Die Filterung von Wirklichkeit kann äußerst unterschiedlich ausfallen, der Konstruktivismus glaubt gar, es gebe unzählige Realitäten. Bemerkenswert allerdings, dass der Common Nonsense der Massenmedien immer dieselbe Färbung erhält, immer dieselben Aspekte ausblendet und stets zu denselben bizarren Schlüssen kommt.
Das beginnt damit, dass ein Medienpädagoge eine mystische “German Internet Angst” für den Umstand verantwortlich macht, dass die Nutzung des Internets hierzulande vor allem als juristisches Problem wahrgenommen wird. Die naheliegende Erklärung, dass das mit einer brutalen Infrastruktur zweier Industrien zu tun hat, nämlich der Kanzleien und der Großverlage, kommt ihm nicht in den Sinn. Nirgends aber kämpfen diese Arm in Arm so eifrig gegen Meinungsfreiheit und für das Eigentum am Wort wie im Land der Dichter- und Denkerverwerter.
Die Wirklichkeit der Menschen weicht völlig der religiösen Anbetung einer Wirtschaftsdoktrin, die sich durch schiere Selbstverleugnung hervortut. Der Ökonomie wird alles untergeordnet, sie selbst aber kanonisch in einer so psychotischen Zurechtlegung der Realität beschrieben, dass der größte Alptraum euphorisch gefeiert wird. Beispiel Migration: Da hat doch ein sogenanntes “Nachrichtenmagazin” vor einigen Wochen den Umstand gefeiert, dass aus Südeuropa bestens gebildete junge Menschen nach Deutschland kommen, um hier Arbeit zu suchen.
Schon von dem Effekt, dass das die Löhne noch weiter drückt, kein Wort. Die Löhne für junge Akademiker sind ein Schlag ins Gesicht, die Löhne in Deutschland generell wiederum die Ursache für das, was sich die Religion als “Eurokrise” zurechtlügt. Das Grauen wird also immer schlimmer, der Deutsche soll das aber gut finden und sich vermutlich in Rassismus flüchten, wenn er nach einer Erklärung für das Elend der anderen sucht.
Qualitätslogik
Andere können genau so blöd. Die “Zeit” jubelt, “dass eine Währungsunion besonders dann Erfolg hat, wenn die Arbeitsmobilität hinreichend hoch ist“, unter Anleihe bei einer heiklen Theorie und völliger Missachtung der katastrophalen Folgen für die Menschen. Alles andere führt wohl zu nah an den Rand der Ablehnung dieses ökonomisch-religiösen Irrsinns; der Abfall vom Glauben darf nicht einmal in Erwägung gezogen werden. Das trägt weitere hohle Früchte.
Die versammeln sich derzeit zahlreich in den Redaktionen der “FAZ”, wo sie an einer neuen Logik arbeiten. Da wird zum Beispiel konstruiert, die Gewerbesteuer senke quasi automatisch die Löhne. Unternehmen, in denen Mitarbeiter “indirekt besonders stark am Unternehmensgewinn teilhaben” werden da herbeiphantasiert, dort aber seien es “bis zu 77 Prozent der Kosten“, die auf die Löhne abgewälzt werden.
Keine Belege, keine Vergleichszahlen, kein Hinweis auf einen nachvollziehbaren Zusammenhang, Anteil oder Zahl der Lohnabhängigen, die davon betroffen wären. Kein Rückschluss auf die sonst so gern geforderte Beteiligung der Arbeiter am Gewinn. Und schon gar kein Funke Kritik an den Strukturen, in denen es derart leicht ist, die Löhne zu drücken. Was der Leser wissen muss: Steuern sind ganz schlimm für die Menschen und Lohnsenkungen allein die Schuld des gierigen Staates.
Am anderen Ende solcher Logik, Resultat der Beliebigkeit des Argumentes, die Propaganda auszeichnet, steht dann das Highlight, die schäbigste Verdrehung, die ich seit langem gelesen habe; eine Lüge, die in einem an “Qualität” orientierten Journalismus ein bodenloser Skandal wäre [via]:
“Extremismus und Terror gehören zu den Gründen, warum eine Minderheit der Muslime nicht integrationswillig ist; das wiederum ist einer der Gründe für islamfeindlichen Extremismus und Terror.”
Merke: Wenn Nazis morden, ist der Moslem schuld.
