Bei weissgarnix findet sich eine interessante Diskussion darüber, wo denn das Geld bleibt bzw. warum das BIP sinkt, wie Banken und Staaten auf dem Geld sitzen und wie das alles zusammenhängt. In der Tat ist es vor diesem Hintergrund immer wieder haarsträubend, daß es eine “Schuldenbremse” geben soll, daß weder Vermögens- noch Erbschaftssteuer in relevantem Maße erhoben werden und überhaupt alle so tun, als sei alles schon wieder gut. Im Kern des Geschehens versteckt sich noch immer ein Mythos, der längst in den gurgelnden Abgrund der Absurdität getaumelt sein sollte: Daß Geld “arbeitet”.
Der Zwiesprech der Wirtschaftsgewaltigen, welcher Arbeitslose mit “Faulheit” und Geld so wie seine Besitzer mit “Arbeit” und “Leistung” konnotiert, hat wahre Verwüstungen in der öffentlichen Wahrnehmung hinterlassen. Wenn es darauf ankommt, so wird zur Zeit deutlich, liegt das Geld faul herum, die es haben, sitzen drauf und wissen so viel von “Verantwortung” wie ein Radprofi von sauberem Sport. Die Bänker lassen ihre Institute fein retten und sind nicht bereit, ihr Geschäft zu bestellen, nämlich das Risiko einzugehen, Kredite zu vergeben an Betriebe, die damit real wirtschaften. Sie halten es vielmehr schon lange für ihr Geschäft, Hand in Hand mit Besserbesitzenden nur dann ein wenig Schweiß zu investieren, wenn das mit mindestens zweistelligen Gewinnen belohnt wird. Ihre Spitzenangestellten lassen sich gar noch die von ihnen erwirtschafteten Verluste vergolden.
Das möchte ich in einem Betrieb sehen: Der Schlosser greift nur zum Werkzeug, wenn er am Ende des Jahres ein Viertel mehr Lohn in der Tasche hat, und wenn er die Maschine kraft seiner Dummheit oder Fahrlässigkeit in den Ruin repariert hat, läßt er sich ein doppeltes Jahresgehalt auszahlen, um bald die nächste Firma mit seinen Kompetenzen zu beglücken.
Oder die Gründer einer Fabrik sind nur dann bereit, etwas produzieren zu lassen, wenn ihnen jemand Gewinne garantiert und drohen damit, gar nicht erst das nötige Material einzukaufen, wenn nicht sämtliche Produkte per Vorkasse bestellt werden.
Was sich da in den Finanzmärkten tummelt, ist ein Schlag, der das Gegenteil dessen verkörpert, womit er medial stets behängt wird: Leistungswille, Risikobereitschaft, Verantwortung und Fleiß. Sein eigenes Geld in die Hand zu nehmen, eine Idee zu entwickeln, sie umzusetzen und Mühen aufzubringen, in der evtl. vagen Hoffnung, daß sie nicht umsonst sein werden – dieses Bild des Unternehmers ist alberner als die Behauptung, es gäbe Drachen, die sich von Jungfrauen ernähren. Das Ziel der martkliberalen Betätigung ist der schnelle, hohe und sichere Gewinn. Es ist das Ideal einer dreisten Faulheit, die höchsten Lohn für geringsten Einsatz fordert.
Soll ein Markt aber florieren, muß er anders organisiert werden. Anstatt denen, die durch nur attraktivste Gewinnaussichten zur Arbeit zu bewegen sind, auch noch den Hintern zu pudern, muß das Geld in Bewegung gehalten werden (womit wir noch nicht einmal bei halbwegs gerechten Verteilung sind). Wer auch immer sich heute zum Wirtschaftsexperten aufschwingt, muß dieses Problem in Blick haben. Und zum Beispiel eine bessere Idee präsentieren können als etwa Silvio Gesell, der Marx allmählich den Rang abläuft als das absolut Böse ökonomischer Abwegigkeit.
Juli 18th, 2009 at 18:48
Ich frag mich nur immer was an Silvio Gesell so böse sein soll?
Regionalgelder wie der Chiemgauer, die auf seinen Ideen basieren funktionieren ganz gut.
Warum wagt man nicht einfach das Experiment und gibt mal Euro’s mit Umlaufsicherung raus?
Was soll schon groß passieren.
