Krisen werden verfassungsfeindlich
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13. Feb 2009 0:36
Die Task Force zur flexiblen Nutzung des Grundgsetzes hat getagt und einen großen Schritt für die Menschheit gewagt. Die sogenannte “Föderalismuskommission”, die in Zeiten der Großen Koalition nichts anderes ist als der längste Hebel gesetzgeberischer Willkür, hat sich auf eine Verfassungsänderung geeinigt, um eine “Schuldenbremse” für die Haushalte der Länder einzuführen. Daß überhaupt eine Maßnahme zur langfristigen Steuerung der Haushalte Verfassungsrang haben soll, ist schon merkwürdig. Daß aber eine beschlossen wird, die zukünftig genau die Wirtschaftspolitik vorschreiben will, die in die aktuelle Katastrophe geführt hat, ist grandios. Nicht, daß das Gesetz vorher besonders sinnig war und nicht nach belieben zurechtgebogen wurde, um unnötige Schulden machen zu dürfen. Aber was, wenn nicht die Wirtschafts- und Finanzkrise, lehrt, daß Schulden machen sinnvoll sein kann, um Schlimmeres zu verhindern?
In den letzten Zügen einer gescheiterten Ideologie soll diese noch im Grundgesetz verewigt werden. Wenigstens als schuldenfreier soll der “schlanke Staat” zementiert werden, damit gar nicht erst jemand versucht, ihm die Mittel an die Hand zu geben, um im Zweifelsfall groben Irrsinn im freien Markt rechtzeitig zu korrigieren. Die Helden des Neoliberalismus wissen, daß der jüngste Geldregen für sie ein einmaliges Ereignis bleiben wird. Nach ihrer erhofften Rettung soll der Staat so zurechtgestutzt sein, daß er sich nicht an die Umstrukturierung der Volkswirtschaft begeben wird. Es sei denn, er beschaffte das dazu nötige Geld woanders.
Optimisten dürfen diese glorreiche Leistung der geballten Wirtschaftskompetenz unserer Politgrößen freilich bejubeln: Wenn es hart auf hart kommt, gibt es bald nämlich nur noch eine Möglichkeit für den Staat, die notwendigen Eingriffe in die Volkswirtschaft zu tätigen: Gnadenlose Enteignung. Pessimisten können sich hingegen darauf vorbereiten, daß auch noch Enteignung, Verstaatlichung und Steuererhöhungen per Grundgesetz verboten werden. Oder eben der Bund allein per Notgesetz Geld eintreiben und Schulden machen kann, wie es ihm beliebt. Das ist schön übersichtlich und erspart lästige Debatten in der Öffentlichkeit.
Februar 13th, 2009 at 01:25
Ich kann nur sagen, dass ich Kopfschmerzen bekomme, wenn ich an das Thema nur denke. Wie widersinnig das ist, beweist die jetztige Krise und es nützt – verdammt nochmal – nichts, wenn man ständig herum posaunt, dass Staatsschulden per se was Schlechtes sind. Dabei wird den Bürgern immer schön verschwiegen, dass sie durchaus auch eine Möglichkeit haben langfristig von den Staatsschulden zu profitieren, nämlich über Staatsanleihen. Der Staat bleibt dabei handlungsfähig und kann auch langfristige Investitionen tätigen, die allen zugute kommen und obendrein noch eine Rendite abwerfen, die weitaus höher ist als der Zins, der für die Schulden bezahlt werden muss.
Mit diesem Akt beweisen aber unsere Staatslenker, dass sie noch nicht mal begriffen haben wie eine Volkswirtschaft funktioniert (was selbst ich ansatzweise begriffen habe…) und dass sie sich nach wie vor von ihren neoliberalen Flüsterern lenken lassen, die, lernresistent wie sie sind, noch nicht mal merken, dass sie sich den letzten Ast für ihr Weltbild damit absägen. Ohne einen starken Staat funktioniert nämlich ihre Religion nicht, aber sie sind dabei ihn gänzlich zugrunde zu richten.
Februar 13th, 2009 at 01:25
Ich kann nur sagen, dass ich Kopfschmerzen bekomme, wenn ich an das Thema nur denke. Wie widersinnig das ist, beweist die jetztige Krise und es nützt – verdammt nochmal – nichts, wenn man ständig herum posaunt, dass Staatsschulden per se was Schlechtes sind. Dabei wird den Bürgern immer schön verschwiegen, dass sie durchaus auch eine Möglichkeit haben langfristig von den Staatsschulden zu profitieren, nämlich über Staatsanleihen. Der Staat bleibt dabei handlungsfähig und kann auch langfristige Investitionen tätigen, die allen zugute kommen und obendrein noch eine Rendite abwerfen, die weitaus höher ist als der Zins, der für die Schulden bezahlt werden muss.