Mai 13th, 2013 at 15:39
Das passt – gerade wollte ich auf diese Geschichte hier hinweisen: ‘Revealed: how the FBI coordinated the crackdown on Occupy – New documents prove what was once dismissed as paranoid fantasy: totally integrated corporate-state repression of dissent’ Quelle
Future is now! (Nina Hagen…)
Mai 13th, 2013 at 16:08
Gefunden:
der religiösem Anbetung
auf einen nachvollziehbare Zusammenhang
Mai 13th, 2013 at 16:56
Qualitätslogik!
Da kommen auch bei ehemaligen Revoluzzern – heute Beamte im höheren Dienst oder Millionäre – keine kognitiven Dissonanzen auf. Medienkompetenz bedeutet heute: Klicke da wo deine virtuellen „Freunde” klicken – and like it! Wähle das, was deine „Freunde” wählen. Kaufe das, was deine „Freunde” kaufen. Lese das, was deine „Freunde” lesen. Schimpft sich heute neben Medienkompetenz auch „soziale Kompetenz”.
Mit kritischen Kommentaren oder lausigen Erklärungsansätzen zum Zeitgeschehen wie „cui bono” lässt sich in der somaverseuchten BRD kein Blumentopf gewinnen. Die Frage heute ist: Wie gewinne ICH!
Danke für den tollen Artikel
Mai 13th, 2013 at 17:24
Das hatte Feynsinn aber schon mal in einem einzigen Wort thematisiert: Unisonopluralismus.
Mai 13th, 2013 at 17:41
Der fortschreitende Zerfall korreliert offensichtlich mit einer zunehmenden Realitätsverleugnung, wie man sie einst nur vom ZK kannte. Ansonsten kann ich das Geschreibsel der deutschen Presse nur als Beweis für die Existenz von Parallelwelten werten.
Der Moslem ist also selbst schuld, wenn er von Nazis abgeknallt wird. Frauen sind selbst schuld, wenn sie vergewaltigt werden, weil sie ja zu nuttig rumlaufen. Spanier, Griechen, Portugiesen sind selbst schuld an ihrem Elend, weil sie zu lange zu gierig und korrupt waren. Dieses “selbst Schuld” ist der Holzhammer, mit dem der Kleinbürger auf alles Überkomplexe eindrischt. Es legitimiert jede Niederträchtigkeit und entbindet von jeglicher Humanität und Empathie.
Ein Zeitungswesen, das sich mit einer regelrechten Lust zum Arm des Unrechts macht und das auch noch mit einem “Qualitäts”-Präfix versieht, kann gar nicht schnell genug aussterben.
Mai 13th, 2013 at 18:54
Dieser “Surrealismus” lässt sich schon erklären, auf der Suche nach Sündenböcken werden Tritte von oben nach unten weitergegeben(Bloch), darauf setzt der Medienzirkus.
“Dem autoritären Charakter ist eine Untertanenmentalität eigen, die in Krisenzeiten ihre Servilität gegenüber dem herrschenden System psychisch nur aufrechterhalten kann, wenn sie sich Möglichkeiten der Triebabfuhr verschafft. Die Unterordnung unter die Systemimperative geht während der Krise mit immer größerem Triebverzicht einher, während die Gratifikationen wegfallen. Da dem autoritären Charakter ein Aufbegehren gegen die Verhältnisse, die ihn in den Irrsinn treiben, unmöglich scheint, bricht sich die so angestaute Wut gegen Schwächere Bahn.
Menschen, die von der kriselnden Kapitalverwertung zu Objekten gemacht und ausgepresst werden, ergötzten sich daran, andere zu Objekten degradiert zu sehen. Der angestaute Druck muss weitergeleitet werden, weswegen das Publikum es liebte, »arme Hunde so zu hetzen, wie es die Reichen mit einem selber tun« (Bloch).” (Konicz 2013)
https://tinyurl.com/b6pbz8s
Die von flatter gelinkten Cover vom “Spiegel” sind noch die harmlosesten.
Das von Konicz beschriebene Phänomen fällt in die Kategorie der kapitalistischen “Wirklichkeitskontrolle”, es zählt nur der marktwirtschaftliche Konformismus, alle “Überflüssigen” oder Andersdenkenden sind schlicht und ergreifend “Humanmüll” (Agamben).
Passend dazu die neue Kampagne der diversen Hüter des “Qualitätsjournalismus”, https://tinyurl.com/bmflarl
Mai 13th, 2013 at 19:45
*lol* Ich musste NoScript ausschalten, um den Mist lesen zu können. Profis!
Mai 13th, 2013 at 20:10
Scheint sich zum Flächen- und Sparten-deckenden Real-Surrealismus ausweiten zu wollen.
