Ich wurde neulich dazu aufgefordert, mich zu wiederholen, als ich nörgelte, ich könne doch nicht zu jedem Mist immer wieder neu denselben Senf hinzu geben, zumal Mist mit Senf weder schmackhaft ist noch zur Metapher taugt. Es sei wichtig, sich zu wiederholen, meinte der Kollege, und er hat recht, denn dem Einträufeln der Propaganda durch Wiederkäuen ist nicht mit täglich Neuem beizukommen – zumal da draußen nichts Neues passiert. Ich habe also mal den April 2006 besucht und einige interessante Geschichten gefunden, die ich kurz vorstelle und kommentiere. Es gleicht weitgehend einem Dejà-vu, aber mit einem gewissen Entsetzen stelle ich fest, was sich in mir inzwischen hat ändern müssen.
“Es ist nicht zu fassen, aber die Kanzlermimin plant schon wieder einen Gipfel. Diesmal sollen die größten deutschen Familienunternehmen über die “Erbschaft- und Unternehmensteuern” entscheiden. Eine große Koalition, die mit allen herumkuschelt, nichts mehr selbst entscheidet und die Reichen fragt, ob sie Steuern zahlen wollen, während sie das Arbeitslosengeld kürzt – wer braucht so etwas? Hast du das gewählt, Deutschland?
Das Bündnis für Currywurst muß also noch warten, erst einmal gibt es den Erbschaftssteuergipfel mit den Betroffenen. Der “Integrationsgipfel” müßte konsequenterweise unter Beteiligung führender Neonazis und angehender Selbstmordattentäter stattfinden, der “Rat für Innovation und Wachstum” mit der katholischen Kirche und der “IT-Gipfel” im Hause Microsoft.
Angesichts des Irrsinns, den sich diese Nichtregierung leistet, müßten die Straßen brennen und der Generalstreik ausgerufen werden. Was aber sagt Du-bist-Deutschland dazu? Alle finden das Merkel ganz prima. Allmählich mache ich mir ganz eigene Gedanken über Integration. Und darüber, auszuwandern.”
Wer sich in diesen Tagen also über die Frechheit der FDP echauffiert, sollte nicht vergessen, wer das Netzwerk der Korruption verantwortlich installiert hat. Im Gefolge von Schröders Kumpelhaftigkeit hat die Bleierne sich zu Beginn ihrer Ägide alles an den Tisch geholt, mit dem sich kungeln ließ. Seitdem wird vom Kapital durchregiert.
Wenn eine öffentliche Debatte entsteht, schwärmen sofort die Clowns der Meinungsindustrie aus, um Erheiterung in Form bedeutungsloser Zahlen zu verbreiten. Ihr zweckfreies Spiel mit Fragen und Statistiken darf wohl als zeitgemäße Form der Kunst anerkannt werden.
So auch aktuell, da es um den Erhalt der Hauptschulen geht. Weiß der Volksmund sehr wohl um die Weisheit “Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal das Maul halten”, ist Kompetenz für die Artisten der Demoskopie keine Größe, die man irgend berücksichtigen müßte. Eifrig fragen sie die Menschen nach deren “Meinung”, ob diese nun eine haben oder nicht.
Bezogen auf die Hauptschulen fragen sie ein Volk, das gar nichts anderes kennt als die Dreigliedrigkeit. Sie fragen ein Volk, das Gesamtschulen kennt als Hauptschulen mit Zusatzoption. Ein Volk, das sich in einer unsäglichen “Stop-Koop”-Kampagne hat vormachen lassen, integrative Beschulung sei kommunistische Gleichmacherei. Kurz: Das befragte Volk reagiert auf jede Alternative zum bestehenden Schulsystem mit Angst aus Unwissen.
Der besondere künstlerische Wert besteht nun darin, daß sich das Volk in seiner Inkompetenz nicht im mindesten von seinen verantwortlichen Vertretern unterscheidet. Das ist das eigentliche Ergebnis der Umfrage.”
Als ich jüngst auf die Eintrübung der Freude über die Erfolge der Steinbrück-SPD hinwies, habe ich das vor allem auf den Meinungsschmied Güllner (Forsa/SPD) bezogen. Man müsste aber eigentlich ins tägliche Mantra einbinden, wie unqualifiziert die Settings der meisten “Erhebungen” sind. So etwas hätte ich im zweiten Semester Sozialwissenschaften um die Ohren gehauen bekommen. Macht aber nix, ist ja nur für die ‘politische Meinungsbildung’.
