Im ersten Artikel schloss ich mit der Feststellung, dass der von jeder seriösen Theorie abgekehrte Neoliberalismus so auf Kostensenkung fixiert ist, dass er quasi zwangsläufig gar nicht mehr in Produktion investiert, weil damit immer noch Kosten verbunden sind. Die will er aber möglichst auf null drücken. Es gibt auf der anderen Seite einen landläufigen, vielleicht naiven Begriff von “Gewinnmaximierung”, dem man dennoch bescheinigen kann, dass er weitgehend zutrifft: Mit so wenig Einsatz wie möglich rausquetschen, was geht, phantastische Gewinnerwartungen noch übertreffen. Das Schlaraffenland für Geldvampire. Diese Vorstellung kommt erschreckend nah an die exakte Beschreibung der Wirklichkeit heran.

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Wer eine gewisse Klasse erreicht hat, eine gewisse Größe, hat so etwas wie eine halbwegs seriöse Ökonomie nicht mehr nötig. Wer sich noch mit etwas herumschlägt, in dem Kosten eine relevante Größe darstellen, ist am Markt ein Loser. Das Geld soll sich schließlich vermehren und nicht ausgegeben werden. Warum also lange produzieren, Rohstoffe, Energie, Transport und Mitarbeiter bezahlen, wenn man mit demselben Geld direkt handeln kann – und Gewinne womöglich im Sekundentakt einstreichen? Wer’s drauf hat, ist Zwischenhändler. Ohne Lager und Personal versteht sich, ganz wie die Airline ohne Crew.

Elite in Nehmerlaune

Es geht aber noch besser. Wer so clever war, sich von seinem ‘Eigentum an Produktionsmitteln’ zu trennen und stattdessen eine Bank zu gründen, wurde zu einer Art Gottheit des Marktes. Geld billig Leihen und teuer weiter Verleihen ist dabei nur ein Spaß am Rande, so wie Flugzeuge mit Piloten. Das Größte ist es, mit Massen von Geld Wetten abzuschließen gegen Leute, die gar nicht wissen können, worauf sie da wetten. Und weil man es gerade eh mit Idioten zu tun hat, nimmt man ihnen auch noch Gebühren dafür ab. Das ist Gewinnmaximierung in Nehmerlaune.

Man sollte also vorsichtig sein, wenn man wie die Marxisten auf diejenigen schimpft, die mit ihrem ‘Eigentum an Produktionsmitteln’ von der Arbeit ihrer Angestellten profitieren. Unter den postmodernen Kapitalisten sind das nämlich noch die idealistischen Naivchen. Wer wirklich kapiert hat, wie sich Gewinn maximieren lässt, überlässt die Realwirtschaft dem Plebs. Sollen doch die Habenichtse mit ihrem Gründungszuschuss aus dem JobCenter taumeln und neue Betriebe gründen, so wie Peter Hartz es vorschwebt. Die Gewinnoptimierten wetten dann unter sich auf ausgewählte Startups.

Hartz V – brillant perfide

Das neue Konzept des Peter Hartz sind Selbsthilfegruppen aus je 20 Arbeitslosen, die gemeinsam Geschäftsideen entwickeln. Einmal pro Woche solle sich die Gruppe mit einem Trainer treffen.
Das ist vielleicht die Zukunft der Unternehmerschaft, die auch noch durchprekarisiert wird: Hartz V, der auf die Versager ausgeübte Zwang, ihre Kreativität, Zeit und Intelligenz gegen eine Grundsicherung für Startups zur Verfügung zu stellen, die dann billig von ‘Investoren’ aufgekauft werden. Letztere sind natürlich dieselben, die heute schon an allen Märkten ihr Geld ‘arbeiten’ lassen. Beim ersten Lesen des Interviews in der “ZEIT” war mir gar nicht klar, wie brillant perfide Hartz’ neue Vision ist. Da geht noch was.

Die Gewinnmaximierung der Neoliberalen zielt am Ende ab auf das Verhältnis von Reichtum zu Armut. Die Gesamte Produktionssphäre wird zum globalen Gefängnis des abhängigen Prekariats, die Eigentumsansprüche auf alles und jeden fallen einer feudalen Gesellschaft zu, die sich die Zeit mit Wettspielchen vertreibt. Dazwischen bleibt eine winzige Mittelschicht, die die wenigen Schnittstellen der Produktion in den Großbetrieben besetzt. Es ist die obszönst denkbare Auslegung von Eigentumswirtschaft, unter dem hitverdächtig zynischen Titel einer “sozialen” Marktwirtschaft.