Mai 13th, 2013 at 21:16
Mal ‘ne Frage:
Wieso bin ich eigentlich bisher nicht darauf gekommen für das, was mir im Leben widerfahren ist (Arbeitslosigkeit, Krankheit, ständiger Mangel bei der Konsumfähigkeit) andere verantwortlich zu machen?
Ist mir ein autoritärer Charakter, möglicherweise auch ein nekrophiler, auferlegt worden ohne Option, ohne das ich selbst jemals meinen eigenen Kopf, mein eigenes Empfinden hätte bemühen müssen, um herauszufinden, mich in den Verhältnissen zurechtzufinden und herauszufinden.
Für mich gibt es keine Zwangsläufigkeit, die sich aus den Verhältnissen konsequent herausbilden kann, ausser als armselige Entschuldigung dafür, die Menschen in ihrem Handeln und Denken auf die Verhältnisse zu reduzieren , in denen sie leben.
Mai 13th, 2013 at 21:42
@troptard
Dein Argument blamiert sich selbst, da du – wie alle anderen auch – dem repressiven Konkurrenzprinzip unterworfen bist.
Konkurrenz und der damit verbundene Ausschluss wird befürwortet, aber selbst möchte man nicht ausgeschlossen werden.
Die bügerliche Gesellschaft befürwortet etwas gegen das sie selbst aber geschützt werden will, und die “Verlierer” fordern dann die Verfolgung von Sündenböcken (die bösen “Sozialschmarotzer”), Fremdenfeindlichkeit tritt zutage und sonstige Rassismen finden ihren Weg.
Mai 13th, 2013 at 21:47
@troptard.
Naja, du musst dich halt in den Verhältnissen zurecht finden, die du für dich selber akzeptieren willst. Wenn das nicht mehr passt, dann stinkt dir das auch, und du machst eventuell andere dafür verantwortlich. Das ist, – Unterbrechung des Phlegmas aufgrund der eigenen Situation.
Dann gibt es da noch die Unterbrechung des Phlegmas aufgrund dessen, dass sich bereits andere nicht mehr in den Verhältnissen zurecht finden. Das nennt man dann soziale Mitverantwortung. Eine förderungswürdige mentale Einstellung, die man die letzten Jahre doch erheblich zugunsten der ersteren autoritär (und schwer manipulativ) denunziert hatte.
Mai 13th, 2013 at 21:51
@BG Nro. 10:
Du beschreibst das Problem wie es ist und @tropdard Nro. 9 ausblendet: Das System verlassen wollen, ja. Das System verlassen können…?
https://www.social-innovation.org/?p=4645
(Der Link is kurz genug…)
Mai 13th, 2013 at 22:32
Hallo Boris!
Wie Du darauf jetzt gekommen bist, verstehe ich nicht.
Du fährst da Geschütze auf, die ich so gar nicht nachvollziehen kann.
Wieso soll es folgerichtig sein, dass Menschen, die sich in schwierigen und existenziell bedrohlichen Lebensverhältnissen befinden, automatisch zu repressiven Verhaltensmustern finden.
Diese könnten sich doch umgekehrt auch solidarische Beziehungen aneignen.
Warum wird reflexartig unterstellt, und das empfinde ich persönlich als typisches bourgeoises Interpretationsmuster, dass daraus gefolgert , für entschuldbar, medial auch noch befördert wird, sich Sündenböcke zu suchen, auf die Mensch treten kann.
Ist, so meine Erfahrung, auch gerne ein Entschuldungsmuster für die “Linke”.
Ich wende mich ganz strikt dagegen einen Automatismus, dazu noch einen entschuldigenden zu bemühen, wenn es darum geht Menschen von ihren Handlungen freizusprechen.
Ich käme da noch auf sehr, sehr schlechte Gedanken, wenn ich von meinen Grosseltern und Eltern berichten müsste aus einer Zeit, die man das Dritte Reich nannte.
Mai 13th, 2013 at 22:50
@troptard
Entschuldbar ist es nicht, so ist das keineswegs gemeint, und mit der Linken – der jegliche krisentheoretische Kompetenz fehlt – habe ich schonmal garnichts am Hut.
Nur die Handlungen und daraus resultierenden Reflexe sind systemimmanent durch die Konkurrenz bedingt.
Die durch das Konkurrenzprinzip entstehende Exklusion bedingt auch nicht den Hass auf die “Gewinner” oder umgekehrt, beides bedingt sich wechselseitig bis sich der Hass Bahn bricht.