Im schlechtesten Fall verschwinden die Scheine und werden durch Dollar oder Pfund ersetzt.
Naja, im Schlimmsten Fall machen Sie genau das was sie sollen. Die Wirtschaft mit Geld versorgen!
Juli 18th, 2009 at 19:03
Hallo feynsinn!
Wirklich interessant finde ich die Diskussion eigentlich nicht, eher irrsinnig.
Die ersten verstehen schlicht und einfach die Graphik
nicht.
Die zweiten meinen, derartige Graphiken genügen keinen
Ansprüchen, die man an mathematische Argumentationen
stellen muß (womit sie übrigens recht haben), und
finden daher aus diesen Gründen die Graphik
unverständlich.
Die dritten versuchen, in die Graphik irgendeinen
vernünftigen Sinn hineinzuinterpretieren.
Die vierten, Fabian Linder z.B. versuchen mir und der
Bloggemeinschaft mit viel Geduld die Graphik zu
erklären. Leider, leider habe sie keinen rechten
Erfolg damit. Wobei ich selbst den Eindruck habe,
daß dieser Fabian Lindner von der Sache, um die es
geht, ungefähr derselben Auffassung ist wie ich.
Die fünften schweifen ab. Deren Ansichten sind
aber trotzdem sehr interessant.
Dann gibt es noch militante Fundamentaldogmatiker.
Hast Du je einmal einen Anhänger der Schule
Ludwig von Mises’ kennengelernt? Dann weißt Du
sicherlich, was ich meine. Krugi ist nämlich
Neokeynesianer, mußt Du wissen. Und die werden von
den Mises-Jüngern gnadenlos gejagt.
Einer, Herr Keske, amüsiert sich über den ganzen
Irrsinn.
Noch einer, Herr Lehmann, ärgert sich über den Lärm,
die arroganten Ingenieure und Physiker, die VWL als
Pseudowissenschaft abtun (womit die Ingenieure und
Physiker ja auch zum Teil recht haben). und nimmt
Krugi in Schutz, betont dessen gesellschaftliches
Engagement etc.
Über Lehmanns Kritik sind nachher viele empört,
Lehmann, Lindner und andere ziehen sich zurück.
So kommen beinahe 200 Wortmeldungen zusammen.
… und ich, und ich habe noch immer nicht verstanden,
was das Diagramm darstellen soll, was es aussagen
soll, auf welche Art man die Wirtschaftskrise
meistern kann.
Juli 18th, 2009 at 19:07
Schöne Zusammenfassung, aber gerade diese wirre Mischung finde ich interessant – selbsternannte Experten, die sich quasi zu nicken, finde ich zum Einnicken. Wenn gefragt und erklärt wird hingegen, ist das ein gutes Zeichen. Okay: 200 Kommentare hätten es nicht sein müssen, aber ich habe gelernt, zu überfligen.
Daß das sagt, auf welche Weise man die Krise meistern kann, würde ich nicht behaupten. Es gibt aber einen Hinweis darauf, wie man sie ganz sicher nicht meistert, und das steht ja auch im Artikel.
Juli 18th, 2009 at 19:47
die artikel bei weissgarnix sind zwar immer interessant, aber die kommentare geraten oft zur diskussion um kaisers bart, an der sich hobby- und profiwirtschaftsweise gern in ihren theorien überbieten, meist ohne die dinge so schön auf den punkt zu bringen, wie wgn.
zu den oberfaulen bankern würd ich gern anmerken, daß sie ja nicht nur nix tun, sondern sie betrügen!!!!! und das ist kriminell.wertlose schrottpapiere einzutüten und dann als superzertifikate an ahnungslose kunden weiter zu verkaufen ist in meinen augen so ähnlich wie blei zu vergolden und und als sichere anlage unter die leute zu bringen.oder um bei deinem schlosser zu bleiben: der würddann abgenudelte rädchen in ein neues getriebegehäuse einbauen und das als neuteil verscherbeln. würd er 1-2 x machen, dann wärs aus!!!!!!!!!
Juli 18th, 2009 at 20:55
[...] https://archiv.feynsinn.org/?p=1164 [...]
