Tour de Farce 2009: Doping as Usual
Posted by flatter under JournalismusKommentare deaktiviert
05. Jul 2009 0:42
Erstaunt habe ich heute bemerkt, daß ARD und ZDF doch wieder über das Räuber-und Gendarm-Spiel rund um die radelnden Labors berichten, die auch diesen Sommer wieder durch Frankreich touren. Ist wohl wieder so viel Ruhe eingekehrt, das nach der Masse der Einzelfälle nunmehr nur noch Einzelfälle aufgedeckt werden?
Offenbar sind EPO und das plumpe Blutdoping aus der Mode gekommen. In einschlägigen Foren werden Erfahrungen über Kreatin und Sodium Phosphat ausgetauscht, über die Gefahren der EPO-Alternativen und ihre Effekte. Über Gen-Doping wird nur geflüstert, und was wirklich eingenommen wird, wissen vermutlich nur die esoterischen Experten des inneren Zirkels.
Wie schon zuletzt, als Sportler noch reihenweise aufgeflogen sind, werden es höchst effiziente Cocktails sein, die schneller machen. Hormone, EPO, Eigenblut wurden aufgedeckt, von anderen Mitteln glauben zumindest Amateursportler, sie seien nicht nachweisbar, sicher aber: noch nicht.
Es gibt ohnehin legale leistungssteigernde Mittel, das fängt beim Kaffee an und endet bei Asthmamitteln. Nur was wirklich aufpeppt, ist verboten, sobald es bekannt ist.
Der Fall der Eisschnelläuferin Pechstein bringt eine neue verzweifelte Strategie ans Tageslicht: Wenn Sportler zu auffällige Blutwerte aufweisen, gelten sie als gedopt – oder auch nicht, wie sich in dem Zusammenhang bald herausstellen wird. Ich habe in früheren Artikeln zum Thema (Linkliste am Ende des Verlinkten) bereits gesagt, daß man sich auf Maximalwerte einigen könnte, dann aber bitte nicht um die Ecke: Sollen sich die Sportler im Rahmen solcher Legalität aufpeppen, wenn sie es nicht übertreiben. Das ist kontrollierbar und gibt allen die gleiche Chance.
Wer wissen möchte, ob gedopt wird oder nicht, kann sich die Bluttests gleich sparen. Die Leistungen, die erbracht werden, das durchschnittliche Tempo, sind ein sicherer Beweis dafür, daß mindestens fast alle weiterhin dopen. Der Fall Kohl wäre eine wunderbare Gelegenheit gewesen, das endlich zur Kenntnis zu nehmen. Stattdessen wurde eine weitere Karriere ruiniert, damit der bigotte Betrieb nur eines sichert: Die schreiende Dummheit einer Wettbewerbsverzerrung durch idiotische “Kontrollen”. Das Comeback von Lance Armstrong, König der Unerwischten, macht die Karikatur perfekt.
Die sauberen deutschen Medien setzen aber noch einen oben drauf: Die ARD leistet sich eine “Dopingredaktion”, was immer das sein mag. Zur Aufklärung trägt sie weniger als nichts bei, denn wer zehn Minuten googelt, erfährt mehr über leistungssteigernde Mittel, als das Fernsehen in den letzten 20 Jahren zu berichten wußte. Daß diese saubere Anstalt, deren Berichterstatter stets Teil einer korrupten Bande von Profiteuren waren, nichts zu einer Lösung des Problems beitragen, liegt in der Natur der Sache. Da Radsport derzeit kein ernstzunehmender Wettbewerb mehr ist, dennoch viele Interessenten hat, fährt man eine Doppelstrategie: Live-Berichte übers Radfahren und scheinheilige Enthüllungen über die bösen Dopingtäter. Damit sind natürlich die Sportler gemeint, an deren Leistung man mitverdient, und die man an den Pranger stellt, wenn offenbar wird, worauf diese Leistung beruht.
In den letzten Jahren wurde mein Respekt immer größer vor den Sportlern, die mit pharmazeutischer Hilfe noch besser werden, als sie ohnehin schon sind. Mehr Respekt habe ich nur vor denen, die ihren Sport aufgeben, weil sie diesen Weg nicht gehen wollen.
Überhaupt keinen Respekt habe ich vor den falschen Schlangen, die vom Geschäft leben und mit dem Finger auf die Erwischten zeigen. Sie spielen sich als Moralwächter auf und sind selbst genau der Abschaum, vor dem sie so scheinheilig warnen.
Juli 5th, 2009 at 01:13
“Wer wissen möchte, ob gedopt wird oder nicht, kann sich die Bluttests gleich sparen. Die Leistungen, die erbracht werden, das durchschnittliche Tempo, sind ein sicherer Beweis dafür, daß mindestens fast alle weiterhin dopen. Der Fall Kohl wäre eine wunderbare Gelegenheit gewesen, das endlich zur Kenntnis zu nehmen.”
Oops, ich dachte, Du meintest diesen Dopingfall:
https://www.spiegel.de/panorama/0,1518,grossbild-765030-456290,00.html
Juli 5th, 2009 at 12:31
das ard feiert im presseclub in neoliberaler runde die verdienste der grossen koalition.
(wenn ich mueller-vogg sehe, kommts mir hoch!)
am freitag ist ein weiterer damm gebrochen, da die usa nun automatisch personendaten per dns abgleichen darf. natuerlich vom bundestag einfach abgenickt. unseren gloreichen leitmedien keine meldung wert.
die regierung scheisst laut bild am montag (spon) auf den mehrheitlichen wunsch der deutschen, unsere soldaten nicht weiter in afghanistan zu verheizen.
die bundeswehrmacht macht mit steuergeldern werbung fuer den eurofighter in indien und anderswo.
unser wirtschaftsminister (zukuenftiger aussenminister) und seine frau engagieren sich in reaktionaeren zirkeln die eine totalitaere weltregierung anstreben.
etc, etc…
AUA!
Juli 5th, 2009 at 16:37
schlimm wird es dann, wenn ein armstrong unter dem deckmäntelchen des genesungsprozesses gewisse substanzen ohne gefahr, belangt zu werden, nehmen durfte und wohl auch noch darf.
Juli 5th, 2009 at 18:48
@Lupe: hast Du da Details oder einen Link zu? Mir war nur bekannt, daß er Hodenkrebs hatte und deswegen Testosteron nehmen durfte.
Was ok ist, weil er dann ja körperbedingt ein Testosterondefizit hat.
Ansonsten gebe ich flatt zu 100% recht. Diese Scheinheiligkeit ist brechreizerregend.
Das wirklich Schlimme an der ganzen Misere ist für mich, daß ein “ehrlicher” Radprofi keine Chance hat.
Juli 7th, 2009 at 12:42
@Flying Circus .. das mit dem testosteron ist ja ein solcher punkt. ich hab da mal folgendes gelesen (bin kein arzt u kann daher nicht sagen ob das stimmt, nennenswerte effekte hat usw)
durch die in seinem fall legale, stetige testosteroneinnahme kann er immer einen bestimmten pegel halten. und genau das ist schon ein vorteil, da der spiegel unter normalen umständen schwankungen unterliegt.
Juli 7th, 2009 at 13:42
@anonym: Das ist möglich, aber mit einem solchen “Vorteil” fährt niemand dem Rest der Welt davon, der ebenfalls mit EPO, Hormonen und allem Möglichen frisiert ist. Herr Armstrong hat schlicht das getan, was alle getan haben. Und er war extrem gesschickt dabei.