Denke nur einmal an den offenen Antisemitismus zum Gründerkrach/ Schwarzen Freitag und zur NS-Zeit. Dir missfällt – so denke ich – die Verallgemeinerung auf “Alle” und die daraus resultierende logische Konsequenz dies absolut zu setzen (was nicht beabsichtigt war).
Aber da kann ich dich beruhigen, die von dir angesprochenen “solidarische Beziehungen” gibt es, nur die durch das System hervorgerufene Beziehung auf sich selbst – “Ich zähle” – erzeugt diesen Hass, “entweder die oder ich”.
Ich muss nur ein bürgerliches Medium aufschlagen, sei es “Die Zeit” oder “Der Spiegel”, da ist die Rede von den “faulen Südeuropäern” oder den “misswirtschaftenden, faulen Griechen”.
Mai 13th, 2013 at 22:59
@ troptard:
“Wieso soll es folgerichtig sein, dass Menschen, die sich in schwierigen und existenziell bedrohlichen Lebensverhältnissen befinden, automatisch zu repressiven Verhaltensmustern finden.”
Wovon redest du, man? Ich les von dir grad nen Kommentar, dass die “Welt der Menschen nunmal darin besteht für Geld zu arbeiten und dieses Geld dort wiederhinzugeben [...]“… Und du wirfst anderen die entschuldigende Unterstellung von Automatismus und Determinismus vor?
Mai 13th, 2013 at 23:06
@langlode44, 12.
Das System verlassen können?
Beinhaltet das auch in der Konsequenz, dass ich mich bestimmten Verhaltensmustern verpflichtet/ausgeliefert fühlen muss, ihnen nicht entrinnen kann?
Wäre das nicht eine Bankrotterklärung für die Linke?
Mai 13th, 2013 at 23:17
@BorisGruschenko, 14.
Danke für Deine Erläuterungen! Habe mich vollkommen missverstanden gefühlt.
Ich sag jetzt mal, bonne nuit !
Mai 13th, 2013 at 23:28
Buona notte! @troptard
Mai 13th, 2013 at 23:31
Hallo cb, 15.
Nimm es mir nicht übel, aber wenn ich an der Supermarktkasse meine 50 Euro bezahle macht das schon einen Unterschied, die bezahle ich weil ich sie bezahlen muss.
Meinen Vordermann in die Waden treten, dass hängt doch sehr von meinem Charakter ab.
Mai 14th, 2013 at 01:30
@troptard
Wäre das nicht eine Bankrotterklärung für die Linke?
Genau das. Die Linken haben nie gelernt übers Systemdenken hinaus zu kommen. Und die Rechten haben das übernommen. Patt. (Und ich sage das als Linker). Genau darum geht es doch. Doch Ausnahmen mit Charakter, – bestimmen die Regel. Mach was draus.
Mai 14th, 2013 at 01:54
Ich habe nicht wirklich gewusst, was ich da angefangen habe. Es wird noch mehr vom Sieg der Rechten geben. Aber das ist auszuhalten, denn dass es nichts Richtiges im Falschen gibt, bedeutet sowohl dass das Falsche falsch ist als auch dass es ist, so lange es sich nicht endgültig als falsch erwesit – was derselben Logik nach nicht ausbleiben kann. Bis ich das für mich ausformuliert habe (sorry, dass ich euch das auch zumute, das ist halt dieser publizitäre Autismus) bleibt’s schon mal ein Cliffhanger. Ich mache Theater, stelle ich derzeit fest. Ich weiß nur noch nicht, ob die Zuschauer auf der Bühne oder im Saal sitzen.
Mai 14th, 2013 at 02:10
@flatter
Real-Surrealismus
Mai 14th, 2013 at 10:11
Die Zumutung des Qualitätsschreiberlingtums:
Die Zumutungen des Rechtsstaates sollten nicht damit enden, dass er abgeschafft wird. … Da helfen Sprücheklopfer und Verschwörungsdenker nicht weiter.
Die Ursache:
„Das ist ein Jahrhundertprozess. Es reicht nicht, die Beschuldigten zu verurteilen.“ … „Wir erwarten ein geordnetes Verfahren und dass die Verquickungen zwischen den Sicherheitsbehörden und dem NSU ans Tageslicht kommen, insbesondere die Verquickungen mit dem Verfassungsschutz“
Nur zur Erinnerung:
https://www.google.com/search?q=stahlknecht+100+prozent+nsu
Wo blieb da der Schutzreflex der Marionetten-Medien? Achso, deswegen.