“Die Nichtwählerschaft besteht zu immer größeren Teilen aus ärmeren und weniger gebildeten Menschen. Der Hartz IVer geht nicht hin, er hat die Hoffnung aufgegeben. Dieser Effekt, den man oberflächlich betrachtet als “Nebenprodukt” der Politik Schröders und seiner Nachfolger bezeichnen kann, weist auf die eigentliche Erosion sozialdemokratischer Politik hin. War es schon immer ein Fehler, Fürsorge in der Sozialpolitik auf finanzielle Hilfen zum Lebensunterhalt zu reduzieren, so schlägt nunmehr die Entwürdigung der Abhängigen voll durch und führt sie in die Depression. Der Skandal des Schröderismus besteht nicht in der Kürzung von Mitteln. Er manifestiert sich in der schikanösen Behandlung von Empfängern staatlicher “Almosen” und dem gegen sie ausgesprochenen Generalverdacht, sie seien faule Säcke und selbst schuld an ihrem Elend. Dieser fatale Trend bedeutet das (hoffentlich nur vorläufige) Ende der Sozialdemokratie in Deutschland.”
Bis zur Schuld am Elend nichts Neues, das kann man allerdings auch gern öfter wiederholen, wer die letzte Stufe der Propaganda gegen Lohnabhängige – denn die sollen getroffen werden, ganz gleich ob sie noch lohnarbeiten dürfen oder nicht – gezündet hat. Inzwischen sind ja bald die meisten Europäer faul. Dann aber komm die Stelle, an der ich in der Magengrube erbleiche. Das steht da wirklich: Ich hoffte darauf, es möge wieder eine Sozialdemokratie entstehen, die sich um die Belange der Lohnabhängigen kümmert. Heute betrachte ich das als unerhört naiv und jenseits aller Erkenntnisse, die über den Sozialdemokratismus herrschen. Schmerzen!
April 11th, 2013 at 16:00
Zu Letzterem: Unfuckingfassbar! [via fefe]
April 11th, 2013 at 16:21
Currywurstpartei: “Das Bier entscheidet!”
April 11th, 2013 at 16:45
@1 “Das WIR entscheidet”
Ist doch großartig, wenn der Hund kräftig in die Hand beißt, die ihn einst fütterte.
Vielleicht lernt die SPD daraus (nicht ernst gemeint).
Und zumindest ein zynischer Slogan weniger, der mal zukünftig an den Pforten deutscher Besserungsanstalten prangen könnte. Müssen wohl auf die Klassiker zurück greifen.
Was ich aber deutlich unfuckingfassbarer finde, ist die Resonanz in den Online-Kommentarspalten auf den verhinderten de Maizere-Auftritt an der HU, mit so Perlen wie:
“Unreflektierter, dogmatischer und diskussionsunwilliger Pazifismus ist genauso gefährlich und undemokratisch wie Militarismus.” (ein vergleichsweise niveauvoller Kommentar von Zeit-Online).
Was mich wieder zu den Slogans für Besserungsanstalten zurück führt, die definitiv gebraucht werden, wenn das hier so weiter geht und die “schweigende Mehrheit” alles was gegen Führer, Volk und Vaterland ist, gerne hinter Stacheldraht wissen und vorallem, arbeiten sehen möchte.
Möglichst im Steinbruch, um die verhassten Langhaarigen von ihren Träumereien zu heilen und zur pragmatisch-zynischer Barbarei und menschenverachtender Normalität zu bekehren.
April 11th, 2013 at 17:23
Die Avantgarde: https://www.taz.de/!114338/
April 11th, 2013 at 18:03
@altautonomer: Wen meinst du: Die Kommentatoren bei der TAZ, den Schreiberling, die Studenten oder doch den verhinderten Sprecher?
Nebenbei: Wie soll bei so einem Vortrag eine Diskussion zustande kommen? Argumente wurden bei derlei Monologen noch nie ausgetauscht.
April 11th, 2013 at 18:12
Wer erläutert mir (vielleicht über unfuckingfassbar) was “deutlich unfuckingfassbarer” bedeutet. Ist es eine Ermunterung, dass ich als Papierkorb eine Zweigstelle eröffnen soll?
April 11th, 2013 at 18:32
[OT] @Melebert: Die Argumente welcher Seite meinst du denn? Die von Kriegsminister Mezier, die des achso empörten Besitzbürgertums und ihrer Presse oder gar die des Kapitals?
Die Aktion war mMn völlig korrekt. Als Auftakt, gewissermaßen, sich endlich nichts mehr schönfärben und einreden zu lassen. Erste Sahne :-)
April 11th, 2013 at 18:53
@flatter
Die Zusammenstellung Deiner früheren Beiträge gefällt mir. Da kocht doch die Suppe!