Mit diesem Akt beweisen aber unsere Staatslenker, dass sie noch nicht mal begriffen haben wie eine Volkswirtschaft funktioniert (was selbst ich ansatzweise begriffen habe…) und dass sie sich nach wie vor von ihren neoliberalen Flüsterern lenken lassen, die, lernresistent wie sie sind, noch nicht mal merken, dass sie sich den letzten Ast für ihr Weltbild damit absägen. Ohne einen starken Staat funktioniert nämlich ihre Religion nicht, aber sie sind dabei ihn gänzlich zugrunde zu richten.
Februar 13th, 2009 at 01:30
Neulich, beim Frisör (oder so) laß ich im ‘Stern’ einen einseitigen Kommentar mit dem Tenor: Der Kapitalismus ist vorbei, und die Angie hat daraus gelernt, und überhaupt, jetzt wird alles gut.
Leider war es keine Glosse, und ich habe mich damals gefragt, wie dumm und verblendet man als Journalist sein kann, auch wenn in einem Bertelsmann-eigenen Verlag natürlich eine gehörige Selektion erfolgt.
Aber was momentan passiert ist in der Tat der feuchte Traum des Herrn Mohn. Da werden Weichen gestellt, die uns unweigerlich in den enteigneten, handlungsunfähigen Staat bewegen.
Mein Gott, wieviel muss noch in diesem Land geschehen, damit sein feiges, passives Volk aufwacht und irgendetwas sagt?
Februar 13th, 2009 at 01:30
Neulich, beim Frisör (oder so) laß ich im ‘Stern’ einen einseitigen Kommentar mit dem Tenor: Der Kapitalismus ist vorbei, und die Angie hat daraus gelernt, und überhaupt, jetzt wird alles gut.
Leider war es keine Glosse, und ich habe mich damals gefragt, wie dumm und verblendet man als Journalist sein kann, auch wenn in einem Bertelsmann-eigenen Verlag natürlich eine gehörige Selektion erfolgt.
Aber was momentan passiert ist in der Tat der feuchte Traum des Herrn Mohn. Da werden Weichen gestellt, die uns unweigerlich in den enteigneten, handlungsunfähigen Staat bewegen.
Mein Gott, wieviel muss noch in diesem Land geschehen, damit sein feiges, passives Volk aufwacht und irgendetwas sagt?
Februar 13th, 2009 at 03:15
[...] Krisen werden verfassungsfeindlich Die Helden des Neoliberalismus wissen, daß der jüngste Geldregen für sie ein einmaliges Ereignis bleiben wird. Nach ihrer erhofften Rettung soll der Staat so zurechtgestutzt sein, daß er sich nicht an die Umstrukturierung der Volkswirtschaft begeben wird. Es sei denn, er beschaffte das dazu nötige Geld woanders. [...]
Februar 13th, 2009 at 03:15
[...] Krisen werden verfassungsfeindlich Die Helden des Neoliberalismus wissen, daß der jüngste Geldregen für sie ein einmaliges Ereignis bleiben wird. Nach ihrer erhofften Rettung soll der Staat so zurechtgestutzt sein, daß er sich nicht an die Umstrukturierung der Volkswirtschaft begeben wird. Es sei denn, er beschaffte das dazu nötige Geld woanders. [...]
Februar 13th, 2009 at 08:15
Hiermit erkläre ich als Bürger dieses Landes, diese Verfassungsänderung als illegal, räuberisch und betrachte sie als nichtig! Basta!
Februar 13th, 2009 at 08:15
Hiermit erkläre ich als Bürger dieses Landes, diese Verfassungsänderung als illegal, räuberisch und betrachte sie als nichtig! Basta!
Februar 13th, 2009 at 09:05
Warum redet eigentlich nie jemand von Artikel 20, Absatz 4 des Grundgesetzes? Unsere freiheitliche, demokratische Ordnung ist defintiv in Gefahr, also dürften wir konstitutionell geschützt einige Politiker aus dem Amt hieven. Oder wollte Herr Schäuble den auch abschaffen? Oder Frau Zypries? Oder der Vertrag von Lissabon? Herr Prantl, übernehmen Sie!
Februar 13th, 2009 at 09:05
Warum redet eigentlich nie jemand von Artikel 20, Absatz 4 des Grundgesetzes? Unsere freiheitliche, demokratische Ordnung ist defintiv in Gefahr, also dürften wir konstitutionell geschützt einige Politiker aus dem Amt hieven. Oder wollte Herr Schäuble den auch abschaffen? Oder Frau Zypries? Oder der Vertrag von Lissabon? Herr Prantl, übernehmen Sie!