Im übrigen, ich bin ein Wahrheitstheoretiker und rede/schreibe über Verschwörungspraktiken.
Mai 14th, 2013 at 11:54
@flatter
Alles d’accord, bis auf eines: Ich glaube nach wie vor, dass Unternehmenssteuern (wie auch sog. Lohnnebenkosten) Einfluss auf Löhne (und Preise) haben. Auch Unternehmen leben von dem, was “hinten rauskommt” und müssen sich deshalb Gedanken machen um das, was “vorne abgeht”! Trotzdem kann man nich Schlüsse ziehen, wie den zitierten. Der passt zu gut zur Rechnung “0,1% Finanztransaktionsteuer und der kleine Sparer verliert tausende”.
Deshalb bin ich grundsätzlich für eine völlige Umgestaltung des Steuersystems, weg von der (leicht zu manipulierenden) Leistungsbesteuerung hin zur Besteuerung des Verbrauchs. Nicht der Input Leistung sollte besteuert werden (siehe Ein grober Unfug – wir bestrafen die Kreativität) sondern das, was verbraucht wird, durch Basissteuer (für Resourcen und nicht vermehrbare Güter wie Grund und Boden) und individuelle Verbrauchssteuer für das was der Konsument dem Kreislauf entnimmt. Das ist heute mit elektronischen Zahlungsmedien problemlos zu bewerkstelligen. Ansätze dazu siehe Wohlstand und Armut und Neuer Fiskalismus.
Mai 14th, 2013 at 13:39
@Vogel – Verzeihung, aber das ist ein solcher Bockmist, dass man im Detail gar nicht weiss, wo anfangen… Deshalb die Kurzfassung: durch keine wie auch immer geartete Besteuerung lässt sich das Kapitalverhältnis grundsätzlich ändern, entweder ist es in der Lage, sich unter den neuen Bedingungen zu restaurieren, oder es stellt seinen Betrieb schlicht ein, wenn es das nicht mehr kann.
Das hätte Herr Jenner eigentlich den ‘scharfsichtigen’ und ‘brillianten’ Analysen des Herrn Marx entnehmen können, wenn er sie verstanden hätte… “Die Verteilungsverhältnisse, die unmittelbar auf der bürgerlichen Produktion beruhen, die Verhältnisse zwischen Arbeitslohn und Profit, Profit und Zins, Grundrente und Profit, können durch die Steuer höchstens in Nebenpunkten modifiziert, nie aber in ihrer Grundlage bedroht werden. Alle Untersuchungen und Debatten über die Steuer setzen den ewigen Bestand dieser bürgerlichen Verhältnisse voraus.” oder “Die Abschaffung solcher Steuern, die der Kapitalist zu zahlen hat (u. a. Lohnsteuer, Gewinnsteuer etc.) ändert absolut nichts an der Menge Mehrwert, das der industrielle Kapitalist in erster Hand dem Arbeiter auspumpt. Sie ändert nur die Proportion, worin er Mehrwert in seine eigene Tasche steckt oder mit dritten Personen teilen muss. Sie ändert also nichts an dem Verhältnis zwischen Wert der Arbeitskraft (Lohn) und Mehrwert.” uswusf…
Schon die simple Überlegung, wer denn letztlich zB ‘Unternehmenssteuern’ tatsächlich bezahlt, könnte auf die richtige Fährte führen… sorry.
Mai 14th, 2013 at 13:48
@ troptard: Ach du Scheiße, 50 Eur beim Einkaufen, das is so existentiell bedrohlich, geradezu prekär, da determutierste doch sofort zum Tier… von wegen Charakter… :P
Aber darum gings doch gar nicht, oder? Es ging doch um Erklärungen (~ansätze) vs individuelle Schuld/Verantwortung und das erstere irgendwie entlastend seien. Nur schließt beides sich nicht aus, das sind zwar nicht völlig unabhängige aber doch sehr verschiedene Konzepte (Also so handhab ich das jedenfalls, hatte da ma ne Unterhaltung, als meines Gegenübers Handlung recht gut erklärt schien, sagte er: “Na dann is doch jetz alles gut.” Darauf ich: “Nö.”)
Und dann kommt noch dazu, dass es keine erschöpfenden Erklärungen gibt (geben kann). Oder so.
