangs”. Die Alternativlosen mögen beschließen, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, Hartz IV-Leistungen und Renten zu kürzen.
Flankiert wird dieser Aufruf von einem Diskussionsvorschlag des Saarländischen Mini-sterpräsidenten Müller, man könne eine Luxussteuer einführen. Diese Petitesse ist schon deshalb ein Hohn, weil sie die Oberschicht nicht wirklich trifft. Daß der Politzwerg Müller (CDU) sich als Sozialdemokrat geriert, ist aber umso satirischer zu verstehen, als daß er im Schatten des Abgangs des Intelligenzriesen und Schwergewichts neogerechter Steuerpraxis Roland Koch seine armselige Figur abgeben darf. Es wird dringend ein Unionist gesucht, der, nationalkonservativ und neoliberal, die CDU wieder zu Glanz und Gloria führt.
Wolfgang Schäuble, der in engstem Gefolge des BDI-Präsidenten Keitel schmackhafte Wassersuppe bei harter Arbeit preist, wird es ja nicht mehr ewig machen. Sätze wie
“Wir müssen unsere sozialen Sicherungssysteme so ausrichten, dass sie zur Aufnahme regulärer Beschäftigung motivieren und nicht gegenteilige Anreize setzen” müssen schließlich von Funktionären vorgebetet werden, denen man ihren Sadismus auch abnimmt, sonst glaubt das Volk noch, das sei kalter Kaffee oder gar ein neckischer Scherz.
Sie geben es mir jetzt lang und schmutzig. Alles, was ich als dumm, fatal und krisenverschärfend erkenne, setzten sie auf die Agenda. Die Armen werden geplündert, die noch nicht ganz Armen so lange zur Kasse abgeführt, bis sie nämlichem Freiwild angeglichen sind. Wir buckeln weiter für den Export, machen uns damit erst Europa zum Feind und dann wie immer den Rest der exportfaulen Minderleister auf der blauen Murmel. Zurecht wird man den Deutschen vorwerfen, das nicht nur mitgemacht, sondern sprichwörtlich selbst gewählt zu haben. Wenn wir es mitmachen.
Die Herren der Kreuzchendemokratie, die Diener der Herren in den gut sitzenden Anzügen also, lassen es drauf ankommen. In der Überzeugung, von Anfang an die richtigen Parolen ausformuliert zu haben, starten sie das Experiment, wie nahe man sich an eine echte revolutionäre Situation heranregieren kann, wenn der rechte Glaube nur tief genug sitzt.
Begleitend lassen sie durchblicken, daß man zur Erhaltung der Marktmacht die Kampftruppen im Inneren wie im Äußeren aufmarschieren lassen wird. Ich bin zutiefst beeindruckt über die Bemühungen, echte Politik noch interessanter zu gestalten als die weitsichtigen Artikel von Deutschlands einflußreichstem Blogger. Ring frei zur nächsten Runde!
Mai 27th, 2010 at 01:25
Das ist doch der blanke hohn. erst vor 2 oder 3 tagen hiess es noch, bei ursel werde eben nicht gespart. da drehte der von und zu guttenzwerg seite an seite mit dem verkehrsminister bald durch. das werde man nicht hinnehmen. wenn gespart werden soll, dann in allen ministerien. weil gerechtigkeit muss sein.
soll ich dir was sagen, flatter. das ist eine einzige farce und hetzkampagne. wer hier zur revolution auffruft sind nicht wir, sondern die schießwütigen, die alsbald mehr geld für waffen brauchen, ob der anstehenen hungerrevolten.
und noch was. ich fürchte den tod nicht. und den teufel schon gar nicht!
Mai 27th, 2010 at 01:27
ps. den link zum ersten sparentwurf hatte ich bei dir schonmal irgendwo gepostet.
Mai 27th, 2010 at 01:40
Ich schlage vor, wir verabreden uns zu einer Großaktion – alle Rentner, Kinder und Arbeitslose treten gemeinsam an und lassen sich öffentlich vor dem Reichstag erschießen. Die Schmierblätter der Nazion können ihre Aufflagen bis ins Unermessliche steigern und live und exclusiv über dieses Massenmord berichten. Hurrah, Hitler ist tot, es lebe die Demokratie!
Mai 27th, 2010 at 02:09
[...] wir uns gemeinsam erschießen! Posted on Mai 27, 2010 by geheimraetin Bezüglich der neu ausgearbeiteten Sparpläne unserer Reichsführer und ihrer 4. Gewalt rufe ich hiermit alle Rentner, Arbeitslose und ihre [...]
Mai 27th, 2010 at 09:00
Wie unsere Gedanken die Realität beeinflussen. Du bist auf nem gutem Weg, das freut mich ;-)
Aber tu mir nen Gefallen… Denk positiv^^
Mai 27th, 2010 at 09:45
“SPIEGEL ONLINE analysiert, wo die Sparpotentiale liegen.”
Wenn ich solch anmaßenden Sätze im Teaser solch mäßiger Artikel lese, muss ich immer lachen. Als wenn die Flachmaten des ehemaligen Nachrichtenmagazins zu einer echten Analyse in der Lage wären. Aber seit neuestem beginnt jeder dritte Artikel bei denen (und auch in der ZEIT) mit einer solchen Einleitung.