Februar 13th, 2009 at 09:34
Nun ja,
das Geld,das der Staat dann braucht,kann er sich auch anderswo holen,
im Ausland.Früher hieß das wohl Kolonialismus..
Sklaven gibt’s dann nicht nur im Inland.
Grüße
Februar 13th, 2009 at 09:34
Nun ja,
das Geld,das der Staat dann braucht,kann er sich auch anderswo holen,
im Ausland.Früher hieß das wohl Kolonialismus..
Sklaven gibt’s dann nicht nur im Inland.
Grüße
Februar 13th, 2009 at 11:34
@demokratie… Wer ist aber “wir”? Die freien Bürger, die endlich verstanden haben, daß es an der Zeit ist, ihr Schicksal der FDP anzuvertrauen?
Februar 13th, 2009 at 11:34
@demokratie… Wer ist aber “wir”? Die freien Bürger, die endlich verstanden haben, daß es an der Zeit ist, ihr Schicksal der FDP anzuvertrauen?
Februar 13th, 2009 at 11:40
@ Manul
Du willst von Staatsschulden profitieren. Da mußt du zu denen aufschliessen, die diese in der Größenordnung einer Waggonladung als Schatzbriefe sammeln.
Der Staat profitiert, indem seine Rendite die zu zahlenden Zinsen übersteigt? Ja, aber in diesem Fall verkauft er schleunigst, was der Bürger aufgebaut hat. Siehe die staatlichen Energiekonzerne VEBA und VIAG, heute privatisiert und als “Player” EON unterwegs.
Im übrigen ist die Nummer schlicht absurd. 6 Billionen (!) angelegtes Privatvermögen erzwingen exakt 6 Billionen Schulden. Davon hat der Staat erstmal schlappe anderthalb.
Wenn Staatsschulden, dann kannst du auch Regen von oben verbieten.
Februar 13th, 2009 at 11:40
@ Manul
Du willst von Staatsschulden profitieren. Da mußt du zu denen aufschliessen, die diese in der Größenordnung einer Waggonladung als Schatzbriefe sammeln.
Der Staat profitiert, indem seine Rendite die zu zahlenden Zinsen übersteigt? Ja, aber in diesem Fall verkauft er schleunigst, was der Bürger aufgebaut hat. Siehe die staatlichen Energiekonzerne VEBA und VIAG, heute privatisiert und als “Player” EON unterwegs.
Im übrigen ist die Nummer schlicht absurd. 6 Billionen (!) angelegtes Privatvermögen erzwingen exakt 6 Billionen Schulden. Davon hat der Staat erstmal schlappe anderthalb.
Wenn Staatsschulden, dann kannst du auch Regen von oben verbieten.
Februar 13th, 2009 at 11:57
Da bist du etwas schief gewickelt. So, wie die Schuldenbremse aktuell angedacht ist, erlaubt sie effektiv nur keine Schulden für die Alltagspolitik, also beispielsweise für die Erhöhung der Hartz-IV-Sätze oder sonstiges Zeug, was den Menschen zugute kommen würde. In kaum näher definierten Notfällen darf der Staat weiter hemmungslos Schulden machen. Also nichts mit Aus für den Geldregen für die Banken…
Lg
Oeffinger Freidenker
Februar 13th, 2009 at 11:57
Da bist du etwas schief gewickelt. So, wie die Schuldenbremse aktuell angedacht ist, erlaubt sie effektiv nur keine Schulden für die Alltagspolitik, also beispielsweise für die Erhöhung der Hartz-IV-Sätze oder sonstiges Zeug, was den Menschen zugute kommen würde. In kaum näher definierten Notfällen darf der Staat weiter hemmungslos Schulden machen. Also nichts mit Aus für den Geldregen für die Banken…
Lg
Oeffinger Freidenker
Februar 13th, 2009 at 12:50
Ja, das mit dem ‘wir’ ist ein echtes Problem.
Jenseits der intellektuell-akademischen Kaffeekränzchen im Internet scheint die Mittelschicht genauso medial opiumbetäubt wie das Prekariat (übrigens mein Unwort des Jahres 2008). Ich sehe dies immer wieder in meinem eigenen Freundes- und Bekanntenkreis.
Nur die völlig fehlende Kenntnis aktueller politisch-wirtschaftlicher Zusammenhänge und Hintergründe kann den derzeitigen Aufschwung der FDP für mich erklären. Und es erschreckt schon, dass ganz allgemein Opportunisten und Vereinfacher scheinbar immer am ehesten den Geschmack des Volkes treffen.
Ist also wohl nichts mit ‘wir’.
Februar 13th, 2009 at 12:50
Ja, das mit dem ‘wir’ ist ein echtes Problem.