Mai 14th, 2013 at 13:51
Glaube, nicht Religion, Kapital, nicht Wirtschaft. Und das, was inzwischen schon einige begreifen, nämlich dass der Kapitalismus eine Ideologie ist, die der Wirtschaft übergestülpt ist und deren Thesen nie Realität werden (“wir leben vom Geld”) sondern sich nur als Verzerrung und Zerstörung der Realität äußern können, haben andere schon vor langer, langer Zeit gesagt. Also nix neues hier…
Mai 14th, 2013 at 14:16
@Vogel(24): Wer so etwas vorausschickt: “Jede Gesellschafts- und Wirtschaftslehre, die (wie die von Karl Marx) das Privateigentum und den Wettbewerb abschaffen will, ebnet den Weg in den Niedergang.“, der kommt halt bei Ackermanns wieder raus. Genauso gut hätte er schreiben können: “Da alles andere als Kapitalismus Teufelswerk ist …”. Der Knüller an dieser Haltung ist ja, dass sie so noch von der Brandgefahr der Alternativen schwafeln, wenn die Kapitalhütte längst lichterloh brennt.
Mai 14th, 2013 at 15:06
@Peinhart, 25
Danke, dass du übernommen hast, ich wusste wirklich nicht wo anzufangen ist. ;)
Dümmeres Geschwafel ist wohl nur in Wahlprogrammen zu finden, Herr Jenner gehört zu den Genies die nur andere kapitalistische Erscheinungsformen im Kopf haben und denen radikal-emanzipatorische Kritik völlig fremd ist.
@cb, 26
“Aber darum gings doch gar nicht, oder? Es ging doch um Erklärungen (~ansätze) vs individuelle Schuld/Verantwortung und das erstere irgendwie entlastend seien. Nur schließt beides sich nicht aus, das sind zwar nicht völlig unabhängige aber doch sehr verschiedene Konzepte”
Jup, ich denke troptard hat den aus dem Konkurrenzzwang resultierenden Kampf ums Überleben und den darin eingebetteten Egoismus persönlich genommen. Er mag keine Gräuel gegen Andersdenkende, Schwächere oder kapitalistisch-definierte “Überflüssige” haben und projiziert dies auf alle anderen.
Wenn es allerdings ums Überleben geht, verbunden mit der Mentalität des Liberalismus, dass alle zur Arbeit angehalten werden sollen, die dazu nur irgendwie fähig sind (selbst die Kranken sollen das Werk verrichten) – dies aber nach kapitalistischen Kriterien nur ungenügend umgesetzt werden kann, zeigt sich die wahre Fratze des aufgeklärten, liberalen Bürgertums.
Man bekennt sich zwar zu den „Geboten der Menschlichkeit“, aber nur insofern dies auch notwendig ist, der Grad der „Ausübung“ dieser Menschenrechte solle doch bitte so weit unten wie möglich angesetzt werden. Diese Ideologie vertritt die Ansicht der „angeborenen Faulheit“ der Massen, die durch den Konkurrenzdruck überwundenen werden müsse, hier geht es um Sieg oder Niederlage.
Da wir alle der Konkurrenz und der damit gleichzeitig uns dirigierenden Unterwürfigkeit ausgesetzt sind, sind wir damit alle dem Zwang des Marktes unterworfen, und dieser ist niemals friedlich oder gewaltfrei!
So wie es sich in den „Menschenrechten“ darstellt, stellt es sich in der Konkurrenz dar, es geht darum sich als Ware zu verkaufen, „frei“ und „gleich“ ist man nur als Konkurrenzsubjekt.
So lassen sich vielleicht Hass und Vorurteile gegenüber Arbeitslosen und Ausländern auf der einen und den “Gewinnern” (die die Lebensbedingungen der “Verlierer” immer weiter herabsetzen wollen) auf der anderen Seite erklären.
@flatter, 28
“Der Knüller an dieser Haltung ist ja, dass sie so noch von der Brandgefahr der Alternativen schwafeln, wenn die Kapitalhütte längst lichterloh brennt.”
Treffer, man schaue sich nur die “Weltrettungsliteratur” für den Kapitalismus an, diese Herren können sich eher einen Kapitalismus ohne Welt vorstellen, als eine Welt ohne Kapitalismus!
Mai 14th, 2013 at 15:53
@Peinhart (25)
“… ein solcher Bockmist …” Das war auch mein Gedanke, als ich vor ca. 1 Jahr das erste mal mit dem Konzept “Neuer Fiskalismus” (Jenner) konfrontiert wurde: “Noch so’ne Schoiße!”
“Deshalb die Kurzfassung: durch keine wie auch immer geartete Besteuerung lässt sich das Kapitalverhältnis grundsätzlich ändern, entweder ist es in der Lage, sich unter den neuen Bedingungen zu restaurieren, oder es stellt seinen Betrieb schlicht ein, wenn es das nicht mehr kann.”