Juli 18th, 2009 at 21:05
WAS DIE BANKER, RESPEKTIVE BANKEN BETRIFFT, SO WÄRE AN PRIOL, ZU ERINNERN. BEVOR MAN EIN KONTO BEI EINER BANK ERÖFFNET, MUSS MAN ERST EINMAL EINE SCHUFA-AUSKUNFT ÜBER DIESE BANK EINHOLEN.
Juli 18th, 2009 at 21:08
man sollte einmal daran erinnern, dass geld in einem fall tatsächlich arbeitet, nämlich dann, wenn man es in in seiner wohnung aufhäuft. nach und nach untergräbt das hohe gewicht die statik des hauses, und eines tages kollabiert der fussboden. carl barks wußte das schon vor über fünfzig jahren, und dagobert ist einst ein geldspeicher wegen überlastung zusammengebrochen.
Juli 18th, 2009 at 21:34
Hier kurz mein Eindruck vom Blog wgnx: Weißgarnix organisiert einen Lauf, setzt sich für kurze Zeit an die Spitze, fällt leicht zurück, zieht dann sein buntes Trikot aus, unter dem sich ein weißes befindet. Es ziehen nun alle Läufer an ihm vorbei, er selbst bleibt bald stehen und läuft schließlich gemächlichen Schrittes zum Start zurück, weil, ein neues Rennen ist angesagt. In eine etwas andere Richtung.
Ich habe dieses Blog mal euphorisch als DAS deutsche Wirtschaftsmagazin bezeichnet. Is nich. Ist aber zuweilen hochinteressanter Stoff, weil gelegentlich einige exzellente Schreiber mit unterwegs sind.
@georgi
Du schreibst am Anfang: Die ersten verstehen schlicht und einfach die Graphik nicht.
Du schreibst am Ende: und ich habe noch immer nicht verstanden, was das Diagramm darstellen soll, was es aussagen soll, auf welche Art man die Wirtschaftskrise lösen meistern kann.
Damit ist doch, so meine ich, dein kleines Problem gelöst.
@ flatter
Ich habe schon einige Versuche betrachten dürfen, Gesells Grundidee von der Umlaufsicherung des Geldes durch terminisierten Wertentzug zu widerlegen. Zum Teil war es so, als wenn einer seinen Kopf in eine Strickleiter steckt und dann anfängt zu steigern. Habe ich statt steigen steigern geschrieben? Kann mehrere Gründe haben.
.
Juli 19th, 2009 at 08:13
Hallo flatter!
Lies das mal!
Hier führt einer, der Gsells Theorie abgeschworen hat,
eine Gegenargumentation zu dieser Theorie an.
Gsells Theorie ist aber schon eine fein ersonnene
Sinnestäuschung; muß ich schon sagen.
Juli 19th, 2009 at 09:48
ist eigentlich außer 10000000 Anderen außerhalb dieses Blogs schon mal einer auf die Idee gekommen, dass die Banken absichtlich auf dem Geld sitzen bleiben? Mehr kann man doch nun wirklich nicht vedienen, oder nicht ? Ich laß alles crashen und sammele alles anschließend für ein apple und ein ei wieder ein. Natürlich lass ich mir dafür dann das Bundesverdienstkreuz umhängen. “Ehre wem Ehre gebührt!”
Juli 19th, 2009 at 09:48
Also die Grundfrage, die hier gestellt wird, scheint mir zu sein: Was will man? Einen negativen Zins, bei dem das Geld rostet oder einen ausreichend positiven Zins, bei dem das Geld kostet.
Während ersteres ebenfalls seine Widersprüche hat (s. georgi/9) und eher als utopische Nischentheorie zu betrachten ist, ist das zweite (Geld soll kosten) eine Option, die den Charme hat, dass sie den Banken das Geschäft verhagelt. Denn wenn die Banken selbst einen ausreichend hohen Zins bezahlen müssen (weil die Zentralbank bei der Geldschöpfung den verlangt), können sie auch keine Geschäfte mehr machen, die ohne Steigerung des realen Bruttosozialprodukts auskommen (z.B. Carry-Trade, Firmen zerschlagen und aussaugen, etc.). Dafür würde ein Zins oberhalb des Produktivitätswachstums (also höher als 2,5%) ausreichen. Die Wirtschaft wird erst abgewürgt bei einem Zentralbank-Zins über 7 Prozent (ist meine ganz persönliche Meinung, kann man natürlich anders sehen).
Warum schlägt das niemand vor? Weil die Ökonomen und Politiker alle Angst vor den Banken haben.
