Die Beherrschung der Begriffe ist ein wichtiges Anliegen der Ideologen, namentlich der des Neoliberalismus. Wir haben das hier bereits diskutiert, im Zusammenhang mit dem Begriff “Verantwortung” oder dem der “Freiheit”, wie die INSM sie verstehen will. Aktuell befaßt sich weißgarnix intensiv mit solcher “Freiheit”.
Es ist aber nicht nur die Besetzung der Begriffe, die die Sprache zur Waffe macht. Auch die merkwürdige Unterdrückung bestimmter Begriffe läßt aufhorchen. “Profit” wäre etwa ein solcher, der von den Marktgängigen gemieden wird wie das Weihwasser vom Teufel.
Im politischen Diskurs muß es verwundern, daß jedes Wort, das irgend etwas mit “Wirtschaft” zu tun hat, souverän in die Mikorophone salbadert wird, während das innerste Anliegen des Politischen keinen Ausdruck mehr findet. Der Begriff “Macht” wird zumeist abgehandelt, als stecke dahinter ein Phantom oder etwas ungemein Anrüchiges. Man kennt ihn aus Wortschöpfungen wie “Machthaber”, womit Despoten gemeint sind, “Machtergreifung” oder “Machtübernahme”, mit der die Nazis gemeint sind oder eben Frau Ypsilanti.
Gewaltenteilung
Nach der Macht, so scheint es, darf nicht gefragt werden. Böse Menschen üben Macht aus, gute treffen notwendige Entscheidungen. Artikel 20 GG wird gern falsch zitiert, nämlich “Alle Macht geht vom Volke aus”. Tatsächlich heißt es “alle Staatsgewalt“, womit ein feiner Unterschied markiert ist. Ich glaube nicht, daß es die Absicht der Autoren gewesen ist, diesen Unterschied in der sozialen Realität derart deutlich werden zu lassen. Wer aber dem Volk die Macht nicht zugestehen will, fordert nachgerade die Staatsgewalt heraus.
In der beherrschenden politischen Frage der letzten Jahrzehnte, der nach dem Verhältnis von Wirtschaft und Staat, wurde die Machtfrage nie so recht gestellt: Wer hat die Macht, wie wird sie genutzt, wer kontrolliert wen wie, und wie ist das Ganze legitimiert? Diese Kernfragen des Rechtsstaats sind völlig verdrängt worden vom Streit um die vorgeblich notwendigen Bedingungen, die der Staat der Wirtschaft zu erfüllen habe.
Intern hat der Staat sich durch seine Verfassung zu seiner Macht und deren notwendiger Kontrolle bekannt. Er ist in unabhängige Gewalten geteilt, die sich gegenseitig zu kontrollieren haben. Er bezieht seine Legitimation aus diesem Bekenntnis. Daß diese Macht eingeschränkt ist, bedeutet nicht, daß er irgend eine übergeordnete Macht zu dulden habe – im Gegenteil.
In der Wirtschaft und ihrem Verhältnis zum Staat herrschen andere Gesetze. Hier wurde und wird angenommen, das “freie Spiel der Kräfte” führe zu einer Art natürlicher Gewaltenteilung. Diese Rechung geht freilich schon nicht auf, wo die Kräfte sich in unangefochtenen Machtzentren konzentrieren. In dem aus dem 18. Jahrhundert stammenden Staatsmodell, auf dem auch die BRD beruht, war eine solche Ballung wirtschaftlicher Macht nicht vorgesehen. Schon im 19. Jahrhundert entstand daher mit dem Marxismus/Sozialismus ein Korrektiv, das die westlichen Staaten allerdings nur sehr mittelbar beeinflußt hat. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs schien dieses Korrektiv gänzlich zu schwinden.
Hinzu kommt, daß mit der gleichzeitigen Privatisierung der Medien und anderer ehemals hoheitlicher Aufgaben weitere Aspekte konkreter Macht aus der Obhut des Staates entlassen wurden. Diese Bereiche wurden dadurch einer wirksamen Kontrolle entzogen.