Du brauchst Dich nicht mit mir als Sekundärquelle rumzuplagen, schreib’ den Jenner doch selber an – der antwortet postwendend – und erklär’ ihm, warum das alles “Bockmist” ist. Ich habe mich reingelesen, habe das Buch Wohlstand und Armut gelesen – sowie weiteres aus dieser Ecke – und beschäftige mich seit Wochen mit der Suche nach dem Knackpunkt: Ich finde keinen. Käme ein solches Konzept zum Tragen würde sich – über eine Zeitspanne – auch die Vermögensschere “zuklappen” lassen und, wegen der individuellen Verbrauchssteuer, auch die Einkommensschere ihren Schrecken verlieren. Natürlich gehören auch noch Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer mit in das Konzept – ohne im Buch breit abgearbeitet zu werden.
Letztlich sind auch Deine Ausführungen leider nicht geeignet, mir einen Knackpunkt aufzuzeigen. Aber, wie schon gesagt, arbeite Dich nicht an mir ab, wende Dich gleich an das Original.
“Schon die simple Überlegung, wer denn letztlich zB ‘Unternehmenssteuern’ tatsächlich bezahlt, könnte auf die richtige Fährte führen … sorry.” Soweit ich Jenner verstehe, sieht er das genauso wie Du(?) und ich: Die Endkunden zahlen die Steuern. Aber das ist doch jezz wirklich nich neu, oder? ;-)
PS.: Ich habe den Schmöker gerade verliehen, wenn er zurück ist leih’ ich ihn gerne aus.
Mai 14th, 2013 at 16:11
@flatter (28)
“Kapitalismus” … hm … ja ich weiß, böses Zeug, seh’ ich auch so. Dass die Eigentumsgesellschaft – im Buch wird erklärt, warum dieser Begriff das Phänomen “unseres” gegenwärtigen Systems besser beschreibt als eben nicht Kapitalismus – die jenige ist, die bisher für Wohlstand der größeren Zahl an Menschen gesorgt hat als alle Gesellschaftssyteme vorher. Dat iss wohl unstrittig. Der Preis dafür allerdings auch, das musst mir niemand erklären (ich habe schon in der Vergangenheit einiges zu mir, meinen Umständen und Erfahrungen gesagt, ich weiß schon wie “aufrecht gehen” geht).
Sorry, es macht mich ein bisschen sprachlos: Irgendwie wälzen wir uns ja alle im eigenen Saft und auf der Basis dessen was wir wissen (glauben?), auch ich. Gerade deshalb lese ich auch schon ‘mal ‘was “Neues”. Und wenn ich das tue, bin ich nur dann mit einem Urteil prima vista zur Hand, wenn es der dritte Aufguss ist. Und ich würde nur dann (3. Aufguss) mich mit einem kurzen Zitat aus einem Kurzbericht alos Beleg äußern im Sinne von: “Da kannst Du schon sehen … do kütt nix mi!” Dies scheint mir aber bei Jenners Konzept – dessen Erstfinder er auch nicht ist, nach eigenem Bekunden – nicht der Fall, das ist kein dritter Aufguss.
Mai 14th, 2013 at 16:37
Nein, nein und nein.
- Das Vetrackte am Kapital ist der Zwang zur Expansion, das hat mit Eigentum in diesem Zusammenhang nur sekundär zu tun. Kapitalismus ist aber ohne diese Dynamik (der Verschuldung) nicht zu haben. Ich kann also nicht Kapital besteuern, das sich nicht auswirkt wie Kapital.
- Es hat auch keine Eigentumsgesellschaft für Wohlstand gesorgt, das ist pure Propaganda. Es hat für asymmetrische Verteilung gesorgt, die auf der einen Seite als Wohlstand empfunden wird und auf der anderen “Sklaverei” heißt (es gibt noch andere Kontinente als Europa und Amiland). Was davon übrig bleibt: Die Dynamik der der technischen Entwicklung wurde durch die des Kapitals beschleunigt. Das hat solchen Fortschritt gezeitigt. Der ist aber mehr als genug fortgeschritten; sollen wir jetzt also quasi aus Dankbarkeit die letzten Ressourcen noch schneller plündern und das Kapital uns weiter in die Katastrophe führen lassen?