Juli 19th, 2009 at 10:22
@ georgi
Dein Verweis führt zu Joseph Brennicke, Dipl.-Volkswirt, einem Wissenschaftler.
Er fordert, Zitat: In dieser Auseinandersetzung wäre es von Vorteil, eine Sprache zu sprechen mit den Wissenschaftlern, und das kann nur die Sprache sein, die die Wissenschaftler verstehen. Boaah!
Reicht das zum Verständnis, dass ich in Dipl.-Volkswirt Joseph Brennickes Salatschüssel ansonsten nichts, rein gar nichts finden konnte?
Aber gut, warten wir erst mal ab. Es ist noch etwas Zeit, bis die Zinslast 100 % des Haushalts beanspruchen wird, und dann bleibt für das Wirtschaften immer noch der Rest.
Juli 19th, 2009 at 10:50
Das ‘Funktionieren’ des Chiemgauers und anderer Regionalwährungen, das ‘Wunder von Wörgl’ oder der auch immer mal wieder auftauchende Hinweis auf die ‘Brakteaten’ haben in einem längst globalisierten Kapitalismus alle dieselbe Beweiskraft – absolut keine. Die ersten beiden sind bzw waren nicht konvertierbare Nischenwährungen, die Brakteaten hatten ein Umfeld, in dem es überhaupt noch keinen Kapitalismus (oder eine ‘Marktwirtschaft’) gab, in der überhaupt Geldgeschäfte gegenüber anderen, vorwiegend subsistenten Wirtschaftformen wiederum nur ein Nischendasein hatten.
Das trifft auch auf Gesells ganze seltsame Theorie zu – er geht von einem ‘Kapitalismus’ aus, der eigentlich noch gar keiner ist, zumindest aber keine Ähnlichkeit mit dem bereits zu seiner Zeit existierenden, geschweige denn mit dem heutigen hat. Seine Welt ist vorwiegend bevölkert mit Handwerkern und allenfalls sogenannten KMU’s, und er betrachtet fast ausschliesslich kleine Binnenräume.
Wenn wir diese ‘Krise’ wirklich überwinden wollen – und damit nicht nur die nächste vorbereiten – wenn wir also vor allem auch künftige vermeiden wollen, hilft wirklich nur eins: die Überwindung des ganzen Konglomerats aus Kapital, Lohnarbeit, Warenproduktion etc – kurz, des Kapitalismus selbst. Soviel ‘Lehre’ wird man aus gut 300 Jahren der vergeblichen Bemühens um Krisenbewältigung und Krisenvermeidung wohl noch ziehen dürfen. Zur Erinnerung: die letzte große Krise wurde erst durch einen Weltkrieg ‘überwunden’…
Mir ist auch immer wieder schleierhaft, warum man diese Konsequenz nicht ziehen will – was ist denn so bewahrenswert daran? Die angebliche ‘Effizienz’, die einerseits im möglichst effektiven Auspressen der Arbeitsleistung sogenannter ‘abhängig Beschäftigter’ besteht (für mich übrigens auch schon zwei Beleidigungen in einem Begriff – ich möchte weder ‘abhängig’ sein noch irgendwie ‘beschäftigt’ werden, beides steht jedem ‘Freiheitsbegriff’ diametral gegenüber), letztlich aber eben immer auf eine in Geld gemessene ‘Effizienz’ hinausläuft, ‘stofflich’ ist das meist alles andere als ‘effizient’, was dabei herauskommt? Die angeblich ‘wohlfahrtssteigernde’ Wirkung, die sich regelmäßig in Millionen ‘gescheiterter Existenzen’ entlädt, von den tatsächlich physisch vernichteten Leben an der ‘Peripherie’ ganz zu schweigen – was bitte ist es…?
Juli 19th, 2009 at 11:00
Gewiss soll von der Bank für kontrolliert verliehenes Bürgergeld eine Gebühr erhoben werden. Oder eben Zins, ein Prozentsatz. Zur Kostendeckung, darüber hinaus zu Gunsten der Allgemeinheit. Aber niemand außer der Bank ERHÄLT irgendeinen Zins. Der Bürger erhält sein zur Bank getragenes Geld zur vereinbarten Zeit in gezahlter Höhe zurück. Oder er gibt es aus und damit in den Wirtschaftskreislauf. Oder er gibt es in den Schuhkarton unter seinem Bett (Diskussion Blog Weißgarnix) und dort verliert es an Wertäquivalenz.
