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Die Filterung von Wirklichkeit kann äußerst unterschiedlich ausfallen, der Konstruktivismus glaubt gar, es gebe unzählige Realitäten. Bemerkenswert allerdings, dass der Common Nonsense der Massenmedien immer dieselbe Färbung erhält, immer dieselben Aspekte ausblendet und stets zu denselben bizarren Schlüssen kommt.

Das beginnt damit, dass ein Medienpädagoge eine mystische “German Internet Angst” für den Umstand verantwortlich macht, dass die Nutzung des Internets hierzulande vor allem als juristisches Problem wahrgenommen wird. Die naheliegende Erklärung, dass das mit einer brutalen Infrastruktur zweier Industrien zu tun hat, nämlich der Kanzleien und der Großverlage, kommt ihm nicht in den Sinn. Nirgends aber kämpfen diese Arm in Arm so eifrig gegen Meinungsfreiheit und für das Eigentum am Wort wie im Land der Dichter- und Denkerverwerter.

Die Wirklichkeit der Menschen weicht völlig der religiösen Anbetung einer Wirtschaftsdoktrin, die sich durch schiere Selbstverleugnung hervortut. Der Ökonomie wird alles untergeordnet, sie selbst aber kanonisch in einer so psychotischen Zurechtlegung der Realität beschrieben, dass der größte Alptraum euphorisch gefeiert wird. Beispiel Migration: Da hat doch ein sogenanntes “Nachrichtenmagazin” vor einigen Wochen den Umstand gefeiert, dass aus Südeuropa bestens gebildete junge Menschen nach Deutschland kommen, um hier Arbeit zu suchen.

Schon von dem Effekt, dass das die Löhne noch weiter drückt, kein Wort. Die Löhne für junge Akademiker sind ein Schlag ins Gesicht, die Löhne in Deutschland generell wiederum die Ursache für das, was sich die Religion als “Eurokrise” zurechtlügt. Das Grauen wird also immer schlimmer, der Deutsche soll das aber gut finden und sich vermutlich in Rassismus flüchten, wenn er nach einer Erklärung für das Elend der anderen sucht.

Qualitätslogik

Andere können genau so blöd. Die “Zeit” jubelt, “dass eine Währungsunion besonders dann Erfolg hat, wenn die Arbeitsmobilität hinreichend hoch ist“, unter Anleihe bei einer heiklen Theorie und völliger Missachtung der katastrophalen Folgen für die Menschen. Alles andere führt wohl zu nah an den Rand der Ablehnung dieses ökonomisch-religiösen Irrsinns; der Abfall vom Glauben darf nicht einmal in Erwägung gezogen werden. Das trägt weitere hohle Früchte.

Die versammeln sich derzeit zahlreich in den Redaktionen der “FAZ”, wo sie an einer neuen Logik arbeiten. Da wird zum Beispiel konstruiert, die Gewerbesteuer senke quasi automatisch die Löhne. Unternehmen, in denen Mitarbeiter “indirekt besonders stark am Unternehmensgewinn teilhaben” werden da herbeiphantasiert, dort aber seien es “bis zu 77 Prozent der Kosten“, die auf die Löhne abgewälzt werden.

Keine Belege, keine Vergleichszahlen, kein Hinweis auf einen nachvollziehbaren Zusammenhang, Anteil oder Zahl der Lohnabhängigen, die davon betroffen wären. Kein Rückschluss auf die sonst so gern geforderte Beteiligung der Arbeiter am Gewinn. Und schon gar kein Funke Kritik an den Strukturen, in denen es derart leicht ist, die Löhne zu drücken. Was der Leser wissen muss: Steuern sind ganz schlimm für die Menschen und Lohnsenkungen allein die Schuld des gierigen Staates.

Am anderen Ende solcher Logik, Resultat der Beliebigkeit des Argumentes, die Propaganda auszeichnet, steht dann das Highlight, die schäbigste Verdrehung, die ich seit langem gelesen habe; eine Lüge, die in einem an “Qualität” orientierten Journalismus ein bodenloser Skandal wäre [via]:
Extremismus und Terror gehören zu den Gründen, warum eine Minderheit der Muslime nicht integrationswillig ist; das wiederum ist einer der Gründe für islamfeindlichen Extremismus und Terror.

Merke: Wenn Nazis morden, ist der Moslem schuld.