Vorab: Es wird noch mindestens ein weiterer Artikel zum Thema erscheinen. Ich versuche, schrittweise einzusteigen, weil das Problem sehr komplex ist und ich gern ein wenig vorsortieren möchte.

rfwDer Begriff “Staat” leitet sich ursprünglich ab von “status”, was sowohl auf die Bedeutung “Rang” hinweist als auch auf das, was ist – die Verfasstheit der politischen Ordnung eben. Seit dem 17. Jhdt. ist er in bezug auf das Staatswesen gebräuchlich; der französische “état” hat denselben Ursprung und verweist mit dem Synonym “Staatshaushalt” wiederum darauf, dass es nicht zuletzt um die Verwaltung von öffentlichen Budgets geht. Damit grenzt sich der Begriff schon deutlich ab von dem etwa des “Imperiums”, in dem es sprichwörtlich ums Herrschen geht. Der moderne Rechtsstaat hat seine Wurzeln darüber hinaus in Montesquieus Modell der Gewaltenteilung.

Damit sind wir bei zentralen politischen Errungenschaften des Staates, denen die Menschheit begrüßenswerte Fortschritte zu verdanken hat; die Einschränkung von Macht, die bis dahin im Inneren uneingeschränkt war und eine übergeordnete Verteilung von Mitteln, die es ermöglicht, gesellschaftlichen Reichtum unter anderen Kriterien zu verteilen als dem der Aneignung nach Maßgabe der schieren Machtgefüge.

Staatsfeinde überall

Die Vorstellung eines solchen Staatsgebildes hat Feinde von ganz links bis ganz rechts, von linken Anarchisten bis hin zu neoliberalen Ausbeutern und Sozialdarwinisten. Die einen halten den Staat – wie ich meine irrtümlich – für ein Mittel, die Macht der Reichen zu sichern, den anderen ist er ihrem Paradies der Gesellschaft bewaffneter Egoisten im Wege. Ich will mich dem Problem mit meinem sozialliberalen Programm annähern, das ich einmal so formuliert habe:

““Liberal” als Grundsatz bedeutet, ein Höchstmaß an Freiheit zu ermöglichen. Eine liberale Gesinnung, eine liberale Gesellschaft sorgt sich darum, dass allen Menschen ein Leben in Würde und frei von Unterdrückung gewährt wird. Niemand darf zu Tätigkeiten gezwungen oder in seiner Bewegungsfreiheit beeinträchtigt werden.

Dies verweist unmittelbar auf eine Gesinnung und Gesellschaft, die “sozial” sein muss, in dem Sinne, dass niemand Not zu leiden hat. Die erste Aufgabe des Wirtschaftens muss darin bestehen, alle Menschen mit Unterkunft, Nahrung und Energie zu versorgen, ohne dass ihnen daraus eine Schuld erwächst. An dieser Aufgabe haben sich die Bürger nach ihren Möglichkeiten und unter weitestgehender Berücksichtigung ihrer Neigungen zu beteiligen.

Alle weiteren Ziele und Forderungen leiten sich aus diesen Grundsätzen ab.”

Wie denn ohne Staat?

Wie sind solche Ziele erreichbar? Ich gehe bei der Frage davon aus, dass ein grundsätzlicher Konsens herrscht hinsichtlich dieser Ziele und sie nicht durch jedwede Machtmittel den Menschen übergestülpt werden. Das folgende gilt also unter der Voraussetzung, das die Menschen das wollen. Wollen sie es nicht, ist die Diskussion über die gesellschaftliche Verfassung, in der so etwas möglich ist, hinfällig.

Wie also kann man dafür sorgen, dass gesellschaftliche Macht – das bedeutet natürlich vorrangig ökonomische – begrenzt wird auf ein Maß, das nicht jeden Gedanken an Gleichberechtigung aushebelt? Wie ist es weiterhin möglich, Armut auf ein nicht reduzierbares Maß zu begrenzen und dafür zu sorgen, dass nicht ein Teil der Gesellschaft einem anderen seine Lebensweise aufzwingt? Wie ist darüber hinaus zu sichern, dass die Organisation der Arbeit ein Maß an Effizienz behält, das nicht vormoderne Zustände restauriert oder einem Teil der Menschen Zwangsarbeit auferlegt?

Bevor ich weitere Aspekte von Staatlichkeit bearbeite, möchte ich zunächst zur Diskussion stellen, wie so etwas ohne eine verfasste Gesellschaftsordnung möglich wäre, die nicht dem aktuellen Begriff von “Staat” entspräche. Ob und inwiefern der Staat selbst das Problem ist und nicht die Lösung, würde ich gern erst danach diskutieren.