Dass mehr Komplexität in der Sache steckt, habe ich, wie andere auch, bereits erraten. Dass zuvor der gegenwärtige „Wirtschafts“irrsinn überwunden werden muss, dem ich nicht mal das Prädikat Kapitalismus mehr zugestehe, – auch das entzieht sich nicht meinem Ahnungsvermögen.
Juli 19th, 2009 at 11:12
@Peinhard:
“Wenn wir diese ‘Krise’ wirklich überwinden wollen … also vor allem auch künftige vermeiden wollen, hilft wirklich nur eins: die Überwindung des ganzen Konglomerats aus Kapital, Lohnarbeit, Warenproduktion etc – kurz, des Kapitalismus selbst. .. Mir ist auch immer wieder schleierhaft, warum man diese Konsequenz nicht ziehen will.”
Daran ist gar nichts „schleierhaft“ sondern nur traurig. „Überwindung des ganzen Konglomerats aus Kapital, Lohnarbeit, Warenproduktion etc – kurz, des Kapitalismus selbst“. Was bedeutet das? Das verzapfen die Marxisten schon anderthalb Jahrhunderte. Marx hatte keinen blassen Schimnmer, was dies konkret bedeuten sollte, kein einziger Interpret kam dahinten, ich darf um alles wetten: Du hast auch keine Ahnung, was damit gemeint ist.
Juli 19th, 2009 at 12:04
@snozin #11
Was hast Du gegen Wissenschaftler? Wissenschaftlich
ist die einzige Art, Wirtschaft vernünftig zu
behandeln.
Brennickes Argumente sind vernünftig, nur nicht ganz
vollständig.
Die Staatsverschuldungen sind kein Einwand gegen
Brennicke. Staatsverschuldung gibt es nicht, weil es
den Zins gibt.
Vielleicht noch einige Anmerkungen:
1.
Zinsen entziehen der Wirtschaft nicht das umlaufende
Geld. Zinsen stehen der Wirtschaft wieder als
Kaufkraft zur Verfügung, die entweder investiert oder
konsumiert werden kann. Die Vorstellung, da säßen
feiste Herren mit Frack und Zylinder auf Säcken mit
Geld herum, das sie nicht wieder hergeben, ist
Unfug.
2.
Der Ursprung der Zinsen sind die Erträge der
Realwirtschaft. Zinsen fallen nur da an, wo Erträge
erwartet werden können. Möchte jemand Geld verleihen,
so muß er jemanden finden, der Geld leihen möchte,
und derjenige, der Geld leihen möchte, muß ein
Geschäft betreiben, das soviel Erträge abwirft, das
davon die Zinsen bezahlt werden können. Die
Geschichte mit dem Josephspfennig ist also Humbug,
denn Du wirst niemanden finden, der bereit wäre,
Deinen Pfennig 2000 Jahre lang mit Zinseszins zu
leihen.
3.
Leute und Institutionen, die Geld verleihen, tun das,
um mitzuverdienen. Der Zins wird genau wie
der Gewinn des Unternehmers auf die Preise
aufgeschlagen. Die Creutzsche 30%ige Zinssteuer ist
also gleichfalls Unfug. Wenn Du Dich über die in
den Waren enthaltenen Zinsen ärgerst, so müßtest Du
Dich auch über den Gewinn des Unternehmers ärgern.
… so jetzt lest mal bei Brennicke weiter! Es gibt
noch mehr zu sagen.
Juli 19th, 2009 at 12:23
@georgi:
Diese “Widerlegung” Gesells halte ich für völligen Kappes. Die Argumentation ist vergleichbar mit der feststellung, die katholische Kirche müsse aussterben, weil sie außerehelichen GV verbietet und nicht genügend Menschen heiraten. Sie vermehren sich dennoch, weil sie eben gar nicht so katholisch sind.
