Nachdem ich neulich bereits den Grünen ein miserables Zeugnis ausgestellt habe, muß ich aktuell leider für NRW eingestehen, daß die real existierende Linken ggf. durchaus regierungsfähig sind, aber ein geradezu widerwärtiges Politikverständnis spazieren führen. Ausgehend von Bemerkungen zu Vorgängen in einem Kreisverband habe ich ein wenig über Figuren im Landesvorstand recherchiert. Ich fasse das einmal so zusammen: Das wollt ihr gar nicht wissen. Es ist nicht wirklich nachprüfbar, wer da was gegen wen veranstaltet, aber eines wird deutlich: Von einer solidarischen Organisation zur Durchsetzung linker Inhalte könnte der Laden kaum weiter entfernt sein.

Ich war noch nie so ratlos vor einer Wahl wie diesmal. Vermutlich werde ich Leute wählen, von denen ich weiß, daß sie sich mit dem Programm, das sie vertreten, den Hintern abwischen. So weit haben es die Parteien gebracht: Dazu gibt es tatsächlich keine Alternative. Heute jedenfalls nicht.

Womit ich zu einer Frage komme, an die man entweder Hoffnung hängen kann oder sich alternativ so tief im Schlamm der Enttäuschung wälzen, daß man nachher wenigstens so bematscht aussieht, wie man sich fühlt. Gibt es eine Organisationsform von Politik, die deren Ideen nicht zu Tode verwaltet oder zwischen konkurrierenden Klubs besserwisserlicher Brutalstrategen zerrieben wird?

Hätten etwa die Grünen ihren Charme und ihre Unbestechlichkeit behalten können, wenn sie ihre Prinzipien nicht mit den ursprünglichen Strukturen über Bord geworfen hätten? Was hätte sie dann besser gewappnet gegen den Durchmarsch der Frankfuter Realo-Front rund um Fischer und Cohn-Bendit?
Muß eine Linke immer sketiererisch und gnadenlos auftreten in ihren internenen Konfilkten?
Ist Politik allgemein dazu verurteilt, in Führerkult oder Apparatschismus zu münden?

Um kurz noch einmal auf Linke einzugehen, wie ich sie kennengelernt habe:
Ob in den Zirkeln rund um stramme Parteigänger (etwa der DKP) oder in Debatten im Studierendenparlament, es setzten sich meist diejenigen durch, die genügend Claqeure um sich versammelt hatten und den Verlauf einer Diskussion zu steuern wußten. Ich habe an der Uni derart hirnentkernte Schlachten um Geschäftsordnung, Tagesordnung und Abstimmungsmodalitäten erlebt, daß ich mir vorkam wie in einem Raumschiff der Vogonen oder auf einer Station für hysterisch-aggressive Finanzbeamte. Mit politischen Auseinandersetzungen oder gar überzeugenden Argumenten hatte das in der Regel nicht die Bohne zu tun. Es ging darum, zu gewinnen.

Daß im Schatten dieser kommunikativen Qualität in den 80ern und frühen 90ern jene Auswüchse von Political Correctness entstanden, für die sich heute rechte Menschenhasser rächen, nimmt nicht wunder.

Der Glaube, die Struktur der politischen Diskurse beeinflussen zu können, politische Inhalte durch die richtige Organisationsform allein durchsetzen zu können, ist mehrfach gescheitert. Ironischerweise sind es immer wieder Führerfiguren, die gerade aus solchen Bemühungen hervorgehen, weil einzig noch der, den überhaupt keine Regeln interessieren, Rettung aus Filz und Kleinkrieg verspricht. Beugt sich die Organisation gänzlich diesen Persönlichkeiten, ist freilich die Demokratie am Ende.

Wie könnte also Politik in einer parlamentarischen Demokratie noch erträglich organisiert werden? Dies scheint eine Frage zu sein, die unmittelbar auf das Problem weist, wie sich Menschen als Persönlichkeiten so zusammentun, daß weder Klüngel-Eliten oder gestutze Diktatoren die Wirklichkeit bestimmen, noch eine Maschinerie entsteht, innerhalb derer die einzelne Meinung in einer absurden Bürokratie untergeht. Last not least soll es sich schließlich so gestalten, daß die politischen Inhalte nicht durch Korruption pervertiert werden.
Derzeit werden diese Aufgaben von keiner politischen Partei auch nur annähernd zufriedenstellend gelöst. Ob und wie das möglich ist, darüber werde ich in Kürze meditieren.