Ich stelle mir dann die Zielgruppe von denen vor: iPhone-versessene kommunikativ überforderte (Schirrmacher) Image-Reagierer, deren technische und intellektuelle Kompetenz maximal reicht, 140-Zeichen lange Twitter-Postings in das Internet-Nirwana zu schicken und deren Persönlichkeitsstruktur mit dem treffenden Bezeichner “Follower” umschrieben werden kann. Genau die brauchen Artikel, die beginnen mit: “Wir analysieren für Sie …”.
Mai 27th, 2010 at 10:31
Liebe “Feynsinn-Fans”
vielleicht ist der eine oder andere ja aus Brandenburg und hat Lust mitzumachen.
Beim “Zug der Tagelöhner”
vom 19. bis 28.07.2010
durch 10 Brandenburger Städte.
msG
Michael Maurer
Mai 27th, 2010 at 11:41
ooh flatter, die Geister, die du riefst…und nun rufst…
@Michael: Wohin fährt der Zug? Und sind das bereits Güter-Wagons? (^^)
Am 12. Juni gibt es zwei Großdemos in Stuttgart und Berlin. Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, NGOs und der Linken ruft dazu auf, unter Motto “Wir zahlen nicht für eure Krise”, auf die Straße zu gehen.
Mai 27th, 2010 at 12:46
@ attacy,
mit dem 12. Juni, das wollte ich auch gerade schreiben.
Mich wird man in Stuttgart finden.
Mai 27th, 2010 at 13:03
[...] https://archiv.feynsinn.org/?p=3411 [...]
Mai 27th, 2010 at 13:09
Tja, aber… wo soll die Revolution den herkommen? Von den Arbeitern und Angestellten, die angesichts des Heeres billigerer Arbeitskräfte um ihren Job bangen und lieber nicht Aufmucken? Von den Arbeitslosen selber, die von den ARGEn mit Zwangsmaßnahmen “von der Straße” geholt werden? Von den Studenten, die dank Bologna keine Zeit mehr haben und nur noch für ihren Bachelor oder Master büffeln dürfen? Wo sind si denn die revolutionären AStAs, die MSBs und wie sie alle heißen.
Wenn ich jetzt Verschwörungstheoretiker wäre, würde ich ja behaupten, daß alle Arbeitsmarkt- und Bildungsmaßnahmen nur dem einen Ziel Dienen: Das Volk zu beschäftigen und keinen Widerstand gegen neoliberale Politik aufkommen zu lassen.
Mai 27th, 2010 at 14:07
“Wir zahlen nicht für eure Krise”
Natürlich zahlen wir! Wo sind wir denn…?
Mai 27th, 2010 at 15:38
“Tja, aber… wo soll die Revolution den herkommen?”
Von den Freien.
Den ganz freien, die die nichts wollen.
Der traurige Rest ist leider in seinen Zielen und Wünschen gefangen und wird durch sein streben nach dem “mehr” vom System erpresst.
Wobei man R aus Revolution dann streichen sollte, es scheint mir doch ein längerer Prozess zu werden, bis sich das zu einen (dann) alternativlosen Zeitgeist entwickelt.
Solange das Denken des Mainstreams nach wie vor davon geprägt ist, die Möglichkeit zu nutzen sich auf Kosten anderer Mehrwerte anzueignen, getrieben von einem Leistungs- und Geldfetisch, bleibt der Neoliberalismus tatsächlich ohne Alternative.
Derzeit haben einige Akteure halt maßlos über die Stränge geschlagen, bei einer grundlegenden Systemkritik sind wir aber noch nicht.
Mai 27th, 2010 at 19:31
8. @attacy
@Michael: Wohin fährt der Zug? Und sind das bereits Güter-Wagons? (^^)
Klick mal auf meinen Namen, da kommst Dur zur Website.
msG
Michael
P.S. Am 12.06.10 sehen wir uns in Berlin?
Mai 28th, 2010 at 12:47
na, nach dem letzten Blogeintrag zur “Revolution” erinnert mich das alles an den Revoluzzer im Zivilstand Lampenputzer.
Mai 28th, 2010 at 13:43
Jaja.
Mai 29th, 2010 at 22:35
Revolutionen kann ich mir noch immer nicht in De und Co. vorstellen, eher etwas, wovor mir graut: Revolution “von oben”, etwas in der Art. Aber nicht auf dem Weg der tausend “kleinen” Nadelstiche, Hartz VI etc. … Eher drängt sich mir die Vorstellung von putschartigem Überraschungsangriff, Überrumpelung auf; möglichst plötzlich denjenigen, die ohnehin nicht viel haben, gleich a l l e s wegnehmen und basta! Sonst bliebe zu viel Zeit, in der sich Widerstandskräfte organisieren könnten. So ein System müsste allerdings stabilisiert werden, und wie – einige sind ja der Auffassung, dass es bereits jetzt faschistoide Züge aufweist …
Mai 31st, 2010 at 14:59
Jetzt, wo Köhler zurückgetreten ist: Gratulation und der nächste bitte! ;)