Selbstverständlich ist es Unfug, eine Theroie 1:1 zu übernehmen, zumal wenn sie einer anderen Epoche entstammt. Wenn die Rede von Gesell ist, geht es nicht um die Suche nach dem absoluten Negativzins, der, einmal eingeführt, die Welt rettet. Es ist vielmehr die Forderung nach der Umkehr des Profits durch Akkumulation. Letztere ist tödlich für jede Wirtschaft, daher muß ein dynamisierendes Element eingeführt werden, wo der Positivzins, wie er heute besteht, zum ökonomischen Stau führt. Wie das genau machbar ist, darüber müßte eine Forschung erst einmal stattfinden, aber gerade die Herren “Ökonomen” halten es ja für ihren Job, um das neoliberale Kalb zu tanzen oder sich – bei Gefahr – das keynesianische Kreuz umzuhängen.
Es geht ja auch durchaus einfacher, wenngleich nur als Sofortmaßnahme, die auch nicht ewig das System stabiliseren würde und schon gar nicht glücklselig macht: Die hier immer wieder geforderte satte Vermögens- und Erbschaftssteuer holt das Geld dort ab, wo es rostet. Und es ist der Skandal schlechthin, daß ausgerechnet diese Steuern tabu sind – auch für sogenannte “Sozialdemokraten”.
Juli 19th, 2009 at 12:36
@snozin:
Natürlich ist das Kapitalismus, wie er leibt und lebt. Und auch die gegenwärtige Stufe des ‘Irrsinns’ erlebt oder durchlebt er nicht das erste mal. Die Verlaufsformen unterscheiden sich natürlich, je nach ‘Stufenleiter’ auf dem das ganze jeweils stattfindet, die Grundmuster hingegen sind erschreckend ähnlich.
@Systemfrager
Marx hatte einen, allerdings sehr blassen, Schimmer: ein ‘Verein freier Menschen’ (bzw Produzenten) – näheres siehe vor allem ‘Kritik des Gothaer Programms’. Den ‘klassischen’ (Arbeiter-) Marxismus hingegen können wir ziemlich vernachlässigen, er mündete so schnell in ‘Sozialdemokratie’ und dann ‘real existierenden Sozialismus’, dass sogar Marx selbst schon sagte, er wüßte nur, dass er kein Marxist sei.
Das ist aber gar nicht der Punkt – herauszufinden was Marx wollte oder meinte. Der Punkt ist, dass WIR herausfinden müssen, was WIR wollen. Und der ALLERERSTE Punkt dabei ist, dass wir herausfinden, warum wir es wollen – also fundierte Kritik des Bestehenden und Gewesenen, um Fehler zu vermeiden. Der nächste dann – dass wir es wirklich wollen. Und wenn wir es wollen, DANN diskutieren wir darüber, wie wir es anstellen wollen und können. Und bei und in diesem Prozess können wir natürlich AUCH wieder auf Marx zurückgreifen, vor allem in Sachen Analyse und Kritik, aber auch den ‘Verein’ betreffend.
Es gibt aber auch genügend andere Entwürfe, auf die man – kritisch oder zustimmend – zurückgreifen können, von Bellamy’s ‘Jahr 2000′ bis zu ‘Parecon’ und anderen. Und ob du es glaubst oder nicht – ich habe durchaus so meine Vorstellungen, wie das gehen könnte, müsste, sollte. Wenn du nun allerdings von mir ein Fertigpaket zum Anrühren erwartest, will und muss ich dich enttäuschen – so geht das gerade nicht.
Was wir gemeinsam machen wollen, müssen wir auch gemeinsam ausbrüten. Das ‘Traurige’ an der ganzen Angelegenheit ist nur und vor allem, dass so gut wie keine Diskussion darüber überhaupt stattfindet, von kleinen Zirkeln einmal abgesehen. Wenn wir aber WOLLEN, dann können wir eine solche Diskussion auch breit und immer breiter führen.
Ansonsten – mit FK Waechter – geht zurück in euren Schweinestall und lasst euch verwursten. Dann kommen zu den 300 vielleicht noch 100 Jahre dazu, bis der Mensch und/oder dieser Planet endgültig geschafft ist. So. (Mit kurzem ‘o’)…
Juli 19th, 2009 at 13:08
@ Peinhard:
“Was wir gemeinsam machen wollen, müssen wir auch gemeinsam ausbrüten. Das ‘Traurige’ an der ganzen Angelegenheit ist nur und vor allem, dass so gut wie keine Diskussion darüber überhaupt stattfindet, von kleinen Zirkeln einmal abgesehen. Wenn wir aber WOLLEN, dann können wir eine solche Diskussion auch breit und immer breiter führen.”