Wessen Gesetz gilt
Die Auslagerung wichtiger Kernkompetenzen hätte also ggf. kompensiert werden können, indem der Staat eine starke Kotrollfunktion gegenüber den neuen Mächten eingenommen hätte. Alternativ wäre es auch denkbar gewesen, die Macht über Infrastruktur und Medien in ein neues Konzept der Gewaltenteilung einzubeziehen.
Mit den kritischen Medien der 60er bis 80er Jahre hat sich ein solcher Effekt quasi zufällig ergeben. Vor allem Printmedien, herausragend “Der Spiegel”, ünernahmen eine wichtige Funktion öffentlicher Kontrolle. Journalisten sahen sich als Schutztruppe der Demokratie und Gegengewicht zur Hofpresse der Mächtigen.
Seitdem aber auch die Medien dem Gesetz der Gewinnorientierung unterworfen sind, hat sich dieser Effekt verkehrt, und die Kontrollfunktion der Medien ging weitgehend verloren.
Wer kontrolliert die Medien, die Großkonzerne, den Staat? Wie kann ein System sich gegenseitig kontrollierender Mächte etabliert werden, das den Realitäten des 21. Jahrhunderts gerecht wird? Dies wäre die große Aufgabe der Politik. Politik darf nicht infrage stellen, ob sie oder sonstwer die Regeln bestimmt, an denen eine Gesellschaft sich auszurichten hat. Die Abtretung der Macht an Wirtschaftsbosse und Medienkonzerne war und ist insofern ein Verstoß gegen Artikel 20 des Grundgesetzes. Hier wäre eine Verfassungsänderung nötig und völlig begrüßenswert. Es sollte wirklich heißen: “Alle Macht geht vom Volke aus”.

Januar 7th, 2009 at 03:25
Die verschleiernde Umschreibung stützt sich darauf, daß viele ‘Bürger’ nicht mehr in der Lage sind die Feinheiten der Sprache angemessen einzuordnen – das heißt jetzt nicht etwa der Verschleierung das Wort zu reden ….
Ganz im Gegenteil:
Diese “Herrschaftssprache” entlarvt sich selbst, wie es das ‘Jägerlatein’ und die ‘juristischen Floskeln’ tun: Schutzmechanismen gegen das Verstehen der wahren Absichten, Clanbildung und Barriere gegenüber dem ‘gemeinen Volk’ ….
Wer in den inneren Zirkel vorgedrungen ist faßt das hierzulande als Freibrief zum Hnadeln nach Gutdünken oder im Interesse von Geldgebern und früheren Unterstützern auf:
Bestechung, Vorteilsnahme, Lug & Trug gegenüber der Bevölkerung – Delikte die niemand mehr zuordnen kann, weil der Ausgangspunkt der heute ablaufenden Handlungen (zu) weit zurück liegt ….
Neusprech – da denken wir doch an 1984. Damals dachten die Leser tolle Fiktion – heute stellen wir mit Schrecken fest, daß die Wirklichkeit noch schlimmer ist als jede Autorenphantasie ….
Januar 7th, 2009 at 06:14
Die Macht im Kapitalismus ist immer die Macht der Kapitalbesitzer.
Was heißt “Macht”? Macht haben bedeutet, Denk- und Handlungsweisen anderer Menschen zu seinen Gunsten beeinflussen und manipulieren zu können.
Zur Macht gehört damit nicht nur die Medienherrschaft als Manipulationsmittel, sondern auch der Erlass von Gesetzen zur Steuerung des Handelns der “Untergebenen”.
Aber da die Wirtschaft eh schon fast damit fertig ist, das GG durch ihre eigene “EU-Verfassung” zu ersetzen, stellt sich die Machtfrage bald ohnehin nicht mehr. Der Wille der Wirtschaft ist bekanntlich unantastbar.