Jenseits der intellektuell-akademischen Kaffeekränzchen im Internet scheint die Mittelschicht genauso medial opiumbetäubt wie das Prekariat (übrigens mein Unwort des Jahres 2008). Ich sehe dies immer wieder in meinem eigenen Freundes- und Bekanntenkreis.
Nur die völlig fehlende Kenntnis aktueller politisch-wirtschaftlicher Zusammenhänge und Hintergründe kann den derzeitigen Aufschwung der FDP für mich erklären. Und es erschreckt schon, dass ganz allgemein Opportunisten und Vereinfacher scheinbar immer am ehesten den Geschmack des Volkes treffen.
Ist also wohl nichts mit ‘wir’.
Februar 13th, 2009 at 14:01
Aus Basis der aktuellen Entwicklung besteht eine große Gefahr, das es in Zukunft bezüglich neoliberaler Politik ein “Vermittlungsproblem” geben kann.
Also muss die Sache per Gesetz festgezurrt werden. Es könnte theoretisch mittel- oder langfristig eine Situation entsteht, in der die Belange der Mehrheit der Bürger dieses Landes eine Rolle spielen. Dies muss selbstredend mit allen Mitteln verhindert werden.
Februar 13th, 2009 at 14:01
Aus Basis der aktuellen Entwicklung besteht eine große Gefahr, das es in Zukunft bezüglich neoliberaler Politik ein “Vermittlungsproblem” geben kann.
Also muss die Sache per Gesetz festgezurrt werden. Es könnte theoretisch mittel- oder langfristig eine Situation entsteht, in der die Belange der Mehrheit der Bürger dieses Landes eine Rolle spielen. Dies muss selbstredend mit allen Mitteln verhindert werden.
Februar 13th, 2009 at 14:07
@10/Demokratie-ist-wichtig:
Ha. In meinem Bekannten/Freundeskreis gibt es einen studierten Volkswirt (!!), dessen Äußerungen über Wirtschaft und Politik mir wirklich die Schuhe ausziehen. An mangelnder Bildung kann es hier nicht liegen, es sei denn, er hätte sein Studium im Tiefschlaf verbracht.
Nein, der Mann ist – ebenso wie viele andere – so systematisch zum einen fehlinformiert und zum anderen auf den eigenen Vorteil geeicht worden, da helfen keine Drogen mehr. (Letzteres, weil er dann plötzlich doch sein Herz für die soziale Marktwirtschaft im ursprünglichen Sinne entdeckt, wenn es um sein eigenes Fell geht!)
Februar 13th, 2009 at 14:07
@10/Demokratie-ist-wichtig:
Ha. In meinem Bekannten/Freundeskreis gibt es einen studierten Volkswirt (!!), dessen Äußerungen über Wirtschaft und Politik mir wirklich die Schuhe ausziehen. An mangelnder Bildung kann es hier nicht liegen, es sei denn, er hätte sein Studium im Tiefschlaf verbracht.
Nein, der Mann ist – ebenso wie viele andere – so systematisch zum einen fehlinformiert und zum anderen auf den eigenen Vorteil geeicht worden, da helfen keine Drogen mehr. (Letzteres, weil er dann plötzlich doch sein Herz für die soziale Marktwirtschaft im ursprünglichen Sinne entdeckt, wenn es um sein eigenes Fell geht!)
Februar 14th, 2009 at 03:17
[...] flatter – Krisen werden verfassungsfeindlich … Stichworte „Föderalismuskommission und Schuldenbremse“ … genial eingeleitet mit der Umschreibung Taskforce zur flexiblen Nutzung des Grundgesetzes bringt der Autor nicht nur die Ergebnisse dieser „Politexperten“ zur Kenntnis, sondern bietet auch zwei Varianten für die unausweichlich zu erwartenden Konsequenzen dieser „grundgesetzlichen Sicherung einer de facto gescheiterten Ideologie“ an. Eine für Optimisten und eine für Pessimisten … nicht amüsant oder schön, aber in jedem Fall lesens- und wissenswert. [...]
Februar 14th, 2009 at 03:17
[...] flatter – Krisen werden verfassungsfeindlich … Stichworte „Föderalismuskommission und Schuldenbremse“ … genial eingeleitet mit der Umschreibung Taskforce zur flexiblen Nutzung des Grundgesetzes bringt der Autor nicht nur die Ergebnisse dieser „Politexperten“ zur Kenntnis, sondern bietet auch zwei Varianten für die unausweichlich zu erwartenden Konsequenzen dieser „grundgesetzlichen Sicherung einer de facto gescheiterten Ideologie“ an. Eine für Optimisten und eine für Pessimisten … nicht amüsant oder schön, aber in jedem Fall lesens- und wissenswert. [...]