Das ist es! Mach Vorschlag!
Juli 19th, 2009 at 16:58
@Systemfrager
In welcher Hinsicht jetzt? Wo möchtest du denn einsteigen? Anders gefragt – meinst du, eine kurze Diskussion unter einem Beitrag auf flatters Blog würde ‘die Welt retten’?
@flatter
“…Sofortmaßnahme, die auch nicht ewig das System stabiliseren würde und schon gar nicht glücklselig macht…”
Diese ‘Sofortmaßnahme’ würde etwas Luft verschaffen, das ist richtig. Aber erstens – die Machtverhältnisse sind eben nicht so. Es ist ja auch kein Zufall, dass du nur das wählen kannst, was zur Auswahl steht – bzw gestellt wird. Zweitens – die sog. ‘Standortkonkurrenz’ ist nicht zu unterschätzen, auch wenn man natürlich darauf hinweisen kann, dass es woanders mehr ist. Insgesamt ‘besser’ ist es dort aber eben auch nicht.
‘Das System ewig stabilisieren’ – wozu? Da ergeht auch erstmal die Frage, was denn so toll daran ist, als nächstes eben auch wieder der Hinweis, dass das erstens 300 Jahre lang nicht gelungen ist, nicht einmal ansatzweise und zweitens auch gar nicht gelingen kann in einem System, das praktisch nur aus inneren Widersprüchen besteht. Und diese Widersprüche bahnen sich ihren Weg, so sicher, wie das Wasser den Weg zum Meer findet. Diese Widersprüche kann man nicht ‘versöhnen’, man kann sie nur insgesamt ‘aufheben’ – indem man (nach und nach) das ganze System ‘aufhebt’.
Juli 19th, 2009 at 18:16
@ Peinhard:
Was bedeutet es: “Eine Diskussion auch breit und immer breiter führen”?
(a) Unendliches Palaver
(b) Forschung (auf einem bestimmten Bereich)
Ich meinete (b). Du auch? Nur … wie macht man es? Die technischen Möglichkeiten sind heute nahezu ideal. Weiter?
Juli 19th, 2009 at 18:58
Georgi, ich möchte dich an meinem Aha-Erlebnis noch einmal rückwirkend teilhaben lassen.
“Leute und Institutionen, die Geld verleihen, tun das,
um mitzuverdienen. Der Zins wird genau wie
der Gewinn des Unternehmers auf die Preise
aufgeschlagen. Die Creutzsche 30%ige Zinssteuer ist also gleichfalls Unfug.”
Also deshalb Unfug. Aha, ganz großes Aha!
Du kannst mir noch einen Gefallen tun, falls du bestätigen könntest, dass du Volkswirtschaft studiert hast. Vielleicht traue ich mir sogar zu, deine Sprache zu lernen.
Und dann wird aber richtig in die Tasten gehauen.
Juli 20th, 2009 at 07:56
@13 Peinhard
Hast Du keinet Angst davor, wie der legendäre Redge aus das “Leben des Brian” zu enden?
Mir gibt es unter Linken zu viele, die sich um die reine antikapitalistische Lehre streiten.
So etwas wie Freiwirtschaftlehre oder auch ein bedingungsloses Grundeinkommen sind Dinge, die das System schon mal ins Wanken bringen könnten, auch wenn sie vielleicht noch suboptimal sind.
Juli 20th, 2009 at 09:28
@Systemfrager
ich meinte (c) – eine breite öffentliche Diskussion. Dazu müsste man vorgehen, wie von mir weiter oben beschrieben. Also zuallererst mal andere überzeugen, dass eine solche Diskussion nicht nur sinnvoll, sondern aufgrund des Irrsinns des gegenwärtigen Systems – und zwar nicht nur seiner Auswüchse, auch des sog. ‘normalen Ganges’ – geboten ist. Also Kritik. Oder nenn es meinetwegen auch ‘Agitation’.
@lebowski
Ich fühle mich eh schon die ganze Zeit wie in einer Monty-Python-Zeitschleife.
“So etwas wie Freiwirtschaftlehre oder auch ein bedingungsloses Grundeinkommen sind Dinge, die das System schon mal ins Wanken bringen könnten, auch wenn sie vielleicht noch suboptimal sind.”