Es ist vollkommen sinnlos, erst asymmetrische Aneignung zu fördern, um sich dann Gedanken zu machen, wie man das wieder ins Lot bringt, während man durch den kapitalistischen Erwerb wiederum die Profiteure in den Stand setzt, solche Experimente obendrein zu korrumpieren. Funzt nicht. Null. Ich raffe das eh nicht, wieso dauernd revolutionäre Ansätze in die Manege gekullert werden, die am Kern des Problems nichts ändern wollen. Das ist – mit Verlaub – doppelt dumm.
Mai 14th, 2013 at 16:58
Nachtrag: Was immer gern übersehen wird, ist dass der New Deal schon so ein Ansatz war und ebenso Erhards “Soziale Marktwirtschaft”. Der Knackpunkt liegt in der Analyse von dessen scheitern und dem Aufkommen des Neoliberalismus. Das war, so sehen es die Marxianer, kein Unfall, sondern die logische Folge sinkender Profitraten bzw. eines Überschusses an Kapital, was aufs Gleiche rausläuft. Dahin gibt es kein Zurück. Du kannst kochendes Wasser nicht auf engemehme 35° abkühlen, wenn du den Pott auf dem heißen Herd stehen lässt.
Noch ein Nachtrag: Die Nachkriegsgeneration ist hier an Staublunge krepiert. Die Laube und das abendliche Bier waren der “Wohlstand”, den es im Gegenzug gab. Wenn du das mal historisch und geographisch bemisst, gab es verdammt wenig “Wohlstand”.
[edit:]Ich mache heraus mal ein neues Posting, das ist wichtig.
Mai 14th, 2013 at 17:05
@flatter
“Das Vetrackte am Kapital ist der Zwang zur Expansion, …” Dess iss jezz abber neu, gell? SCNR. Das sieht Jenner ganz genauso … und nich nur der.
“… sollen wir jetzt also quasi aus Dankbarkeit die letzten Ressourcen noch schneller plündern und das Kapital uns weiter in die Katastrophe führen lassen?” Auch hier findest Du keinen Widerspruch. Das Konzept “Neuer Fiskalismus” kann (vermute ich ‘mal ganz bescheiden) ein reformistischer – sprich: nicht gewalttätiger – Weg aus dem Problemkreis sein. Jau, da muss man halt doch ‘n paar Seiten lesen, iss doch nich so einfach. Aber wem sag’ ich das, iss ja aller Ehren wert, was Du hier seit Jahren abziehst – und die Kugel dreht sich immer noch. ;-)
Nix für ungut: Auch Du kannst Dir das Buch ausleihen, wenn’s zurück iss und Du willst.
Mai 14th, 2013 at 17:48
Widerspruchsfreiheit der Theorie damit Reibungslosigkeit der Veränderung isn bescheidener Maßstab für Realitätsgerechtigkeit/Umsetzbarkeit. Nur mal so.
(Man kann schon dolle Worte basteln im Deutschen. :))
Mai 14th, 2013 at 17:52
So, neues Posting dazu is feddich.
Mai 15th, 2013 at 09:06
@flatter 32
“sollen wir jetzt also quasi aus Dankbarkeit die letzten Ressourcen noch schneller plündern und das Kapital uns weiter in die Katastrophe führen lassen?”
Mit dieser Aussage bin ich nicht einverstanden. Wer sagt denn, dass wir ohne Kapital (und somit dem Verschwinden der daraus resultierenden Zwänge, Rahmenbedingungen, etc…) nicht dennoch Ressourcen verschwenden und die Umwelt zerstören, weil die Masse weiterhin auf Teufel komm raus seinen “Wohlstand” mehren will. Gier, Egoismus, fehlende Empathie … die menschlichen Schwächen verschwinden doch nicht, nur weil man das System des Kapitals abschaffen würde. Es würde sich höchstwahrscheinlich positiv auf unser miteinander auswirken, aber Wunder erwarte ich mir davon nicht.
Mai 16th, 2013 at 07:13
Hmmm, ich fang mal so an:
wenn diese ganzen Zwänge nicht mehr bestünden, die durch den Kapitalismus
bestehen, und das Ganze liefe trotzdem so weiter, dann hieße das ja, dass
(Lohn-)Arbeit ein menschliches Bedürfnis ist (obendrein solche, die den Arbeitenden immer kaputter macht), und dass z.B. auch solche Sachen wie geplante Obsoleszenz (oder sich das Essen zu vergiften, etc.) menschliche Bedürfnisse sind, und dass auch die ganzen Narrative, Religionen und sonstigen PR-Maßnahmen, Hartz-IV, etc. gar nicht notwendig sind (d.h. der sogenannte innere Schweinehund gar nicht immer wieder auf’s Neue überwunden werden muss).