In der FR schrieb heute jemand von “uniformierten Argumenten” beider Seiten, wenn es ums Urheberrecht geht. Das mag man so sehen, aber es fügt der Diskussion nur eine weitere schablonenhafte Betrachtungsweise hinzu. Warum können Journalisten nicht erkennen, wo eine verkrampfte vorgebliche Neutralität nur Unsinn hervorbringt?

Es stimmt schon inhaltlich nicht wirklich. Die ‘uniformen’ Beiträge der biestigen Verteidiger von übertragenen Eigentumsrechten überbieten sich in bizarren Verdrehungen und grotesken Szenarien, die weder mit den Argumenten irgendwelcher Gegner zu tun haben noch mit einer jemals möglichen Realität. Ich mag das im einzelnen schon nicht wiederholen. Eben las ich ausgerechnet im Feuilleton der FAZ, von dem man inzwischen Besseres erwarten darf, einen solchen Schwachsinn, dass ich nach wenigen Zeilen schon ausgestiegen bin.

Was die Terrier der Content-Industrie tatsächlich nicht begreifen (vermutlich im Gegensatz zu den Profiteuren selbst), ist die Vorstellung eines Systemwechsels. Sie schwafeln von Enteignung, wo es um andere Verteilungsmodalitäten geht und sehen also böse Menschen, die ihnen etwas wegnehmen. Arbeit ohne Lohn, Künstler in Armut. Sie sehen weder, dass die allermeisten Künstler längst schon arm sind, noch kapieren sie, dass Enteignen und Wegnehmen eine Frage der Perspektive sind. Niemand will Künstler enteignen. Aber es will auch niemand von Konzernen enteignet werden.

Bundesinkassorepublik

“Bloß keine Fakten” scheint der Ansatz der Reaktion zu sein. Etwa dass die Industrie, nachdem sie endlich etwas getan hat, um wieder kassieren zu können, tatsächlich satte Gewinne damit macht. Oder die Tatsache, dass mit Konzerten inzwischen Milliarden gemacht werden; die Ton- bzw. Datenträger Werbung für die Touren sind, wo es früher umgekehrt war. Was wollen sie denn noch? Dass die Fans nicht nur alles ausgeben, was sie haben, sondern sich verschulden, um den Kult mitmachen zu können? Und was zur Hölle hat ein Tatort-Schreiber zu kamellen, der von GEZ-Gebühren finanziert wird? Für wen hält der sich? Für Tarantino?

Derweil wird immer deutlicher, dass der Fluchtpunkt der Vorhaben zu Überwachungsgesetzen – wie von den Gegnern schon lange vermutet – in einem großen Inkasso liegt. Es geht und ging nie um Kinderpornos, Terror und Kapitalverbrechen, sondern um die Verfolgung illegalen Medienkonsums. Dass die Vorratsdatenspeicherung nicht taugt zur Prävention schwerer Verbrechen, dazu gibt es nicht nur Gutachten. Wie dringend das ist, zeigt der Fall der Naziterroristen und das Vorgehen der zuständigen Staatsanwaltschaft. Im Fall einer ungeklärten Mordserie wurden da mal eben die Asservaten vernichtet. Und jetzt sollen wir also glauben, die Daten von Zigmillionen unverdächtigen Bürgern müssten aufbewahrt werden, um Verbrechen aufzuklären?

Man müsste dankbar sein für ACTA, wüssten die Bürger nur, was dieses Vorhaben wirklich war. Aber auch hier vernebeln die Medien anstatt aufzuklären. Dazu darf jeder Depp seinen unqualifizierten Kommentar abgeben, anstatt einmal die Inhalte und Urheber des Abkommens zu benennen. Was Dieter Nuhr zum Beispiel dazu verbraten hat, ist an Dummheit nicht zu überbieten. Leider erreicht dergleichen sehr viel mehr Menschen als die nötigen Informationen.

Alles für den Markt

Es findet hier keine Güterabwägung mehr statt, sondern die Verwertung, simples Profitstreben, erfährt den Vorzug vor Bürgerrechten und jeglichen anderen Interessen. Kapitalistischer Wildwuchs ist das, sonst nichts. Die privaten Daten aller Bürger werden vervielfältigt, gespeichert und den Konzernen nach Bedarf zur Verfügung gestellt, damit die zum Zwecke des Profits produzierten Daten nicht kostenlos zugänglich sind. Wenn man so die Prioritäten setzt (im übrigen wie so oft verfassungswidrig), zerstört man ein Rechtssystem, um Interessen zu schützen.

Was die Uniformierten der einen Seite am wenigsten kapieren, ist dass ein Systemwechsel bedeutet, dass alles anders wird. Wenn also das klassische Urheberrecht, das ohnehin völlig gescheitert ist, abgeschafft wird, dann kann es neues Recht geben. Neues Recht, das die Möglichkeit schafft, die Interessen aller Beteiligten demokratisch auszutarieren.
Die Alternative ist, das Alte gegen die Wirklichkeit zu verteidigen. Ein Versuch, der schon immer zwei mögliche Wege gegangen ist: Diktatur oder Revolution.