Deshalb – weil sie geeignet wären, das System in’s Wanken zu bringen – werden sie auch nicht kommen. Die Protagonisten und Apologeten des Systems sind zwar Idioten, aber dumm sind sie nicht. Das BGE bspw wird unter den gegebenen (besser natürlich geschaffenen) Verhältnissen nur als der ‘soziale Fußboden’ der Herren Zimmermann, Althaus & Co kommen oder gar nicht. Man müsste also schon dafür die berühmte ‘Machtfrage’ stellen – und warum sollte man sich dann noch mit Halbheiten zufrieden geben?
Natürlich wird es kein ‘Alles und zwar jetzt’ geben, das geht nicht, schon rein ‘mental’ nicht, solange Arbeitnehmer, statt zu revoltieren, lieber Vorschläge machen, wie man sie noch besser ausbeuten könne, oder eine Frau Schickedanz in BamS ungestraft behaupten darf, sie lebten jetzt von 5-600 € im Monat. Und da kann ein BGE durchaus ein Baustein sein – aber eben einer, der zu ‘mehr’ führen soll.
Juli 20th, 2009 at 10:37
@ Peinhard
Nehmen wir an, ich bin seit meiner Geburt chronisch krank und habe schon 50 Ärzte ausgewächselt – ergebnislos.
Kritik? Meinen Körper? Was bring sie?
Agitation? Gegen wen? Gegen die Ärzte?
Verstehe ich immer noch nicht. Was bringt mir dies alles?
Juli 20th, 2009 at 10:55
Wenn du diesen ganzen Irrsinn für ‘naturgegeben’ hälst – natürlich gar nichts. Und du befändest dich noch dazu ‘in bester Gesellschaft’.
Juli 20th, 2009 at 14:06
#22 (snozin)
Nein, ich habe nicht VWL studiert. Ein bißchen VWL
ist im Studium vorgekommen, ein bißchen in der Schule.
Habe erst recht nicht beruflich damit zu tun.
Und das finde ich gut so! Da kann ich mir es
erlauben, vorurteilsfreier über VWL zu räsonnieren;
genauso wie es besser ist, kein Katholik zu sein,
wenn man über die katholische Kirche räsonieren will.
<cite<Und dann wird aber richtig in die Tasten gehauen.
…bitte sehr…
Juli 20th, 2009 at 17:49
VWL-Studium und die real existierende Wirtschaft?
Haben diese beiden Dinge irgend etwas gemeinsam??
Juli 20th, 2009 at 20:33
Sehr wenig. Das erstere immer eine Idealisierung, welcher Form und Schule auch immer, das zweitere eben die erneüchternde und bittere Realität.
Juli 20th, 2009 at 21:31
@ Peinhard
Wie sind wir nun geblieben?
1) Wir wissen nicht, wie wir uns konkret organisieren können.
2) Wie wissen nicht, was wir dann tun sollten.
Das war nicht besonders viel. Wir wissen nur, dass wir dann abgeschrieben sind.
Juli 21st, 2009 at 10:31
Nach #25 weiss ich wie gesagt gesagt nicht, wo ‘wir’ geblieben sind…
Juli 21st, 2009 at 23:32
@Goldener Reiter:
Dein Sarkasmus ist erfrischend. Hut ab.
Das Problem sehe ich in erster Linie darin, daß die tollsten Modelle entwickelt werden, die man dann mit der Wirklichkeit verwechselt.
Macht aber alles nix. Denn: demnächst wird dann ja wohl die Bundeswehr im Innern eingesetzt werden dürfen. Dann ist Ruh’. ;-)
Juli 22nd, 2009 at 14:56
@Flying Circus
Ist leider oft (auch) gegen mich selbst gerichtet.
Habe selbst als Student den VWL-Professoren an den Lippen gehangen und ihre einfache Weltsicht fuer “Wahrheit” gehalten. Gleichzeitig habe ich ueber die Soziologen mit ihrem Hang sich in Begriffsdefinitionen zu verheddern muede gelaechelt.
Mitlerweile muss ich einsehen, dass es der Oekonomie auch ganz gut taete, wenn sie sich weniger mit mathematischen Modellen und mehr mit ganz einfachen Definitionsfragen auseinandersetzen taete.
Von der empirischen Fundierung, die praktisch nicht vorhanden ist, ganz zu schweigen…