Januar 7th, 2009 at 08:13
“macht doch nichts”´mögen viele sagen, wenn mal etwas von den Verflechtungen der politisch Tätigen mit mit Bertelsmann und Co. an die Öffentlichkeit dringt.
Die Kontrollfunktion des Staates hat sich ja nicht nur nicht weiterentwickelt, sondern ist konsequent zurückgedrängt worden (was sicher nicht nur besonders deutlich bei der aktuellen Finanzkrise zu erkennen ist).
Politische Machtpositionen werden heute in der Regel und nicht nur als Ausnahme genutzt, in gut bezahlte Positionen der Privatwirtschaft schon während oder spätestens nach der Verweilzeit in einem politischen Amt zu wechseln, selbst Gewerkschaftsführer haben da schon längst keine Ehre mehr.
Die Wirtschaft hat schon längst alle Zügel (Macht) in der Hand, was Du anhand des Sprachgebrauches sehr gut beschreibst. Alles, was keinen Ertrag bringt, wird als unwirtschaftlich in die Reformschublade gesteckt und entsprechend systematisch vernichtet, mal schnell, manchmal auch eher langsam.
Trotz aller aktuellen Probleme findet in den großen Medien kein generelles Umdenken statt. Manchmal flackern einzelne Zweifel auf, aber schon gestern musste ich wieder die Fratzen von Sinn und Hüther in PlusMinus bei der ARD ertragen. Auch hier wird Macht ausgeübt und kritisches Hinterfragen systematisch verhindert, in dem man die bekannten Mietmäuler wieder die Welt erklären lässt, obwohl sie mit ihren Ansichten in der Vergangenheit völlig falsch gelegen haben. Warum lässt man hier nicht zwei konträre Meinungen zu Wort kommen und jeder kann selbst entscheiden, was er denken möchte?
Orwell war damals wirklich eine Fiktion, die einem beim Lesen als sehr unangenehm vorgekommen ist. Heute haben wir ein vielfaches dieser Fiktion im realen Leben, Großbritannien will aktuell EU-weite Online-Durchsuchungen ohne Richter, mann könnte manchmal nur noch kotzen vor soviel Machtmissbrauch.
Ich könnte jetzt auch noch viel zur Macht von einzelnen Personen in Unternehmen schreiben, die wider der Vernunft ihre Macht missbrauchen, aber ich will mir jetzt mal ein paar positive Gedanken machen….
Januar 7th, 2009 at 11:42
“Die Auslagerung wichtiger Kernkompetenzen hätte also ggf. kompensiert werden können, indem der Staat eine starke Kotrollfunktion gegenüber den neuen Mächten eingenommen hätte.”
Das ist m.E. der entscheidende Punkt.
Januar 7th, 2009 at 19:22
[...] Sprechen wir von “Macht” Die Beherrschung der Begriffe ist ein wichtiges Anliegen der Ideologen, namentlich der des Neoliberalismus. [...]
Januar 7th, 2009 at 23:06
Passt vielleicht sogar, ich bitte jedenfalls um Beachtung:
https://kritik-und-kunst.blog.de/2009/01/07/staatsanwalt-2ter-aufruf-blogosphaere-5339986
Januar 13th, 2009 at 01:08
Aus der Gewaltenteilung wird – still und leise – eine -vereinigung und somit die – unkontrolliert – wachsende Macht der Machthaber, deren Sicherheit wiederum einen Stasi-Staat bedingt.
Wenn sich die Machthaber dann noch direkt aus der Staatskasse bedienen können, dann weiß man, wohin die Entwicklung führt: Staatskapitalismus.
Alle Macht geht von den Machthabern aus.
“Wir sind das Volk” war ein schöner Traum.
Es wächst (wuchert wäre der bessere Ausdruck in diesem Fall) zusammen, was nie und nimmer zusammengehört.
Macht ist gewalttätig, letztendlich unmenschlich.
Diktatur.