Und das mit der Inkompetenz, die sich nicht unterscheiden will,von den Entscheidern trifft es doch vortrefflich.
Schon möglich, dass sie das gar nicht können und wollen. Aber ich habe bei meinen Landsleuten kaum Zweifel, dass sie immer dann zusammenstehen werden, wenn sie Kritik von aussen als unerhörte Einmischung empfinden.
Und was bleibt schon übrig, ausser zur Waffe der Kritik zu greifen, auch wenn diese an der Ignoranz abprallt, wie der Ball an einer Mauer.
A propos auswandern. Ich habe den Schritt gewagt und habe ihn nicht bereut. Obwohl ich nichts Besseres vorgefunden habe.
Für die eigenen Interessen lässt sich gerade mal ein erbärmlicher Haufen zusammentrommeln. Gegen die Homoehe, das hat Mobilisierungspotential. Da schlägt die Masse auch gern mal einen Homosexuellen bis zur Unkenntlichkeit zusammen.
Deprimierend, aber so was von! Dennoch weitermachen!
Aufgeben wäre wie Selbstaufgabe.
April 11th, 2013 at 22:00
Es ist mehr als bezeichnend, wie von der breiten Öffentlichkeit auf die Aktion gegen die Propagandarede des Kriegsministers reagiert wird. Da wird ein Kerl niedergeschrien, der gerade letzte Woche den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Klein zum Brigadegeneral befördert hat- und dem bürgerlichen Kommentariat von SPON bis taz, von SZ bis FAZ fällt nur nationalchauvinistischer Dreck, meinungspluralistische Verurteilungen oder Aufforderungen zum “konstruktiven Dialog” ein.
April 11th, 2013 at 23:03
“Deprimierend, aber so was von! Dennoch weitermachen!
Aufgeben wäre wie Selbstaufgabe.”
Immer diese Angst vor der Selbstaufgabe, dabei fühlt sie sich doch so schön an, so zärtlich-sanft!
So “richtig”! Buddha rät auch dazu-
Dickschädliger Nerd, hingegen, einfach weitermachen, könntest mal wieder die Unterwäsche wechseln und ordentlich durchlüften wär auch nicht schlecht…is ja widerlich! Und deprimiert ist er auch noch, geht ja gar nicht, ich denke, was du brauchst, ist ein neues {xy}…!
Oder mal wieder ordentlich durchge{xy}, dann relativiert sich dieses kommigeschwätz doch meist ganz schnell!
Hey, wir sind zu 97% genetisch identisch mit schimpansen*, nur daß wir keine ahnung haben, wo´s lang geht, (*Kreationisten nicht einmal das).
Hauptsache weitermachen!
Weltuntergang, wir kommen!
Hahahah
April 11th, 2013 at 23:16
“War es schon immer ein Fehler, Fürsorge in der Sozialpolitik auf finanzielle Hilfen zum Lebensunterhalt zu reduzieren, so schlägt nunmehr die Entwürdigung der Abhängigen voll durch und führt sie in die Depression.” So was hast Du damals geschrieben?? Damals schon an Halluzinationen gelitten?? Armer flatter! :-(
April 11th, 2013 at 23:37
Och wenn morgen erst Freitag is: Es gibt se wirklich, hielt se bislang für ein Phantom:
https://www.kmphilately.com/index.php?a=2&b=9437871
hier noch in gross
https://s14.directupload.net/images/130411/m8g8bauz.jpg
Die Echtheit kann ich hier aber nich beurteilen, dazu müsst se auf meiner Hand liegen…
April 12th, 2013 at 02:58
Gefunden:
nicht im mindesten
April 12th, 2013 at 09:17
@Reinplatzer: So wie ich es sage: Der Monolog war für den Herr Minister angesetzt. Man darf da huldvoll zuhören, aber ich habe es in derlei Veranstaltungen bei derlei Vortragenden noch nie erlebt, dass Argumente von dem Monologhaltenden vorgetragen oder gar ernsthaft diskutiert worden wären.
April 12th, 2013 at 09:58
@l’Andratté, 10.
“Oder mal wieder ordentlich durchge(xy), …”
Sollte das etwa ein unsittliches Angebot sein? An schmutziger Phantasie besteht wohl kein Mangel, oder?
http://www.bild.de
April 12th, 2013 at 10:02
[...] sei wichtig, sich zu wiederholen”, meint Feynsinn und hat selbstredend recht. Man kann das noch genauer sagen. Wer will, dass das Gute, Schöne und [...]